Jugendliches Engagement am Beispiel der Fridays-for-Future-Bewegung -

Jugendliches Engagement am Beispiel der Fridays-for-Future-Bewegung (eBook)

Eine explorative Studie

Sonja Herzog (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
186 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8385-9 (ISBN)
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Seit Ende des 19. Jahrhunderts gab es immer Jugendbewegungen, die auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam gemacht haben. Aber was ist das Neue an der Jugendbewegung Fridays for Future? Wie sehen Fridays-for-Future-Aktivist*innen sich, andere und die Welt? Diesen Fragen wird mithilfe von biografisch orientierten Leitfadeninterviews mit Fridays-for-Future-Aktivist*innen nachgegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden mit unterschiedlichen theoretischen, sensibilisierenden Konzepten gerahmt und im Horizont eines guten Lebens reflektiert.

Dr. phil. Sonja Herzog ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Technischen Universität Dortmund.

2.Fridays for Future – mehr als nur eine Jugendbewegung?


Tim Isenberg

Einleitendes


„Wir haben heute die beste und friedlichste Revolution geschafft – eine Revolution für den Klimaschutz“. Mit diesen Worten kommentierte 2015 der ehemalige Präsident Frankreichs, François Hollande, die Resultate der in Frankreich stattfindenden UN-Klimakonferenz, die heute unter dem sogenannten Pariser Klimaabkommen bekannt sind (Dailymotion 2015, Min. 11:20, Übers. T. I.). Es mag als historisches Ereignis betrachtet werden, dass alle 195 teilnehmenden Staaten sowie die Europäische Union dem universalen Abkommen zugestimmt haben. Keine vier Jahre später konnte womöglich tatsächlich eine Art Revolution identifiziert werden – eine globale, revolutionäre Bewegung indessen von primär jungen Menschen, die eben jene politischen Entscheidungsträger*innen ihrer Länder nicht nur an die Umsetzung dieses Abkommens erinnern, sondern vielmehr an sie appellieren, die Klimaschutzmaßnahmen, zu denen sie sich schließlich verpflichtet haben, sowie den Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel zu intensivieren und beschleunigen. Der gesellschaftspolitischen (Jugend-)Protestbewegung Fridays for Future (FFF) ist es gelungen, die Themen „Klima“ und „Nachhaltigkeit“ auf die Agenden sämtlicher Regierungschef*innen und Aufsichtsräte der Global Player zu bringen, während die führenden Akteur*innen der Bewegung mittlerweile selbst zu omnipräsenten Gesprächspartner*innen in den reichweiten Medien geworden sind und deren Initiatorin selbst einst zum erweiterten Kandidat*innenkreis für den Friedensnobelpreis zählte. Deshalb stellt sich nachfolgend die Frage, wie genau das Phänomen Fridays for Future zu konturieren und sein Erfolg zu erklären ist.

Im vorliegenden Beitrag wird unter anderem dargestellt, welche Merkmale die Bewegung charakterisieren, wie die Proteste organisiert sind und welchen Kritikpunkten sich die Bewegung ausgesetzt sieht. Eingangs wird diesbezüglich auf die Entstehung und Konstellation der Bewegung eingegangen und darüber hinaus in Kürze skizziert, wie sich die Aktivist*innen mobilisieren. Nachdem die deklarierten Ziele von FFF näher beleuchtet worden sind, widmet sich der Blick den vor allem in den Medien geäußerten Kritikpunkten an der Bewegung, denen sich ein resümierender Ausblick anschließt, wie die Chancen von FFF stehen, sich als persistente Jugendbewegung in der nächsten Dekade zu etablieren.

Merkmale der „Generation Greta“


Im August 2018, etwas mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens, leidet Europa unter einem Dürresommer – erneut. Auch aufgrund dessen beschließt die schwedische Schülerin Greta Thunberg, bewusst den ersten Schultag nach den Sommerferien zu verpassen, um stattdessen mit einem Pappschild vor das schwedische Parlamentsgebäude zu ziehen. Skolstrejk för Klimatet, zu Deutsch „Schulstreik für das Klima“, steht auf eben jenem Pappschild, was den Startschuss zu einer, wenn nicht gar der größten Jugend- bzw. Protestbewegung seit der Jahrtausendwende initiiert – Thunberg „ist heute das Gesicht [dieser] […] internationalen Jugendbewegung“ (Wetzel 2019, S. 11). Nachdem sie drei Wochen lang täglich auf der Straße statt auf der Schulbank sitzt und die internationale Öffentlichkeit unlängst auf ihren Protest aufmerksam geworden ist, entscheidet sie sich, ihren Klimaprotest auf den Freitag zu beschränken und das Motto „Fridays for Future“ gleich mitzuliefern (vgl. Wetzel 2019, S. 10; vgl. Teune 2020, S. 133). Aus dem Protest eines einzelnen Mädchens wird innerhalb weniger Monate eine globale Jugendbewegung, die keine Länder- oder Kontinentalgrenzen kennt und ein knappes Jahr später im September 2019 bei der ausgerufenen Week for Future weltweit mehr als sieben Millionen Menschen zählt – Thunberg selbst führte die Demonstration in New York an (vgl. de Moor et al. 2020, S. 7).

Nahmen am ersten Globalen Klimastreik im März 2019 primär Schüler*innen, Auszubildende und Studierende an den Massenprotesten teil (insgesamt 70,4 % Anteil; vgl. Sommer et al. 2020, S. 28), zeigt sich im Rahmen des vierten Globalen Klimastreiks im November desselben Jahres ein eher paritätisches Bild, zugleich der höchste Anteil weiterhin der Gruppe der unter 25-Jährigen zuzuordnen ist (37,4 %; vgl. ebd.). Der Einfluss Greta Thunbergs ist dabei speziell für den Zeitpunkt im März nicht von der Hand zu weisen, verkörpert sie doch als die herausragende Persönlichkeit das Bild, dass auch nicht-wahlberechtigte Schüler*innen die Möglichkeit erhalten können, vor den mächtigen Eliten der Weltbevölkerung ihre Sorgen und Kritik zu äußern. Durch den globalen Protest wird deutlich, dass „[d]ie Jugendlichen […] implizit die Frage nach politischer Mitbestimmung von zukünftig Betroffenen […] berühren“ (Holfelder et al. 2021, S. 120). Thunberg spricht auf der UN-Klimakonferenz in Polen, auf dem Weltwirtschafsforum in der Schweiz, vor dem parlamentarischen Umweltausschuss der Europäischen Union, traf den Papst und erhielt diverse Auszeichnungen (vgl. Meade 2020, S. 88). In ihrer Rolle als prominenteste Repräsentantin von FFF und „Role-Model für andere junge Frauen und Mädchen“ (Holfelder et al. 2021, S. 22) hat sie es geschafft, eine ganze Generation zu mobilisieren, zu politisieren und für den Schutz der eigenen Zukunft zu sensibilisieren (vgl. Sommer et al. 2020, S. 59f.), weshalb Hurrelmann und Albrecht (2020) auch überzeugt sind, dass die „Generation Greta“ (ebd., S. 228) ihr Themenspektrum künftig weitläufiger gestalten wird, anstatt sich rein auf das primäre Ziel des Klimaschutzes zu fokussieren – Politik, Digitalisierung, Bildung, Mobilität, Ökonomie, soziale Gerechtigkeit oder Kultur sind Gebiete, in denen in Zukunft mit der politisch aktiven Jugend gerechnet und kooperiert werden muss (vgl. ebd., S. 235).

Der „Greta-Effekt“ (de Moor et al. 2020, S. 134) auf die jüngeren Teilnehmer*innen scheint zum Zeitpunkt des Klimastreiks im November 2019 zwar größtenteils abgeklungen zu sein (vgl. Sommer et al. 2020, S. 43), doch die soziodemographische Entwicklung hin zu einem weitaus heterogeneren Querschnitt bei den Demonstrierenden schien keinen negativen Effekt auf die Teilnehmer*innenzahl besitzen. In der Zwischenzeit haben sich unter anderem mit Carla Reemtsma und Luisa Neubauer neue Gesichter der Bewegung in den deutschen Medien etabliert, die mit wissenschaftlich fundierten Kenntnissen nicht nur das Werk Thunbergs fortführen und die bundesweiten Proteste (mit)organisieren, sondern mit den führenden Parteipolitiker*innen in diversen Polit-Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender auf Augenhöhe kontrovers, jedoch konstruktiv debattieren. Diese drei Frauen stehen zudem exemplarisch dafür, wie es um das Geschlechterverhältnis bei FFF steht: Mit 60 % (März) bzw. 54 % (November) Anteil an weiblichen Demonstrierenden ist dieser deutlich höher als bei früheren Protestbewegungen. Bei der Betrachtung des Bildungsabschlusses wird ferner die „starke soziale Selektivität der Demonstrierenden“ (Sommer et al. 2020, S. 29) dadurch hervorgehoben, dass im November mehr als die Hälfte (50,8 %) über einen Hochschulabschluss verfügt oder diesen anstrebt und somit überwiegend dem Bildungsbürgertum zugeordnet werden kann (vgl. ebd., S. 30).

Organisationsstruktur und Mobilisierungsprozesse


FFF ist trotz der globalen Reichweite und der Millionen Anhänger*innen kein eingetragener Verein oder dergleichen. Es handelt sich um eine „dezentral organisierte Protestbewegung“ (Döninghaus et al. 2020, S. 147), die durch regionale Ortsgruppen initiiert und beworben wird. Über die bundesweite Homepage der Bewegung1 werben die lokalen Gruppen Mitglieder an und informieren die Öffentlichkeit über geplante Demonstrationen, ihre aktualisierten Forderungen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Sämtliche protestbezogenen Entscheidungen werden im Vorfeld...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8385-0 / 3779983850
ISBN-13 978-3-7799-8385-9 / 9783779983859
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