Die Kunst des Barock (eBook)

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2021 | 3. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-75491-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kunst des Barock - Dietrich Erben
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Prägnant und anschaulich führt dieser Band in die Epoche der europäischen Barockkunst von ihrenAnfängen in Rom um 1600 bis zu ihrem Ausklang im Rokoko ein. Dargestellt wird die Entwicklung von Malerei und Skulptur, Architektur und Stadtplanung im Kontext der politischen Geschichte und der Glaubensspaltung, die das Zeitalter prägte. Das Buch stellt die wichtigsten Künstler von Bernini und Velázquez bis zu Rubens und Rembrandt vor und erklärt anhand von Schlüsselwerken die bedeutendsten Innovationen der Epoche.

Dietrich Erben ist Professor für Theorie und Geschichte von Architektur, Kunst und Design an der Technischen Universität München.

II. Die Tradition und die Anfänge um 1600


Auf den Schultern von Riesen


Bei den Künstlern und Architekten, die an der Wende zum 17. Jahrhundert den neuen Stil schufen, ist keine Euphorie des Aufbruchs zu erkennen. Sie sahen sich als Bewahrer einer Tradition, an der sie sich zwar selbstbewusst maßen, der sie aber nicht zu entkommen suchten. Als Epoche des Neubeginns verstanden sie ebenso wie die vorangegangenen Künstlergenerationen die schon länger zurückliegenden Anfänge der Renaissance. Die rinascita, die Wiedergeburt, der Künste war von Giorgio Vasari in seinen einflussreichen Künstlerviten, die zuerst 1550 und mit Erweiterungen 1568 erschienen, sanktioniert worden. Nach seiner Geschichtskonstruktion erfolgte diese Wiedergeburt in mehreren Phasen, bis sie sich nach 1500 selbst vollendete. Durch die Schöpfungen Michelangelos, so Vasari, erfuhr das neue Kunstideal eine nicht zu übertreffende Erfüllung.

Vasaris Wertmaßstäbe und das von ihm entworfene historische Ordnungsprinzip blieben in der Folgezeit lange gültig. Jede Neuerung in den Künsten war dem Gedanken der Kontinuität, der Nachahmung älterer und aktueller Kunst (imitatio), wie auch der Idee konkurrierender Überbietung des Früheren und des Modernen (aemulatio) verpflichtet. Gegenüber den Künstlern und Architekten wurde dieser Anspruch in einem geradezu erdrückenden Maß von den Auftraggebern, den Kunstkennern und vom Publikum bekräftigt. Neben die Antike rückte die Kunst des 16. Jahrhunderts als gleichberechtigte Orientierungsinstanz. Die im Kunstwerk nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Kunsttradition konnte nicht nur als Ausweis der Kennerschaft gelten und befriedigte nicht nur das Gefallen an einer anspielungsreichen Kunstsprache. Aus ihr gewann die Barockkunst auch immer wieder ihre eindrucksvolle historische Tiefe.

Man konnte Gianlorenzo Bernini das höchste Lob damit zollen, dass man ihn mit Michelangelo verglich. Sein erster Gönner, der spätere Papst Urban VIII., setzte in ihn die Hoffnung, dass er der «neue Michelangelo seiner Zeit» werde. Von dem Literaten Fulvio Testi wurde Bernini 1633 als «Michelangelo unseres Jahrhunderts» gefeiert, der auch den antiken Bildhauern in der «Exzellenz der Kunst» nicht nachstehe. Bernini selbst hat sich das ihm angetragene Lob zu eigen gemacht. Bei den Malern bezog sich der lobende Vergleich vor allem auf Raffael, Correggio und Tizian. Giovanni Pietro Bellori, der vermutlich einflussreichste Kunsttheoretiker des Barock, hat diese drei Zeitgenossen Michelangelos in einen normativen Rang erhoben. In seinem 1678 erschienenen Vitenwerk würdigt er die Künstler seiner eigenen Zeit durch den Vergleich mit diesem Malertriumvirat der Hochrenaissance. Waren die einem klassischen Stilideal verpflichteten Maler wie Guido Reni oder Domenichino als Meister der «grazia» zu feiern, so war der Vergleich mit Raffael geradezu unausweichlich. Und sollte die Kunst Caravaggios verächtlich gemacht werden, dann spielte man eben die dem Maler attestierte Naturnähe gegen das Schönheitsideal Raffaels aus.

Die schöpferische Aneignung sowohl der italienischen als auch der nördlichen Renaissancetradition zeigt sich im Schaffen von so gegensätzlichen Malern wie Peter Paul Rubens und Nicolas Poussin. Poussin, der aus Frankreich stammte und zeitlebens in Rom tätig war, steuerte zur Erstpublikation der Schriften zur Malerei von Leonardo da Vinci 1651 die Illustrationen bei. Rubens, der wie Poussin Graphiken von Dürer studierte, konnte Einsicht in das Zeichnungsmaterial von Leonardo da Vinci nehmen. Er setzte um 1606 eine Kampfszene aus dessen Fresko der Schlacht von Anghiari in einem Gemälde um, das den bewahrenden Respekt vor dem ein Jahrhundert älteren, damals schon zerstörten Fresko bezeugt und gleichzeitig Leonardos Bildentwurf in eine eigene Bildsprache überträgt. In einer von Rubens selbst erfundenen Landschaft ist die Wucht des Kampfgeschehens der aufeinander zustürmenden Reiter durch die voluminösen Leiber von Menschen und Tieren in eine bedrohliche körperliche Präsenz überführt, in der die späteren Jagdbilder von Rubens vorbereitet sind. Rubens pflegte nach dem Vorbild der Humanisten nicht nur zeitlebens durch Briefe und Reisen einen äußerst intensiven Austausch mit der europäischen Gelehrtenwelt, sondern er trat auch wie die Altertumsforscher in Dialog mit älterer Kunst und Architektur. Als Frucht seines Italienaufenthaltes publizierte er in Antwerpen im Jahr 1622 ein prachtvolles Stichwerk mit den Ansichten und Bauaufnahmen von Genueser Palästen und Villen, die zum Teil schon fast ein Jahrhundert früher errichtet worden waren. Die Renaissancebauten der italienischen Hafenmetropole verstand er als Musterhäuser, zu deren Nachahmung er die patrizischen Bauherren seiner Heimatstadt zu ermutigen hoffte.

Das spannungsreiche Verhältnis von Traditionsbezug und Neuerungswillen wird bei der päpstlichen Basilika von Sankt Peter in Rom wie vielleicht bei keinem anderen Bauwerk des Barock aufrechterhalten und zur Anschauung gebracht. Bei dem größten und berühmtesten Kirchenbau des Barock handelt es sich um die Vollstreckung eines architektonischen Testaments der Renaissance. Zugleich wurde der frühchristliche Vorgängerbau ideell bewahrt. Ein Plan von 1620 veranschaulicht die komplizierte Baugeschichte des Petersdoms in verschiedenen Schichten (Abb. 6, S. 33). Auf dem Blatt ist die fünfschiffige, damals schon zum Abbruch freigegebene Basilika, die Kaiser Konstantin hatte errichten lassen, im blasseren Umriss des Neubaus dunkel hervorgehoben, während die überbordende Beschriftung wie ein Denkmalinventar die Standorte der aus dem Altbau entfernten Altertümer festhält. Die Gestalt des Neubaus war im Kern 1506 von Bramante definiert und in einer langen Kampagne mit Veränderungen realisiert worden. Als 1608 der Grundstein für den Fassadenkorpus gelegt wurde, stellte der Bauherr Papst Paul V. die Zeitgenossen und vor allem die skeptische Baukommission vor die vollendeten Tatsachen seines Bauwillens. Der Fassadenvorbau verlangte nach einem Langhaus, dem die Reste von Konstantins Basilika zu weichen hatten. Nach dem Entwurf von Carlo Maderno entstand innerhalb von nur vier Jahren eine frühe, aber bereits exemplarisch vollendete Barockfassade, die doch das Erbe des Renaissancebaus treuhänderisch verwaltet (Abb. 8, S. 36). Die Front sollte bei aller angemessenen Monumentalität niedrig genug bleiben, um die Sicht auf die von Michelangelo entworfene Kuppel zu gewährleisten. Im Inneren nimmt der Fassadenvorbau das Kolonnadenmotiv von Michelangelos Kapitolspalast auf. Vom Renaissancebau des Doms wird die Disposition des Aufrisses weitergeführt.

Doch bei allen Vorgaben ist die Fassade nun als plastisch ausgearbeitete Schauwand aufgefasst, die zur Mitte hin effektvoll gestaffelt ist und deren Elemente den Raum des Vorplatzes durch ihre Ausdehnung faktisch und visuell in Anspruch nehmen. Durch das gesteigerte Volumen der Fassade tritt der Kirchenbau in ein verändertes Verhältnis zu seiner Umgebung. Es kündigt sich schon hier eine städtebauliche Konzeption an, die in Berninis ab 1656 geplanten Petersplatzkolonnaden ihre Fortsetzung und Erfüllung fand. Aufgefordert, den Grundgedanken seiner oval ausgreifenden Wandelhallen zu erläutern, beschrieb Bernini sie als die symbolischen, die Gläubigen empfangenden Arme der Mutterkirche, deren Haupt der überkuppelte Chorbezirk darstellte. Mit dieser Auslegung bindet der Architekt seine Platzanlage in all ihrer Originalität an den in der Renaissance entstanden Teil des Petersdoms als das bauliche und geistige Zentrum der Kirche zurück.

Triumph der Stadtplanung in Rom


Dieselbe Idee einer zugleich funktionalen und bedeutungsstiftenden Raumerschließung, die in den barocken Bauprojekten des Vatikan zum Tragen kam, war erstmals in der römischen Stadtplanung des ausgehenden 16. Jahrhunderts formuliert worden. Im kurzen Pontifikat von Papst Sixtus V., zwischen 1585 und 1590, hat man diese Planungen in erstaunlichem Umfang realisiert (Abb. 2, 3). Wie nie zuvor und auch kaum mehr danach wurden in wenigen Jahren die Weichen für die römische Stadtentwicklung gestellt, die wiederum in vieler Hinsicht ein Pilotprojekt des Barock war. Der planerische Grundgedanke war deshalb so wirkungsvoll, weil er im Grunde recht einfach war: Man legte Straßenachsen als Verbindungen zwischen den Hauptkirchen und anderen städtischen Zentren. Diese Achsen unterwarfen die Stadt einem neuen Ordnungsgefüge, griffen aber zugleich weit über den damaligen Baubestand bis an die nicht mehr bewohnten Bereiche an den antiken Stadtgrenzen hinaus. Wie Leuchttürme dienten antike Obelisken, auf deren Spitze das Kruzifix aufgepflanzt wurde, an den Kreuzungen der...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2021
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Kunstgeschichte / Kunststile
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Technik Architektur
Schlagworte 16. Jahrhundert • 17. Jahrhundert • 18. Jahrhundert • Architektur • Barock • Geschichte • glaubensspaltung • Kirche • Konfession • Kultur • Kunst • Kunstgeschichte • Malerei • Religion • Rembrandt van Rijn • Rokoko • Skulptur • Stadtplanung
ISBN-10 3-406-75491-0 / 3406754910
ISBN-13 978-3-406-75491-3 / 9783406754913
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