Agile Hochschuldidaktik -  Christof Arn

Agile Hochschuldidaktik (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 4. Auflage
288 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8005-6 (ISBN)
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Interagieren Dozierende echt mit den Studierenden, prägen alle gemeinsam den Verlauf. Überraschendes, Ungeplantes findet statt. Wie kann das die Zielerreichung stärken und praktisch funktionieren? Lehrende, die wahrnehmen, was bei den Lernenden passiert, lehren besser - und sind stärker gefordert. Denn sie werden ihr Vorgehen in der Lehre laufend ihren Wahrnehmungen anpassen wollen, sogar aus dem Stand. Können das nur alte Hasen? Kann man das lernen? Dieses Buch bietet theoretische Hintergründe ebenso wie Erfahrungsberichte, Beispiele und Konzepte, sogar konkrete Anleitungen.

Christof Arn leitete sieben Jahre lang das hochschuldidaktische Zentrum der Hochschule Luzern und ist heute als Ethiker (ethikprojekte.ch) und als Hochschuldidaktiker (agiledidaktik.ch) selbständig unterwegs. Gemeinsam mit Jean-Paul Munsch und weiteren gründete er die Hochschule für agile Bildung (hfab.ch) als Labor, um gemeinsam Prototypen für ganze Studiengänge, für Leistungsnachweisformen, für Weiterbildungsformate und mehr rund um entwicklungsorientierte Bildung zu bauen.

IGrundlagen


Kann man agile Didaktik lernen? Oder ist es eine Frage der Begabung und Veranlagung? Oder beides? Sie werden sich zu genau dieser Frage – unter anderem – eine eigene Meinung bilden, während Sie weiterlesen. Von meiner Seite her dazu Folgendes: Seit mir anfangs der 10er Jahre klar wurde, dass ich mich als Lehrender in diese Richtung entwickeln möchte, lerne ich dazu. Ich lerne aus eigenen didaktischen Ideen, die gelingen; ich lerne dank Dingen, die ich neu probiere und die sich überhaupt nicht bewähren, teils so sehr nicht, dass es ein bisschen Mut brauchen würde, den einen oder anderen Misserfolg zu erzählen. Doch es wollte ausprobiert sein und im Grunde will ich diese besonderen Erfahrungen doch auch nicht missen, denn immer waren sie mit wichtigen Entdeckungen verbunden. Ich lerne sehr viel auch von anderen Lehrenden, die ich erleben darf oder die mir von ihrem Unterricht erzählen, und generell vom Austausch mit Bildungsmenschen; auch vom Austausch mit Menschen, die ganz andere Dinge tun, als unterrichten – von Dirigentinnen, Coaches, Forschenden. Besonders viel über Lernwirksamkeit lerne ich von meinen Lernenden, natürlich. Im Grunde lernen wir kollaborative Didaktik ohnehin gemeinsam.

Im Vergleich zu mir haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sogar einen Vorteil: Sie haben dieses Buch. Es hat zwei Ziele: Es soll erstens zeigen, warum agile Didaktik als echte (und damit zumindest zum Teil unvorhersehbare) Interaktion ein sehr guter Ansatz ist, gerade dann, wenn man ihn mit herkömmlicher Didaktik kombiniert; also Ihnen Argumente liefern für das, was Sie – vielleicht mehr als Ihnen bewusst ist – ohnehin schon tun und gerne vermehrt tun möchten. Zweitens will dieses Buch Ihnen maximale Dienste erweisen, wenn Sie in Sachen agile Didaktik dazulernen wollen. Das erste Ziel wird vor allem im ersten Teil verfolgt, das zweite hauptsächlich im zweiten und dritten Teil. Allerdings verbinden sich diese beiden Ziele an verschiedenen Stellen miteinander.

So ist dieser erste Teil, der Grundlagenteil, aufgebaut:

(1)

Warum heißt agile Didaktik hier manchmal auch »Präsenzdidaktik«, »Co-Didaktik« bzw. »Didaktik als Performance« und wie könnte der Ansatz warum sonst noch heißen? Was macht den Ansatz aus und wie kann solche Didaktik präzise definiert werden? Wie ist »Plan-Didaktik« als logischer Gegenbegriff genau zu fassen und in was für einem Verhältnis steht die agile Didaktik dazu? Das erste Unterkapitel schafft begriffliche und logische Klarheit.

(2)

Didaktik als echte Interaktion kann man als einen Gegensatz zur Essenz dessen konturieren, was als Didaktik bisher oft gelehrt wurde und noch wird. Diese Essenz vieler bisheriger Didaktikkonzepte lässt sich unter dem Oberbegriff der »Plan-Didaktiken« zusammenfassen. So grundlegend neu und anders demgegenüber der Ansatz der agilen Didaktik ist, so sehr ist Didaktik, die gemeinsam mit den Lernenden aus dem Moment heraus entsteht, zugleich in doppelter Hinsicht nicht neu: Sie ist ursprüngliche Pädagogik, wie sie Aristophanes (»Menschen zu bilden, bedeutet nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen«, Berner 2010, 43) oder auch Korczak (1996) verstanden haben. Präsenzdidaktik kann geradezu als eigentliche Tradition der Pädagogik gesehen werden und ist außerdem in der alltäglichen Lehrpraxis (durchaus im Gegensatz zum vorher in pädagogischen Ausbildungen Gelernten) durchaus vertreten. Zudem gibt es enge Verbindungen zu jenen aktuellen Trends der Hochschuldidaktik, ja der Didaktik überhaupt, die mit Wendungen wie »vom Dozierenden zum Lerncoach« auf den Punkt gebracht werden. Allerdings geht agile Didaktik darüber hinaus, weil dabei nicht die Tätigkeit des Lehrens der Tätigkeit des Beratens weicht, sondern Dozentin und Coach zu sein zur Gleichzeitigkeit im Unterrichtsgeschehen wird. So zeigt das zweite Unterkapitel Kontraste zur agilen Didaktik ebenso wie Anschlussstellen.

(3)

Agile Didaktik lässt sich an den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs anschließen. Ältere wie neue empirische Forschungen, aktuelle Theorien und Konzepte bieten starke Argumente und gute Grundlagen für Didaktik als echte Interaktion. Das dritte Unterkapitel erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Begründung zu liefern, aber einige Grundlinien für eine solche zu skizzieren.

(4)

»Was ist der Unterschied zwischen Gott und dem Lehrer? Gott weiß alles, der Lehrer alles besser.« Dieser bekannte Witz stellt zwar fest, dass »der Lehrer« von einem Gefälle zwischen ihm und den Lernenden lebt. Aber dieser Witz kritisiert das auch schon – mit Humor eben. Die Haltung des Besser-Wissens passt zu bestimmten didaktischen Formen: zum Monolog, zur extrinsischen Motivation der Lernenden mittels öffentlichen Leistungsvergleichen unter den Lernenden (was sehr subtil möglich ist), zur daraus resultierenden Prüfungsangst. Mit Didaktik als Performance entscheidet man sich gegen solche Formen als Grundformen – wobei punktuell Monologe vorkommen können. Die didaktischen Grundformen sind allerdings andere: offene Fragen stellen, die Vorgänge in den Lernenden sorgfältig wahrnehmen und den gemeinsamen Prozess diesen Vorgängen entlang laufend umgestalten, Selbststeuerung durch Selbsteinschätzungsgelegenheiten stärken usw. Welche Haltung passt zu solchen Grundformen? Diese Frage steht im Zentrum des vierten und letzten Unterkapitels des Grundlagenteils.

1Namen, Eigenschaften, Definitionen, Verhältnisse


1.1Namen und Eigenschaften


Wer sich auf echte Kommunikation einlässt, wird beweglich reagieren wollen. »Agile Didaktik« bezeichnet daher treffend, was es für diese Art des Lehrens braucht. Man könnte das Geschehen auch Co-Didaktik oder Mit-Didaktik nennen, weil diese Didaktik überhaupt erst im Miteinander mit den Lernenden entsteht; oder Kontaktdidaktik bzw. Begegnungsdidaktik, weil die echte Interaktion, der tatsächliche Kontakt angestrebt wird und elementar ist für diese Art und Weise, zu lehren; oder auch Dialogdidaktik; oder gar Didaktik als »Inter-Akt«. Man könnte diese Herangehensweise auch als Jetzt-Didaktik bezeichnen, weil didaktische Entscheidungen im Moment getroffen werden (s.u.), nicht (ausschließlich) im Voraus. Von dieser Eigenheit der agilen Didaktik herkommend könnte man sie mit einem Augenzwinkern auch als »Präsenzunterricht« bezeichnen, da sie eben volle Präsenz, Geistes-Gegenwart verlangt, um im Moment wahrzunehmen, was wichtig ist und entscheiden zu können, was als nächstes zu tun ist. Auch von einer »adaptiven« Didaktik könnte man sprechen, in Anlehnung an Gold (2008, 248), der im »Handbuch der Pädagogischen Psychologie« die Bedeutung der fortlaufenden Anpassung des Lehrangebots an die Lernenden beschreibt. Mit einem leisen Bezug auf die sogenannte »Situationsethik« könnte man den Begriff der »Situationsdidaktik« schaffen. »Systemische Didaktik« wäre eine hervorragende Bezeichnung, weil systemisches Denken mehrfach von Bedeutung ist für die Sache.

Mit Bezug auf »Performance Art«, also die Kunst, die in einer einmaligen Aktion besteht, ließe sich der Ansatz auch als »Didaktik als Performance« bezeichnen. So ließe sich auch an die Grundaussage dieses Wortes anschließen: »Per«-»Formance« sagt »Durch«-»Formung«, könnte auch mit »Tiefen«-»Wirkung« übersetzt werden. Per-Formance bleibt nicht an der Oberfläche. Per-Formance steht dafür, dass Form tatsächlich verändert wird: Etwas ist nachher grundsätzlich anders als vorher. Eine bleibende Wirkung wurde erzielt. Bezogen auf Didaktik heißt das: Ein Mensch verändert sich. Wenn Didaktik Performance ist, dann sind die Lernenden nachher nicht mehr dieselben wie vorher – und die...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8005-3 / 3779980053
ISBN-13 978-3-7799-8005-6 / 9783779980056
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