Lamas und Alpakas in der pädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen (eBook)

(Autor)

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2022 | 4. Auflage
122 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61599-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lamas und Alpakas in der pädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen -  Cosima Boyle
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'Spucken die?' - 'Kann man auf denen auch reiten?' - 'Beißen die?' Es gibt viele Fragen, die beim ersten Kontakt mit Lamas und Alpakas auftauchen. Lamas faszinieren mit ihrer ruhigen und geheimnisvoll wirkenden Art viele Menschen. Die Autorin erläutert neben Grundlagenwissen zu Lamas und Alpakas die Möglichkeiten und Grenzen der tierbegleiteten Arbeit mit diesen Tieren. Ganz konkret beschreibt sie mögliche Angebote für verschiedene Zielgruppen, wie z.B. Kinder und Jugendliche mit ADHS, Depressionen oder Autismus. Die vielen anschaulichen Fallbeispiele lassen die Lamas und Alpakas für den Leser sehr lebendig werden und machen das Buch zu einer gelungenen Einführung für die pädagogische Arbeit mit diesen Tieren.

Cosima Boyle, Dipl.-Pädagogin, ist in der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis Gifhorn tätig und bietet tierbegleitete Pädagogik mit Lamas und Alpakas auf ihrem Hof in der Altmark an.

Cosima Boyle, Dipl.-Pädagogin, ist in der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis Gifhorn tätig und bietet tierbegleitete Pädagogik mit Lamas und Alpakas auf ihrem Hof in der Altmark an.

2 Basiswissen über Lamas und Alpakas

Seit Jahrtausenden werden Lamas als Begleittier und Lastenträger sowie als Woll- und Fleischlieferant gezüchtet. Sie sind dafür prädestiniert, den Platz an der Seite von Menschen, die eine Wegstrecke zu bewältigen haben, einzunehmen.

Obwohl Lamas und Alpakas seit den 1990er Jahren vermehrt Liebhaber im deutschsprachigen Raum finden, sieht man sie selten, was ihr exotisches Erscheinungsbild unterstreicht.

Lamas und Alpakas gehören aus zoologischer Sicht zur Familie der Kameliden. Zu den Kameliden gehört die Gattung Kamele, zu der z. B. die einhöckrigen Dromedare und die zweihöckrigen Trampeltiere zählen. Da Kamele ursprünglich aus Asien stammen, werden sie auch als Altweltkameliden bezeichnet. Die aus Südamerika stammende Gattung Lamas (zu der auch die Alpakas gehören) nennt man ihrem Herkunftsland entsprechend auch Neuweltkameliden (Rappersberger 2000).

2.1   Abstammung, Kultur und Zucht

Herkunft

Die Heimat der Lamas und Alpakas ist die Andenregion Südamerikas. In unseren Breitengraden gelten die Tiere als Exoten, oft wird sogar angenommen, es seien Wildtiere. Doch die intensive Beziehung dieser Tiere zum Menschen wird durch den geschichtlichen und kulturellen Hintergrund deutlich.

Man nimmt an, dass die selektive Züchtung, um die Lamas als Lasttiere und die Alpakas als Wolllieferanten zu nutzen zwischen 5.500 und 3.500 v. Chr. begann. Dies konnte durch den deutlichen Anstieg von Kamelidenüberresten und den Fund des für die Alpakas typischen Zahntyps in der fossilen Gesamtfauna nachgewiesen werden (Gauly 2002). Somit ist davon auszugehen, dass der Domestikationsprozess, der aus den Wildformen Vikunja und Guanako zu den heutigen Lamas und Alpakas führte, vor ungefähr 7.000 Jahren begonnen hat. Damit zählen diese beiden Arten der domestizierten Kameliden zu den ältesten Haustierrassen überhaupt. Die Domestikation des Pferdes setzte, im Vergleich dazu, ca. 1.000 Jahre später ein (Meyers Lexikon 2003).

In den kargen Andenregionen liefert das Lama eine sichere Existenzgrundlage für die Bewohner. Es wird als Transportmittel beim Handel und Warentausch genutzt und es versorgt die Menschen mit Wolle, Leder und Nahrungsmitteln. Sogar der Lamadung kann genutzt werden, da er sich als Brennmaterial oder Dünger eignet.

Das Lama wird seit Hunderten von Jahren gezielt gezüchtet, um als robuster, großrahmiger (von großem, kräftigen Körperbau) und williger Begleiter des Menschen Lasten zu tragen, während die kleineren Alpakas der Wollproduktion dienen und in großen Herden gehalten werden, die man einmal jährlich zusammentreibt, damit die einzelnen Tiere eingefangen und geschoren werden können.

Lamaherden von bis zu 1.000 Tieren transportierten früher Gletschereis ins Tal, Salz vom Meer in die Berge, Erz aus den Minen zu den Verarbeitungsstätten, Kartoffeln von hochgelegenen Anbaugebieten in die tiefer gelegenen Siedlungsgebiete und Mais von den tiefer liegenden Kultivierungsregionen in die höheren Lagen. Nach einem halben Tag Gehzeit wurde damals die Last von einem Teil der Herde auf den anderen umgeladen. Der den Alt- und Neuweltkameliden eigene Passgang (beide Beine einer Körperhälfte machen gleichzeitig einen Schritt) ist weniger anstrengend als andere Gangarten, sodass Kameliden sehr große Distanzen Kraft sparend zurücklegen können (Rappersberger 2000).

Mit Ankunft der spanischen Eroberer ging der Lama- und Alpakabestand in Südamerika drastisch zurück. In dieser Zeit ist nicht nur der größte Teil der Zuchtpopulation der beiden Arten verlorengegangen, so Gauly (2002), sondern auch das Wissen um Zuchtstrategien und Organisation der Tierhaltung. Für diese Dezimierung seien vor allen Dingen eingeschleppte Krankheiten und die Verdrängung durch von den Spaniern importierte Haustiere wie Schafe, Esel und Pferde, verantwortlich (Gauly 2002). Ende des letzten Jahrhunderts schätzte man die Zahl der Lamas in Südamerika auf 3,7 Millionen Tiere (Rappersberger 2000).

Rassen im Überblick

Von den, zu Inkazeiten existierenden, vier Lamarassen unterscheidet man heute vor allem noch zwei Typen: die Classic-Lamas (Abb. 3) und die Wooly-Lamas (Abb. 4).

Da die Reinzucht spezieller Lasttiere an Bedeutung verlor, ist das leicht bewollte, großrahmige Gebrauchslama von den kleineren und stärker bewollten Typen verdrängt worden. Bei den Lamas kommen die Farben weiß, grau, braun und schwarz vor. Häufig treten gescheckte Tiere auf.

Classic-Lamas

   Die Körpergröße beträgt ein Stockmaß von 110–125 cm.

   Der Körperbau weist einen eher lang gezogenen Rücken auf.

   Das Zuchtziel betrifft den Transport von Lasten und die Fleischproduktion.

   Die Bewollung ist leicht.

   Die Schur kann alle zwei Jahre erfolgen.

Abb. 3: Classic-Lamastute „Luna“

Wooly-Lamas

   Die Körpergröße beträgt ein Stockmaß bis 110 cm.

   Der Körperbau ist eher kompakt.

   Das Zuchtziel betrifft die Wollproduktion.

   Die Bewollung ist stark.

   Die Schur sollte jährlich erfolgen.

Abb. 4: Wooly-Lamastute „Chelsea“

Alpakas weisen eine Körpergröße von 80–100 cm auf. Bei Alpakas ist, im Gegensatz zum Lama, auch der Kopf behaart und nur das Gesicht frei von Wollhaaren, was bei der Schur oft zu lustigen ,Haarfrisuren’ führt. Bei den Alpakas gibt es hauptsächlich zwei Rassen, die sich vor allem durch die Wolleigenschaften unterscheiden: die Huacaya-Alpakas (Abb. 5) und die Suri-Alpakas (Abb. 6).

Kreuzungen zwischen Lama und Alpaka werden „Huariza“ genannt und haben ein Stockmaß von ungefähr 100 cm. Ihre äußere Erscheinung vermittelt oft den Eindruck von Kurzbeinigkeit.

Abb. 5: Huacaya-Alpaka „Colorado“

Lamas und Alpakas in Mythen und Religion

Um die besondere Wesensart der Lamas und Alpakas darzustellen, ist es hilfreich zu betrachten, wie die Menschen in den Anden zu ihren Tieren stehen. Dies wird durch Mythen, Sagen und Geschichten nachvollziehbar.

Martina Wiede (2004, 2005) hat die Bedeutung, die die Lamas und Alpakas für die indigenen Völker in den Anden haben, anhand von Erzählungen und Geschichten recherchiert und in verschiedenen Ausgaben der Fachzeitschrift LAMAS veröffentlicht. Sie fand heraus, dass das Lama und das Alpaka für die Bewohner der Anden weit mehr ist, als nur ein Nutztier. Die Mythen um diese Spezies spiegeln die Beziehung zwischen Mensch und Tier wider, eine Beziehung zwischen gleichgestellten, voneinander abhängigen Lebewesen. Mythen über den Ursprung der Lamas und Alpakas handeln oft davon, dass die Tiere aus Quellen oder Teichen auftauchen, in die sie auch wieder verschwinden, wenn sie nicht gut behandelt werden (Wiede 2005).

Abb. 6: Suri-Alpakahengst „Marley“

Nach Ansicht der Menschen in den Anden ist die Gottheit „Pachamama“ die Mutter aller Lebewesen und die eigentliche Besitzerin der Lamas und Alpakas. Sie überlässt den Menschen die Tiere nur als Leihgabe und sind diese nicht gut zu ihnen, fordert „Pachamama“ sie zurück. Auch verstorbene Tiere würden zu „Pachamama“ zurückkehren (Wiede 2004a).

Aus religiöser Sicht wurden vor allem weiße Lamas verehrt, die bei zeremoniellen Riten als Opfer dienten. Die Inkas sahen in den weißen Lamas die direkten Nachkommen von „Napa“, dem ersten Lebewesen, das, dem Glauben der Inka entsprechend, nach der Sintflut auf die Erde zurückgekehrt war. Die schneeweißen „Napas“ symbolisieren die Sonne und ihren Sohn. Aus diesem Grunde wurden die Tiere mit goldenen Ohrringen geschmückt.

Die Colla, ein indigenes Andenvolk, glaubten, dass sich im Himmel ein weißes Lama aufhielte und sich ihrem Stamm gegenüber besonders großzügig erweise. Die Colla waren der Meinung, das Himmelslama habe ihnen mehr Tiere überlassen, als anderen Stämmen. Aus Dankbarkeit wurden weiße Lamas gern gesehen.

Zur Krankenheilung opferte man für Kinder weiße Lamas, für Erwachsene braune oder schwarze Tiere und zur Behandlung von Ohrkrankheiten war es üblich, sich schwarze Wolle ins Ohr zu stopfen (Wiede 2004b).

Auf sogenannten Zaubermärkten in den Anden kann man noch heute getrocknete Lamaföten kaufen, die, in das Fundament eines Hauses eingemauert, den Bewohnern fortwährendes Glück verheißen.

2.2   Haltungsbedingungen

In ihrem Herkunftsland Südamerika ziehen die Lamas oder Alpakas im Herdenverband frei über die Hochebene der Anden. Die einzelnen Tiere sind gekennzeichnet und werden bei Bedarf (z. B. zur Schur) von den Andenbauern zusammengetrieben und eingefangen. Außerdem ist die Haltung in Pferchen zu beobachten.

Stall und Weide

Als Mindestgröße für artgerechte Neuweltkamelidenhaltung wird in deutschen Fachbüchern eine Weidefläche von 1.000 qm für zwei Tiere genannt, für jedes weitere Tier zusätzliche 100 qm. Außerdem benötigen Kameliden...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Reihe/Serie mensch & tier
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte ADHS • Alpaka • Alpakas • Autismus • Basiswissen • BEGLEITTIERE IN DER PÄDAGOGIK • Depression • GRUNDLAGEN MENSCH-TIER-BEZIEHUNG • Grundwissen • INFORMATIONEN ZUM TIERSCHUTZ • Interventionsplanung • INTERVENTIONSPLANUNG MIT TIEREN • Jugendliche • Kinder • KONKRETE INTERVENTIONEN • Lama • Mensch und Tier • TGI • TIERBEGLEITETE PÄDAGOGISCHE ARBEIT • Tiergestützte Pädagogik
ISBN-10 3-497-61599-4 / 3497615994
ISBN-13 978-3-497-61599-5 / 9783497615995
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