Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kindheitspädagogik (eBook)
248 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8455-9 (ISBN)
Sebastian Rost ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Katholischen Hochschule NRW, Standort Paderborn, im Fachbereich Sozialwesen und zuständig für die Studiengangskoordination des Bachelor-Studiengangs Kindheitspädagogik. Lehre, Forschung und Weiterbildung zu Themen der Kindheitspädagogik. Bianca Bloch, Dr., staatlich anerkannte Kindheitspädagogin (M.A.), ist langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung »Pädagogik der Kindheit« der JLU Gießen sowie Lehrbeauftragte in den B.A.-Studiengängen »Kindheitspädagogik« und »Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Außerschulische Bildung«. Forschungs- und Lehrschwerpunkte: Theorie-Praxis-Verhältnis in kindheitspädagogischen Studiengängen, Bildung und Erziehung in der Kindheit, kindheitspädagogische Didaktik sowie Gestaltung und Begleitung von Praxisphasen. Anna-Katharina Kaiser, Erziehungswissenschaftlerin (M.A.), ist Lehrkraft für die Fächer Pädagogik, Psychologie und Heilpädagogik sowie Praxis- und Methodenlehre an der Evangelischen Fachakademie für Sozialpädagogik in München. Sie hat Lehraufträge an bayerischen Hochschulen und bietet Weiterbildung zu Themen der Sozialen Arbeit und Kindheitspädagogik an. Ina Kaul ist Professorin für Soziale Arbeit unter besonderer Berücksichtigung von Theorien, Methoden und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe an der HAWK, Standort Hildesheim. Sie lehrt und forscht an der Schnittstelle Kindheitspädagogik/Soziale Arbeit u. a. im Kontext von Bildung.
Plurale Transformationsbewegungen von ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ in der Pädagogik der frühen Kindheit
Ursula Stenger
Anthropozän wird das neue Zeitalter genannt, in dem die globalen zerstörerischen Effekte menschlichen Handelns ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sich die Ökologie des Planeten gravierend verändert. Die Folgen sind dramatisch, auch für die folgenden Generationen. Artensterben, Klimawandel und Umweltzerstörung sind allgegenwärtig, Luft, Erde und Wasser sind voll von toxischen Substanzen und Plastik.
Doch was bedeuten diese globale Umweltkrise und die drastischen ökologischen Veränderungen für das Lernen des Menschen, für dessen Erziehung und Bildung, auch für nachfolgende Generationen? Der Beitrag befragt Konzepte, Imaginationen und Praxen von nachhaltigen Formen des Miteinander-Lebens und Lernens in Kitas. Damit soll ein Einblick gegeben und Transformationsbewegungen im Forschungs- und Praxisfeld der Pädagogik der frühen Kindheit beleuchtet werden. Die eröffneten Perspektiven sind unterschiedlich in Bezug auf die Erfassung der Problemlage, die angedachten Handlungskonsequenzen, das zugrundeliegende Mensch-Natur-Verhältnis und das Verständnis von Bildung und Lernen für eine nachhaltige Entwicklung. Dementsprechend werden Praxisentwicklungsprozesse jeweils anders pädagogisch ausgestaltet, aber genau die Bedeutung dieser Vielfalt herauszuarbeiten, ist Anliegen des Beitrages. Angesichts der Komplexität und Dynamik der Problemlage könnte es riskant sein, nur auf wenige Konzepte zu setzen. Die notwendigen Veränderungen sind so tiefgreifend, dass es förderlich erscheint, viele Quellen und Transformationspfade, orientiert an unterschiedlichen theoretischen, konzeptionellen Zugängen, sowie die Akteur*innen vor Ort einzubeziehen in die Entwicklung nachhaltiger Kitas mit Blick auf ein Umdenken und Erweitern von Bildungsgelegenheiten.
Zunächst werden in diesem Beitrag 1. politische Papiere beleuchtet, die das Feld mit Bezug auf BNE orientieren wollen, bevor 2. Großprojekte zu BNE und MINT Bildung betrachtet werden. Daran anschließend wird 3. Ökologisch-digitales Lernen als Zusammenhang exemplarisch anhand der Reggio-Pädagogik betrachtet. 4. werden posthumanistische Strömungen beleuchtet, die den Menschen aus seiner Zentralstellung lösen und das Miteinander-Leben mit mehr-als-menschlichen Wesen erforschen und dabei auch indigene Stimmen einbeziehen, weil sie andere Perspektiven freilegen, um nötige Transformationen anzugehen. Mit einem phänomenologischen Zugang werden schließlich 5. im Anschluss an Pelluchon anhand zweier Kitas aus dem BMBF Projekt RaumQualitäten, eine BNE zertifizierte, reggioorientierte Kita und eine naturnahe Kita, Veränderungen und jeweilige institutionelle und pädagogisch-didaktische Antworten auf die ökologischen Herausforderungen betrachtet, um zu verstehen, wie komplex und vielschichtig sich die Prozesse der Transformation in der Praxis vollziehen und wie eine Ko-Existenz mit anderen Lebewesen möglich werden kann, bei der das Wohlbefinden junger Kinder an ökologische Dimensionen und damit u. U. an das Wohlergehen von mehr-als-Menschen gekoppelt ist.
1.BNE in (bildungs-)politischen Dokumenten
Politische Dokumente, die auf die Notwendigkeit einer Bildung im Kontext der Klimakrise, zu Nachhaltigkeit und globaler Verantwortung hinweisen, existieren auf allen Ebenen: Im Jahr 2002 wurde von der UN die Weltdekade für BNE für die Jahre 2005–2014 ausgerufen. Für 2005–2008 wurde von der deutschen UNESCO Kommission ein Aktionsplan dazu vorgelegt. Bundeslandspezifisch wurde die Thematik in die Bildungspläne für Kitas aufgenommen. Im Jahr 2015 folgten die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN und 2022 die Tashkent Declaration der UNESCO, die mehrfach BNE als Ziel betont und Wissen, Fähigkeiten, Werte und Einstellungen angesichts des Klimawandels (global citizenship) für die frühe Kindheit fordert.
Der Nationale Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung fokussiert die Bereiche: Praxis, Aus-Fort-Weiterbildung, Träger, Vernetzung in Bildungslandschaften und Bildungspläne. Ein Referenzrahmen für die frühkindliche Bildung zu BNE differenziert viele dieser Aspekte aus, die auch in Konzeptionen von Kitas auftauchen. Allerdings heißt es in einer Stellungnahme zur Experten:innenanhörung im Deutschen Bundestag am 1.3.2023 zu BNE von de Haan: Es „finden sich bisher nur selten integrierte Betrachtungen von BNE […]. Gravierende Lücken bestehen in der Aus- und Weiterbildung von Kita-Personal, Lehrkräften […] Multiplikator*innen“ (de Haan 2023, S. 2).
2.BNE und MINT: ‚Haus der kleinen Forscher‘
Transformationen zu BNE werden hier mit MINT kombiniert. Exemplarisch wird dabei das „Haus der kleinen Forscher“, inzwischen „Kinder forschen“ betrachtet. Bundesweit agierend hat die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ (HdkF 2019, S. 199 f.) ein Bildungsprogramm zu BNE entwickelt, das auf das zuvor bereits etablierte MINT-Programm aufsattelt und das Einrichtungen gewinnen will, BNE als whole institution approach zu entwickeln. Fachkräfte und Leitungen werden hierfür weitergebildet und erhalten Materialien und Instrumente, dies zu realisieren und sich dabei zu vernetzen. Die beauftragte wissenschaftliche Untersuchung fasst dieses Konzept in einem Kreis-Modell zusammen, das alle Zieldimensionen einbezieht. Im Zentrum eines Kreises mit vier Ringen stehen die Kinder und das, was ihr BNE Lernen orientieren soll: Verstehen und Erkennen, Reflektieren und Bewerten, Handeln, Motivation, Werte und moralische Optionen. Probleme sollen mit Interesse identifiziert und reflektiert werden, um Handlungsoptionen verhandeln, planen und entscheiden zu können und dabei Selbstwirksamkeit zu erfahren. Diese Zielvorstellungen lassen sich beliebig auf alle möglichen, auch nicht-BNE Themen beziehen und folgen einem instrumentellen, kompetenzorientierten Vorgehen: Pädagogische Fachkräfte (Ring 1 im Kreis um das Zentrum der Kinder) gestalten entsprechende Interaktionen und Leitungen übernehmen Verantwortung für die Einrichtung (Ring 2), darum herum gruppieren sich Kooperationspartner, Eltern, Träger, Weiterbildner (Ring 3) und zuletzt die Gesellschaft (Ring 4).
Vielfältige Impulse zu BNE gehen von diesen Bildungsprogrammen aus. Die Herangehensweise folgt dabei einem Kompetenzmodell, das den Menschen ins Zentrum setzt, der Natur wertschätzen soll, um die Ressourcen zu bewahren und die Technologiefolgen einzuschätzen und einzudämmen – Natur, andere Lebewesen als eigenständige Entitäten sind jedoch nur als vom Menschen zu schützen vorgesehen, sie tauchen in dem Kreismodell, das die Dimensionen des Handelns auf einen Blick darstellen soll, nicht als eigenständige Wesen auf, ebenso wenig wie Dinge und Räume. Die Evaluation erfolgt über Fragebögen, in denen Zufriedenheit der Teilnehmenden an Fort- und Weiterbildungen, ihr Lern- und Transfererfolg, auch auf Einrichtungsebene teils online oder in Papierform erfragt werden (vgl. HdkF 2019, S. 152). Auf der Grundlage dieser Daten kommt es, einem Modell von Kirkpatrick folgend, zur „Messung des Erfolgs“ (ebd.). Einschränkend sollte allerdings dazu gesagt werden: des Erfolgs in der Einschätzung derer, die an den Weiterbildungen und an der Evaluation teilgenommen haben. Aussagen aus der Evaluation wie „Nachhaltigkeit ist mehr als Bio“ (ebd., S. 170) oder: „Mülltrennung wird regelmäßig mit den Kindern besprochen und praktiziert“ (ebd., S. 173) sollen Reflexionsfähigkeit und Transfer des Programms belegen. Von den befragten 156 Personen, konnten knapp 76 % ein Praxisbeispiel (wie Mülltrennung) nennen, das die Umsetzung von BNE zeigt. 24 % der Weitergebildeten haben auf die Frage nach einem gelungenen Praxisbeispiel nicht geantwortet (vgl. ebd., S. 172 f.).
In einem Beitrag zu den Leuchtturmkitas präsentieren...
Erscheint lt. Verlag | 18.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik |
ISBN-10 | 3-7799-8455-5 / 3779984555 |
ISBN-13 | 978-3-7799-8455-9 / 9783779984559 |
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