Die Kastratin (eBook)

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2012 | 1. Auflage
512 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-41488-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kastratin -  Iny Lorentz
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Die junge Giulia, Tochter des Kapellmeisters Fassi aus Salerno, hat nur einen brennenden Wunsch: Sie möchte im Chor ihres Vaters singen, denn sie hat eine wunderschöne Stimme. Doch im Italien der Renaissance ist den Frauen das Singen in der Kirche verwehrt. Ein Zufall gibt Giulia die Chance, ihren größten Traum zu verwirklichen, doch sie zahlt einen hohen Preis dafür, denn fortan muss sie als Kastrat verkleidet durch die Lande ziehen...

Iny Lorentz ist das Pseudonym des Autorenpaars Iny Klocke und Elmar Wohlrath. Ihr größter Erfolg 'Die Wanderhure' erreichte ein Millionenpublikum und wurde ebenso wie fünf weitere ihrer Romane verfilmt. Außerdem wurde dieser Roman für das Theater adaptiert. Seit der 'Wanderhure' folgt Bestseller auf Bestseller. Viele ihrer Romane wurden zudem ins Ausland verkauft. Neben anderen Preisen wurde das Autorenpaar mit dem 'Wandernden Heilkräuterpreis' der Stadt Königsee ausgezeichnet und in die 'Signs of Fame' des multikulturellen und völkerverbindenden Friedensprojekts »Fernweh-Park« aufgenommen. Besuchen Sie auch die Homepage der Autoren und ihren Facebook-Auftritt: www.inys-und-elmars-romane.de www.facebook.com/Inys.und.Elmars.Romane

Iny Lorentz ist das Pseudonym des Autorenpaars Iny Klocke und Elmar Wohlrath. Ihr größter Erfolg "Die Wanderhure" erreichte ein Millionenpublikum und wurde ebenso wie fünf weitere ihrer Romane verfilmt. Außerdem wurde dieser Roman für das Theater adaptiert. Seit der "Wanderhure" folgt Bestseller auf Bestseller. Viele ihrer Romane wurden zudem ins Ausland verkauft. Neben anderen Preisen wurde das Autorenpaar mit dem "Wandernden Heilkräuterpreis" der Stadt Königsee ausgezeichnet und in die "Signs of Fame" des multikulturellen und völkerverbindenden Friedensprojekts »Fernweh-Park« aufgenommen. Besuchen Sie auch die Homepage der Autoren und ihren Facebook-Auftritt: www.inys-und-elmars-romane.de www.facebook.com/Inys.und.Elmars.Romane

Erster Teil
  


Die Verwandlung

I.


Ihre Wangen brannten von den Ohrfeigen ihrer Mutter, und in ihren Augen standen Tränen. Dennoch warf Giulia den Kopf in den Nacken und schob trotzig ihr Kinn vor. Nie, niemals würde sie verstehen, warum es Sünde sein sollte, die Lieder zu singen, die der Knabenchor oben in der Abtei fleißig einübte.

Meist war sie vorsichtig und sang nur, wenn sie sich allein wähnte oder ihr Vater es ausdrücklich erlaubte. An diesem Morgen jedoch waren ihr ein paar Takte jener wunderbaren Melodie über die Lippen gekommen, die sie beim letzten ihrer heimlichen Ausflüge erlauscht hatte und die seitdem wie ein Echo in ihrem Kopf widerhallte. Sie hatte geglaubt, niemand würde sie hören, da ihre Mutter schon seit Tagen krank im Bett lag. Zu ihrem Pech war die Mutter gerade hinter ihr aus der Tür getreten und hatte alles mit angehört.

Zur Strafe musste Giulia anstelle der Magd die Wäsche auf den Bleichanger tragen und dort ausbreiten. Der schwere Korb zerrte so an ihren Armen, dass sie ihn am liebsten fallen gelassen hätte. Doch sie dachte an das Strafgericht, das ihre Mutter auf sie niederprasseln lassen würde, und schleppte die Last, die für ein Mädchen von elf Jahren viel zu schwer war, weiter die schmale Treppengasse hinab, vorbei an den kleinen, aus Bruchsteinen errichteten Häusern, aus denen es sauer roch.

Sie sehnte Assumpta herbei, die die Wäsche gern selbst zum Bleichanger getragen hätte. Mehr als einmal hatte die alte Magd ihrer Mutter Vorhaltungen gemacht, weil diese ihrem Kind viel zu schwere Lasten aufbürdete. Die Mutter war jedoch der Meinung, sie könne ihrer Tochter nur mit harter Arbeit das Singen abgewöhnen und sie auf den Pfad der Tugend zurückführen. Giulia verstand ihre Mutter nicht, denn sie fühlte sich so unschuldig wie ein Engel im Himmel. Was konnte sie dafür, dass die Lieder, die die Chorknaben so mühsam einstudierten, in ihrem Gedächtnis haften blieben, selbst wenn sie sie nur ein einziges Mal gehört hatte?

Als sie die Piazza Vendetti erreichte, drehte sie sich um und blickte sehnsüchtig zum Kloster des heiligen Ippolito hoch, das majestätisch auf dem mit Olivenbäumen bewachsenen Hügel thronte. Es war ihr, als könne sie die Stimmen der Sängerknaben vernehmen, die um diese Stunde dort oben probten. Am liebsten wäre sie auf der Stelle hochgelaufen, hätte sich in ihr Versteck bei dem kleinen Fenster gedrückt und den Übungen zugehört. Unwillkürlich fragte sie sich, ob schon das Belauschen der Sänger eine Sünde war.

Nach kurzer Überlegung tat sie den Gedanken ab. Die Chorknaben von Saletto sangen jeden Sonntag in der Kirche, und da musste sie ihnen ja zuhören. Die sonntäglichen Lieder hätte sie alle im Schlaf singen können, so langweilten sie sie. Viel interessanter war es, zu verfolgen, wie die Jungen die neue Messe einstudierten, die sie am Festtag des Namenspatrons singen sollten. Giulia träumte sogar schon von den ersten Strophen des Soloparts, den Ludovico vortragen würde, und sie ertappte sich auch jetzt wieder dabei, wie sie die ersten Takte vor sich hin summte.

Sofort presste sie die Lippen zusammen und sah sich um. Es gab genügend Nachbarinnen, die ihrer Mutter hinterbringen würden, dass sie nicht die Kinderlieder trällerte, die Mädchen wie ihr gerade noch erlaubt waren, sondern wieder jene Melodien von sich gab, die nur von Knaben und Männern zum allerhöchsten Ruhme Gottes intoniert werden durften.

»Es ist eine Gemeinheit, dass ich ein Mädchen und kein Junge bin«, schimpfte sie leise vor sich hin. »Immer heißt es, das schickt sich nicht, und jenes darfst du nicht …« Wütend stapfte sie weiter, bis das Gewicht des Korbes sie zwang, ihn auf einem Mauervorsprung abzusetzen.

In dem Moment tauchte die alte Nachbarin Lodrina neben ihr auf. Mit ihrer schwarzen Witwenkleidung und ihren nickenden Bewegungen ähnelte sie einem Raben, zumal ihre Nase wie ein scharfer Schnabel vorstieß. Sie grüßte Giulia mit hinterhältiger Freundlichkeit und entblößte dabei ihre gelben Zahnstummel. »Du bringst das Leinen zum Bleichen? Das ist aber brav von dir.«

»Ich muss mich sputen, Lodrina. Ich bin schon spät dran.« Giulia holte tief Luft, hob den Korb an und schleppte ihn schnell weiter, bevor die Frau ihr ein Gespräch aufdrängen konnte. Sie mochte Lodrina nicht, denn die Alte schlich sich oft lautlos an sie heran, und wenn sie Giulia singen hörte, verpetzte sie sie bei ihrer Mutter. Die beiden waren sich einig, dass ein Mädchen, das heilige Lieder sang, gegen Gottes Gebot verstieß. Lodrina hatte Giulia schon vor aller Leute Ohren als Hexe beschimpft und behauptet, eines Tages würde sie wegen ihres Gesangs auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden und auf ewig im Feuer der Hölle schmoren. Seitdem träumte Giulia nachts von Flammen, die sie verzehrten, und wachte oft weinend auf.

Sie schüttelte sich, um die Bilder aus ihren Albträumen zu verscheuchen, die auch jetzt wieder in ihr aufstiegen, zwängte sich durch die kleine Pforte in der Stadtmauer und eilte zu dem Anger, den die Frauen der kleinen Stadt zum Bleichen der Wäsche nutzten. Zu ihrem Pech waren die besten Stellen bereits belegt, und sie musste bis zum Fuß des Burgbergs hochsteigen, um genügend freien Platz zu finden.

Die Burg und das Kloster waren die beiden Pole, zwischen denen sich das Leben in Saletto abspielte. Oben in der Burg, die längst keine Befestigung mehr war, sondern ein prunkvoller Palast, residierte Graf Gisiberto Corrabialli als weltlicher Herr der Stadt und ihrer Bewohner. Über die Seelen der Menschen aber wachten die Mönche des Klosters im Auftrag des Abtes Francesco della Rocca.

Während Giulia mit einer flinken Bewegung das erste Laken aufschlug und ausbreitete, versuchte sie, sich die Gesichter der beiden Männer vorzustellen, mit denen ihr Leben so eng verflochten war. Sie konnte sich nicht so recht an sie erinnern. Das mochte daran liegen, dass die beiden Herren höchstens ein- oder zweimal im Jahr nach Saletto kamen. Die meiste Zeit weilten sie in Rom, wo sie ehrenvolle Aufgaben am Hofe des Heiligen Vaters zu erfüllen hatten. Giulias Vater Girolamo Fassi, der Graf Gisiberto als Kapellmeister und Hofkomponist diente, sah seinen Herrn auch nicht häufiger als die anderen. Zu seinem Kummer musste er in Saletto bleiben und war als Pater Lorenzos Korepetitor für die Gesangsausbildung des klösterlichen Knabenchors mitverantwortlich.

Die ersten Lieder hatte Giulia von ihrem Vater gelernt, kaum dass sie laufen konnte, und schon mit fünf Jahren hatten ihr die einfachen Kinder- und Volksweisen nicht mehr gereicht. So hatte sie begonnen, die weitaus komplizierteren Gesänge der Chorknaben nachzuahmen. Zunächst hatten die Erwachsenen sich darüber amüsiert und sie sogar noch angefeuert. Bald aber verbot die Mutter ihr jeglichen Gesang und zankte sich mit dem Vater, wenn dieser ihr erlaubte, weltliche Lieder vorzutragen.

Giulia brachte es nicht fertig, der Mutter zu gehorchen. Es war, als ersticke sie, wenn sie nicht singen konnte. Vorsichtig sah sie sich um und stellte erfreut fest, dass sie allein war. Jetzt konnte sie den Tönen, die sich in ihrer Kehle ballten, freien Lauf lassen. Der Solopart der neuen Messe war einfach wundervoll. Sie hatte die Strophen erst einmal gehört, als Ludovico, der vielgerühmte Solosänger des Knabenchors, sie Pater Lorenzo vortrug, war sich jedoch sicher, dass sie sie mindestens ebenso gut singen konnte wie dieser grobe Lümmel.

Selbstvergessen ließ Giulia Strophe für Strophe aus ihrer Kehle aufsteigen. Es war, als bildeten die Töne eine Leiter zum Himmel, auf der sie mit der Leichtigkeit eines Engels hinaufsteigen konnte. Sie war so vertieft, dass sie den Jungen gar nicht wahrnahm, der mit einem Chorhemd der Sängerknaben bekleidet vom Kloster herabstieg und eben zur Mühle abbiegen wollte. Als er Giulias Stimme vernahm, blieb er stehen, zog die Stirn kraus und ballte die Fäuste. Dann huschte ein verschlagener Ausdruck über sein pausbäckiges Gesicht. Leise schlich er zum Bach, holte eine Hand voll Schlamm heraus und schleuderte ihn Giulia ins Gesicht.

Sie brach mitten in einem Triller ab, spie den Dreck aus und hörte den Jungen hämisch lachen. »Ludovico, das wirst du bereuen!« Sie bückte sich nach einem Stein.

Der Junge warf eine zweite Hand voll nach ihr. Giulia wich aus und schrie entsetzt auf, denn der Schmutzbatzen war auf dem besten Laken ihrer Mutter gelandet. Für einen Moment schwankte sie zwischen dem Wunsch, es dem Knaben heimzuzahlen, und der Pflicht, den Dreck auszuwaschen, bevor er eintrocknen konnte. Sie dachte an die Schläge, die sie bekommen würde, wenn sie mit dem schmutzigen Laken heimkam, raffte das Tuch an sich und eilte zum Bach hinab, ohne Ludovico eines weiteren Blickes zu würdigen.

Der Junge kam ihr nach und sah hämisch grinsend zu, wie sie sich abmühte. »Du hast eine Stimme wie ein Reibeisen, Giulia. Kein Wunder, dass Frauen keine heiligen Lieder singen dürfen. Was du da tust, ist eine ganz schwere Sünde. Pater Lorenzo sagt, dass der heilige Apostel Paulus den Frauen verboten hat, zu singen. Weiber müssen in der Kirche den Mund halten. Das hat er an die Korinther geschrieben, so steht es in der Heiligen Schrift. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich davon abgehalten habe, weiter gegen Gottes Gebot zu verstoßen.«

Wütend musterte Giulia ihren Peiniger. Ludovico war der einzige einheimische Knabe, der die Gnade erlangt hatte, in den Chor von Saletto einzutreten. Die anderen Sängerknaben waren von Pater Lorenzo ausgewählt worden, der im Auftrag des Abtes in ganz Umbrien nach den besten Stimmen gesucht hatte. Da Ludovico aus Saletto stammte, war er so etwas wie der Liebling des...

Erscheint lt. Verlag 3.2.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Gesang • Italien • Musik • Ranaissance • Starke Frauen
ISBN-10 3-426-41488-0 / 3426414880
ISBN-13 978-3-426-41488-0 / 9783426414880
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