19.521 Schritte (eBook)
208 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31343-2 (ISBN)
Guido Maria Kretschmer beschreibt einen besonderen Tag in seinem Leben: einen Spätsommertag in Berlin, an dem er beschließt, die Menschen auf sich zukommen zu lassen - ohne Maske, ohne Sonnenbrille, mit offenem Blick.
Sein Weg durch die Großstadt schenkt ihm die ungewöhnlichsten Begegnungen. Menschen lassen ihn an ihren Geschichten teilhaben, weil sie ihm vertrauen, da sie glauben, ihn zu kennen. Da ist zum Beispiel Chanti, die bald nach Indien fliegt, um das erste Mal ihre große Internet-Liebe zu treffen, oder Petra, die mit Mitte fünfzig ihr ganzes Leben infrage stellt, weil sie eine Frau kennen und lieben gelernt hat. Jede dieser Geschichten gibt Guido die Möglichkeit, sich auch an Erfahrungen und Erlebnisse aus seinem eigenen Leben zu erinnern. Denn wir nehmen uns mit, egal, wohin die Reise geht - und gleichzeitig hat jede Begegnung die Kraft, eine bleibende Erinnerung zu hinterlassen. Durch jede Begegnung mit einem anderen Menschen erfahren wir auch etwas über uns selbst, indem sie eine neue Perspektive eröffnet.
An diesem Tag macht Guido 19.521 Schritte. Durch die Stadt, die ihm so viel bedeutet und sich doch noch einmal von einer ganz neuen Seite zeigt. Es soll einer der schönsten Tage in seinem Leben werden. Ein Tag, der verdeutlicht, was für ein großes Geschenk es ist, offen und wertschätzend durch das Leben zu gehen - weil es uns so viel zurückgibt.
Guido Maria Kretschmer gehört zu den renommiertesten deutschen Modedesignern. Seit 2012 begeistert er ein Millionenpublikum in diversen TV-Sendungen, allen voran dem Kultformat »Shopping Queen«. Er wurde u.a. mit der »Goldenen Kamera«, dem »Deutschen Fernsehpreis« und dem österreichischen Film- und Fernsehpreis »Romy« ausgezeichnet. Aber auch als Autor ist Guido erfolgreich: Seine beiden Stilratgeber standen monatelang auf den obersten Rängen der SPIEGEL-Bestsellerliste. Zuletzt erschien 2018 der Roman »Das rote Kleid«. Nach mehreren Jahren in Berlin lebt Guido Maria Kretschmer heute in Hamburg.
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Es war Samstag, der 10. September 2022. Ein warmer und sonniger Tag wurde erwartet, ein Tag, der sich im Nachhinein noch als ein erinnerungswürdiger herausstellen sollte. Aber am Morgen um 6:00 Uhr war es selbst in einer Großstadt wie Berlin ruhig, denn ein morgendlicher Samstag bedeutet im günstigsten Fall Wochenende, bedeutet, länger schlafen zu können.
Ich weiß nicht, ob es eine innere Uhr gibt oder ob ich einfach schon zu oft in meinem Leben zeitig aufstehen musste, ich werde ausnahmslos zehn Minuten früher wach, egal wo ich bin, wann ich aufstehen muss oder wie viele Stunden ich vorher überhaupt schlafen konnte.
Eine gelegentlich aufkommende Müdigkeit zu spüren, ist eigentlich etwas Wunderbares. Ich mag es, wenn meine Physis Pause ruft. Ach, der Körper, denke ich dann, wie er sich um mich sorgt! Müde zu erwachen, ist allerdings weniger ein Glücksmoment. Und an diesem Samstagmorgen fiel es mir schwer aufzustehen.
Ausnahmslos schaue ich immer als Erstes aus dem Fenster, ich mag diesen verschlafenen Blick in die Welt.
Und auch jetzt blieb ich gedankenverloren einen Moment stehen, der Bebelplatz lag menschenleer und in ein sanftes Licht getaucht vor mir; einige Taubenmännchen versuchten mit kreisenden Bewegungen eine Taubendame zu beeindrucken.
Schlagartig flogen sie davon, als eine junge Frau mit lauter Stimme »Das ist doch eine Scheißidee« brüllte.
Ja, dachte ich, auch ich wäre lieber zu Hause, aber am vergangen Mittwoch war die Queen gestorben, und so war ich am gestrigen Abend noch schnell nach Berlin gefahren.
Der Tod kommt immer ungelegen, wie eine unerwartete Nachzahlung oder ein Auffahrunfall, der uns in eine andere Welt schleudert. Vielleicht ist es überhaupt nicht möglich, im richtigen Augenblick zu verschwinden, nicht einmal als Queen. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich auch nicht gewundert, wenn sie ewig gelebt hätte.
Sie war immer da, wie eine Konstante, die mein Leben aber in keinerlei Hinsicht persönlich beeinflusst hat. Sie hat mich nie angerufen, nicht eingeladen, ich habe nicht mit ihr über Hunde und Pferde geplaudert, habe nie gesagt: »Ach, Elisabeth, was ist denn da los bei euch?«
Und doch bin ich ein Teil ihres Lebens gewesen, da ich immer das Gefühl hatte, dass sie mir einmal zugewunken hat.
Damals fuhr sie im Rolls-Royce an mir vorbei und hatte die Hand zum Gruße erhoben. Gut, es waren wirklich viele Menschen da, aber ich hatte das unmissverständliche Gefühl, dass sie mir in die Augen schaute und in diesem Moment zu ihrem Mann Philip sagte: »Schau mal, da ist ja der Guido.«
Sondersendung, schoss es mir durch den Kopf, und ich musste mich beeilen, denn wenn auch die Queen sich niemals direkt an mich gewandt hatte, mein Senderchef allerdings schon!
Als ich mein Hotelzimmer in Richtung Frühstücksraum verließ, wurde ich von einem amerikanischen Ehepaar im Aufzug gebeten, ihr Gepäck doch bitte beim Concierge zu deponieren. So ein Trauer-Outfit verschiebt eben auch die textile Grenze zwischen Personal und Gast.
»Heartfelt condolences«, sagte die Ami-Gattin, nachdem ich erklärt hatte, dass die Queen gestorben sei. Und im Weggehen hauchte sie noch so etwas wie »So sorry« und erinnerte ein weiteres Mal an die Koffer.
Die beiden sollten nicht die Letzten sein, die mir an diesem 10. September ein herzliches Beileid wünschten.
Ich fühle mich wohl in Hotels, das mag an dieser Stelle einmal angemerkt sein, und werde ich in einer dieser Herbergen herzlich willkommen geheißen, ist es schon um mich geschehen.
Ich bin der Typ treuer Stammgast, und es gibt einige Hotels, die fest mit meinem Reiseleben verbunden sind.
Wohnen in einem Hotel ist im günstigsten Fall wie ein Zuhause ohne die unsäglichen Unzulänglichkeiten. Was würde ich hin und wieder für eine Rezeption geben, die sich im Eingangsbereich meiner Wohnung ein kleines Plätzchen eingerichtet hat.
»Schönen guten Abend, Herr Kretschmer, ist ja wieder spät geworden. Hatten Sie eine gute Anreise?«
»Alles bestens«, würde ich sagen und so etwas wie: »Machen Sie sich keine Umstände mit dem Gepäck, ach, ist ja schon oben.«
Ich bin ein Ankommer. Abreiser war ich noch nie so richtig gern. Habe ich mich einmal eingerichtet, schlage ich gern Wurzeln. So ungern packe ich Koffer wieder ein, um sie mit dem gleichen Unsinn zu füllen, mit dem ich angereist bin.
Ich nehme grundsätzlich etwas zu viel mit. Eine lästige Angewohnheit, die nicht in den Griff zu bekommen ist.
Es ist, wie so vieles, auf meine Mutter zurückzuführen – ich bin ihr sehr ähnlich.
Wer weiß, vermutlich hat mein Vater mich besonders gern, weil ich meiner Mutter so ähnlich bin.
Das erste Hotel meines Lebens war eine Pension im Harz. Sie gehörte einer Organisation, die kinderreichen Familien die Möglichkeit bot, trotz reichlich Nachwuchs erwünscht zu sein.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass meine Mutter und ich vom ersten Tag der Reiseplanung an eine falsche Vorstellung davon hatten, was uns erwartete. Wir träumten von einem richtigen Hotel mit einer großen Sonnenterrasse und einem Schwimmbad. Um es kurz zu machen: Der Familienverband, der vorher der Bund der Kinderreichen genannt wurde, hatte uns von unserem Dorf in Westfalen in ein noch kleineres Kuhdorf in den Harz geschickt. Die gebuchte Pension mit Bergpanorama war leider nicht verfügbar, und so mussten wir ein Ausweichquartier beziehen. Diese Urlaubsform war eigentlich das Ursprungsformat vom Couchsurfing, da private Menschen ihre Häuser für etwas Geld an Familien vermieteten.
Wir bezogen zwei Zimmer mit fünf Kindern, meiner Mutter, meinem Vater und für die erste Nacht noch einem guten Freund meines Vaters. Aus Platzmangel in der eigenen Familienkutsche, vor allem durch das immer wieder von meinem Vater thematisierte Übergepäck von Mutter und Guido, gab es keine andere Lösung. Wir brauchten ein zweites Auto, und der Freund hatte netterweise angeboten, uns in den Harz zu bringen. Er fuhr einen silbergrauen Manta mit roten Ledersitzen, und dieses Gefährt war das angesagteste im ganzen Dorf. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass meine Mutter und ich im Sportwagen dem Opel Kadett meines Vaters folgten.
Jetzt ist der Harz auch nicht gerade weit entfernt, aber auf der Fahrt in meine erste Urlaubsreise auf roten Ledersitzen träumten wir von einem Grandhotel. Im Grunde hätte meine Mutter unsere Buchungsform etwas realistischer darstellen müssen. Aber so ist Mutter eben! Erst einmal vom Besten ausgehen, enttäuscht werden kann man dann immer noch. Und in unserem Fall hätte die Enttäuschung nicht größer sein können. Unser Grandhotel war ein heruntergekommener Bauernhof, der nur aus wenigen Gebäuden bestand, die um einen enorm stinkenden Misthaufen angeordnet waren. Meine Mutter und ich jammerten herzzerreißend, und es war klar, dass wir hier nicht bleiben konnten.
Meinem lieben Vater sei Dank – oder der Tatsache, dass er ursprünglich aus Schlesien kam –, fand sich eine Familie, die uns aufnehmen konnte.
Das Ehepaar Lukasewitz, das wie unsere Vorfahren mit dem Handwagen aus der verlorenen Heimat angereist war, wurde unsere Rettung! Dieses herzensgute Paar ist in meiner Erinnerung immer noch lebendig. Die beiden lebten in einem beschaulichen Haus am Dorfrand weit genug entfernt von besagtem Misthaufen. Frau Lukasewitz kochte von früh bis spät, während ihr sanftmütiger Mann uns fünf Kinder mit dem alten Ackergaul durch den Garten reiten ließ. Mein Vater las Zeitung und half im Garten mit. Es gab Fruchtkaltschalen mit Sago, weiße Eischneetupfen sollten an die Berge in Annaberg in Schlesien erinnern.
Meine Großmutter Othilie hatte mir immer von der schönen schlesischen Heimat erzählt, von den Bergen, den Menschen, dem verlorenen Gut und von dem wenigen, was...
Erscheint lt. Verlag | 18.10.2023 |
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Zusatzinfo | durchgehend 2c, s/w-Illus und Fotos im Text |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2023 • Anziehungskraft • Autobiografie • Begegnungen • Berlin • Biografie • Biographien • Das rote Kleid • deko queen • Designer • eBooks • Eine Bluse macht noch keinen Sommer • Empathie • Freundin • Gala • Geschenk • Geschenkbuch • Geschickt eingefädelt • Modedesign • Modedesigner • Neuerscheinung • Queen • Shopping Queen • Stil |
ISBN-10 | 3-641-31343-0 / 3641313430 |
ISBN-13 | 978-3-641-31343-2 / 9783641313432 |
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