Bild-Atlas der Zahnbehandlungen Hund und Katze (eBook)
468 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-245213-8 (ISBN)
2 Untersuchung Kopf und Mundhöhle
2.1 Anatomie und Morphologie der Mundhöhle
Ein Zahn hat seine Entwicklung mit Durchbruch der Krone noch lange nicht abgeschlossen. Die Entwicklung einer maturen Wurzel bedarf mehrerer Monate, sodass anfänglich eine große Pulpa und ein offenes Foramen apicale dominieren ( ▶ Abb. 2.1). In dieser Zeit sind Verletzungen des Zahnes mit nachfolgender Pulpitis meist nicht therapierbar, weshalb im ersten Lebensjahr eine erhöhte Belastung der Zähne vermieden werden sollte. Erst mit Bildung der Wurzelspitze und abgeschlossenem Höhenwachstum ist die Entwicklung des einzelnen Zahnes beendet ( ▶ Abb. 2.2), wobei die Zeiten aufgrund differierenden Durchbruchverhaltens voneinander abweichen.
Abb. 2.1 Schema eines jungen Zahnes. Kronen- und Wurzelpulpa stellen einen sehr großen Raum dar, die Wandung des Zahnes ist noch sehr dünn. Die Wurzelscheide ist weich, über das Foramen apicale besteht ein weiter Zugang zur Zahnpulpa.
Abb. 2.2 Schema eines maturen Zahnes. Der „erwachsene“ Zahn hat eine abgeschlossene Pulpa, die mit zunehmendem Alter und durch kontinuierliche physiologische Dentinbildung nach innen schmaler wird und sich verkleinert.
Mittels des Saumepithels ( ▶ Abb. 2.3, ▶ Abb. 2.4) wird das epitheliale Attachment geschaffen, die erste Barriere im Zahnsulkus. Dieser Verschluss verhindert durch Anheftung mittels Hemidesmosomen, dass Bakterien und deren Toxine in den Bereich des faserigen, desmodontalen Attachments gelangen. Allerdings ist das epitheliale Attachment anfällig für Schädigungen, sodass dessen Erhaltung mittels Zahnpflege der erste Schritt zur Sicherung der Zahngesundheit ist. Durch bakterielle Beladung der weichen Plaque mit Entwicklung eines Biofilmes wird zunächst das epitheliale Attachment überwunden, dann das desmodontale Attachment zerstört; es folgt der Abbau von parodontalen Fasern und vom Alveolarknochen ( ▶ Abb. 2.5).
Abb. 2.3 Saumepithel. Der physiologische Sulkus ist beim mittelgroßen Hund ca. 2 mm, bei der Katze ca. 1 mm tief. Im Bereich des Sulkusbodens sorgen nicht keratinisierte Spezialzellen für die Anheftung des Zahnfleisches am Zahn im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze.
Abb. 2.4 Saumepithelzellen im Detail. Die Saumepithelzellen sorgen zahnseitig mittels Hemidesmosomen für die Anheftung an der Zahnoberfläche, untereinander sind die Zellen über Desmosomen verbunden. Aufgrund der fehlenden Keratinisierung sind diese Zelllagen permeabel und erlauben insbesondere einen sulkusgerichteten Durchgang wirtseigener Abwehrsubstanzen und -zellen.
Abb. 2.5 Vergleich gesundes und krankes Parodont. Links ist das gesunde Parodont dargestellt: Die innere Auskleidung des Zahnsulkus dichtet mithilfe des Saumepithels das Parodont mundhöhlenseitig ab, bildet eine gingivale Manschette. Rechts ist das geschädigte Parodont dargestellt: Das Saumepithel (orange) ist apikal gewandert, es haben sich normale gingivale Schleimhautzellen in den Sulkus geschoben, können jedoch keinen Verschluss gewährleisten. Die Tasche ist vertieft durch eine Zunahme der Gingiva sowie durch einen Verlust der faserigen und knöchernen Abstützung des Alveolarknochens.
Der Oberkiefer ( ▶ Abb. 2.6) besteht aus dem paarigen Oberkieferknochen (Os maxillare), Zwischenkieferbein (Os incisivum) und Gaumenbein (Os palatinum), die über Knochennähte (Suturen) miteinander verbunden sind.
Abb. 2.6 Oberkiefer. Die Schneidezähne befinden sich im Zwischenkieferbein, die Canini und Backenzähne im Oberkieferknochen, der Gaumenknochen ist zahnfrei. Die zwei großen rostralen Öffnungen zwischen Ober- und Zwischenkieferknochen stellen die Fissurae palatinae dar, über welche das Jacobsonsche Organ seine oronasale Verbindung erhält.
Der Unterkiefer ( ▶ Abb. 2.7) besteht aus den paarigen Unterkieferknochen (Os mandibulare), die rostral in der Medianen in der Symphyse bandhaft miteinander verbunden sind; anders als beim Menschen kommt es nicht zu einem knöchernen Durchbau.
Abb. 2.7 Unterkiefer. Der Unterkiefer besteht aus dem horizontalen Unterkieferkörper und dem vertikalen Unterkieferast. Während der Oberkiefer appositionell und entlang der Suturen an Größe zunimmt, wächst der Unterkiefer insbesondere aus dem kaudalen Bereich heraus. Die Kiefergelenkköpfchen sind jeweils über die Gelenkgrube (Fossa mandibularis) am Schläfenbein (Os temporale) mit der Schädelbasis verbunden.
Die Zähne lassen sich entsprechend ihrer Funktion einzelnen Zahngruppen ( ▶ Abb. 2.8) zuordnen. Während sich im Unterkiefer alle Zähne im Os mandibulare befinden, stehen die Incisivi im Oberkiefer im Os praemaxillare (Zwischenkiefer), die Canini und Backenzähne im Os maxillare (Maxilla).
Abb. 2.8 Zahngruppen. Die verschiedenen Zahngruppen sind eingefärbt: Incisivi blau, Canini grün, Prämolaren orange, Molaren gelb.
Die Speicheldrüsen befinden sich bei Hund und Katze als Drüsenpakete kaudal des Unterkieferwinkels. Lediglich die Jochbogendrüse findet sich separat hinter dem Jochbogen ( ▶ Abb. 2.9, ▶ Abb. 2.10).
Abb. 2.9 Lage der Speicheldrüsen von lateral. Die Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis, grün) liegt direkt unterhalb der Ohrbasis mit einem rostralen und einem kaudalen Ausläufer. Direkt unterhalb davon im Bereich des Triborgschen Dreiecks findet sich die Glandula mandibularis (rot), die nach rostral in einer Kapsel beherbergt in die Glandula sublingualis (blau) übergeht. Die Jochbogendrüse (Glandula zygomatica, lila) findet sich separat hinter dem Jochbogen.
Abb. 2.10 Lage der Speicheldrüsen von ventral. Im Bereich des Zungenbändchens endigen die Ausführungsgänge von Glandula mandibularis und sublingualis, der Ausführungsgang der Glandula parotis endet auf Höhe des Oberkieferreißzahnes bukkal auf der Wangenschleimhaut; kaudal hiervon endet auch der kurze Gang der Glandula zygomatica.
Zahnschemata ( ▶ Abb. 2.11, ▶ Abb. 2.12) dienen einer nachvollziehbaren Befundung und deren Verlaufskontrolle. Neben den Informationen zur Identifikation des Tieres wird das Gebiss in seinen Einzelheiten bewertet. Beläge, Zahnstein und Entzündungsgrad der Gingiva werden aufgenommen, über eine Legende können weitere Veränderungen wie z.B. Fraktur, Umfangsvermehrung etc. aufgezeichnet werden. Auch können in der Aufsicht Veränderungen am Kiefer oder geplante kieferorthopädische Apparaturen eingezeichnet werden. Im Detail ( ▶ Abb. 2.13) erkennt man, dass jedem einzelnen Zahn parodontale Taschentiefen zugeordnet werden können.
Abb. 2.11 Zahnschema Hund, Gebiss. Das vollständige Gebiss des Hundes enthält 42 Zähne, erst im Bereich der Molaren zeigen sich mahlende (bunodonte) Abschnitte. Zu jedem einzelnen Zahn können die erhobenen Befunde in eine separate Box eingetragen werden.
Abb. 2.12 Zahnschema Katze, Gebiss. Das vollständige Gebiss der Katze enthält 30 Zähne und ist rein schneidend (sekodont).
Abb. 2.13 Zahnschema Hund, Detail. Neben der Dokumentation in Papierform bietet sich heute die Möglichkeit, alle Daten digital zu erfassen, sowohl schriftlich wie auch visuell aufbereitet. Beispiel hier ist die Software Prodenta der schwedischen Firma Accesia, welche auch in deutscher Sprache erhältlich ist.
Die Verzahnung der Zähne (Okklusion) ist bei Hund und Katze sehr eng. Bereits bei kleinen Abweichungen an einem einzelnen Zahn oder minimalen Stellungsveränderungen kommt es zu Störungen in der Schließbewegung des Kiefers. Im kaudalen Unterkiefer dominiert der kräftige Muskelfortsatz des Unterkieferastes. An ihm sind die kräftigen Mundschließer befestigt. Die enge anatomische Nähe der Zahnwurzeln zu benachbarten Strukturen des Kopfes veranschaulichen ▶ Abb. 2.14, ▶ Abb. 2.15 und ▶ Abb. 2.16.
Abb. 2.14 Schädel des Hundes, Frontalansicht. In der Frontalansicht des Hundeschädels...
Erscheint lt. Verlag | 9.11.2022 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Veterinärmedizin ► Kleintier |
Schlagworte | Dentalprophylaxe • FORL • Gaumenspalte • Karies • Kieferluxation • Praxisbuch • Zähneputzen • Zahnextraktion • Zahnfehlstellungen • Zahnfraktur • Zahnstein |
ISBN-10 | 3-13-245213-0 / 3132452130 |
ISBN-13 | 978-3-13-245213-8 / 9783132452138 |
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