Religionspädagogik in der Kita (eBook)

Kompetenzen für pädagogische Fachkräfte
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83216-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Religionspädagogik in der Kita -  Albert Biesinger,  Friedrich Schweitzer
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Alle Kinder stehen in ihrer Entwicklung vor religiösen Orientierungsfragen. In einer multireligiösen und säkularer gewordenen Gesellschaft gilt es umso mehr. Aber wie kann heute religiöse und interreligiöse Begleitung und Erziehung in kirchlichen sowie in kommunalen Einrichtungen verantwortungsvoll gestaltet werden? Die Autoren bieten dazu Grundinformationen und erschließen Schritt für Schritt wichtige Kompetenzbereiche für die religionspädagogische Arbeit mit Kindern. Sie beschreiben Aufgaben und Herausforderungen für pädagogische Fachkräfte und präsentieren exemplarische Lösungsmöglichkeiten - praxisnah, kompetent und materialreich. Ein Grundlagenwerk für Praxis, Aus- und Fortbildung.

Albert Biesinger, geb. 1948, Dr. theol., war Professor für Religionspädagogik in Tübingen und ist Autor zahlreicher religionspädagogischer Fachbücher.

Albert Biesinger, geb. 1948, Dr. theol., war Professor für Religionspädagogik in Tübingen und ist Autor zahlreicher religionspädagogischer Fachbücher. Dr. Friedrich Schweitzer, Seniorprofessor für Praktische Theologie/Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Dr. Friedrich Schweitzer, Seniorprofessor für Praktische Theologie/Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Albert Biesinger, geb. 1948, Dr. theol., war Professor für Religionspädagogik in Tübingen und ist Autor zahlreicher religionspädagogischer Fachbücher. Alfred Bodenheimer (Jg. 1965) ist seit 2003 Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel. Daneben war er von 2005 bis 2008 Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Dipl.-Theol., Referentin für Elementarpädagogik der Erzdiözese Freiburg am Institut für Religionspädagogik, Dozentin und Buchautorin. Andreas Leinhäupl, geb. 1966, Dr. theol., Lehrbeautragter im Fach Biblische Theologie an verschiedenen Hochschulen, freier Mitarbeiter im Seelsorgeamt des Bistums Osnabrück. Dr. Ralf Gaus, geb. 1974, ist Religionslehrer an einem Stuttgarter Gymnasium und Lehrbeauftragter für Religionspädagogik und Katechetik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster.

1.

Religion in der eigenen Biografie reflektieren

Die Themen in diesem Kapitel sind

→ Bedeutung von Religion in der eigenen Lebensgeschichte reflektieren

→ Wandel grundlegender religionspädagogischer Fragen

→ Herausforderungen und Chancen durch Multireligiosität

→ Religiöse Bildung ist auch immer interreligiöse Bildung

→ Mit den eigenen biografischen Erfahrungen Kinder religiös begleiten

→ Gemeinsam mit den Kindern nach Antworten auf die »großen Fragen« suchen

Kann ich als pädagogische Fachkraft einen religionspädagogischen Auftrag wahrnehmen?


Die religiöse Begleitung, Erziehung und Bildung von Kindern berührt immer auch die biografischen Voraussetzungen der Erwachsenen. Das gilt nicht nur für die Eltern, sondern auch für die pädagogischen Fachkräfte. Da alle Erwachsenen selbst einmal Kinder waren, begegnen sie sich in den Kindern selber wieder – als das Kind, das sie einmal waren. Sie bringen Erfahrungen mit der eigenen Erziehung mit, und diese Erfahrungen bestimmen sehr häufig auch das spätere pädagogische Handeln, in positiver wie auch in negativer Weise. Denn die Begegnung mit den Kindern kann an gute Erfahrungen anknüpfen, aber auch alte Konflikte aus der eigenen Kindheit wachrufen. Deshalb ist es so wichtig, sich der Bedeutung von Religion und religiöser Erziehung in der eigenen Lebensgeschichte bewusst zu werden. Auf diese Weise werden wir uns unserer Verletzlichkeit bewusst, aber auch unserer besonderen Stärken und Fähigkeiten.

AUFGABE

Schreiben Sie einen Tagebucheintrag, in dem Sie Ihre religiösen Einstellungen und Erfahrungen früher und heute reflektieren. Folgende Fragen können dabei als Anhaltspunkt dienen:

Wie bin ich als Kind selbst mit religiöser Praxis und mit religiösen Bedeutungen in Berührung gekommen?

Wer war dabei für mich besonders wichtig?

Welche Gefühle kann ich dazu heute noch wahrnehmen?

Wie habe ich mir damals Gott und die Welt vorgestellt?

An welche Zweifel und Ungereimtheiten kann ich mich erinnern?

Wie hat sich meine Religiosität in der Grundschulphase (weiter-)entwickelt?

Welche Geschichten aus der Bibel, aus dem Judentum, aus dem Koran und anderen Religionen haben mich beeindruckt?

Welches sind meine Lieblingsgeschichten geworden?

Wie hat sich mein Glaube in der Pubertät verändert?

Welche Rituale (Erstkommunion, Konfirmation, Firmung oder Bar-Mizwa/Bat-Mitzwa, Fasten beim Ramadan etc.) haben mich beeindruckt und sind mir in Erinnerung geblieben? Was waren wichtige Einschnitte und Erfahrungen?

Wie erlebe ich meine Nähe bzw. Distanz zu religiösen Weltdeutungen heute?

Wie sieht meine religiöse/nichtreligiöse Deutung der Welt heute konkret aus?

Was bedeutet es mir, mit Kindern im Kita-Alter über religiöse Themen zu sprechen?

Grundinformationen


Fragen an die eigene Biografie


Es liegt auf der Hand, dass die eigenen Erfahrungen in der Kindheit immer auch das spätere erzieherische Handeln beeinflussen. In der Tätigkeit als pädagogische Fachkraft wiederholen sich oft Situationen, die man selbst in der Kindheit erlebt hat. Im Blick auf religiöse Erziehung ist deshalb die Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen in der Lebensgeschichte besonders wichtig.

Pädagogische Fachkräfte erleben heute in ihren Einrichtungen, dass »Religion« Schritt für Schritt immer mehr zum Thema wird. Dies hängt mit den religiösen und kulturellen Veränderungen unserer Gesellschaft zusammen und kann pädagogische Fachkräfte auch verunsichern. Sie fragen sich dann zum Beispiel: »Inwiefern bin ich aufgrund meiner eigenen Biografie in der Lage, mit religiösen Vorstellungen von Kindern und bisweilen auch denen der Eltern umzugehen?«

Manche pädagogischen Fachkräfte verfügen über keine oder nur wenige Erfahrungen mit Religion, andere wurden religiös sozialisiert und haben bereits in ihrer Familie tiefe Einblicke in eine Religion nehmen können. Mit der neuen Situation in der Kita umzugehen kann jedoch – auf der Basis des eigenen Erfahrungs- und Fragehorizontes – für beide Gruppen eine spannende Herausforderung sein. Damit sich Fachkräfte nämlich selbst als Person in die Bildungsprozesse der Kinder einbringen können, müssen sie die eigene Ausgangslage und die möglicherweise vorhandenen »Störungen« beim Thema Religion analysieren und reflektieren. Die Erfahrungen sollten dabei keinesfalls abgewertet werden. Jeder Mensch bringt seine je eigene Biografie mit – und ebendiese ist zu würdigen. Dass die eigene Biografie nicht zum Hindernis für die anvertrauten Kinder und Eltern wird, gehört zur pädagogischen Professionalität.

Die eigene Biografie für den zu leitenden Bildungsprozess ernst zu nehmen bedeutet immer auch, sich aufgeschlossen zu zeigen und bereit zu sein, sich auf Neues einzulassen.

Früher und heute:
zum Wandel religionspädagogischer Problemlagen


In der Forschung standen in den letzten Jahrzehnten vor allem schlechte Erfahrungen mit religiöser Erziehung im Vordergrund. Menschen berichten über die Art und Weise, wie ihnen Gott in der Kindheit nahegebracht worden ist und wie dies ihr Leben eingeengt oder sogar auf Dauer verletzt und verbogen hat. Vor allem die Angst vor einem strafenden Gott, der das Kind – angeblich! – streng überwacht, spielt dabei immer wieder eine Rolle. Offenbar wurde Gott von den Eltern oder auch von anderen Erwachsenen häufig als eine Art Erziehungsgehilfe eingesetzt, der den kindlichen Gehorsam garantieren sollte. Dem Kind wurde gesagt, dass es bei Ungehorsam mit einer Strafe Gottes rechnen müsse, auch wenn zum Beispiel die Eltern gerade nicht sehen, was das Kind tut. Die Folge war dann ein »dämonisches Gottesbild« und die Vorstellung von Gott als einem Wesen, das »alles sieht und alles bestraft«. Aus heutiger Sicht ist hier von einem »religiösen Missbrauch« von Kindern zu sprechen.

Sprichwörtlich geworden ist die von Tilmann Moser beschriebene »Gottesvergiftung«1: Für die Kinder wird bei einer solchen »vergiftenden« Erziehung mit dem Gottesglauben die unerbittliche Forderung verknüpft, immer daran zu denken, wozu dieser Glaube verpflichtet (»Was erwartet Gott von dir?«). Aus dem Glauben wird auf diese Weise eine beständige Selbstüberforderung. Zum Bild des strafenden Gottes tritt dadurch auch der »Leistungsgott«, der dem Kind immer mehr abfordert, als es leisten kann.

ZUSATZ-INFO

»Gottesvergiftung«?

So lautet der Titel eines 1976 veröffentlichten Buches des Psychoanalytikers Tilmann Moser. Darin warnt er vor der krank machenden Seite der christlichen Religiosität und vor erdrückenden Gottesbildern, die zum Beispiel mit Höllenpein verbunden wurden und Versagensängste auslösten. Im Jahr 2003 erschien ein weiteres Buch des Autors– nun mit dem Titel »Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott«2. Wie Matthias Drobinski feststellt, gibt es laut Moser tief in den meisten Menschen »eine selbstverständliche Religiosität, […] die Fähigkeit, sich liebevoll berühren zu lassen – und wenn sie auf ein lebensbejahendes Gottesbild träfe, könne sie viel zu einem gelingenden Leben beitragen. Ob es nun Gott gibt oder nicht«, habe Moser damit nicht belegt, aber immerhin einen Perspektivwechsel vorgenommen: »Glauben ist gesund.«3

Es ist gut, dass heute offen über negative Erfahrungen mit religiöser Erziehung gesprochen wird. Denn nur so kann eine neue Offenheit für eine kindgemäße religiöse Erziehung erreicht werden, die den Menschen in seiner Entwicklung unterstützt und stärkt. Aus christlicher Sicht handelt es sich bei dem Gott, »der alles sieht und alles bestraft«, aber auch bei dem »Leistungsgott«, der das Kind kleinhält, um eine unzulässige Instrumentalisierung der Religion für die Erziehung. Der biblische Gott spielt dabei in aller Regel gerade keine Rolle. Vom gnädigen Gott, der die Menschen liebt, ihnen immer wieder verzeiht und sie annimmt, ist bei einer solchen Erziehung gar nicht die Rede. Auch dass die Bibel betont, dass Gott die Kinder liebt und Jesus sich in ganz spezieller Weise den Kindern zugewandt hat, kommt nicht zur Sprache.

Statt problematischer Gottesbilder wird heutzutage jedoch vermehrt ein anderes Problem wahrgenommen: Junge Menschen nehmen Kirche als langweilig wahr – als Institution, die das Leben der heutigen Menschen nicht versteht. Es findet eine Entfremdung zwischen individuellem Glauben und Kirche statt. Mit der eigenen – eventuell vorhandenen – Gottesbeziehung haben die Erfahrungen mit der Institution Kirche, die für...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2024
Co-Autor Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Alfred Bodenheimer, Agnes Christner, Georg Hohl, Frank Jansen, Ednan Aslan, Heike Helmchen-Menke, Andreas Leinhäupl, Ralf Gaus
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Vorschulpädagogik
Schlagworte Frühpädagogik • Interreligiöse Erziehung • Kindergarten • Kindertageseinrichtung • Religiöse Erziehung
ISBN-10 3-451-83216-X / 345183216X
ISBN-13 978-3-451-83216-1 / 9783451832161
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