Das muss das Boot abkönnen (eBook)

Durch Sturm und Krise. Was wir von Kapitänen lernen können
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
194 Seiten
Ankerherz Verlag
978-3-945877-87-6 (ISBN)

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Das muss das Boot abkönnen -  Stefan Kruecken
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Dieses Buch brauchen wir jetzt alle! In Gesprächen mit mehr als 150 Kapitänen sammelte SPIEGEL-Bestseller Autor Stefan Kruecken die besten Strategien, um die eigene Familie, Firma oder sich selbst durch den Orkan zu bekommen. Denn wir sind mitten in einem Sturm. Krieg in Europa, Corona, Populismus von Rechts wie von Links. Umso wichtiger, einen klaren Kurs ohne Angst zu halten. In einem Sturm zeigt sich, was wirklich wichtig ist - auf See wie im Leben. Wenn irgendjemand weiß, worauf es in einem Orkan ankommt, dann sind es Kapitäne. Sie brachten Schiff und Crew heil in den Hafen zurück. Kann man von ihnen etwas lernen? Ja, das können wir! Mut statt Wut.

STEFAN KRUECKEN, Jahrgang 1975, arbeitete als Polizeireporter für die Chicago Tribune und berichtete als Reporter weltweit für Magazine. Von ihm stammen u.a. die Bestseller 'Sturmwarnung', 'Orkanfahrt' und 'Unverkäuflich'. Kruecken ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mitsamt zwei Hunden in einem Dorf bei Hamburg.

STEFAN KRUECKEN, Jahrgang 1975, arbeitete als Polizeireporter für die Chicago Tribune und berichtete als Reporter weltweit für Magazine. Von ihm stammen u.a. die Bestseller "Sturmwarnung", "Orkanfahrt" und "Unverkäuflich". Kruecken ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mitsamt zwei Hunden in einem Dorf bei Hamburg.

KEINE ZUFLUCHT, NIRGENDS


Ein Kapitän sah sich mit einer der schwierigsten menschlichen Aufgaben konfrontiert, die vorstellbar ist. Als der Passagierdampfer „St. Louis“ im Mai 1939 den Hafen von Hamburg verließ, ging es nicht um eine normale Transatlantikpassage. Sondern um eine Flucht. 937 jüdische Emigranten wollten vor dem Dritten Reich nach Kuba entkommen, wenige Monate nach dem Novemberpogrom. Ihr eigentliches Ziel waren die USA, wo sie viele Verwandte und Freunde kannten.

So groß muss die Furcht an Bord dieses Schiffes gewesen sein und so groß die Hoffnungen, doch die Reise stand unter keinem guten Vorzeichen. Auf dem Ozean starb ein Passagier, der auf See bestattet wurde. Ein Crewmitglied sprang in einer Nacht ins Schraubenwasser. Als das Schiff der Hamburger Reederei Hapag in Havanna eintraf und Passagiere von Bord wollten, eilten bewaffnete Polizisten die Gangway hoch. Sie versperrten die Gangway. Niemand durfte aussteigen.

Warum nur?

Angehörige und Freunde der Passagiere winkten auf den Kaianlagen und sahen dann erschüttert zu, wie das große Schiff zurück in den Vorhafen dampfte. Die Behörden befahlen Kapitän Gustav Schröder, Jahrgang 1885, ein hagerer Seemann mit Schnurrbart, dort vor Anker zu gehen und weitere Anweisungen abzuwarten. Sechs Tage vergingen. Schwüle Hitze und Moskitos setzten Passagieren und Crew zu, Gerüchte machten die Runde, die Nervosität nahm zu. Einige Passagiere drohten damit, ins Hafenbecken zu springen. Ein Anwalt schnitt sich die Pulsadern auf und ließ sich über die Reling fallen. Es gelang einem Matrosen, ihn über Wasser zu halten, bis ihn die Besatzung einer Barkasse rettete. Der Schiffsarzt stabilisierte den Mann, der ins Krankenhaus von Havanna eingeliefert wurde. Seine Familie durfte ihn nicht begleiten. Er ist einer von insgesamt nur 29 Passagieren, die nach Verhandlungen der Schiffsleitung die „St. Louis” verlassen durften.

Kapitän Schröder versuchte alles, an Land Vertreter der Behörden und über einen Mittelsmann den kubanischen Präsidenten umzustimmen. Doch vergeblich. Am Donnerstag, den 7. Juni, erhielt er den Befehl, mit seinem Schiff den Hafen von Havanna zu verlassen. Schröder erwirkte einen Fristaufschub auf den kommenden Tag und rief die Passagiere im Speisesaal zusammen. Er beschwor sie, Ruhe zu bewahren und die Hoffnung nicht aufzugeben – er kündigte an, dicht unter der amerikanischen Küste zu bleiben.

Am darauffolgenden Morgen begleiteten Einheiten der kubanischen Marine die „St. Louis“ auf der Fahrt Richtung offene See. Aus Furcht vor weiteren Suizidversuchen verstärkte Kapitän Schröder die Wachen an Deck. In seinem Buch „Heimatlos auf hoher See“ schrieb er später: „Eine so melancholische Abfahrtsstimmung habe ich noch nie erlebt. Ich muss Trost sprechen. Die Worte einer Frau klingen mir noch in den Ohren. ‚Herr Kapitän, wir können gar nicht zurückkehren. Alles haben wir dort verloren. Wenn Sie mit dem Schiff heil nach Cuxhaven hineinkommen, dürften Sie wohl extra hundert Kabinen leer vorfinden, denn wir fürchten das KZ mehr als den Tod.‘“ Viele Familien kündigten an, lieber ins Meer zu springen, als in Hitlers Deutschland zurückzukehren.

Bei Kapitän Schröder muss die dramatische Eskalation der Ereignisse ein Schlüsselerlebnis gewesen sein, das sein Gewissen weckte. Ein Moment, der seinen moralischen Kompass neu justierte. Denn der Kapitän aus dem nordschleswiger Örtchen Hadersleben war schon 1933 in die NSDAP eingetreten, Mitgliedsnummer 3.286.996. Aus Überzeugung? Folgte er opportunistischen Motiven? Wollte er seinen stark behinderten Sohn schützen? Seine Biografen können nur spekulieren.

Jedenfalls erkannte Schröder, dass er nicht nur als Seemann für seine Passagiere verantwortlich war – und machte einen erstaunlichen Wandel durch. Er wurde zum Anwalt seiner Passagiere. In der Kommunikation mit seiner Reederei ließ er nicht locker. Er legte sich mit den Nazis in seiner Crew an. Er ließ auf dem Schiff eine provisorische Synagoge einrichten – und für die Dauer des Gottesdienstes das Hitler-Porträt abhängen. In seinen handschriftlichen Notizen fand sich später dieser Absatz über seine Rolle:

„Ich möchte dieses ganze Erlebnis, sosehr es mich erschütterte, nicht missen. Es war eine Aufgabe, die mehr Spuren in mir hinterließ als der Taifun in der Südsee. Wer sich in die verzweifelte Lage meiner Fahrgäste und meine Sorge um sie hineindenkt, wird mich verstehen. In der ganzen kritischen Zeit (…) widmete ich mich bei Tage den Fahrgästen und nachts dem Telegrammwechsel.“

Denn nun begann eine Irrfahrt unter den Augen der Welt. Die New York Times berichtete auf ihrer Titelseite von der Abfahrt des Schiffes in Havanna. Vor Gustav Schröder, der sich vom Leichtmatrosen zum Kapitän eines der größten Passagierschiffe seiner Zeit hochgearbeitet hatte und sogar vom legendären Reeder Albert Ballin gefördert wurde, lagen Entscheidungen über Leben und Tod. Die Reederei in Hamburg wies ihn in einer verschlüsselten Nachricht an, bis spätestens zum 12. Juni Cuxhaven anzulaufen und die Passagiere zurückzubringen. Wenige Tage später sollte die nächste Kreuzfahrt beginnen, von New York City aus.

Doch Schröder ging entgegen der Order zunächst nicht auf den Kurs Ost, sondern ließ die Küste Floridas ansteuern. Seine Hoffnung, in Gesprächen mit den Behörden Kubas oder den USA zu einer Lösung zu kommen, gab er nicht auf. An Bord hatten Passagiere ein Bord-Komitee gegründet. Schröder kündigte an, Flüchtlinge in Florida in Rettungsbooten an Land bringen zu lassen. Ein Plan, der von keinem Auftrag gedeckt war – und ihm jede Menge Ärger einbrachte.

Doch daraus wurde nichts.

Aus einem kleinen Hafen nahe Miami Beach lief der „St. Louis“ ein Boot der amerikanischen Coast Guard entgegen. Die Aufforderung über Morsezeichen war unmissverständlich: Das Schiff sollte Abstand zur Küste gewinnen und werde beobachtet. Weitere Boote der Coast Guard tauchten auf, auch ein Flugzeug. An Bord verfasste das Komitee Telegramme mit Appellen an den amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt, zumindest Frauen und Kinder an Land gehen zu lassen.

Doch Roosevelt lehnte die Hilfegesuche auf Druck seines Außenministers und Vertretern der Demokratischen Partei, die einen Konflikt mit Nazi-Deutschland vermeiden wollten, ab. Auch die kanadische Regierung weigerte sich, die jüdischen Flüchtlinge aufzunehmen. Kapitän Schröder war nun mit mehr als 900 verzweifelten Passagieren auf sich gestellt. Er schrieb: „‚Kapitän, wo fahren Sie uns hin?‘, fragen Passagiere, und zum ersten Mal in meinem Leben muss ich auf diese Frage antworten: ‚Das weiß ich noch nicht.‘“ In der Hamburger Reedereizentrale ging eine Nachricht der Gestapo ein: Man habe einen Schlepper gechartert, um 30 Gestapo-Leute bei der Ankunft in Cuxhaven an Bord bringen zu können. Die Passagiere sollten in Gewahrsam und anschließend in ein Konzentrationslager gebracht werden.

Am Montag, den 5. Juni, musste der Kapitän eine Entscheidung treffen. Treibstoff, Wasser und Proviant drohten knapp zu werden. Also doch Kurs Europa. Schröder postierte an 60 Positionen auf dem Schiff Wachen, um weitere Selbstmordversuche zu verhindern. Mehrere Passagiere erlitten Nervenzusammenbrüche. An den darauffolgenden Tagen wurde das Wetter stürmischer, was die allgemeine Stimmung weiter verschlechterte. Passagiere litten unter Seekrankheit.

Kapitän Schröder entwickelte mit seinem Leitenden Ingenieur einen neuen Plan, den er auf einem kleinen Zettel notierte und zu seinen Reiseunterlagen steckte. Er beabsichtige, die Passagiere an der Englischen Kanalküste anzulanden – als Schiffbrüchige. „Zu diesem Zweck sollte das Schiff bei Ebbe, Nacht und Nebel sachte auf den Strand gesetzt und die Emigranten unter Vortäuschung einer Havarie und Feuer an Bord schnell an Land gebracht werden“, schrieb er. Bei Flut könne das Schiff wieder freikommen. Sogar einen Ort für die unorthodoxe Rettungsaktion hatte er schon ausgewählt, irgendwo an der Küste nahe Plymouth. „Dieser Gedanke gab mir Ruhe und Sicherheit für das, was kommen sollte.“

Was er beides gut gebrauchen konnte, denn am Freitag, 9. Juni, breitete sich Panik an Bord aus. Die männlichen Passagiere drängten Richtung Brücke. „Wir zwingen ihn umzukehren!“ oder „Wir stecken das Schiff in Brand!“, brüllte die Menge. Kapitän Schröder verhinderte eine drohende Meuterei, indem er von seinem England-Plan erzählte, und zwar so überzeugend, dass er diese Art Vertrauensabstimmung gewann. „Mir war, als ob die ganze ‚St. Louis‘ von der Welt ausgestoßen sei und müßte jetzt versuchen, diesen ungastlichen Planeten zu verlassen“, beschrieb er die Lage in eigenen Worten. Weil sich die Gerüchte einer Meuterei hielten,...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2022
Verlagsort Hollenstedt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Kapitäne • Klarheit • Krise • Meer • Menschlichkeit • Mutmacher • Ratgeber • Romantik • See • Sturm
ISBN-10 3-945877-87-3 / 3945877873
ISBN-13 978-3-945877-87-6 / 9783945877876
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