Macho Man (eBook)

Roman
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2009 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30048-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Macho Man -  Moritz Netenjakob
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Von den 68ern erzogen, lebte er dreißig Jahre als Weichei. Jetzt verliebt er sich in eine Türkin. Aber wie überlebt ein Frauenversteher in einer Welt voller Machos? Daniel, Anfang 30, ist gerade verlassen worden. Um die Trennung zu verdauen, fliegt er in die Türkei, wo sein bester Freund Mark als Animateur arbeitet. Dort passiert ein Wunder: Die bezaubernde Aylin, in die der ganze Club verliebt ist, interessiert sich für ihn. Den Schattenparker. Daniel schwebt im siebten Himmel. Wird aber sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als er, zurück in Deutschland, Aylins türkische Großfamilie kennenlernt. Soll er nach dem Essen bei den Schwiegereltern in spe spülen helfen? Über Griechen-Witze lachen? Und was tun, als er ins Männercafé eingeladen wird und dann auch noch in die türkische Disco?Moritz Netenjakob zündet in seinem rasanten Comedyroman ein Gagfeuerwerk ohnegleichen - kein Wunder, das Thema ist ein Kracher: Was wollen Frauen wirklich? Beziehungsweise: Wie verhält man sich als Frauenversteher, wenn man sowohl seine Traumfrau respektvoll behandeln als auch vor der türkischen Großfamilie nicht wie ein Waschlappen dastehen will?

Moritz Netenjakob, geboren 1970, ist einer der gefragtesten deutschen Comedy-Autoren. Er schreibt Fernsehserien wie »Anke«, »Dr. Psycho«, »Stromberg« und war Chefautor von »Wochenshow« und »Switch« und erhielt 2006 den Grimme-Preis. Seine Romane »Macho Man« und »Der Boss« standen monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste und begeisterten Hunderttausende Leser.

Moritz Netenjakob, geboren 1970, ist einer der gefragtesten deutschen Comedy-Autoren. Er schreibt Fernsehserien wie »Anke«, »Dr. Psycho«, »Stromberg« und war Chefautor von »Wochenshow« und »Switch« und erhielt 2006 den Grimme-Preis. Seine Romane »Macho Man« und »Der Boss« standen monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste und begeisterten Hunderttausende Leser.

4


Ich bin der Lieblingspatient der türkischen Hotelkrankenschwester Nursel, denn mit blauen Flecken und einer dicken Beule am Kopf bin ich immer noch cooler als die beiden Alkoholleichen neben mir. Nursel erklärt mir, dass in der Hauptsaison in All-inclusive-Hotels mindestens drei Alkoholvergiftungen am Tag üblich sind. Die Hitliste wird von den Engländern angeführt, dicht gefolgt von uns Deutschen. Ich hätte die Iren auf Platz eins erwartet, aber die sind wahrscheinlich schon zu besoffen, um in den Flieger zu steigen.

Nursel ist Mitte zwanzig und hat ihre Haare zu zwei süßen Zöpfen geflochten. Sie ist eine von diesen dunklen Türkinnen aus der Osttürkei, die eine geheimnisvolle exotische Ausstrahlung haben – noch vor einem Tag hätte ich in ihrer Gegenwart kein Wort rausgebracht, aber jetzt plaudere ich total locker mit ihr. Wenn ich total locker mit einer Frau rede, dann hat das immer nur eine Ursache: Ich will nichts von ihr.

Warum will ich nichts von einer attraktiven exotischen Krankenschwester? Weil mein Herz sich schon gestern für Aylin entschieden hat. Toll: Den Frauen, von denen ich nichts will, zeige ich meine Schokoladenseite, und den Frauen, die ich erobern möchte, präsentiere ich mich als nervliches Wrack … Das ist doch total bescheuert! Danke, Gott[1], das hast du wirklich super hingekriegt. Okay, dass ich keinen Waschbrettbauch habe und mein Bizeps gerade mal dazu reicht, ein Ice Age-Poster aufzuhängen – das nehme ich auf meine Kappe. Ich mache nun mal nicht gerne Hanteltraining – zumal ich im Kraftraum eines Fitness-Studios auf genau die Leute treffe, die mir früher in der Schule mit Edding Penisse in meine Kafka-Bücher gemalt haben. Aber warum zum Teufel bin ich nur dann locker, wenn ich’s überhaupt nicht brauche? Das ist doch ein klarer Schöpfungsfehler!

Übrigens, die Alkoholleichen neben mir entsprechen exakt der Statistik: ein Engländer und ein Deutscher. Das Lustige ist, dass bei Engländern die Alkoholvergiftung fast immer mit heftigen Verbrennungen einhergeht, sodass man den Geruch in der Krankenstation auch für mit Cognac flambiertes Rinderfilet halten könnte. Eigentlich schade, dass der englische Patient komplett einbandagiert ist (fast so wie im gleichnamigen Film) – so kann ich nicht sagen, ob seine Haut karmin-, krebs- oder rubinrot ist.

Im Gegensatz zum Engländer, der im Halbschlaf unablässig das Wort »Fuck« wie ein Mantra vor sich hin murmelt, ist der deutsche Patient bei Bewusstsein – leider. Denn es ist der Typ von der Deutschen Vermögensberatung, der, wie sich herausstellt, aufgrund seiner Alkoholexzesse vergessen hat, meinen Auslandskrankenversicherungsantrag wegzuschicken. Er tröstet mich damit, dass Post aus der Türkei sowieso eine Woche unterwegs ist und ich heute eh noch keinen Versicherungsschutz hätte.

Ich denke kurz darüber nach, ob es durch meine Haftpflicht abgedeckt wäre, wenn ich jetzt Eierlikör in seine Infusionsflasche füllen und ihm ein Antragsformular für eine Sterbeversicherung ins Maul stopfen würde – schäme mich aber augenblicklich für diese Phantasie[2], denn schließlich haben mich meine Eltern zur Gewaltlosigkeit erzogen. Wobei man das Prinzip der Gewaltlosigkeit ernsthaft infrage stellt, wenn man von einem volltrunkenen Vermögensberater kurz vor dem Delirium mit den Vorzügen der privaten Altersvorsorge zugelallt wird.

Ich rate ihm, für seine persönliche Altersvorsorge am besten auf eine neue Leber zu sparen, und verlasse mein Bett. Auf dem Flur der Hotelarztpaxis wird mir das nächste Alkohol-Opfer entgegengetragen. Sprechen kann er nicht mehr, aber Sachsen können ihren Dialekt selbst beim Stöhnen nicht verbergen. Zwei zu eins für Deutschland – hurra!

 

Schwester Nursel gibt mir zwei Aspirin gegen die Schmerzen mit auf den Weg und empfiehlt mir Ruhe. So liege ich den gesamten Nachmittag auf meinem Zimmer und kann mich erneut davon überzeugen, dass Sat.1 und RTL ihre Zuschauer für hirnamputierte Schwachköpfe halten, während MTV und VIVA softpornoartige Hip-Hop-Videos zeigen, die den altersbedingten Hormonstau ihrer Zielgruppe in medizinisch bedenkliche Bereiche treiben. Die ARD analysiert mit leeren Worthülsen die leeren Worthülsen eines SPD-Parteitags, und das ZDF kommt bei »Leute heute« seiner öffentlich-rechtlichen Informationspflicht nach, indem es uns über den neuen Brustumfang von Brigitte Nielsen in Kenntnis setzt. Lediglich 3sat rettet ansatzweise das Niveau – mit einem Bericht über die unterschätzte Gefahr durch Getreideschimmelkäfer.

Schließlich lande ich bei KRAL, einer Art anatolischem MTV, wo ein türkischer Macho, der offensichtlich von seiner Freundin verlassen wurde, seinen Gefühlen in einer arabesken Jodelarie freien Lauf lässt. Dabei wirft er sich theatralisch auf den Boden, wird von mehreren Autos überfahren, steht wieder auf, reißt sich die Fetzen seines T-Shirts von der Brust, jammert weiter und wird schließlich erneut überfahren, nur um auch dieses Mal heldenhaft wieder aufzustehen und das Lied mit einem markerschütternden Stoßseufzer zu beenden. Eigentlich sehr gelungener Slapstick, aber wahrscheinlich gilt es in der Türkei als besonders männlich, mit nacktem Oberkörper von Autos überfahren zu werden. Ich sollte das auch mal machen, dann könnte ich gleichzeitig meine gescheiterte Beziehung verarbeiten und Aylin beeindrucken. Aylin – ich muss sie sehen. Sofort. Mir ist egal, was sie denkt. Es ist sowieso hoffnungslos. Ich ziehe mir eine lange Leinenhose und ein langärmliges T-Shirt an, sodass meine blauen Flecken einigermaßen kaschiert sind. Am Pool treffe ich Mark.

»Ey, Mark, alte Stinknase, was geht panikmäßig ab?«

»Daniel, ey, dübndüdüüü … äh, haha, das machen wir immer, wir, äh, das ist so ein Quatsch zwischen uns.«

Mark will gerade mit mehreren Frauen zum Tennis gehen. Da ist es ihm peinlich, Udo Lindenberg zu imitieren. Verräter. Ich ziehe ihn beiseite.

»Sag mal, hast du Aylin gesehen?«

»Ich hab doch gesagt, vergiss sie.«

»Hab ich ja auch. Aber jetzt ist sie mir wieder eingefallen.«

»Bitte – wenn du dich unglücklich machen willst: Sie ist im Amphitheater und übt mit den Kindern Discotänze.«

 

Das Amphitheater ist natürlich nicht antik, sondern von Hotel-Architekten entworfen – aber mit Stil: die Bühne nach hinten offen, mit dem Meer als natürlicher Kulisse. Aylin tanzt gerade direkt vor der untergehenden Sonne einer Horde von Drei- bis Zehnjährigen ein paar einfache Discoschritte vor – genug, um zu sehen, dass sie ihren Körper sehr elegant bewegen kann. Da sieht sie mich und winkt. Ich schaue mich um, um sicherzugehen, dass sie wirklich mich meint. Ich kontrolliere das immer, seit ich in der 11. Klasse einmal Gaby Haas zurückgewunken habe, obwohl sie eigentlich Christoph Berger gegrüßt hatte, der hinter mir stand. Um die peinliche Situation zu überspielen, bin ich dann wie Otto Waalkes mit einem »Jaaaaa – hollerähitiii« weggehüpft. Schon in dem Moment habe ich gemerkt, dass das noch peinlicher war, aber ich konnte mich nicht mehr stoppen. Eine absolut traumatische Erfahrung – auch wenn mein Vater das nicht so schlimm fand. Klar, in seiner Kindheit war der Krieg. Und objektiv gesehen ist es natürlich schlimmer, Bombenangriffe zu erleben, als sich vor Gaby Haas zu blamieren. Aber was ich persönlich als traumatisch empfinde, ist immer noch meine Sache.

Aylin meint wirklich mich. Sie winkt mich zu sich. Ich gehe. Oder besser: Ich schwebe. Und diesmal stürze ich nicht. Na bitte.

»Hey, Daniel, willst du auch mittanzen?«

Aylin lächelt mir zu. Ich brauche etwas zu lange, um die Information zu verarbeiten: Sie will, dass ich tanze. Ich will sie beeindrucken. Tanzen und Aylin beeindrucken – das geht definitiv nicht gleichzeitig.

»Klar, tanzen. Warum nicht?«

Wieso mache ich mir eigentlich Gedanken, wenn ich dann eh immer irgendeinen Mist sage? Aylin fordert mich auf. Ich scanne kurz meine tänzerischen Möglichkeiten ab. Ich habe zwei zur Auswahl:

  • 1.

    pseudo-cool verkrampft,

  • 2.

    relativ locker, aber wie Udo Lindenberg.

Während ich noch intensiv die eine gegen die andere Möglichkeit abwäge, merke ich, dass sich meine Gesichtsmimik schon für Udo Lindenberg entschieden hat – und der Körper folgt. Die Kinder lachen. Aylin lacht. Vielleicht findet sie mich nicht besonders sexy, aber sympathisch findet sie mich schon. Glaube ich. Wenige Minuten später tanzen alle Kinder wie Udo Lindenberg – sogar englische und russische.

Als die Kinder von ihren Eltern abgeholt werden, muss ich einem fassungslosen englischen Vater erklären, dass seine Tochter nicht von einer spontanen Bewegungsstörung heimgesucht wurde, sondern eine deutsche Rocklegende imitiert – sogar erstaunlich perfekt für eine Sechsjährige. Etwas mehr Probleme habe ich mit der Übersetzung von »Dübndüdüüü« in die englische Sprache.

»So what does it mean – ›dubnduduuu‹?«

»You mean ›Dübndüdüüü‹?! Well, it’s not really a word. It’s äh …«

»It’s not some Nazi thing, is it?!«

»No, no, no!!!...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2009
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Comedy-Roman • Deutsch • Deutsch-Türkisch • Familie • Film • Frauenversteher • Frauen-Versteher • Humor • Kiepenheuer & Witsch • Kultur • Liebe • Moritz Netenjakob • Roman • spiegel bestseller • Türkisch
ISBN-10 3-462-30048-2 / 3462300482
ISBN-13 978-3-462-30048-2 / 9783462300482
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