Handbuch für die Verwalterpraxis (eBook)
612 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-18184-3 (ISBN)
Peter-Dietmar Schnabel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Er berät Hausverwalter, Wohnungseigentümer und Beiräte beim Haus- und Grundbesitzerverein Freiburg.
Peter-Dietmar Schnabel Peter-Dietmar Schnabel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Er berät Hausverwalter, Wohnungseigentümer und Beiräte beim Haus- und Grundbesitzerverein Freiburg.
2.1 Was bedeutet Rechtsfähigkeit?
Jeder kennt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die GmbH ist das Paradebeispiel eines Zusammenschlusses von Personen, um wirtschaftlich gemeinsam tätig zu sein, ohne dass die einzelnen Mitglieder, die Gesellschafter, nach außen in Erscheinung treten. Die GmbH hat nach den gesetzlichen Regelungen eine eigene Rechtspersönlichkeit – sie ist rechtsfähig. Das bedeutet, dass sie unabhängig von dem Bestand ihrer Mitglieder Verträge schließen kann. Die Verträge kommen dabei nur mit der Gesellschaft zustande, nicht mit den einzelnen Gesellschaftern.
Die einzelnen Gesellschafter, die die GmbH bilden, können aus der Gesellschaft ausscheiden und neue Gesellschafter hinzukommen; die GmbH, die mit anderen Personen oder Firmen Verträge geschlossen hat, bleibt rechtlich immer dieselbe. Das funktioniert deshalb, weil die GmbH über ein eigenes Vermögen verfügt, das vom privaten Vermögen der einzelnen Gesellschafter völlig getrennt existiert.
Genauso verhält es sich auch mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Zweck der Wohnungseigentümergemeinschaft ist jedoch nicht – wie bei einer GmbH – der Betrieb eines Unternehmens mit dem Ziel, Gewinne zu maximieren. Ihr Zweck beschränkt sich darauf, die Bewirtschaftung, Instandhaltung, aber auch die Modernisierung und Werterhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sichern. Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nun nicht mehr beschränkt auf den Zweck der Verwaltung des gesamten gemeinschaftlichen Eigentums. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann vielmehr grundsätzlich in allen Bereichen selbst Verträge schließen und Ansprüche aus diesen Verträgen geltend machen. Sie ist nicht nur teilrechtsfähig, sondern wie eine juristische Person in vollem Umfang rechtsfähig. Alle Kompetenzen des alten teilrechtsfähigen Verbands sind nach wie vor vorhanden. Es kommen jedoch noch zahlreiche weitere Aufgaben- und Verantwortungsbereiche hinzu. Das ändert natürlich nichts daran, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich dafür da ist, ihre zentralen Aufgaben zu erfüllen:
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die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
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die Verwaltung des Gemeinschaftsvermögen,
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die Ausübung und Wahrnehmung von Rechten und Pflichten der Gemeinschaft.
Beschlüsse, die über diese Bereiche hinausreichen, dürften zwar in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, dennoch ist eine Beschlusskompetenz nicht in jedem Fall ausgeschlossen.
Beispiel
Schließt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Händler einen Kaufvertrag über 5.000 Liter Heizöl für die gemeinschaftliche Zentralheizung ab, kann nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Lieferung des Heizöls verlangen. Dieser Anspruch steht nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zu.
Das gilt auch dann, wenn die Müllentsorgung in der Gemeinde durch einen öffentlich-rechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang geregelt ist, die eigentliche Müllentsorgung aber von einer Privatfirma durchgeführt wird. Nehmen die Mitglieder der Gemeinschaft die Müllentsorgung auch ohne vorherige Anmeldung in Anspruch, kommt durch dieses Verhalten ein Entsorgungsvertrag zwischen der Gemeinschaft und der privaten Entsorgungsfirma zustande.
Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Verträge abschließt, bestehen diese also nicht zwischen den Miteigentümern einerseits und einem Unternehmer oder Händler andererseits. Vertragspartner des Unternehmers oder Händlers ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Rechtspersönlichkeit. Das bedeutet, auch sie können sich mit ihrer Forderung nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer halten. Ihm haftet die Gemeinschaft als eigene Rechtspersönlichkeit mit dem Gemeinschaftsvermögen. Die Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer besteht zwar neben der Gemeinschaft, aber nur in Höhe ihres jeweiligen Miteigentumsanteils und nicht für den gesamten Forderungsbetrag (siehe Kapitel 2.6.2).
Sollte ein Wohnungseigentümer dennoch einmal wegen einer Abgabenschuld der Gemeinschaft als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, hat er einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Gemeinschaft. Das gilt selbst dann, wenn nicht mit Sicherheit geklärt ist, ob seine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme rechtlich berechtigt war.
Der Verwalter als handelndes Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft
Um zum Beispiel Verträge zu unterzeichnen oder eine Kündigung auszusprechen, bedarf es eines Menschen aus Fleisch und Blut. Die Rolle des ausführenden Werkzeugs für die Wohnungseigentümergemeinschaft in der realen Welt kommt dem Verwalter zu. Er ist das Organ, das die erforderlichen Handlungen vollzieht. Wenn der Verwalter für die Gemeinschaft handelt, muss er das eindeutig tun. Achten Sie daher darauf, dass Sie für die »Wohnungseigentümergemeinschaft« handeln und nicht, wie früher, für die »Wohnungseigentümer«.
Ein kleiner, aber feiner Unterschied: Denn wenn Sie Verträge für die Gemeinschaft abzuschließen haben, sind Sie nicht berechtigt, im Namen der einzelnen Eigentümer zu handeln. Sie haben dann nur die rechtliche Befugnis, die Gemeinschaft zu verpflichten. Schließen Sie einen Vertrag trotzdem »im Namen der Wohnungseigentümer«, handeln Sie als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Ein Vertrag kommt dann nicht wirksam zustande:
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Der, für den Sie handeln dürfen, wird nicht verpflichtet, denn für die Gemeinschaft haben Sie in diesem Fall keine Erklärung abgegeben.
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Die, für die Sie tatsächlich handeln, die einzelnen Wohnungseigentümer, haben Sie dazu nicht bevollmächtigt.
Zwar kann die Gemeinschaft einen so zustande gekommenen Vertrag nachträglich genehmigen. Kam es dem Vertragspartner aber darauf an, mit den Wohnungseigentümern und nicht mit der Gemeinschaft einen Vertrag zu schließen, wird er sehr wahrscheinlich wenig erfreut reagieren: Schadensersatzansprüche gegen Sie als Vertreter ohne Vertretungsmacht können die Folge sein.
Die Gemeinschaft ist Kontoinhaber
Tritt die Gemeinschaft als Auftraggeber nach außen auf, muss sie selbstverständlich auch die Zeche zahlen. Aber woher soll sie die erforderlichen Gelder nehmen? Die Gemeinschaft muss mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden. Zur Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört daher auch die Verfügungsbefugnis über das Verwaltungsvermögen (§ 9a Abs. 3 WEG). Die gemeinschaftlichen Konten für das Hausgeld oder die Erhaltungsrücklage gehören nur der Gemeinschaft: Kontoinhaber sind nicht viele einzelne Wohnungseigentümer – es gibt nur einen Kontoinhaber, und das ist die Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft kann klagen und verklagt werden
Als Inhaber von Rechten und Pflichten, zum Beispiel aus von ihr geschlossenen Verträgen, kann die Gemeinschaft von Wohnungseigentümern klagen oder verklagt werden (§ 9a Abs. 1 WEG). Kläger oder Beklagte sind wiederum nicht die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern die Gemeinschaft als solche. Auch hier ist wieder der Verwalter das handelnde Organ der Gemeinschaft (§ 9b Abs. 1 WEG): Er ist für die Entgegennahme der Klage ebenso zuständig, wie, nach entsprechendem Beschluss, für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Klageerhebung.
Die Gemeinschaft führt einen eigenen Namen
»Villa Kunterbunt«, »Zur schattigen Pinie« oder »Hexenhaus« machen sich zwar ganz gut in der Adresse auf dem Briefpapier, als Namen einer Wohnungseigentümergemeinschaft taugen sie aber nicht. Die Bezeichnung, unter der die Gemeinschaft im Rechtsverkehr auftritt, wird vom Gesetzgeber vorgegeben. Nach § 9a Abs. 1 WEG muss die Gemeinschaft die Bezeichnung »Gemeinschaft der Wohnungseigentümer« oder »Wohnungseigentümergemeinschaft« führen, gefolgt von der Angabe des Grundstücks.
Beispiel
Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Auftraggeberin in einem Vertrag wird so bezeichnet: »Wohnungseigentümergemeinschaft Unter den Linden 1, 10117 Berlin, vertreten durch die Hausverwaltung Firma Immobilienverwaltung Meier GmbH, Kurt-Tucholsky-Weg 15, 13465 Berlin«.
Grundlagen der Rechtsfähigkeit
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Die Gemeinschaft kann Verträge schließen.
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Soweit die Gemeinschaft Verträge schließt, wird nur die Gemeinschaft Vertragspartner, nicht die einzelnen Wohnungseigentümer.
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Der Verwalter ist handelndes Organ der Gemeinschaft. Dabei muss er deutlich machen, dass er nicht im Namen der einzelnen Wohnungseigentümer und auch nicht im eigenen Namen handelt.
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Kontoinhaber der Konten ist die Gemeinschaft, nicht der Verwalter und auch nicht die Wohnungseigentümer.
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Die Gemeinschaft kann Partei in einem Prozess sein.
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Die Bezeichnung der Gemeinschaft im Rechtsverkehr besteht aus der Adresse der Anlage mit dem Zusatz »Gemeinschaft der Wohnungseigentümer« oder »Wohnungseigentümergemeinschaft«.
Rechtsprechung
Vertragspartner des Verwaltervertrags und gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer: Vertragspartner des Verwalters ist die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft. Ansprüche des Verwalters können sich nur gegen die Gemeinschaft richten....
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
Schlagworte | Eigentümerversammlung • Gemeinschaftseigentum • Handbuch • Hausverwaltung • Schnabel • Sondereigentum • Verwalterpraxis • Verwaltervertrag • Verwaltungsrat • WEG-Verfahrensrecht • WEG-Verwaltung • WEMoG |
ISBN-10 | 3-648-18184-X / 364818184X |
ISBN-13 | 978-3-648-18184-3 / 9783648181843 |
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