Geschichte des pädagogischen Denkens (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
160 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5270-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geschichte des pädagogischen Denkens -  Birgitta Fuchs
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dieser Band stellt in fünf übersichtlich gegliederten Kapiteln die Geschichte des pädagogischen Denkens strukturiert und übersichtlich dar. Die Geschichte des pädagogischen Denkens informiert über jene Erziehungs- und Bildungstheorien, welche den europäischen Bildungsdiskurs maßgeblich bestimmen konnten: Die griechische Antike, die Aufklärung, der Neuhumanismus und die internationale Reformpädagogik. Das fünfte Kapitel der Geschichte des pädagogischen Denkens wendet sich in kritischer Absicht dem Nationalsozialismus und dessen Intention einer vollständigen politischen Instrumentalisierung der Erziehung zu.

Prof. Dr. Birgitta Fuchs lehrte an der Universität Bayreuth und der TU Dortmund.

Prof. Dr. Birgitta Fuchs lehrte an der Universität Bayreuth und der TU Dortmund.

Abbildungsverzeichnis 8
Vorwort 11
1 Einleitung 15
1.1 Die Geburt der Pädagogik aus ihrer Geschichtsschreibung 15
1.2 Die vielen Gesichter der Geschichte der Pädagogik 16
1.3 Die historische Dimension der Pädagogik 17
1.4 Von der Geschichte der Pädagogik zur erziehungswissenschaflichen Historiographie 17
1.5 Die Wiederentdeckung der Geschichte der Pädagogik 18
1.6 Auswahl und Gliederung der Themen 19
2 Die griechische Antike 21
2.1 Vom Mythos zum Logos 22
2.2 Der Übergang zur Demokratie und die Bedeutung der Rhetorik 23
2.3 Drei pädagogische Modelle der griechischen Antike 25
2.4 Das rhetorisch-humanistische Bildungskonzept des Isokrates 49
2.5 Humanistische und rationale Bildung Giambattista Vicos Vermittlungsversuch 55
3 Die Pädagogik der Aufklärung 63
3.1 Aufklärung als historische Epoche und als pädagogisches Programm 63
3.2 Die politische, gesellschaftliche und ökonomische Situation im 17. und 18. Jahrhundert als Hintergrund der pädagogischen Reformen 69
3.3 Die pädagogische Bedeutung des 17. Jahrhunderts 71
3.4 Anfänge eines modernen Bildungswesens im 17. und 18. Jahrhundert 75
3.5 Wichtige Vertreter der Pädagogik der Aufklärung 79
4 Die Bildungsphilosophie des Neuhumanismus 111
4.1 Die Französische Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit 112
4.2 Die Preußischen Reformen 114
4.3 Wilhelm von Humboldt (1767–1835) 121
4.4 Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) 131
5 Reformpädagogik 145
5.1 Allgemeine Motive 149
5.2 Pädagogische Bewegungen172
5.3 Drei Vertreter der internationalen Reformpädagogik 184
6 Pädagogik im Nationalsozialismus 201
6.1 Hitlers Vorstellungen von Erziehung 203
6.2 Die ideologische Umgestaltung des öffentlichen Bildungswesens 209
6.3 Die Hitlerjugend als außerschulische Formationserziehung 228
6.4 Nationalsozialistische Pädagogik 234
7 Zusammenfassung 249
Literaturverzeichnis 253

[15] 1     Einleitung


Die erzieherische Ausbildung und das akademische Studium der Pädagogik bestanden in Deutschland bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein inhaltlich zu einem großen Teil aus der Kenntnis der Geschichte der Pädagogik, waren mitunter sogar beinahe mit ihr identisch. Das hatte mehrere Gründe. Der gewichtigste von ihnen bestand – historisch gesehen – darin, dass die Pädagogik als die Wissenschaft von der Erziehung ihre wissenschaftliche Eigengestalt erst gewinnen und sich als selbstständiges Wissenschaftsgebiet abgrenzen und darstellen konnte, als man begann, ihre Geschichte zu schreiben. Die Pädagogik entstand – und das lässt sich analog auch für andere Geistes- oder Kulturwissenschaften zeigen –, als eine eigenständige Disziplin, als Theologen und Pädagogen wie beispielsweise August Hermann Niemeyer (1754–1828) und Christian Heinrich Schwarz (1766–1837) daran gingen, aus dem verstreuten und weithin unbekannt gebliebenen historischen Material über die Erziehung früherer Zeiten eine in sich stimmige Geschichte zu konstruieren, welche gewöhnlich bei John Locke (1632–1704) und Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) begann, über Comenius (1591–1670), Ratke (1571–1635), die Bildungsphilosophen der Renaissance bis in die griechische Antike zu Platon, Aristoteles, Sokrates und den Sophisten (als den ersten ‚professionellen‘ Lehrern) zurückführte.

1.1    Die Geburt der Pädagogik aus ihrer Geschichtsschreibung


Die Pädagogik konstituierte sich als Wissenschaft in einem erheblichen Maße erst durch ihre eigene Geschichtsschreibung, präziser gesagt: durch den Fortschritt von einer Sammlung beliebiger und vereinzelter Schul-, Erziehungs- und Fallgeschichten zu einer in sich stimmigen Geschichte der Pädagogik.

Dem entspricht es auch, dass der Wissenschaftsname ‚Pädagogik‘, welcher um das Jahr 1770 aufkam – nicht, wie man immer noch hören oder lesen kann, – von dem griechischen Wort paidagogos (der Knabenführer) abgeleitet wurde, sondern von dem Begriff paideia, den Platon in seinem utopischen Staatsentwurf Politeia, einem bis heute maßgeblichen und nach dem Urteil Rousseaus sogar dem besten je über die Erziehung geschriebenen Buch prägte, um die Abrichtung und Ausbildung (griechisch: trophé) des Nähr- und Wehrstandes – in heutiger Sprache: der Arbeiter und Soldaten – deutlich von der Bildung der zum Führen und Leiten des Gemeinwesens berufenen [16] Philosophen – in heutiger Sprache: der Gebildeten – abzuheben. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), der bedeutende deutsche Platon-Übersetzer und einer der sogenannten ‚Begründer‘ einer wissenschaftlichen Pädagogik, verdeutschte Platons trophé mit ‚Erziehung‘, für paideia setzte er den Begriff der ‚Bildung‘ in Umlauf.

1.2    Die vielen Gesichter der Geschichte der Pädagogik


Es wäre natürlich eine grobe Vereinfachung, sich diese die Wissenschaftsdisziplin konstituierende Geschichte der Pädagogik als ein in sich einheitliches Gebilde vorzustellen. Schon sehr früh zeigten sich unterschiedliche Perspektiven bzw. Aspekte, unter denen man diese Geschichte schreiben konnte – beispielsweise als Geschichte der erziehenden Personen, als Geschichte der erzieherischen Institutionen, als Geschichte erzieherischer Tatsachen, als Geschichte pädagogischer Ideen, als Geschichte erzieherischer Versuche – gelungener ebenso wie gescheiterter – etc. Und Gleiches gilt für ihre Verwendung in der erzieherischen Ausbildung und im akademischen Studium.

Wollte man die Geschichte dazu gebrauchen, um die kommenden Erzieher und Lehrer an vorbildlichen Erzieher- und Lehrergestalten aufzurichten, bot man ihnen eine pädagogische Personengeschichte, nicht selten hochstilisiert zu einer überzogenen ‚Heldengeschichte‘. Die Figur des an allen Ecken und Enden scheiternden Volkserziehers Johann Heinrich Pestalozzi wurde auf diese Weise zuweilen zu einer pädagogischen Heilsgestalt überhöht. Wollte man den künftigen Erziehern und Lehrern die institutionellen Möglichkeiten und Einschränkungen der Erziehung einsichtig machen, legte man ihnen eine Institutionengeschichte vor. Wollte man den Schwerpunkt mehr auf die Anbahnung eines eigenständigen pädagogischen Denkens und Argumentierens legen, konfrontierte man sie mit den Gedanken und Entwürfen bedeutender ‚Vorläufer‘ und verfasste eine pädagogische Ideengeschichte, wobei man üblicherweise die gescheiterten verschwieg und die halbwegs gelungenen überbewertete und oft auch glorifizierte. Aber auch eine Geschichte misslungener Erziehung war denkbar, um die Kontingenz und das mit aller Erziehung verbundene Risiko des Erziehens deutlich zu machen. Und es gab immer wieder Versuche, alle einzelnen Aspekte in einer Gesamtschau miteinander zu verbinden, was dann gelegentlich auch zu einer recht verschwommenen Geistesund Kulturgeschichte führen konnte.

[17] 1.3    Die historische Dimension der Pädagogik


Es war zweifellos ein Verdienst der im 20. Jahrhundert in Deutschland dominierenden sogenannten Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, diesen innigen Zusammenhang zwischen historischem Wissen über die Erziehung und der erziehungswissenschaftlichen Theoriebildung aufgeklärt und als ‚historischsystematische Methode‘ auf den Begriff gebracht zu haben (vgl. auch den Band von Heinz-Hermann Krüger in dieser Reihe: Krüger 2019, Kap. 4.2). Die geisteswissenschaftlichen Pädagogen – von Wilhelm Dilthey (1833–1911) über Theodor Litt (1880–1962), Eduard Spranger (1882–1963), Wilhelm Flitner (1889–1990), Herman Nohl (1879–1960) und Erich Weniger (1894–1961) bis hin zu Albert Reble (1910–2000) – haben die Geschichte der Pädagogik und die systematische Theoriebildung immer in einem denkbar engen Zusammenhang gesehen und als eine unauflösliche Einheit bearbeitet. Das kam in dem Begriff von der ‚historischen Dimension‘ der Pädagogik zum Ausdruck, mit dem diese Autoren deutlich machten, dass man ohne Besinnung auf die Geschichte den Horizont der Theorieentwicklung beträchtlich schmälert und sich ohne Not manche wichtigen Erkenntnisse und Anregungen vergibt (vgl. Nicolin 1975, S. 86ff.).

1.4    Von der Geschichte der Pädagogik zur erziehungswissenschaftlichen Historiographie


Die Vorherrschaft des Historischen in der erzieherischen Ausbildung und im akademischen Studium der Pädagogik wurde massiv gebrochen, als die Pädagogik in den 1970er- und 1980er-Jahren eine empirisch-sozialwissenschaftliche Wende erfuhr (vgl. auch den Band von Heinz-Hermann Krüger in dieser Reihe: Krüger 2019). Diese zuerst von Heinrich Roth (1906–1983) ausgerufene „realistische Wendung“ (Roth 1962, S. 481) von den pädagogischen Ideen und ihrer Geschichte zur empirischen Erforschung der gesellschaftlichen Tatsache ‚Erziehung‘ bedeutete, wenn sie als eine Zuwendung zu neuen Fragestellungen und Themen verstanden wurde, ohne Zweifel eine Erweiterung des pädagogischen Horizontes und auch eine Bereicherung des erziehungswissenschaftlichen Wissens. Dort aber, wo sie als eine Abwendung von der Tradition verstanden und auch faktisch als solche vollzogen wurde, brachte sie die Gefahr mit sich, das pädagogische Blickfeld einzuengen, die lange Geschichte des pädagogischen Denkens abzuschneiden und den reichen Schatz an historischen Einsichten und Erfahrungen zu vernachlässigen.

Gleichzeitig kam es auch in der pädagogischen Geschichtsschreibung selbst zu einer Veränderung, welche sich in der programmatisch gemeinten [18] Umbenennung der Geschichte der Pädagogik in ‚Historische Erziehungswissenschaft‘ bzw. in ‚erziehungswissenschaftliche Historiographie‘ niederschlug. Das überkommene Bündnis zwischen Theorie und Geschichte der Erziehung sollte als Ideologie entlarvt und durch strenge historisch-empirische Forschung abgelöst werden. Die Rede von der historischen Dimension der Pädagogik verstummte in dem Maße, in dem die herkömmliche Geschichte der Pädagogik in empirisch-historische Einzelforschung parzelliert wurde und ihre Relevanz für die akademische Lehre und für die erzieherische Ausbildung zusehends schwand.

1.5    Die Wiederentdeckung der Geschichte der Pädagogik


Inzwischen hat sich die Gewichtung des erziehungsgeschichtlichen Wissens weitgehend wieder ausbalanciert. Dietrich Benner und Jürgen Oelkers haben in dem Vorwort zu ihrem 2004 erschienenen und über 1.100 Seiten umfassenden Historischen Wörterbuch der Pädagogik nicht nur die unverzichtbare Orientierungsfunktion des in der Geschichte der Pädagogik gespeicherten Wissens für die Praktiker unterstrichen, sondern auch deutlich gemacht, in welch hohem Maße jede Gegenwart auf Theoriekonzepte früherer Epochen zurückgegriffen hat. Die beiden Autoren haben daraus das Fazit gezogen, ein vertieftes Verständnis und eine gehaltvolle Reflexion von Erziehung und Bildung seien ohne historische Bezüge weder möglich noch sinnvoll. Ganz abgesehen von der Peinlichkeit, in die ein historisch Ungebildeter unausweichlich zu fallen droht, der einen pädagogischen Gedanken oder einen wissenschaftlichen Befund für neu hält, der einem in dem reichen Magazin der Geschichte der Pädagogik Bewanderten längst bekannt sein muss oder gar schon als banal erscheint.

Vor dem hier skizzierten geschichtlichen Hintergrund...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Reihe/Serie Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Schlagworte Antike • Aufklärung • Bildungsgerechtigkeit • Bildungstheorie • Brüderlichkeit • Erziehung im Nationalsozialismus • Französische Revolution • Freiheit • Geschichte der Erziehungswissenschaft • Geschichte der Pädagogik • Gleichheit • Griechische Antike • Lehrbuch • Montessori • Neuhumanismus • Öffentliches Bildungswesen • Pädagogik der Aufklärung • Preußische Reformen • Reformpädagogik • Schleiermacher • Schulpflicht • UTB • Wilhelm von Humboldt
ISBN-10 3-8463-5270-5 / 3846352705
ISBN-13 978-3-8463-5270-0 / 9783846352700
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse

von Hans-Christoph Koller

eBook Download (2023)
Kohlhammer Verlag
30,99
Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse

von Hans-Christoph Koller

eBook Download (2023)
Kohlhammer Verlag
30,99
Training mithilfe sprecherzieherischer Methoden aus der …

von Markus Kunze

eBook Download (2023)
Springer VS (Verlag)
49,99