Die Politik der Gesamtschulreform -  Katharina Sass

Die Politik der Gesamtschulreform (eBook)

Spaltungslinien, Akteure und Koalitionen in Deutschland und Norwegen
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2024 | 1. Auflage
262 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8381-1 (ISBN)
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Woran scheiterte die flächendeckende Einführung der Gesamtschule in Deutschland? Und wieso gelang sie in Norwegen? Diese Fragen werden hier historisch-soziologisch analysiert. Das Buch argumentiert, dass schulpolitische Bündnisse auf gesellschaftlichen Spaltungsstrukturen basieren. Neben der Klassenspaltung befasst es sich mit Spaltungen, die mit Religion, Geografie, Sprache, Antikommunismus und Geschlecht zusammenhängen. Es zeigt, wie norwegische Sozialdemokraten und deutsche Christdemokraten erfolgreiche Koalitionen bildeten, indem sie verschiedene soziale Gruppen mobilisierten.

Katharina Sass (*1986) ist Associate Professor am Soziologischen Institut der Universität Bergen, Norwegen. Sie hat 2018 in Bergen promoviert und forscht international vergleichend zu Schulpolitik, Schulreformen und Bildungsungleichheit.

2Zurück zu den Wurzeln


Dieses Buch befasst sich in erster Linie mit den Schulreformen der 1950er bis 1970er Jahre. Die Bedingungen für Reformen hingen jedoch mit historischen Hinterlassenschaften zusammen. Dieses Kapitel fasst daher die Entwicklung der nationalen Schulsysteme in Norwegen und Preußen/später NRW zusammen. Es gibt Aufschluss darüber, wie sich politische Spielfelder entwickelten und Spaltungslinien zum Ausdruck kamen, die die Schule als Institution prägten. Wie wir sehen werden, trugen Unterschiede in den Spaltungsstrukturen schon früh zu Unterschieden in der schulpolitischen Entwicklung bei. Allerdings gibt es auch Gemeinsamkeiten: Beide Schulsysteme bestanden bis in die 1950er Jahre aus Volksschulen, gefolgt von gegliederten Schulformen der Sekundarstufe I und II. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt auf der allgemeinen Grund- und Sekundarschulbildung.

Das norwegische Schulwesen bis in die 1950er Jahre


Die Ursprünge des norwegischen Schulsystems


Die christliche Erziehung der norwegischen Kinder wurde ursprünglich von der dänisch-norwegischen Kirche kontrolliert. Ein nationales Bildungssystem entwickelte sich schrittweise ab dem 18. Jahrhundert. Im Jahr 1739 erließ der dänisch-norwegische König Kristian VI. (1730-1746) eine Verordnung über Schulen auf dem Land (allmueskoler), die vorsah, dass alle Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren mindestens drei Monate im Jahr zur Schule gehen sollten. Während des gesamten 18. und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestand für die Mehrheit der Kinder der Unterricht vor allem aus Erziehung zum Christentum. Sie lernten zu lesen und mussten christliche Schriften und Gebete auswendig lernen (Tveit, 1991, 95ff). Die pietistische allmueskole baute auf der Vorstellung auf, dass die Bevölkerung in ihrer Mehrheit «faul und dumm» sei (Telhaug/Mediås, 2003, 36). Die Lehrer der allmueskole gehörten zu den ärmsten Gruppen der Bevölkerung. Die allmueskole wurde der Bevölkerung von oben aufgezwungen und sollte das einfache Volk Respekt vor Kirche und König lehren. Dennoch führten die Reformen bis um 1800 zur Ausrottung des Analphabetismus (Tønnessen, 2011, 23).

Neben der allmueskole entwickelten sich latinskoler (Lateinschulen) als Schultyp für die Eliten. Ursprünglich bereiteten sie auf den Kirchendienst vor, nach und nach aber auch auf den Staatsdienst. Realskoler oder borgerskoler (Realschulen) wurden als ein anderer Typ von Sekundar- oder Mittelschule mit einem modernen Lehrplan gegründet, der teilweise von den Ideen der Aufklärung inspiriert war (Myhre, 1971, 27). Diese Schulen wurden vor allem von der neuen Kaufmannsschicht getragen, die für ihre Kinder eine andere Art von Bildung anstrebte, als die Lateinschulen bieten konnten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten diese Schulen dreimal so viele Schüler wie die Lateinschulen (Tønnessen, 2011, 21f).

Im Jahr 1809 wurden Mathematik, moderne Sprachen und Naturwissenschaften in den Lehrplan aller weiterführenden Schulen aufgenommen. Die neuen Vorschriften ermöglichten die Zusammenlegung von Realschulen und Lateinschulen, so dass Schüler, die nicht die Absicht hatten, eine Universität zu besuchen, eine Ausbildung ohne Latein erhalten konnten (Myhre, 1971, 28f). In dieser Zeit war die norwegische Identität kein Thema in den Schulen. Die Lehrbücher waren alle entweder auf Dänisch oder Deutsch verfasst. Pietistische Erziehungsideale blieben bis etwa 1840 dominant (Tveit, 1991, 113; Telhaug/Mediås, 2003, 54).

Jahr

Bevölkerung

1735

616 109

1800

881 499

1850

1 384 149

1900

2 217 971

1920

2 616 274

1940

2 963 909

1950

3 249 954

1955

3 410 726

1960

3 567 707

1965

3 708 609

1970

3 863 221

1975

3 997 525

1980

4 078 900

2000

4 478 497

2015

5 165...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8381-8 / 3779983818
ISBN-13 978-3-7799-8381-1 / 9783779983811
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