Der Wert des Wassers (eBook)

Unser gemeinsamer Kampf gegen das drängendste Entwicklungsproblem der Welt
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2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29520-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Wert des Wassers -  Gary White,  Matt Damon
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Matt Damon besuchte 2006 das ländliche Sambia und traf dort Frauen und Mädchen, die täglich mehrere Stunden damit zubrachten, ihre Familien mit Wasser aus weit entfernten Quellen zu versorgen - Zeit, die ihnen fehlte, um zu spielen, zur Schule zu gehen oder eigenes Geld zu verdienen. Über zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen: Ein globales Problem, das durch den Klimawandel zunehmend verschärft wird und ursächlich dafür ist, dass Entwicklungsziele wie Gesundheit, soziale Sicherheit und Geschlechtergerechtigkeit nicht erreicht werden. Damon erkannte schnell, dass er einen echten Experten an seiner Seite brauchte, um die Situation der Mädchen in Sambia (und andernorts) zu verbessern. Er fand ihn in dem Bau- und Umweltingenieur Gary White, der bereits in den 90er-Jahren seinen gut bezahlten Beraterjob aufgegeben hatte, um sich für eine sichere Trinkwasserversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu engagieren. In diesem Buch erzählen die beiden ungleichen Verbündeten von ihrem gemeinsamen Kampf gegen das drängendste Entwicklungsproblem unserer Zeit und wie es ihnen mithilfe einer simplen Idee gelang, die Lebensqualität von fast 40 Millionen Menschen entscheidend zu verbessern.

Der Bau- und Umweltingenieur Gary White setzt sich seit den 90er-Jahren für sanitäre Anlagen und sauberes Trinkwasser in Entwicklungs- und Schwellenländern ein, und gehört zu den international anerkanntesten Experten auf seinem Gebiet. Matt Damon, Schauspieler und oscarprämierter Drehbuchautor, wurde 2006 bei einem Besuch in Sambia auf die globale Wasserkrise aufmerksam.

White und Damon gründeten 2009 Water.org, eine globale Nichtregierungsorganisation, die es lokalen Gemeinschaften über die Vergabe von Mikrokrediten ermöglicht, in eine funktionierende Wasserversorgung und sanitäre Anlagen zu investieren.

2


DIE WASSER-DEKADE


Gary White


Bei jemandem wie mir würde man normalerweise nicht vermuten, dass ich einen meiner ersten Schreibtischjobs einfach gekündigt habe. Das vorweg, bevor ich davon erzähle, wie es genau dazu kam.

Als das Männermagazin Esquire 2009 eine der ersten Reportagen über Water.org brachte, beschrieb der Journalist, der Matt und mich bei unserem Besuch in Indien begleitete, den Unterschied zwischen uns anhand unserer Outfits, die auf den ersten Blick komplett identisch schienen: Wir trugen beide Button-down-Hemden und Khaki-Shorts. Der einzige Unterschied war, dass Matts Hemd locker über der Hose hing, die obersten Knöpfe nicht geschlossen, und meines ordentlich in der Hose steckte, die von einem Gürtel gehalten wurde. Aus meiner Brusttasche lugte ein Kugelschreiber hervor. »Die Wirkung ist wie Tag und Nacht«, schrieb der Journalist, »Schwarz und Weiß, Filmstar und Ingenieur.«21

Damit lag er nicht ganz falsch. Auch ohne Matt Damon an meiner Seite wirke ich oft wie ein zugeknöpfter Ingenieur.

Drama ist mir fremd. Daher war jener Wintertag 1989 umso bemerkenswerter. Ich war kurz zuvor nach Denver gezogen, um dort eine Stelle in einem Ingenieursbüro anzutreten, und sollte eine Pipeline entwerfen, die Wasser von einem Ort in Pueblo, Colorado, zu einem anderen Ort in Pueblo, Colorado, transportierte. Keine besonders öffentlichkeitswirksame Arbeit, aber auf ihre Art doch wichtig.

Als ich nach anderthalb Wochen von meinem Schreibtisch aufstand, das Büro verließ und auf die Straße trat, war das kein Zeichen von Protest. Es fühlte sich nicht einmal nach einer bewussten Entscheidung an. Ich war einfach rastlos. Kein Bewegungsdrang nach langem Sitzen, sondern Rastlosigkeit in einem existenziellen Sinne. Ich musste mich bewegen, damit mein Denken Raum bekam.

Ein paar Monate zuvor war ich im Hochland von Guatemala als technischer Experte für die US-amerikanische Caritas, die Hilfsorganisation CRS (Catholic Relief Services), unterwegs gewesen. Ich hatte Projekte begutachtet, die der CRS in Lateinamerika und der Karibik unterstützte. Für meine Anerkennung als Ingenieur wurde die Station allerdings nicht angerechnet. Dafür brauchte ich ein weiteres Jahr, in dem ich offiziell als Ingenieur Berufspraxis sammeln konnte, deshalb der Job in Denver.

Die meisten Projekte, die ich beim CRS betreut hatte, hatten mit Wasser zu tun gehabt. In den Dörfern hatte ich Frauen getroffen, deren ganzes Leben – jede Minute jedes Tages – vom fehlenden Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen beeinflusst war. Vom Aufwachen (oft um vier Uhr morgens, um sich auf dem Feld zu erleichtern, solange es noch dunkel und dadurch etwas geschützter war) über viele Stunden am Tag, die sie mit Wasserholen verbrachten, bis zur Nacht, wenn sie verschwitzt und staubig schlafen gingen, weil das Wasser nur zum Waschen der Kinder reichte.

Was für ein Kontrast zu meinem neuen Job! Die meisten Menschen in Pueblo, Colorado, verschwendeten nie auch nur einen Gedanken an Wasser, und ich sollte dafür sorgen, dass das so blieb, indem ich sicherstellte, dass die Fäkalien in den Kloschüsseln auf Knopfdruck weggespült wurden und jederzeit Wasser durch Hähne, Duschen und Leitungen floss. Das war eine ehrenwerte Aufgabe. Aber für mich fühlte es sich an, als würde ich im Garten herumwerkeln, während nebenan das Haus der Nachbarn brannte.

Unbewusst lief ich drauflos, kilometerweit. Ohne darauf zu achten, wohin ich ging, war ich irgendwie bei der Kirche meiner Gemeinde gelandet. Ich trat ein, um mich einen Moment hinzusetzen. Die Kirche war menschenleer. Ich nahm in einer der Bankreihen Platz und überlegte, ob ich meinen Job kündigen sollte oder nicht.

Die Kirche war noch relativ neu für mich – mein Umzug lag noch nicht lange zurück –, aber sie erinnerte mich an zu Hause. Ich war in Kansas City, Missouri, einen Block von der katholischen Kirche St. Bernadette’s entfernt aufgewachsen und dort jeden Sonntag zur Messe gegangen. Außerdem hatte ich eine katholische Highschool vom Orden der christlichen Brüder besucht, obwohl die Schulgebühren für uns eine Herausforderung bedeuteten. Meine Eltern hatten sich die Gebühren für meine drei älteren Geschwister nicht leisten können, aber meinten, wenn ich einen Weg fände, um die Hälfte des Geldes aufzubringen, würden sie den Rest übernehmen. Im Sommer arbeitete ich daher als Hausmeister in der St. Bernadette Grundschule, um meinen Anteil zusammenzubekommen, und wischte dieselben Böden und putzte dieselben Klos, die ich weit hinter mir gewähnt hatte, als ich auf die weiterführende Schule gekommen war.

»Ein Leben ist wertlos, wenn es nicht für andere gelebt wird«, hatte ich in der Schule und der Kirche gelernt. Meine Eltern hatten diese Lehre verinnerlicht, insbesondere meine Mutter Kathy White. Sie war auf einer Farm in Missouri aufgewachsen und in den späten 1940er-Jahren in die Großstadt gezogen, daher hatte sie nie, so wie ich, die Möglichkeit gehabt, Menschen am anderen Ende der Welt zu helfen. Aber sie führte trotzdem ein Leben im Dienst der Nächstenliebe. Entweder widmete sie ihre Zeit ihren fünf Kindern zu Hause oder sie engagierte sich ehrenamtlich in der Kirche einen Block weiter auf dem Hügel. Sie half zum Beispiel bei der Unterbringung vietnamesischer Flüchtlinge oder sammelte Geld, um arme Menschen in Kansas City zu unterstützen. Wie viele andere organisierte unsere Kirche auch Flohmärkte, um Geld für Spenden zu sammeln, und meine Mutter war jeden Tag dort und sortierte stapelweise Klamotten und alte Spielsachen.

Der Dienst am Nächsten war also für mich immer wichtig gewesen. Als ich jetzt in der Kirche in Denver saß, dachte ich über einen Begriff nach, den man häufig von Katholiken hört und der auch der Name eines Kurses gewesen war, den ich in der Highschool belegt hatte: Soziale Gerechtigkeit. Dahinter kann sich natürlich alles Mögliche verbergen, aber mich erinnerte er an ein Erlebnis bei meinem ersten Auslandseinsatz als Freiwilliger während des Studiums. In den Slums von Guatemala City sah ich ein kleines Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, das Wasser aus einem dreckigen Fass in einen Eimer füllte. Er wog fast so viel wie sie selbst. Sie hievte ihn sich auf den Kopf und schwankte entlang eines Abwasserrinnsals nach Hause. Wie wahrscheinlich jeder in der Situation hatte ich den Impuls, sie von ihrer schweren Last zu befreien. Ich wollte ihr irgendwie sagen, dass dieses Wasser sie sehr krank machen oder sogar umbringen könne. Aber das konnte ich nicht. Mein Spanisch war damals zu schlecht, als dass ich ihr die Gefahr hätte erklären können. Abgesehen davon war es das einzige Wasser, das ihr zur Verfügung stand, weil sie am falschen Ort in Armut geboren worden war.

Es war nicht nur traurig. Es war nicht nur tragisch. Es war ungerecht – ein Wort, das ich nicht leichtfertig gebrauche. Damals in Guatemala City verstand ich etwas, das ich vorher nur theoretisch gekannt, nur abstrakt gewusst hatte: Genau wie für dieses kleine Mädchen war es für Milliarden von Menschen ein täglicher Kampf, ihre absoluten Grundbedürfnisse zu stillen. Es kostete sie so viel Energie, dafür zu sorgen, dass ihre Familien genug Wasser zum Trinken und Essen sowie einen sicheren Platz zum Schlafen hatten, dass keine Kraft mehr übrig blieb, die sie in ihre eigene Zukunft hätten investieren können. Auf diese Weise sind Generationen von Menschen ohne eigenes Verschulden in einem Teufelskreis gefangen. Als Heranwachsender hatte ich gelernt, dass die Welt nicht zwangsläufig so sein muss – die Entscheidung liegt bei uns, dass sie nicht so sein soll. Tun wir das nicht, bleibt alles beim Alten.

Ich würde kündigen.

Wäre mein Leben ein Roman, wäre ich nie wieder an meinen Schreibtisch zurückgekehrt. Aber wie gesagt, Drama liegt mir nicht. Ich meldete mich für diesen und den nächsten Tag krank. Emotional betrachtet war ich das auch (außerdem hatte ich einen schmerzhaften Sonnenbrand, nachdem ich den ganzen Tag in der Sonne herumgelaufen war). Zusammen mit meiner Frau Becky fasste ich einen Entschluss: Ich würde meinen Denver-Job so lange machen, bis ich meinen Ingenieur in der Tasche hatte – aber keinen Tag länger, auch nicht, wenn ich beim Examen durchfallen sollte. Parallel würde ich mich außerdem für einen Aufbaustudiengang bewerben, um noch mehr über Wasser zu lernen und neue Wege zu erkunden, wie man der Krise begegnen konnte.

Ich verfolgte meinen Plan und bekam einen Platz in einem Masterprogramm für Umwelttechnik an der University North Carolina in Chapel Hill, wo einige der weltweit führenden Experten für Wasserfragen tätig sind. Nach etwas mehr als einem Jahr bei dem Ingenieurbüro kündigte ich meinen Job in Denver.

Ich beschloss, eine Benefizveranstaltung in St. Bernadette zum Thema Wasser zu organisieren, die ich das »Thanksgiving Water Dinner« nannte, weil sie Ende November 1990 stattfand. Wir sammelten Geld für Cocepradil, eine großartige Organisation in Honduras, die mit Gemeinden zusammenarbeitet und Wassersysteme baut, die aus Quellen gespeist werden. Die von uns gesammelten Spenden sollten Cocepradil dabei unterstützen, sauberes Wasser in eine Gemeinde namens El Limón zu bringen. Wie die meisten Thanksgiving-Feiern war auch diese eine Familienangelegenheit: Meine gesamte Großfamilie half bei den Vorbereitungen für das Essen. Meine Mutter fing alle, die sie kannte, nach der Messe ab und animierte sie zur Teilnahme....

Erscheint lt. Verlag 21.9.2022
Übersetzer Kristin Lohmann, Dorothea Traupe
Zusatzinfo 8-seitiger vierfarbiger Bildteil
Sprache deutsch
Original-Titel The Worth of Water
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Aktivismus • Dürre • eBooks • Entwicklungshilfe • Entwicklungspolitik • Frauenrechte • Gleichberechtigung • Globaler Süden • Klimagerechtigkeit • Klimawandel • Mikrokredit • Nachhaltige Entwicklung • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • NGO • Sachbuch • Wasserkrise
ISBN-10 3-641-29520-3 / 3641295203
ISBN-13 978-3-641-29520-2 / 9783641295202
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