Praxishandbuch KiTa-Fachberatung -

Praxishandbuch KiTa-Fachberatung (eBook)

Ein deutschlandweiter Blick des kompetenten Systems KiTa auf die Schlüsselstelle KiTa-Fachberatung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
210 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8614-0 (ISBN)
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Vieles im KiTa-System läuft über die Menschen, deren Aufgabenfeld als Fachberatung so vielfältig wie anspruchsvoll ist. Die Inhalte des Buches sind von jeweils zwei Akteur:innen einer Gruppe verfasst (Wissenschaft, Politik/Gewerkschaft, KiTa-Träger, Anstellungsträger, Qualifizierung/Weiterbildung, Eltern, KiTa-Leitung, KiTa-Sozialarbeit, Pädagogische Fachkraft, Kinderperspektive) und von einer KiTa-Fachberatung eingeordnet. Hierfür berichten die Akteur:innen anhand strukturierter Impulsfragen über die Zusammenarbeit mit der KiTa-Fachberatung. Abschließend finden die Beiträge eine Einordnung hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Bundespolitik sowie der Didaktik und Methodik der KiTa-Fachberatung. Das Praxishandbuch schließt mit Beiträgen zur Professionalität und Didaktik von Kita-Fachberatung sowie ihrer Qualität und Wirksamkeit.

Dr. Andy Schieler ist Institutsreferent im Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB), Fachbereich Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. Im IBEB ist er unter anderem zuständig für den Ansatz Qualitätsentwicklung im Diskurs. Dr. Marina Swat ist wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an der HS Koblenz.

Vorwort | Niedersachsen


Karsten Herrmann

Die KiTa-Fachberatung ist eine der zentralen Stellschrauben für die Qualitätsentwicklung in der frühkindlichen Bildung. Sie begleitet und berät die KiTas systematisch bei der alltäglichen pädagogischen (Konzeptions-) Arbeit sowie ihrer Team- und Organisationsentwicklung. Zugleich bildet sie eine wichtige Schnittstelle im KiTa-System zwischen KiTa-Praxis, Träger, Politik und Wissenschaft und fungiert so auch als Katalysator für den Transfer von neuen Forschungsergebnissen und Konzepten in die Praxis. Soweit das Ideal und die normative Erwartung aus der Höhe der Theorie.

Der nähere Blick auf die Praxis der Fachberatung zeigt allerdings ein äußerst heterogenes und noch immer weithin ungeregeltes Feld im Hinblick auf Rahmenbedingungen, rechtliche Verankerung, Ressourcen, Handlungsfelder, Mandatierung oder auch Bezahlung.

Nach aktuellen Befunden einer in Kooperation der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG-BEK) und dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) durchgeführten bundeweiten Befragung haben so auch beispielsweise nur knapp zwei Drittel der Fachberater:innen eine aktuelle Arbeitsplatzbeschreibung. Eine fehlende Arbeitsplatzbeschreibung eröffnet einerseits Gestaltungsspielräume, schafft aber andererseits Unsicherheiten und Unklarheiten in der Rahmung für das fachberaterisches Handeln.

Adressat:innen der Fachberatung sind in erster Linie die Leiter:innen oder Leitungsteams und Fachkräfte der KiTas, aber auch Eltern, KiTa-Träger, Administration (z. B. Ministerium) sowie Politik. Fachberater:innen sind insbesondere bei Kommunen und freien KiTa-Trägern angesiedelt oder auch selbstständig tätig. Für Fachberater:innen gibt es keine grundständige Ausbildung oder ein spezifisches Hochschulstudium3 und nur vereinzelt werden in einigen Bundesländern Fortbildungen angeboten.

Grundsätzlich sehen sich Fachberater:innen mit einem immens breiten Aufgabenspektrum konfrontiert. Laut einer WiFF-Befragung reichen dabei schon die zentralen Handlungsfelder von der Qualitäts- und Kompetenzentwicklung in der KiTa über das Personalmanagement, die Träger- und Elternberatung sowie Verwaltungsaufgaben bis hin zum Netzwerken und Kooperieren (vgl. Fuchs-Rechlin et. al. 2023, S. 79 ff). Zurzeit ist aber auch eine zunehmende Spezialisierung von Fachberatung zum Beispiel für Themen wie Sprachbildung, Inklusion oder Kinderschutz zu beobachten.

Rund ein Viertel aller Fachberater:innen haben der nifbe/BAG-BEK-Befragung zufolge auch noch eine Dienst- und oder Fachaufsicht (z. B. diskutiert in Kap. Anstellungsträger in diesem Praxishandbuch) übertragen bekommen. Die Aufgabenkombination von Beratung und Aufsicht ist fachlich umstritten, da sich ein ergebnisoffener Beratungsprozess und Kontrolle widersprechen und Fachberater:innen so in Rollenkonflikte kommen können.

Von einer großen Spannbreite ist auch der Schlüssel im Hinblick auf die von einer:einem Fachberater:in zu begleitende Anzahl von KiTas – er reicht von einigen wenigen bis zu einigen hunderten KiTas. Laut der Befragung von BAG-BEK und nifbe liegt der Schlüssel aber bei gut zwei Dritteln in einem Korridor von einer bis zu 30 KiTas (vgl. Hartwig/Klumpe 2023, S. 90 ff). Zu berücksichtigen sind bei diesen Zahlen aber natürlich noch Faktoren wie Arbeitszeitumfang der Fachberatung, Größe der KiTas und die Entfernungen zum Sitz der Fachberatung. Empfohlen wird von Christa Preissing in ihrer Expertise eine Relation von nicht mehr als 20 KiTas pro Fachberatung mit einer Vollzeitstelle (vgl. Preissing/Herrmann 2023, S. 21).

Mit Blick auf die Praxis kann aufgrund der Rahmenbedingungen letztlich von einer systematischen Begleitung sowie Qualitätssicherung und -entwicklung der KiTas durch Fachberatung oftmals nicht die Rede sein. Vielfach reicht es allenfalls zu Feuerwehreinsätzen in den KiTas, wo es wirklich brennt.

Auf dem Weg zur Profession?


Lange Zeit bildete die Fachberatung eine Art Blackbox, bei der man nicht wirklich wusste, was dort geschieht. Doch in den letzten Jahren hat sich der Blick durch quantitative Befragungen und qualitative Studien mittlerweile geschärft und es kristallisieren sich leitende Binnenlogiken, Handlungsmodi und -typen von Fachberater:innen heraus (vgl. Alsago 2023). In einer qualitativen WiFF-Studie wurden so entlang der Dimensionen „Handlungsfokus“ (zwischen Personen- und Organisationsbezug) und Themenspektrum (zwischen generalistisch und spezialisiert) vier Handlungstypen identifiziert, die einen Beitrag zur Selbstverständigung und zur Professionsentwicklung leisten können: „die involviert-unterstützende Fachberatung, die auftragsorientiert-spezialisierte Fachberatung, die pädagogisch-befähigende Fachberatung und die steuernd-koordinierende Fachberatung“ (Fuchs-Rechlin/Kaiser/Lipowski 2023, S. 86).

Zunehmend haben sich die Fachberater:innen bei der Definition und Ausgestaltung ihres Arbeitsfeldes aber auch selbst ermächtigt und den Professionalisierungsprozess vorangetrieben. Ziel war und ist es, „Fachberatung zu definieren, auszugestalten, stark zu machen und abzusichern. […] Nur wenn explizit wird, wie sich Fachberatung konkret vollzieht, kann sie verstanden und entwickelt werden.“ (Marx 2023, S. 25)

Einen Meilenstein bildete in diesem Sinne das von der AG Fachberatung der BAG-BEK in einem intensiven Beteiligungsprozess entwickelte „Selbstverständnis von Fachberatung“ (BAG-BEK 2021). Grundsätzlich ist Fachberatung demnach „eine personenbezogene strukturentwickelnde soziale Dienstleistung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist ein eigenständiges Handlungsfeld im Unterstützungssystem der öffentlich verantworteten Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Sie wirkt qualitätsentwickelnd und qualitätssichernd […]“ (BAG-BEK 2021, S. 3). Eine zentrale Rolle spielt diesem Selbstverständnis zufolge das „Arrangieren“ von sozialpädagogischen und sozialpolitischen Aushandlungsprozessen: „Das Arrangieren umfasst das Planen, Konzeptionieren, Initiieren, Entwickeln von Strukturen, Organisieren, Begleiten und Evaluieren von Prozessen. Fachberater:innen ermöglichen unterschiedliche pädagogische Räume für Netzwerkbildung, Information, Austausch, Diskussion und das Treffen von Entscheidungen. Sie gestalten diese Prozesse pädagogisch didaktisch, verantwortlich und reflexiv“ (BAG-BEK 2021, S. 6).

Diverse große Träger haben sich bei ihrer Definition bzw. Ausgestaltung von Fachberatung seitdem mehr oder weniger deutlich auf das BAG-BEK-Papier bezogen – so wurde es zuletzt ganz explizit bei der Veröffentlichung des „Selbstverständnis von Fachberatung in der Berliner Kindertagesbetreuung“ im September 2023 als Grundlage benannt4.

Eine wichtige Rolle spielt auf dem Weg zur Professionalisierung (oder gar zur Profession) der Fachberatung auch die zunehmende landes- und bundesweite Vernetzung und Selbst-Organisation von Fachberatung. Unterstützt wird diese zum Teil auch durch Landesinstitute wie das BeKi, das IBEB, das FFB oder auch das nifbe. Entstanden sind so beispielsweise als Annäherung an eine klassische berufsständische Vertretung die „Niedersächsische AG pädagogische Fachberatung“, die „Landesarbeitsgemeinschaft der Fachberatung in Berlin“ oder die Brandenburger „Landesfachgruppe Fach- und Praxisberatung in der KiTa“. Auf Bundesebene bietet die AG Fachberatung der BAG-BEK die zentrale Vernetzungsplattform und veröffentlicht fachpolitische Stellungnahmen. So wird auf den verschiedenen Ebenen der fachliche Diskurs vorangetrieben und die Selbstvertretung von Fachberatung zum Beispiel im Hinblick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen gestärkt (vgl. auch Schmidt 2023).

Einen entscheidenden Hemmschuh bei der Professionalisierung bzw. Professionsentwicklung von Fachberatung bildet nach wie vor aber ihre mangelnde rechtliche Verankerung und finanzielle Absicherung auf Bundes- und Landesebene. Über das SGB VIII gibt es zwar eine Verpflichtung zur Fachberatung für die Kindertagespflege, aber nicht für die institutionelle Kindertagesbetreuung. Hier heißt es in § 72 nur, dass die...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8614-0 / 3779986140
ISBN-13 978-3-7799-8614-0 / 9783779986140
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