Wenn nicht, dann jetzt (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 3. Auflage
240 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0394-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn nicht, dann jetzt - Edgar Rai
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Das ist kein normaler Urlaub. Das ist eine letzte Chance!

Jan Bechstein ist in der Midlife-Crisis. Als Vater einer sechzehnjährigen Tochter ist er ein Versager und als Ehemann eine Vollniete. Das liegt weder an seiner Intelligenz noch an seinem Charme, das liegt einzig und allein daran, dass er die Frau, die er bis heute liebt, vor fünfzehn Jahren hat sitzen lassen: Sergeja. Musikerin (zweites Waldhorn) und Mutter der gemeinsamen Tochter Mia. So richtig hat Jan nie begriffen, was ihn damals geritten hat, und jetzt will Sergeja wieder heiraten. Einen anderen. Und zwar in dem kleinen slowenischen Dorf, in dem damals auch sie sich das Jawort gegeben haben. Ist es zu spät? Auf nach Süden! Dorthin, wo alles begann.

Ein liebevoll chaotischer Beziehungsroman mit viel Witz, Herz und Himmelsbläue - ideale Urlaubslektüre!



Edgar Rai, 1967 geboren, hat Musikwissenschaften und Anglistik studiert. Nach und neben diversen Jobs seit 2000 freier Schriftsteller. Seit 2012 ist er Mitinhaber der Buchhandlung Uslar & Rai in Berlin.

Von ihm sind als Aufbau Taschenbücher lieferbar: 'Nächsten Sommer', 'Sonnenwende', 'Wenn nicht, dann jetzt', 'Homer für Eilige' sowie 'M.I.A. - Das Schneekind' (zusammen mit Kathrin Andres).

Mehr Informationen zum Autor unter www.edgarrai.de

1


Mit geschlossenen Augen wartete Jan, bis der letzte Akkord verklungen war. Was erstaunlich lange dauerte. Wann immer er glaubte, die Stimmen der Instrumente hätten sich verflüchtigt, kreisten doch jedesmal noch Reste von ihnen um die Kronleuchter. Er versuchte, Sergeja herauszuhören – Waldhorn –, doch darin war er nie besonders gut gewesen.

Stille. Wie in einem Sarg.

Dann klickte der Taktstock auf die Oberkante des Notenpults. Der Zauber war verflogen. Jan öffnete die Augen. Außer ihm und den beiden Technikern vorn im Parkett saß niemand im Zuschauerraum.

»Ladies and Gentlemen«, hörte er ein heiseres Krächzen, »I think we will have a short intermission.«

Jan hatte sich in die vorletzte Reihe gesetzt, dritter Platz von links. Das hatte den unbestreitbaren Vorteil, dass Sergeja den gesamten Mittelgang entlangschweben musste, um zu ihm zu gelangen. Ein großartiges Schauspiel. Wie damals. Dieses Schwebeding hatte sie echt drauf. Unter Tausenden hätte Jan diesen Gang erkannt. Die Bühnenbeleuchtung malte einen Strahlenkranz um ihren Kopf wie ihn Bernini nicht besser hinbekommen hätte, und ihre Bluse hing nicht an ihr, sie umgab Sergeja. An Jan schwebte schon lange nichts mehr. Falls ihn etwas umgab, dann war es Wehmut. Und die zog nach unten, ordentlich.

Sergeja setzte sich neben ihn, vielmehr faltete sie elegant ihr linkes Bein und ließ sich darauf nieder, bettete ihre Handtasche in den Schoß, stützte den Ellenbogen auf die Rücklehne und drehte Jan ihren Oberkörper zu. Bis zu diesem Moment hatte er noch geglaubt, Herr der Situation zu sein. Doch dann streifte ihn Sergejas Duft und katapultierte ihn fünf Monate in die Vergangenheit zurück. An diesem Tag, dem 14. Februar, hatte sie mit ihrem Orchester in Frankfurt gastiert. Anschließend waren Jan und sie essen gegangen. Und bei dieser Gelegenheit hatte Jan sich unsterblich in die Frau verliebt, die er fünfzehn Jahre zuvor hatte sitzenlassen.

»Ich dachte, wir hätten uns drüben im Café verabredet?«, sagte sie jetzt.

»Ich wollte dich spielen hören.«

»Seit wann magst du Mozart?«

Mozart. Hätte er sich denken können. Wann immer Jan etwas nicht kannte, aber sicher war, es schon tausendmal gehört zu haben, war es Mozart. »Mozart nervt«, sagte er. »Um auf den zu stehen, muss man zumindest in Österreich geboren sein. Und selbst das ist keine Garantie.«

Sergeja schenkte ihm ein Lächeln: »Ich mag Mozart, und ich bin in Slowenien geboren.«

»Hat ja auch lange genug zu Österreich gehört.«

»Bis 1918«, erwiderte sie.

Sie wollte recht haben. Jan hätte vor Glück am liebsten irgendetwas Blödes gemacht. Er liebte es, wenn sie rechthaberisch war. Es fühlte sich an, als wären sie seit hundert Jahren ein Paar und hätten sich noch immer etwas zu sagen. »Einmal k. u. k., immer k. u. k.«, entgegnete er.

Sie blickte ihn an und bereitete den Todestoß vor. »Und trotzdem wolltest du mich spielen hören.«

Er antwortete nicht. Sergeja wusste es sowieso, alles. Dass er hier saß war bereits eine Kapitulationserklärung.

Sie war barmherzig genug, das Thema zu wechseln: »Sind die etwa für mich?«

Der Blumenstrauß, der den Stuhl neben Jan einnahm, war so groß, dass es eigentlich keine Erklärung dafür gab, weshalb Sergeja ihn erst jetzt bemerkte.

Umständlich entfernte Jan die Folie. Das Geknister war bis auf den zweiten Rang zu hören. Auf der Bühne drehten sich ihnen Köpfe zu. »Ich dachte, du magst weiße Rosen …«

»Du weißt genau, dass weiße Rosen meine Lieblingsblumen sind.«

Sergeja warf einen schnellen Blick zur Bühne und legte eilig den Strauß auf den benachbarten Stuhl. Die Blüten ragten über die Sitzfläche und ließen ermattet die Köpfe hängen. »Du solltest mir keine Blumen schenken«, erklärte sie.

»Nicht der Rede wert«, wehrte Jan ab.

»Wirklich«, ihre Stimme spannte sich wie eine Violinsaite, »du solltest mir keine Blumen schenken.«

Jan wusste nichts zu erwidern. Schließlich sagte er: »Zu spät.«

»Und was soll ich mit denen machen während der Probe?«

Ihnen die Herzen rausreißen und darauf herumtrampeln, dachte Jan, sagte aber: »Ins Wasser stellen?«

Sergejas so kunstvoll gefaltetes Bein glitt lautlos vom Stuhl, ihr Oberkörper drehte sich zur Bühne, ihr Blick folgte. »Du hättest nicht kommen sollen.«

Natürlich hätte er nicht kommen sollen. Das wusste er so gut wie sie. Zumal Sergeja ihm diesen Satz neulich erst vorgesetzt hatte, nach dem Konzert in Frankfurt. Aber dass sie ihn dennoch aussprach, konnte nur eins bedeuten: Sie war sich ihrer Gefühle nicht sicher. Das Rennen war noch nicht gelaufen. Ihr Schweigen wog ebenso schicksalsschwer wie die Stille nach Mozarts Schlussakkord. Geistesabwesend nahm Jan die Klarsichtfolie, faltete sie auf ein Viertel ihrer Größe, zog mit dem Daumennagel die Falzlinie nach und trennte ein Rechteck ab. Dann begannen seine Finger, es zu falten.

Jan nickte in Richtung der Bühne. »Was wird denn heute Abend gespielt?«

In Wahrheit interessierte ihn das Programm nicht mehr als die Pollenflugvorhersage. Doch erstens wollte er Sergejas Schweigen brechen, und zweitens wusste er, dass sie für nichts mehr zu begeistern war als für ihre Musik.

»Mozart, Beethoven, Schumann.« Ihre Mundwinkel verzogen sich zu etwas, das er als Ermüdungszeichen deutete. »Das einzig Spannende an dem Programm ist unser Gastdirigent. Niemand weiß, ob er einen Einsatz gibt, ob er nur mit dem Taktstock wedelt, oder ob er gerade einen Herzinfarkt hat.«

Beide schmunzelten. Ein Aufatmen, ein Anflug von Leichtigkeit. Wie Mozart, wenn er sich ausnahmsweise sein Tutu auszog und wirklich mal Musik machte. Jan blickte auf seine Hände. Die untere Hälfte der Folie hatte sich in etwas verwandelt, das Ähnlichkeit mit einem gebauschten Rock hatte. Nicht uninteressant.

»Magst du kommen und es dir anhören?«, fragte Sergeja plötzlich. »Eine Karte hab ich noch.«

Ihr Blick schwang sich zu den gülden verzierten Brüstungen der oberen Ränge empor. Logen der Eitelkeit. Jan musste hier kein Konzert erlebt haben, um das zu wissen.

»Heute Abend?«, fragte er.

»Vielleicht erlebst du das Konzert, bei dem der große Rosenegger endlich seinen Herzinfarkt erleidet«, überlegte sie. »Das ist der Grund, weshalb seine Konzerte auf Monate ausgebucht sind: Jeder will dabei sein, wenn es passiert.«

»Leicht morbide, findest du nicht?«

»Ich glaube, er will es so.«

Selbstverständlich würde er kommen. Was konnte es Schöneres geben, als einem alten Mann mit Taktstock dabei zuzusehen, wie er seinen eigenen Herzinfarkt dirigierte, untermalt von Mozart, Beethoven und Schumann?

Doch da war etwas, das Jan zurückhielt. Eine Karte hab ich noch, hatte Sergeja gesagt, Betonung auf eine. »Wer hat denn die andere Karte?«

Jan musste sehr genau hinsehen, um die Veränderung in ihrem Gesicht zu bemerken. Sie vollzog sich subkutan.

Dann sagte sie es: »Einar.«

Einar: Ein Name wie ein Wespenstich in die Halsschlagader.

Sergeja bemühte sich, so zu tun, als sei alles wie fünf Sekunden zuvor. »Er hatte diese Woche beruflich in Berlin zu tun«, erklärte sie. »Da passte das natürlich ganz gut.«

»Natürlich«, wiederholte Jan.

Sie sah ihm offen ins Gesicht. »Das wäre doch eine gute Gelegenheit, dass ihr euch mal kennenlernt.«

Jan konnte es nicht glauben: Sie meinte das tatsächlich ernst. Ironie war noch nie ihre Stärke gewesen. Er suchte nach einer Antwort, doch für diese Situation war sein Wortschatz nicht gerüstet. Es konnte keine »gute« Gelegenheit geben, Einar kennenzulernen.

»Du weißt doch«, brachte er hervor, »ich stehe nicht auf Mozart.«

Sergeja legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Ein Gefühl, als würde jemand den Stecker ziehen. Innerhalb von Sekunden erstarb jede Gegenwehr. »Gib dir einen Schubs, ja?«, bat sie.

Wenn ich hier jemandem einen Schubs gebe, überlegte Jan, dann Einar. Er blickte zu den Musikern hinüber. Zweiter Rang wäre passend – der Schubs –, möglichst weit vorn, neben den Kontrabässen.

»Früher oder später werdet ihr euch sowieso über den Weg laufen«, warf Sergeja ein.

Ach ja? Ginge es nach Jan, hätten sie geschmeidig die nächste Eiszeit abwarten können, bevor Einar und er sich früher oder später über den Weg liefen. Noch immer verweigerte er eine Antwort.

Sergejas Hand verstärkte liebevoll ihren Druck: »Dann weiß Einar auch endlich, wer Mias leiblicher Vater ist.«

Jan hätte den Rosen am liebsten die Köpfe abgebissen. Hektisch friemelten seine Finger an der Folie herum. Dem gebauschten Rock von vorhin waren inzwischen Flügel gewachsen. Und offenbar war es kein Rock, sondern ein Kleid. Wenn Sergeja wenigstens nicht ständig seinen Namen aussprechen würde: Einar! Und was, bitte, sollte »leiblicher« Vater bedeuten? Dass es noch einen anderen gab? Dass fucking Einar neuerdings die Rolle des nicht-leiblichen Vaters übernahm?

Und wie kam sie auf »endlich«? Sergeja hörte sich an, als seien Einar und sie bereits seit Jahren ein Paar. Dabei konnten sie noch nicht lange zusammen sein. Jan hatte ihn gegoogelt: Dr. Einar Schmähling, Richter am Bundesgerichtshof, Mitglied des Großen Senats für Zivilsachen – was immer das bedeutete –, Honorarprofessor...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2012
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alte Liebe • Beziehung • Erste Liebe • Familie • Familienleben • Humor • Komödie • Liebe • Pupertät • Roadtrip • Roman • Sehnsucht • Slowenien • Sommer • Suche nach Liebe • Unterhaltung • Urlaub • Vater
ISBN-10 3-8412-0394-9 / 3841203949
ISBN-13 978-3-8412-0394-6 / 9783841203946
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