Hinter deutschen Türen (eBook)
442 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2748-0 (ISBN)
Jérôme Lacroix wurde 1983 im Norden von Frankreich geboren und lebt mit seiner Familie zurzeit in Südwestdeutschland in der Grenznähe zu Frankreich. Seine Kindheit verbrachte er unter solchen Umständen, welche den meisten nicht bekannt sein dürften, und dass es sie überhaupt gibt. Die daraus resultierenden Erfahrungen befähigen ihn heute dazu, über gewisse Kernpunkte betreffend das soziale System kritisch zu berichten. Unter anderem das Interesse am Lesen und Schreiben verhalf ihm während seiner Kindheit und Jugend psychisch nicht zu resignieren, worauf er dann später aufbaute. Entgegen der Lernlücken seiner schulischen Laufbahn, schloss er diese erfolgreich ab und konnte den geforderten Lerninhalte seiner erlernten Berufe mit Erfolg gerecht werden. Als Kind fing er bereits an, Texte zu schreiben und bearbeitete damit auch seine bitteren Erfahrungen während seiner Kindheit und Jugend. Die Leidenschaft zum Schreiben hielt ihn in so manch schwierigen Situationen und dunkle Zeiten am Leben. Das meiste, was er schriftlich festgehalten hat, sind eigene Erfahrungen. Mit diesem Material wurden die Bestseller "Hinter deutschen Türen" veröffentlicht. Zu den Werksvollendungen gehört nicht nur das Schreiben, sondern auch Lektorat, Korrektorat, das Cover- und Buchblockdesign und alles, was ansonsten dazugehört, ein Buch druckfertig zu gestalten.
Ungeplante Veränderung
Meine Eltern waren in ihrem gesamten Leben arbeitslos, sie hatten nie einen Finger gerührt, geschweige denn einen Beruf erlernt. Ihre Berufung war es so zu sein, wie sie waren; sadistisch veranlagte Kriminelle, die neben Sozialbetrug unvorstellbaren Ausmaßes, auch der Prostitution und Zuhälterei nachgingen. Sie begangen Diebstähle und Betrugsdelikte in großem Stil. Längst zählten die Vergehen zu größeren Verbrechen und konnten sogar in anderen Ländern wie Frankreich und Belgien nicht aufgeklärt werden. Um erwischt zu werden, waren meine Eltern meist zu diplomatisch und gerissen. Sie planten ihre Taten äußerst durchtrieben und gingen gegen eventuell eintreffende Ereignisse präventiv vor. Für das Erstellen eines Planes war mein Vater zuständig. Er war der schlaue Kopf und klügelte jedes Verbrechen bis ins letzte Detail aus. Um beispielsweise Tankstellen zu überfallen, fuhren sie nicht weit weg. Primär konzentrierten sie sich auf das Saarland und die Südwestpfalz. Ob Bargeld, Schmuck, Spirituosen oder andere Ware; die Beute, die sie machten, erforderten meist keine Verletzten, nur Geschädigte und die Schäden waren enorm.
Nicht immer schon waren meine Eltern so erfolgreich in ihren kriminellen Machenschaften. Den wahren Erfolg lehrte mein Vater erst als Strafgefangener. Man könnte meinen, dass wenn ein Mensch aufgrund seiner Straffälligkeiten ein paar Monate im Gefängnis verbringt, dass er dort dann resozialisiert entlassen werden würde.
Mein Vater lernte erst durch einen Gefängnisaufenthalt ein richtig durchtriebener Verbrecher zu werden. Ironischerweise machte ihn der Arrest noch gefährlicher und hinterhältiger. Den Aufenthalt in der Haftanstalt hatte er der dilettantischen Vorgehensweise eines versuchten Postraubes im Jahre 1980 im südwestpfälzischen Rumbach zu verdanken.
Mein Vater war da 29 Jahre und meine Mutter gerade erst 18 Jahre alt. Mit dabei waren zwei Brüder meines Vaters, Olaf und Henrie. Für die Tat investierten sie kleinere Summen Geld, womit sie einen Leihwagen, Masken und eine Pistole bezahlten. Alle vier Personen waren in den Plan involviert und trafen sich an dem Tag, an dem der Raub stattfinden sollte, um 7 Uhr in der Früh bei meinen Eltern zu Hause, die zu dem Zeitpunkt in dem kleinen Dorf Salzwoog wohnten, unweit vom Tatort entfernt. Die beiden Brüder wohnten auch im Umkreis von maximal 25 Kilometer. Es war alles akribisch vorbereitet. Henrie, der ein Jahr ältere Bruder meines Vaters, war pünktlich. Sie warteten nur noch auf den jüngeren Olaf. Fünfzehn Minuten nach 7 Uhr klingelte das Telefon. Olaf war dran und teilte ihnen mit, dass er nicht kommen könne, weil es ihm in der Nacht übel geworden war und er hätte sich die ganze Zeit übergeben. Er meinte, dass seine Funktion bei dem Überfall als weiterer Wachposten entbehrlich gewesen wäre. Da meine Mutter den Wagen hätte steuern sollen, könne auch sie allein die Wache übernehmen.
»Bruder, zieht das dieses Mal ruhig ohne mich durch, ich schaffe das heute nicht, ich drücke euch die Daumen!«, sagte Olaf.
Die drei Brüder und meine Mutter hatten schon Wochen zuvor die Postfiliale in Rumbach observiert und wussten deshalb, dass an diesem geplanten Nachmittag das Geld mit einem Geldtransporter abgeholt werden sollte und somit die Summe einen Höchststand erreicht hatte. Ein Aufgeben oder Verschieben kam deshalb nicht in Frage. Also machten sie sich zu dritt auf den Weg zu der etwa 20 Kilometer entfernten Postfiliale. Unterwegs fuhren sie in einen Waldweg ein, um das Kennzeichen des Leihwagens mit einem schwarzen Isolierband zu verändern. Sie sprachen alles noch einmal kurz durch und gerade als sie weiterfahren wollten, wurden sie von Kripobeamten, die von allen Seiten eintrafen, gestellt. Der Versuch, zu Fuß wegzulaufen, scheiterte. Es waren zu viele Beamte. Meinen Eltern und Henrie war sofort bewusst, dass es Olaf gewesen war, der den Verrat beging. Er hat sie verpfiffen, weil er ihnen eins auswischen wollte. Die örtlichen Medien berichteten über den geplanten Postraub und den Erfolg der Polizei. Dabei sparten sich aber zu berichten, dass wenn Bruder Olaf die drei aus Missgunst nicht verraten hätte, sie die Postfiliale womöglich um eine horrende Geldsumme erleichtert hätten.
Bis zur Verhandlung waren alle auf freiem Fuß. Die Verhandlung hatten die Täter noch besucht. Der geplante Postraub brachte meinem Vater mit samt seinen anderen Straftaten, eine mehrjährige Haftstrafe ein. Onkel Henrie´s Strafmaß wurde aufgrund seiner relativ anständigen Vergangenheit nur auf etwas weniger als ein Jahr festgelegt. Meine Mutter bekam sechs Monate auf Bewährung, weil sie bis dato noch nicht straffällig war und ein zwei Jahre altes Kleinkind zu versorgen hatte. Zum Haftantritt erschien mein Vater nicht und auch Henrie nicht. Im Januar 1982 setzten sich meine Eltern und Henrie in das nahe gelegene Frankreich ab. Von meinem Onkel Henrie hörte ich später außer den Erzählungen meiner Eltern nie wieder etwas. Laut Gerüchten zufolge müsste er in Südfrankreich eine eigene Familie gegründet haben, wo er womöglich bis heute noch lebt. Mein Vater und meine Mutter nisteten sich bei Cécil, der älteren Schwester meines Vaters und ihrem Ehemann Gérard, in Stiring Wendel in der Grenznähe zum Saarland ein. Die beiden haben meinen Eltern bei sämtlichen Formalitäten und bei der Jobsuche geholfen. Mein Onkel Gérard besorgte meinem Vater einen Arbeitsplatz in dem Unternehmen, bei dem Gérard eine führende Position hatte.
Die ersten Wochen erschien mein Vater zwar regelmäßig auf der Arbeit, aber sein Interesse ehrliches Geld zu verdienen, dauerte nicht lange an. Zuerst ließ er sich krankschreiben, später kassierte er wieder die gewohnten Sozialleistungen. Das Leben meiner Eltern hatte bereits eine Struktur und da gehörte das Arbeiten sicher nicht dazu. Sie handelten gegen die Ratschläge von Cécil und Gérard und gingen ihrem gewohnten Tagesablauf nach. Mein Vater hatte sich immer wieder krankschreiben lassen und wäre längst schon bei der Arbeit entlassen worden, wenn Cécil nicht ständig an ihrem Mann Gérard gebettelt hätte, ihrem Bruder immer und immer wieder Chancen zu geben.
Meine Eltern bewohnten ein großes Haus mietfrei über den Arbeitgeber und konnten durch den Status, den mein Vater hatte, sogar einen Privatkredit für ein fabrikneues Auto bekommen. Das Auto, welches sozusagen von der Firma finanziert wurde, benutzten sie, um ihre krummen Geschäfte zu erledigen; wie beispielsweise der große Euroscheckbetrug, der in den 1980er Jahren im nordöstlichen Frankreich für Aufsehen sorgte. Sie stahlen in einem Autohaus aus einem Büro ein Scheckbuch und trieben damit ihr Unwesen. Sie fälschten die Unterschriften und kauften überwiegend Schmuck und Waren mit unverhältnismäßig großem Wert, welche sie später zu Bargeld machten. Sie fuhren in kurzer Zeit halb Frankreich ab, suchten Geschäfte auf, bei denen das Bezahlen mit Euroschecks möglich war und benutzten die Checks, bis das Buch leer war. So richteten sie einen bedeutenden Schaden an.
Die Flucht meiner Eltern mit meiner Schwester Tina nach Frankreich bedeutete für mich, dass ich in Frankreich zur Welt kam. Ich wurde am 15. Februar 1983 in Forbach geboren. Der Nachwuchs war für meine Eltern von großer Bedeutung, da sie dadurch wieder mehr Geld zur Verfügung hatten. Meine Tante Cécil war von meiner Mutter nicht sonderlich angetan. Das lag nicht nur daran, dass man auf den ersten Blick schon gesehen hat, dass sie als Mutter unfähig war, sondern auch daran, dass sie jedem Mann hinterherlief, der ihr über den Weg kam. Es war offensichtlich, dass sie der Prostitution nachging. Schon während der Schwangerschaft wusste meine Tante Cécil, dass es unmöglich sein konnte, dass mein Vater Werner auch der biologische Vater ist.
Während meiner Geburt war mein Vater nirgendwo zu finden und auch danach ließ er sich im Krankenhaus nicht sehen. Er hatte schon eine Abneigung gegen mich entwickelt, da war ich noch gar nicht auf der Welt. Selbst meine Mutter verabscheute mich. Meine Tante war der Grund, warum meine Mutter mich nicht abgetrieben hatte. Ohne die Sprache zu beherrschen, in einem fremden Land, wo man so gut wie niemanden kennt, war es ihr unmöglich einen Arzt zu finden, der ihr das Kind in ihrem Leib abgetrieben hätte. Nach Deutschland reiste sie vorsichtshalber nicht, außerdem hätten Cécil und Gérard meine Mutter zum Teufel gejagt, wenn sie aus Deutschland zurückgekehrt wäre und hätte mich nicht mehr in ihrem Unterleib gehabt. Alles dies bewog meine Tante Cécil, mich wie ihr eigenes Kind anzusehen. Und da meine Mutter ein Tag nach der Geburt wichtige Dinge zu erledigen hatte, landete ich im zarten Alter von nicht ganz zwei Tagen, zu Hause bei Cécil und Gérard. Ich hatte noch nicht einmal einen Namen. Meine Mutter hatte wahrscheinlich ganz vergessen, dass ein Mensch auch irgendwie heißen muss. Zumindest hatte sie erst einmal Wichtigeres zu erledigen. Vielleicht hatte sie sich auf die Suche nach „meinem...
Erscheint lt. Verlag | 31.7.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
ISBN-10 | 3-7597-2748-4 / 3759727484 |
ISBN-13 | 978-3-7597-2748-0 / 9783759727480 |
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