Deutschland schläft schlecht (eBook)

Wie Schlafmangel uns alle krank macht und was Sie dagegen tun können

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00662-1 (ISBN)

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Deutschland schläft schlecht -  Ingo Fietze
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Rund 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer leiden an Schlafstörungen. Die Folgen für unsere Gesundheit sind alarmierend: Schlafmangel macht uns krankheitsanfällig, depressiv, dick und unkonzentriert. Der renommierte Spezialist für Schlafmedizin, Prof. Dr. Ingo Fietze, erklärt weshalb gesunder Schlaf ebenso wichtig ist wie gesunde Ernährung und Sport, warum dringend ein Bewusstsein dafür geschaffen werden muss, dass Schlafstörungen eine der großen bedrohlichen Volkskrankheiten unserer Zeit sind - und was Betroffene tun können. Bereits erschienen unter dem Titel «Die übermüdete Gesellschaft »

Prof. Dr. Ingo Fietze, geboren 1960, ist Oberarzt für Innere Medizin und als Schlafmediziner und Schlafforscher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité. Er gehörte viele Jahre zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und ist jetzt Vorsitzender der Deutschen Stiftung Schlaf.?

Prof. Dr. Ingo Fietze, geboren 1960, ist Oberarzt für Innere Medizin und als Schlafmediziner und Schlafforscher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité. Er gehörte viele Jahre zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und ist jetzt Vorsitzender der Deutschen Stiftung Schlaf. ​

Kapitel 1 Der vernachlässigte Schlaf: Alarmierende Fakten


Dem Schlaf wird kein Respekt gezollt, hat die Amerikanische Schlafstiftung festgestellt, obwohl er genauso wie Blutdruck, Atmung, Körpertemperatur und Puls ein wichtiges Zeichen für Gesundheit und Wohlbefinden ist. Dem kann ich nur zustimmen. Eine Reporterin brachte es im Herbst 2017 auf einer Pressekonferenz zum Thema Schlaf auf den Punkt. Sie meldete sich zu Wort und gab an, dass sie nachts gern acht bis neun Stunden schlafe, das tue ihr gut, mit diesem Schlafpensum sei sie leistungsfähig, fit und gesund. Nur traue sie sich normalerweise nicht, ihre Wohlfühlschlafzeit laut zu sagen. Sie befürchtet, als unproduktive Langschläferin, Faulenzerin oder wie auch immer abgestempelt zu werden. Tatsächlich bildet sie sich das nicht nur ein, sondern genießt der Schlaf in unserer Gesellschaft nach wie vor einen geringen Stellenwert. Bereits eine normale, gesunde Schlaflänge gilt als anrüchig – genauso wie der Mittagsschlaf und das Nickerchen zwischendurch. Ausgiebig zu schlafen, scheint mit der modernen Leistungsgesellschaft nicht kompatibel zu sein. Woher kommt das? Der Philosoph Arthur Schopenhauer nannte den Schlaf den «kleinen Bruder des Todes», verlieren wir im Schlaf doch größtenteils unser Bewusstsein. Die Ratio ist hingegen unweigerlich mit dem Wachsein verbunden. So verwundert es nicht, dass der Schlaf bei den Denkern der Aufklärung wenig Ansehen genoss.

Doch allmählich scheint das Bewusstsein dafür zu erwachen, wie wichtig ein gesunder Schlaf ist. In den letzten drei Jahren wurde eine Reihe von Umfragen zum Thema Schlaf publiziert. Schauen wir uns zunächst an, wie viel wir Deutsche im Durchschnitt schlafen. Hier ist eine Umfrage aufschlussreich, die 2016 das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag eines Bankhauses durchgeführt hat. 1003 Personen wurden in Deutschland zu ihrem Schlaf befragt. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer der Studie unter der Woche – abgesehen von Freitag – überwiegend zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett gingen und zwischen 6 und 8 Uhr aufstanden. Das hört sich für mich als Schlafforscher erst einmal ganz gut an. Ein weiterhin interessantes Ergebnis war, dass die Männer in der Regel kürzer schliefen als die Frauen, allerdings nur kürzer, nicht schlechter. Weiterhin wurde deutlich, dass sich die Faktoren gute Gesundheit, intakte Partnerschaft und Freiheit von Geldsorgen positiv auf einen gesunden Schlaf auswirken. Hingegen führten Geldsorgen, die in dieser Umfrage im Auftrag eines Bankhauses natürlich eine Rolle spielten, bei einem Drittel der Befragten zu schlechtem Schlaf, und die Sparer schliefen besser als Nicht-Sparer. Dieses Ergebnis deckt sich mit internationalen Umfragen, die ebenfalls zeigten, dass ein guter Kontostand beziehungsweise Geldsorgenfreiheit für einen besseren Schlaf sorgen.

Im Rahmen einer anderen Umfrage von 2015, die ebenfalls die Forsa im Auftrag der Knappschaft-Krankenkasse durchführte, wurden 1516 erwachsene Versicherte zum Schlaf befragt. Mehr als ein Drittel schläft nur sechs Stunden oder weniger pro Nacht. Das hört sich schon weniger gut an. Nur 41 Prozent kommen auf sieben Stunden. Das sind zu wenige. In Nordrhein-Westfalen gibt es demnach die meisten Kurzschläfer, ob sie nun gewollt oder ungewollt wenig schlafen. Acht Stunden oder länger zu schlafen, gaben häufiger Ostdeutsche als Westdeutsche an, Befragte unter 30 und über 60 Jahren sowie Nichterwerbstätige und Personen ohne Kinder im Haushalt. Am Wochenende schlafen 43 Prozent der Befragten länger, meist circa zwei Stunden, was mir wenig erscheint. Nicht die zwei Stunden, sondern die 43 Prozent. Denn aus schlafmedizinischer Sicht ist es ratsam, am Wochenende länger zu schlafen, wenn man unter der Woche dem Körper Schlaf vorenthalten hat. Warum? Ich nenne Ihnen ein kurioses, wenn auch sicherlich nicht das wichtigste Argument dafür: Koreanische und amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass jede Stunde, die man am Wochenende mehr schläft und mit der man das unter der Woche angehäufte Schlafdefizit abbaut, zu einer Gewichtsabnahme von 0,12 Kilogramm pro Quadratmeter Körperoberfläche führt. Das wären bei mir etwa 342 Gramm pro Wochenende. Im Jahr könnten das also 15 Kilo sein. Dies könnte zumindest für all jene, die mit überschüssigen Pfunden kämpfen und sich an den freien Tagen noch weniger Schlaf gönnen als unter der Woche, ein Ansporn zum Ausschlafen am Wochenende sein.

Doch zurück zu der Umfrage: 46 Prozent der Befragten würden gern länger schlafen. Daran kann man unter Umständen arbeiten, zum Beispiel, indem man sich einfach mehr Zeit zum Schlafen nimmt. Aber das trifft natürlich nur auf jene zu, die aus eigenem Antrieb wenig schlafen, weil sie zum Beispiel die Nacht zum Tag machen. Zahlreiche Menschen können sich schlicht nicht mehr Schlaf gönnen, zum Beispiel weil kleine Kinder sie nachts auf Trab halten oder sie ganz einfach Mühe haben, Beruf und Familienalltag unter einen Hut zu bringen. 30 Prozent der Befragten gaben an, unter qualitativ schlechtem Schlaf zu leiden. Diese Zahl korreliert mit den deutschlandweit 30 bis 35 Prozent sogenannten schlechten Schläfern. Diese Prozentzahl, die aus früheren Untersuchungen und Befragungen resultiert, nimmt seit fünf Jahren beständig zu. Ursache beziehungsweise Auslöser für den schlechten Schlaf der Befragten der Knappschaft-Umfrage waren bei 66 Prozent Sorgen, bei 45 Prozent die Gedanken an den nächsten Tag, bei 30 Prozent Lärm und bei 29 Prozent erlebter und zu erwartender Stress. Es sind demnach die Alltagssorgen, die den meisten Personen den Schlaf rauben. Würden wir alle wieder gut schlafen, wenn es keine Sorgen und keinen Arbeitsstress gäbe? Nein, auch in einer sorgenlosen Gesellschaft gäbe es mehr oder weniger gute und schlechte Schläfer. Denn wie gut wir schlafen, ist nicht zuletzt auch eine Frage der Veranlagung und der Gewöhnung und weiterer Faktoren, die uns möglicherweise den Schlaf rauben. Doch dazu mehr im fünften Kapitel.

Laut der genannten Studie kennt mehr als die Hälfte der Befragten keinen erholsamen Schlaf, leidet mehr als ein Drittel unter Schlafstörungen und klagt mehr als ein Drittel über Tagesmüdigkeit. Frauen sind mehr von Schlafstörungen betroffen als Männer, und 20 Prozent der Befragten leiden unter Albträumen. Am besten schläft es sich laut dieser Umfrage übrigens im Süden der Republik, sofern man zwischen 18 und 25 Jahre alt ist, einer beruflichen Beschäftigung nachgeht und nicht verheiratet ist.

53 Prozent der Befragten schlafen allein, vor allem im Osten und in Nordrhein-Westfalen – was dem Umstand geschuldet ist, dass es in unserer Gesellschaft immer mehr Alleinstehende und weniger Kinder gibt. Außerdem zeigt sich bei den Befragten ein Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes.

Einen aufrüttelnden Gesundheitsreport mit Fokus auf Schlafstörungen hat 2017 die Krankenkasse DAK veröffentlicht. Ich wurde als Experte eingeladen, den Bericht zu lesen, zu bewerten und zu diskutieren, und er hat mich wieder einmal in meinem täglichen Kampf gegen die Insomnie – der medizinische Fachbegriff für Schlaflosigkeit und Schlafstörungen – bestätigt. Die Kernaussage des Reports resultiert aus dem Vergleich mit Umfrageergebnissen aus dem Jahr 2010. Demnach sind die Schlafprobleme bei den Versicherten der DAK in nur sechs Jahren um circa 66 Prozent angestiegen. Nicht nur die gelegentliche Schlafstörung, sondern auch die Insomnie, also die bereits manifeste Erkrankung, nimmt zu. Diese Zahl ist erschreckend und deckt sich mit der steigenden Zahl an Betroffenen, die sich zunehmend bei uns in der Schlafambulanz vorstellen. Und die Schlafgestörten werden immer jünger. Noch vor zehn Jahren war der durchschnittliche Schlafapnoe-Patient, eine andere häufige Schlaferkrankung, 55 Jahre alt, und der Altersdurchschnitt der Insomniker lag etwas darüber. Heute ist der Altersdurchschnitt der Schnarcher und Schlafapnoiker geringfügig niedriger, was mit der allgemeinen Gewichtszunahme zu tun hat, während der des Insomnikers deutlich gesunken ist. Das durchschnittliche Alter der sich bei uns vorstellenden Patienten mit einem sensiblen oder schlechten Schlaf beträgt heute circa 40 bis 45 Jahre.

Die Süddeutsche Zeitung nahm den DAK-Report zum Anlass, um über den Irrsinn des Sparens am Schlaf zu schreiben. Der Artikel zitiert den Slogan auf einem Werbeplakat einer amerikanischen Zeitarbeitsfirma. Unter einer übernächtigten Schönheit ist zu lesen: «Wenn dein Mittagessen aus einem Kaffee besteht. Wenn du zu Ende bringst, was du angefangen hast. Wenn Schlafentzug die Droge deiner Wahl ist. Dann bist du vielleicht ein ‹Macher›.» Der Subtext lautet: Dann bist du jemand, der arbeiten kann, keine Tages- oder Nachtzeit kennt, dann passt du perfekt zu uns (der Firma) und damit in die Gig-Economy. In den Videos der Kampagne greifen junge, hippe Models auch noch auf dem Klo und beim Sex zum Handy. Dümmer geht es nicht. Die «Mitarbeiter», die gesucht werden, sind keine Macher, sondern extreme Selbstausbeuter, die sich ihre Gesundheit ruinieren lassen.

Eine letzte deutschlandweite Umfrage, die ich zitieren möchte, wurde 2017 vom Meinungsforschungsinstitut TNS EMNID unter 3491 Deutschen veröffentlicht. Sie deckt insbesondere noch einmal die regionalen Unterschiede in Deutschland auf. Laut dieser Umfrage beträgt die durchschnittliche Schlafzeit sechs Stunden und...

Erscheint lt. Verlag 17.12.2019
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte DAK • Deutschland schläft schlecht • Die übermüdete Gesellschaft • müde • Müdigkeit • Schlafapnoe • Schlafforschung • Schlafmedizin • Schlafschwierigkeiten • Schlafstörungen • Übermüdung
ISBN-10 3-644-00662-8 / 3644006628
ISBN-13 978-3-644-00662-1 / 9783644006621
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