Sexualpädagogik in der Kita -  Jörg Maywald

Sexualpädagogik in der Kita (eBook)

Sexuelle Bildung und Schutz vor sexualisierter Gewalt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
160 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83340-3 (ISBN)
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Sexualpädagogik ist ein wesentliches Thema in der Kita und nimmt die Rechte und den Schutz der Kinder in den Blick. Jörg Maywald zeigt, dass eine kindgerechte Sexualpädagogik und der Schutz vor sexualisierter Gewalt zusammengehören und sich gegenseitig ergänzen. Im Buch werden aktuelle Erkenntnisse zu den Themen psychosexuelle Entwicklung, Sexualpädagogik, sexuelle Bildung und Schutz vor sexualisierter Gewalt für den Bereich der Kita aufbereitet. Zahlreiche Fallbeispiele regen dazu an, mit sexualpädagogischen Themen in der Kita kompetent umzugehen, den Austausch mit den Eltern zu suchen und Kinder präventiv vor Gefahren zu schützen.

Dr. Jörg Maywald ist Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums. Von 1995 bis 2021 war er Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, von 2002 bis 2022 Sprecher der National Coalition Deutschland, dem Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Seit 2011 ist er Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam.  

2.


Rechtliche Rahmenbedingungen


Die Themen in diesem Kapitel sind

→ Kinder als Träger:innen von Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechten

→ Recht auf eine gewaltfreie Erziehung

→ sexueller Missbrauch und Sexualstrafrecht

→ Verfahren bei Kindeswohlgefährdung

2.1 UN-Kinderrechtskonvention: Schutz, Förderung und Beteiligung


Die UN-Kinderrechtskonvention versteht Kinder als (Rechts-)Subjekte und Träger:innen eigener, unveräußerlicher Menschenrechte. Die Konvention wurde 1989 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet und ist seitdem von 196 Staaten ratifiziert worden. Sie ist damit das weltweit am meisten ratifizierte Menschenrechtsübereinkommen. In Deutschland trat die Konvention 1992 in Kraft, zunächst allerdings mit Vorbehalten. Erst 2010 hat die Bundesregierung die Vorbehaltserklärung zurückgenommen. Seitdem gelten sämtliche Rechte nach der Konvention uneingeschränkt für alle in Deutschland lebenden Kinder.

Die in den 54 Artikeln der UN-Kinderrechtskonvention enthaltenen Rechte beziehen sich auf alle Menschen von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (Kinder und Jugendliche). In dem »Gebäude der Kinderrechte« können Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte unterschieden werden. Die wichtigsten Prinzipien, die der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes als »Allgemeine Prinzipien« (General Principles) bezeichnet, finden sich in den Artikeln 2, 3, 6 und 12.

Artikel 2 enthält ein umfassendes Diskriminierungsverbot. Zu den dort aufgeführten unzulässigen Diskriminierungsmerkmalen gehört auch das Geschlecht des Kindes. In Artikel 3 Absatz 1 ist der Vorrang des Kindeswohls festgeschrieben, demzufolge das Wohl des Kindes bei allen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen vorrangig zu berücksichtigen ist. Artikel 6 sichert das grundlegende Recht jedes Kindes auf Leben, Überleben und bestmögliche Entwicklung. Gemäß Artikel 12 hat jedes Kind das Recht, in allen Angelegenheiten, die es betreffen, unmittelbar oder durch eine Vertretung gehört zu werden. Die Meinung des Kindes muss angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife berücksichtigt werden.

ÜBERBLICK

Allgemeine Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention

Artikel 2

Recht auf Nicht-Diskriminierung

Artikel 3 Absatz 1

Recht auf vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls

Artikel 6

Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung

Artikel 12

Recht auf Berücksichtigung der Meinung des Kindes in allen es betreffenden Angelegenheiten

Ein Bezug zu Sexualpädagogik und sexueller Bildung findet sich in Artikel 24 (Gesundheitsvorsorge) der Konvention. Gemäß Artikel 24 Absatz 2f verpflichten sich die Vertragsstaaten, »die Aufklärung und die Dienste auf dem Gebiet der Familienplanung auszubauen«. Der nachfolgende Absatz 3 enthält die Verpflichtung der Staaten, »alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen [zu treffen], um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen«. Zu den Bräuchen, die die Gesundheit schädigen und die Rechte von Kindern verletzen, gehört unter anderem die in einigen Regionen der Welt verbreitete Genitalverstümmelung von Mädchen.

In Artikel 19 Absatz 1 ist ein uneingeschränktes Gewaltverbot in der Erziehung niedergelegt. Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird dort ausdrücklich als eine Form unzulässiger Gewalt benannt. Entsprechend heißt es: »Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.«

Gemäß Artikel 34 UN-Kinderrechtskonvention genießen Kinder außerdem einen umfangreichen Schutz vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch: »Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Kind vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten insbesondere alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen, um zu verhindern, dass Kinder

a) zur Beteiligung an rechtswidrigen sexuellen Handlungen verleitet oder gezwungen werden;

b) für die Prostitution oder andere rechtswidrige sexuelle Praktiken ausgebeutet werden;

c) für pornographische Darbietungen und Darstellungen ausgebeutet werden.«

Die in der UN-Kinderrechtskonvention enthaltenen Rechte sind durch drei Zusatzprotokolle präzisiert und erweitert worden, darunter das im Jahr 2000 von der Vollversammlung verabschiedete und 2002 in Kraft getretene Fakultativprotokoll, das den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie betrifft (Optional Protocol on the Sale of Children, Child Prostitution, and Child Pornography). Das auch von Deutschland ratifizierte Protokoll verbietet ausdrücklich solche schweren Kinderrechtsverletzungen und fordert von den Staaten, diese Formen der Ausbeutung als Verbrechen zu verfolgen und unter Strafe zu stellen.

Zur weltweiten Umsetzung der Kinderrechte auf Schutz vor sexueller Ausbeutung fand 1996 in Stockholm auf Initiative der Kinderrechtsorganisation ECPAT (End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes) der »Erste Weltkongress gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern« statt. Über hundert Länder und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen verabschiedeten im Zuge dessen einen Aktionsplan, der unter anderem die Kriminalisierung der sexuellen Ausbeutung von Kindern, die Verabschiedung entsprechender Gesetze sowie vorbeugende Maßnahmen der Informations- und Bildungsarbeit fordert. Mit Bezug zu diesem internationalen Aktionsplan hat die deutsche Bundesregierung 2003 und 2011 nationale Aktionspläne zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung verabschiedet.

ÜBERBLICK

UN-Kinderrechtskonvention: Sexualaufklärung und Schutz vor sexualisierter Gewalt

Artikel 19

Schutz vor sexuellem Missbrauch durch Eltern oder andere Personen

Artikel 24 Absatz 2f

Aufklärung sowie Ausbau der Dienste auf dem Gebiet der Familienplanung

Artikel 34

Schutz vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (u. a. Verbot von Kinderprostitution und Kinderpornografie)

Zusatzprotokoll

Verpflichtung zur Strafverfolgung von Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie

Auch wenn die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention relativ allgemein gehalten sind, haben sie für pädagogische Fachkräfte eine große Bedeutung. Sie machen deutlich, dass heutzutage ein nahezu universeller Menschenrechtsschutz für Kinder besteht, der alle Kinder unabhängig von nationaler Herkunft sowie kultureller und religiöser Verwurzelung einschließt.

2.2 Grundgesetz: Gleichheitsgrundsatz, Elternrechte und Schutzauftrag


Von großer Bedeutung für eine geschlechtergerechte Bildung und Erziehung ist Artikel 3 des Grundgesetzes (GG), der ein allgemeines Gleichheitsgebot sowie ein Verbot der Diskriminierung unter anderem aufgrund des Geschlechts enthält. Im Einzelnen heißt es dort:

GRUNDLAGEN

Artikel 3 GG: Gleichheitsgrundrecht

» (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. «

Eigene Kinderrechte kennt das Grundgesetz bisher nicht. Auch der Kindeswohlvorrang wird dort nicht erwähnt. Kinder tauchen lediglich als Regelungsgegenstände (Rechtsobjekte) auf. So spricht Artikel 6 Absatz 2 GG vom Recht der Eltern und der zuvörderst ihnen obliegenden Pflicht, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen. Allerdings gehört es inzwischen zur gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Kind...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-451-83340-9 / 3451833409
ISBN-13 978-3-451-83340-3 / 9783451833403
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