Martin Luther King (eBook)
752 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-24493-4 (ISBN)
• Eines der 10 besten Sachbücher von 2023 (Time Magazine)
• »Best of the Best 2023« (Publisher's Weekly)
• Auf Barack Obamas »Summer Reading List 2023«
• »Eine tiefgründige, psychologische Biografie mit der erzählerischen Kraft eines Thrillers.« The Washington Post
• »Unbeschwert, durchdringend, zu Herz gehend und zwingend lesenswert.« The New York Times
• »Die definitive Biografie des legendären Vordenkers.« Esquire
Martin Luther King gilt bis heute als der bekannteste Anführer der Bürgerrechtsbewegung. Doch je stärker King für Generationen zur Ikone wurde, desto deutlicher trat der Mensch dahinter zurück. In seiner gefeierten Biografie wagt Jonathan Eig einen ganz neuen Blick: Auf Kings Erfolge ebenso wie auf seine Schwächen und den Druck, der auf ihm lastete und drohte, ihn zu zerbrechen. Erst kürzlich freigegebene FBI-Dokumente belegen, wie stark Rassismus die US-Regierung in ihrem Versuch anleitete, King mundtot zu machen.
»Martin Luther King« lässt uns den Mann hinter der Ikone wiederentdecken: Den Bürger, der von seiner Regierung gejagt wurde. Den Kämpfer für die Gerechtigkeit, der wusste, dass sein Kampf ihn das Leben kosten konnte. Den Mensch, der mit sich selbst ebenso rang, wie mit der Welt, die er für immer verändern sollte.
Mit 19 Fotos.
Jonathan Eig, geboren 1964, ist Journalist und Bestsellerautor. Er schreibt als Reporter für Sonderthemen für das Wall Street Journal, zuvor war er unter anderem für die New York Times und Esquire tätig, als Autor verfasste er Bücher über die Baseballstars Jackie Robinson und Lou Gehrig - für die New York Times eines der besten Sportbücher überhaupt - sowie über Al Capone und die Erfindung der Antibabypille. Zuletzt erschien bei DVA seine Biographie von Muhammad Ali unter dem Titel »Ali. Ein Leben«. Sein Buch über Martin Luther King, die erste große Biografie des einflussreichen Bürgerrechtlers seit 30 Jahren, wurde bei Erscheinen in den USA begeistert aufgenommen, wurde u.a. als »definitive Biografie des legendären Vordenkers« (Esquire) mit »der erzählerischen Kraft eines Thrillers« (The Washington Post) hochgelobt und 2024 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Jonathan Eig lebt mit seiner Familie in Chicago.
Kapitel 1
Die Kings aus Stockbridge
Bring den Eimer Milch zu den Nachbarn, sagte Delia King eines Tages zu ihrem Sohn Michael.
Delia und ihr Ehemann Jim King lebten mit ihrer wachsenden Kinderschar in einer winzigen Farmpächterhütte in Stockbridge, Georgia, ungefähr zwanzig Meilen südöstlich von Atlanta. Die Holzhütte und das Land drumherum gehörten einem Weißen. Der Weiße behielt die meisten Einkünfte aus den Ernten, aber es war die Familie King, die eine Generation nach Abschaffung der Sklaverei, Stein um Stein aus dem Erdreich geholt, Baumwolle gepflanzt und gepflückt hatte und hungern musste, wenn die sengende Hitze der Sonne den Boden so fruchtbar machte wie ein zerfurchter Feldweg. Dennoch, als Delia hörte, dass die Kuh der Nachbarn krank war und keine Milch gab, zögerte sie nicht.
»Sie war eine sehr fromme Christin«, erinnerte sich Michael, der später seinen Namen in Martin Luther King Sr. ändern sollte. »Ich weiß noch, als ich ein kleiner Junge war, teilte meine Mutter, was sie hatte, mit anderen«, erklärte er in unlängst entdeckten Mitschnitten von Interviews, die er für eine, allerdings unveröffentlichte, Autobiografie gegeben hatte.
Michael war etwa zwölf Jahre alt, als ihm seine Mutter an diesem strahlenden Sommertag, ungefähr im Jahr 1910, den Auftrag mit der Milch gab. Er schleppte den Eimer und blieb unterwegs vor einer Sägemühle stehen, wo er die kräftigen Männer und Ochsen bei der Arbeit beobachtete und zusah, wie sie das Holz bearbeiteten. Dann riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. Sie gehörte dem weißen Mühlenbesitzer: »Hör mal, Junge, hol unten am Bach einen Eimer Wasser für meine Männer.«
Sich entschuldigend erklärte Michael dem Mühlenbesitzer, dass er etwas anderes zu erledigen hatte. Und dass er nun gehen musste. Der Besitzer der Mühle schnappte sich Michael am Hemd und trat den Eimer Milch um. Michael bückte sich, um ihn aufzuheben, da traf der Stiefel des weißen Mannes das Ohr des Jungen. Michael fiel um. Er versuchte, sich aufzurichten, aber eine Faust schlug ihm ins Gesicht. Blut sickerte aus seinem Mund. Alles um ihm herum verschwamm.
Michael stand auf, rannte nach Hause und fand seine Mutter im Hof, wo sie gerade in einer Eisenwanne über offenem Feuer Wäsche wusch. Delia betrachtete Michaels blutverkrustetes Gesicht und das zerrissene Hemd.
»Wer war das, Michael?«, fragte sie mit leiser, fester Stimme.
Der Junge antwortete nicht.
»Michael!«, brüllte Delia. »Wer war das?«
Delia marschierte Richtung Mühle, das Handgelenk ihres Sohnes umklammert zog sie ihn mit sich. Sie fand den Mühlenbesitzer.
»Haben Sie das meinem Kind angetan?« Sie blickte ihm tief in die Augen.
»Frau! Hast du den Verstand verloren? Verschwinde verdammt noch mal von hier, bevor ich …«
Delia schrie: »Haben Sie das meinem Kind angetan?«
»Und wenn schon …«
Sie senkte die Schulter und rammte sie dem Mühlenbesitzer in die Brust, sodass er an eine Wand des Schuppens prallte. Sie zwang ihn zu Boden und hämmerte mit Händen und Armen, durch lebenslange körperliche Arbeit gestählt, auf sein Gesicht ein. Als einer der Mühlenarbeiter versuchte, Delia fortzuziehen, schlug sie auch ihn. Die anderen Männer wichen zurück.
»Sie können mich töten! Aber rühren Sie auch nur eines meiner Kinder an, bekommen Sie’s mit mir zu tun.«
Delia ballte die Hände zu Fäusten, bereit zu mehr, aber der Mühlenbesitzer hatte genug.
Wieder zu Hause säuberte sie das Gesicht ihres Sohnes. Sie warnte ihn, seinem Vater zu erzählen, was vorgefallen war. Eine Schwarze Frau kam vielleicht davon, wenn sie einen Weißen geschlagen hatte, aber ein Schwarzer Mann würde so etwas vermutlich mit dem Leben bezahlen.
Dennoch erfuhr Jim King bald von dem Angriff des Mühlenbesitzers auf seinen Sohn. Wie von Delia befürchtet, schnappte sich Jim ein Gewehr und begab sich auf Rache sinnend zur Mühle. Der Besitzer war nicht da. In der Nacht ritt ein Trupp weißer Männer auf ihren Pferden zur Hütte der Kings. Jim King war klar, das Gesetz bot keinen Schutz, also tat er das für ihn einzig Logische, um sich und seine Familie zu retten: Er lief davon. Er flüchtete in den Wald und blieb dort den ganzen Sommer bis in den Herbst hinein. Delia wurde krank. Darunter litt die Baumwollernte und das Gemüse wurde zu spät geerntet. Die Familie kämpfte, um den Winter zu überleben.
Monate später hörte Michael von einem Freund, dass der Mühlenbesitzer nicht mehr wütend war. Alles könnte wieder normal weitergehen, meinte der Freund. Jim King kehrte nach Hause zurück, aber normal war gar nichts. »Ich werde einem dieser Weißen den Schädel wegpusten«, sagte er zu seinem Sohn. Jim trank viel und stritt sich heftig mit Delia. Wenn er das Haus verließ, tat er das allein und nahm sein Gewehr mit. Er versuchte, etwas zu essen für seine Familie zu schießen, war aber oft zu betrunken, ein Kaninchen auch nur zu sehen, geschweige denn, es zu treffen.
»Ich habe mich schlicht gefragt, was für uns normal war«, erinnerte sich Michael, »und wie lange wir damit zu rechnen hatten, dass normal anhielt.«
Michael Kings Eltern wurden in der genannten »Era of Reconstruction«, unmittelbar nach dem Bürgerkrieg geboren. Männer und Frauen, die gerade aus der Sklaverei entlassen worden waren, kauften Land, gründeten Kirchen und bauten Gemeinden auf. Sie gingen darüber hinaus wählen und wählten mehr als zweitausend Schwarze Amtsträger, darunter einen Gouverneur in Louisiana, zehn Schwarze Mitglieder des US-Repräsentantenhauses und zwei Senatoren. Historiker Eric Foner beschrieb die Reconstruction als »ein radikales Experiment rassenübergreifender Demokratie«, Jahre, in denen aus ehemals versklavten Arbeitern freie Arbeiter wurden.
Aber das Experiment scheiterte. Wie W. E. B. Du Bois schrieb: »Der Sklave ging in die Freiheit, stand einen kurzen Moment im Sonnenschein und ging dann wieder zurück in die Sklaverei.«
Die Gegenreaktion der Weißen auf die neuen Errungenschaften der Schwarzen Menschen folgte unverzüglich – und war brutal.
Die US-Regierung gestattete den weißen Mandatsträgern im Süden, das sogenannte Negroproblem nach Gutdünken anzugehen. Die Rassenfeindlichkeit metastasierte. Ein damals übliches Verfahren zur Verpachtung von Land, bekannt als Sharecropping, zwang Schwarze Farmer in eine äußerst ausbeuterische Beziehung zu weißen Grundbesitzern. Die meisten Fabrikbesitzer und Finanziers im Norden ließen es geschehen, zum Schweigen gebracht durch die Profite, die sie dank der billigen Arbeitskräfte machten. Weiße Amtsträger im Süden kamen zu dem Schluss, dass Schwarze Menschen nicht nur minderwertig waren und daher nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt werden durften, sondern auch eine Bedrohung für die physische Sicherheit von Weißen darstellten.
Die Gesetzgeber der Südstaaten verabschiedeten Rechtsverordnungen zur Einführung von Leibeigenschaftsmethoden, die sich kaum von Sklaverei unterschieden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in allen Südstaaten Gesetze zur Rassentrennung und zur Unterordnung Schwarzer Menschen.
Die Rassentrennungsgesetze – allgemein bekannt als Jim-Crow-Gesetze – schrieben die Trennung der Rassen vor: in Schulen, Zügen, Theatern, Kirchen, Hotels, Krankenhäusern, Friseurgeschäften, Waschräumen, Waisenhäusern, Gefängnissen, Beerdigungsinstituten, Friedhöfen und mehr. Die Jim-Crow-Gesetze erlaubten Schwarzen Menschen und Weißen nicht, in ihren Häusern gemeinsam Dame, Domino und Karten zu spielen. Auch »gemischte« Ehen waren verboten. Für viele der weißen Bevölkerungsgruppe war die größte Angst die Rassenmischung, die die so hart erarbeiteten und durchgesetzten Grenzen verwischen würde. Andere ängstige besonders eine Neuordnung der Machtverhältnisse.
Befürworter betrachteten die Jim-Crow-Gesetze als ein Kontrollsystem, ähnlich wie Dämme und Deiche, die ihrer Meinung nach dazu da waren, die natürliche Ordnung zu wahren. 1896 bestätigte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Rassentrennung in der Rechtssache Plessy vs. Ferguson und schuf ein Grundsatzurteil zu »getrennt aber gleichberechtigt«, das alles andere als gleichberechtigt war.
Atlanta wurde die inoffizielle Hauptstadt des boomenden, gespaltenen Südens. Es war in Atlanta, wo 1895 der Schwarze Pädagoge Booker T. Washington den berühmten Kompromiss vorschlug, dass die Schwarzen Menschen zumindest für die nahe Zukunft die Rassentrennung akzeptieren würden, wenn sich die weiße Bevölkerung im Gegenzug für die Verbesserung der Lebensumstände und sozialen Bedingungen Schwarzer Menschen verantwortlich zeigte. Washingtons Kritiker befürchteten jedoch, dass ein solcher Kompromiss die Schwarzen Menschen dauerhaft unterwerfen würde. Georgia wurde, wie W. E. B. Du Bois 1903 schrieb, »zum Zentrum des Negroproblems – zum Zentrum jener neun Millionen Menschen, die Amerikas dunkles Erbe der Sklaverei und des Sklavenhandels sind.«
Jim King – im Jahr vor Abschaffung der Sklaverei geboren – war die Personifizierung der erdrückenden Frustrationen Schwarzen Lebens im Süden. Er hat nie lesen und schreiben gelernt. Er hat nie an einer Wahl teilgenommen. Er hat...
Erscheint lt. Verlag | 28.2.2024 |
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Übersetzer | Sylvia Bieker, Henriette Zeltner-Shane |
Zusatzinfo | 19 Fotos s/w |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Martin Luther King |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2024 • Ali • Amerika • Biografie • Biographien • Black History Month • Black lives matter • Black Panthers • Bürgerrechtsbewegung • Civil Rights • Coretta KIng • eBooks • fbi dokumente • Freedom Rides • Friedensnobelpreis • Friedensnobelpreisträger • I Have a Dream • Jim Crow • Joan Baez • leseliste barack obama • MalcolmX • Marsch auf Washington • Martin Luther King Day • Muhammad Ali • Neuerscheinung • New York Times Bestseller • Pulitzer-Preis • Rassentrennung • Rassismus • Rosa Parks • Sit-In • Sitzstreik • USA • Vietnam • We shall overcome • Ziviler Ungehorsam |
ISBN-10 | 3-641-24493-5 / 3641244935 |
ISBN-13 | 978-3-641-24493-4 / 9783641244934 |
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