Crashkurs Professionell Moderieren (eBook)
288 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17533-0 (ISBN)
Anja von Kanitz ist selbstständige Trainerin, Beraterin und Coach mit den Schwerpunkten Rhetorik, Kommunikation und Moderation. Sie verfügt über langjährige Praxis in der Personalentwicklung von Unternehmen, Institutionen und Verwaltungen.
Anja von Kanitz Anja von Kanitz ist selbstständige Trainerin, Beraterin und Coach mit den Schwerpunkten Rhetorik, Kommunikation und Moderation. Sie verfügt über langjährige Praxis in der Personalentwicklung von Unternehmen, Institutionen und Verwaltungen.
3.3 Inhaltliche Vorbereitung – mit Beispiel und Tipps
Um das inhaltliche Vorgehen passgenau planen zu können, brauchen Sie einen Überblick über die Ausgangssituation und den Hintergrund des Auftrags. Mögliche Schwierigkeiten oder Probleme können Sie bei entsprechender Analyse vorhersehen und bei der Planung berücksichtigen. Zu erwartende Probleme wie z. B. Konflikte, Desinteresse, Frustration, Dauer-Contra, Konkurrenz lassen sich durch eine gute Konzeption abmildern, bearbeiten oder sogar konstruktiv nutzbar machen.
Die Zeit, die Sie in die gedankliche Vorbereitung Ihrer moderierten Sitzung investieren, ist sehr gut genutzte Zeit, die Ihnen böse Überraschungen und Misserfolge ersparen kann. Die Vorbereitung stellt die Weichen für alles Folgende. Es empfiehlt sich, dabei mit einer gewissen Systematik vorzugehen. Das TZI-Konzept ist dabei für die Moderation als Planungshilfe gut geeignet.
Die Veranstaltung mit den vier entscheidenden Faktoren der TZI-Methode planen
Die Philosophie der Moderationsmethode hat ihren Ursprung in dem in den 60er Jahren entstandenen Verfahren »Themenzentrierte Interaktion«, kurz TZI.3 Es ist ein Konzept zur thematischen Arbeit mit Gruppen, die Sachaufgaben zu bewältigen haben. Dem Konzept, das von der 1912 in Berlin geborenen Psychologin Ruth Cohn entwickelten wurde, liegen Erkenntnisse aus der Psychoanalyse, der humanistischen Psychologie und der therapeutischen Praxis zugrunde. Demnach ist es für eine konstruktive Arbeit in Gruppen wichtig, den Menschen als ganzheitliches Wesen zu betrachten und anzusprechen, also nicht allein auf seinen Verstand und seine Vernunft reduziert. Viele Grundgedanken der TZI finden sich im Moderationskonzept wieder, weshalb sich das Strukturmodell der TZI sehr gut für die Vorbereitung von moderierten Sitzungen eignet.
Die einseitige Konzentration auf die »Sache« führt in die Sackgasse
Eine wesentliche Erkenntnis der TZI ist, dass Gruppen, auch wenn sie zu Sachthemen arbeiten, stark bestimmt werden von nicht rein rational-sachlich fassbaren Motiven und Dynamiken. Eine einseitige Konzentration in der Moderation auf Sachfragen würde daher in eine Sackgasse führen. Denn wenn die zugrunde liegenden Interessen von Einzelnen und die Konflikte in der Gruppe nicht betrachtet und nicht erkannt werden, können sie auch nicht bearbeitet werden. Die Wirtschaftspsychologie befasst sich in den letzten Jahren verstärkt mit der Problematik, dass Akteure in wirtschaftlichen Zusammenhängen weitaus weniger rational handeln als man bis dahin vermutet hatte.4
Ein Moderator, der sich inhaltlich vor allem auf die sachliche Vorbereitung einer Veranstaltung konzentriert, übersieht folglich wesentliche Faktoren, die eine erfolgreiche Arbeit mit Gruppen ausmachen. Das TZI-Konzept geht demgegenüber von einer ganzheitlichen Sichtweise aus: Sollen Gruppen ergiebig lernen oder arbeiten, muss man alle Faktoren berücksichtigen, die auf die Menschen und ihre Arbeit einwirken.
Welche vier Faktoren die thematische Arbeit in Gruppen prägen
Die Arbeit mit Gruppen ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Mit dem Konzept der Themenzentrierten Interaktion von Ruth Cohn lässt sich die Komplexität auf vier entscheidende Faktoren reduzieren:
-
die einzelnen Persönlichkeiten (Ich)
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die Zusammensetzung und Kommunikation der Gruppe (Wir)
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die gemeinsame Aufgabe/Sachfrage (Es/Thema)
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der Kontext, in dem sich die Gruppe bewegt und die ihn mit der Umwelt verbindet (Globe)
Das Schaubild stellt die vier Einflussgrößen als Dreieck in einem Kreis dar.
Abb. 2: Die vier entscheidenden Faktoren in der Arbeit mit Gruppen (TZI)Die obere Spitze des Dreiecks steht für das Thema bzw. die Arbeitsaufgabe, um die es in der Veranstaltung geht. Sie ist es, die die Gruppe zusammenbringt und verbindet. Je besser sie es als Moderator:in mit den anderen Faktoren in Verbindung bringen, desto fruchtbarer wird die thematische Arbeit. Die Spitze unten rechts steht für den Faktor »Wir«, die Gruppe, die geprägt wird durch ihre Dynamik und die Art der Beziehungen. Fühlen sich die Einzelnen in einer Gruppe wohl, respektiert und können sie ihre Sicht der Dinge und ihre Interessen in den Prozess einbringen, stärkt das sowohl die thematische Arbeit als auch die Motivation und Verantwortlichkeit der Einzelnen. Deshalb wird in der Themenzentrierten Interaktion Wert auf die Form des Umgangs miteinander und die Kooperation, also die Ausgestaltung des Wir, besonderer Wert gelegt. Die Spitze des Dreiecks unten links steht für die einzelne Person, das »Ich« mit seinen individuellen Empfindungen, Werten, Erfahrungen, Wünschen und Wissen. Sollen sich die Teilnehmenden einer Gruppe mit dem Thema und der Arbeit der Gruppe identifizieren, muss man sie als individuelles Ich ansprechen, erreichen und respektieren. Viele Methoden der TZI und der Moderation stärken und stützen die Selbstverantwortung des Einzelnen in der Gruppe, um so das Mitlaufen in der Masse zu verhindern, verantwortliches Handeln zu fördern und die Qualität der Ergebnisse zu verbessern.5 Und schließlich befindet sich das Dreieck in einem Kreis, dem sogenannten Globe. Er repräsentiert das Umfeld, in dem das Thema zwischen den Einzelnen und der Gruppe verhandelt wird. Was um einen herum geschieht, beeinflusst die thematische Arbeit, das Verhalten der Einzelnen und die Verhältnisse in der Gruppe. Ohne diese Verhältnisse zu kennen, wird es schwierig sein, angemessen zu moderieren.
3.3.1 Analysieren Sie die Ausgangssituation mit TZI
Wie Sie das TZI-Modell zur Planung moderierter Sitzungen nutzen können, lässt sich am besten an einem Fallbeispiel erläutern.
Einrichtung und Umzug in ein neues Gebäude
Eine pädagogische Einrichtung zur Betreuung von Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zu Hause wohnen können, bekommt ein neues Gebäude. Um die Einrichtung und den Umzug möglichst intelligent zu planen, beauftragt der Trägerverein im Verlauf mehrerer Monate halbtägige moderierte Treffen mit der gesamten Belegschaft der Einrichtung. Das Ziel ist es, einen möglichst reibungslosen Ablauf des Umzugs neben dem laufenden Betrieb zu ermöglichen. Ein weiteres, nicht offen kommuniziertes Ziel ist, das bisher sehr autoritär geführte Team an einen neuen Arbeitsstil zu gewöhnen. Statt autoritärer Entscheidungen des Geschäftsführers und Einrichtungsleiters soll in Zukunft die Perspektive der Mitarbeiter stärker berücksichtigt werden und in anstehende Entscheidungen einfließen. Die Vertreter des Trägervereins sind davon überzeugt, dass eine solch komplexe Aufgabe wie der Umzug einer pädagogischen Einrichtung, von der über 100 Menschen betroffen sind, im laufenden Betrieb nur gelingen kann, wenn alle mitdenken und gemeinsam die Prozesse planen und umsetzen. Die Gruppe ist gemischt besetzt mit Vorstandsvertretern des Trägervereins (Auftraggeber für die Veranstaltung), dem Geschäftsführer und Leiter der Einrichtung, dem pädagogischen Personal und anderen Angestellten (Küche, Hausmeister, Reinigungspersonal, Buchhaltung), also die komplette Mitarbeiterschaft, zusammen 18 Personen.
Um eine passende Konzeption für den oben skizzierten Auftrag zu entwickeln, kann man die einzelnen Faktoren des TZI-Modells und deren Verbindungslinien als Strukturhilfe für die Analyse nehmen und auf Basis dieser Analyse methodische Entscheidungen treffen.
3.3.1.1 Die Ich-Thema-Achse
Abb. 3: Die Ich-Thema-Achse in GruppenJede Gruppe besteht aus Individuen, die ihre eigene Biografie und damit ihre eigenen Erfahrungen, Einschätzungen und Interessen in den Arbeitsprozess mit einbringen. Dass der/die Einzelne zählt, merken Moderatoren spätestens dann, wenn das Verhalten Einzelner die gemeinsame Arbeit erschwert. Bei der thematischen Arbeit kann sich das z. B. darin äußern, dass Einzelne keinen Zugang zum Thema finden, desinteressiert oder unmotiviert sind, abhängen oder stören, wegen einschlägiger Vorerfahrungen grundsätzlich gegen alles Neue sind, oder mit eigenen Sorgen so belastet, dass sie sich keiner übergeordneten Fragestellung zuwenden können. Störungen auf der Ich-Thema-Achse zeigen sich meistens, indem Einzelne (demonstrativ) nichts beitragen oder aktiv die konstruktive Arbeit am Thema behindern.
Um möglichst allen Individuen einen Zugang zum Thema und der gemeinsamen Aufgabe zu ermöglichen, ist es deshalb sinnvoll, sich im Planungsprozess die Perspektive Einzelner bewusst zu machen, gerade auch dann, wenn es sich um sehr heterogene Gruppen oder verschiedene Parteien innerhalb der Gruppe handelt.
Zur Analyse der Achse Ich-Thema-Achse können Sie so vorgehen: Stellen Sie sich in Gedanken einzelne Teilnehmende vor und stellen Sie sich folgende Fragen:
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Wie steht er/sie zum Thema?
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Was braucht er/sie, um sich auf die Arbeit einlassen zu können?
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Welche Vorerfahrungen gibt es?
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Was könnte ihm/ihr helfen oder ihn/sie auch daran hindern, sich einzubringen?
Die Antworten können gerade bei gemischten Gruppen sehr unterschiedlich für die einzelnen Teilnehmenden ausfallen.
Fallanalyse »Ich« und »Thema«
Die Mitarbeiter:innen der pädagogischen Einrichtung sind von ihrer Ausbildung und ihrem Status in der Organisation sehr unterschiedlich. Schauen wir uns im Folgenden exemplarisch einzelne Ichs und deren Zugang zum...
Erscheint lt. Verlag | 6.5.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Besprechung • Körpersprache • Medieneinsatz • Moderationsmethoden • Moderieren • Nervosität • Problemlösung • Tagung • visuelle Techniken • Workshop |
ISBN-10 | 3-648-17533-5 / 3648175335 |
ISBN-13 | 978-3-648-17533-0 / 9783648175330 |
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