Täter und Opfer (eBook)
280 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46445-8 (ISBN)
Stephan Lucas, geboren 1972 in Frankfurt am Main, verhilft seit vielen Jahren als Fachanwalt für Strafrecht Menschen, die schwere Verbrechen begangen haben sollen, zu ihrem Recht. 2006 gründete er seine eigene Kanzlei in München. Seither wirkte er in zahlreichen medienpräsenten Strafprozessen mit. Das Fernsehpublikum kennt ihn als strengen 'Staatsanwalt' aus der TV-Show 'Richter Alexander Hold'. Auch meldet sich Stephan Lucas regelmäßig als Rechtsexperte zu Wort (u.a. 'Maischberger', 'Phoenix-Runde'). 2012 veröffentlichte der Knaur-Verlag sein erstes Buch 'Auf der Seite des Bösen'. 2017 erschien - ebenfalls bei Knaur - sein Bestseller 'Garantiert nicht strafbar'. So lautet auch der Titel seines Bühnenprogramms, mit dem Stephan Lucas ab Januar 2018 auf Deutschlandtour ging. Als Nächstes möchte er das Thema 'Opfer' auf die Kleinkunstbühne bringen - Grundlage wird sein Buch sein.
Stephan Lucas, geboren 1972 in Frankfurt am Main, verhilft seit vielen Jahren als Fachanwalt für Strafrecht Menschen, die schwere Verbrechen begangen haben sollen, zu ihrem Recht. 2006 gründete er seine eigene Kanzlei in München. Seither wirkte er in zahlreichen medienpräsenten Strafprozessen mit. Das Fernsehpublikum kennt ihn als strengen "Staatsanwalt" aus der TV-Show "Richter Alexander Hold". Auch meldet sich Stephan Lucas regelmäßig als Rechtsexperte zu Wort (u.a. "Maischberger", "Phoenix-Runde"). 2012 veröffentlichte der Knaur-Verlag sein erstes Buch "Auf der Seite des Bösen". 2017 erschien - ebenfalls bei Knaur - sein Bestseller "Garantiert nicht strafbar". So lautet auch der Titel seines Bühnenprogramms, mit dem Stephan Lucas ab Januar 2018 auf Deutschlandtour ging. Als Nächstes möchte er das Thema "Opfer" auf die Kleinkunstbühne bringen - Grundlage wird sein Buch sein.
Hetzjagd durch die Nacht
Was macht der da vorne denn?«
Marc war genervt. Er befand sich mit seiner Schwester Julia auf dem Ausläufer der A 661 in Richtung Frankfurter Berg. Keine zwei Kilometer mehr, und sie würden zu Hause sein. Doch trotz der schnurgeraden Straße schlich der Fahrer des alten 3er BMW mit knapp dreißig km/h in Richtung grüne Ampel vor ihrem Mini her. Es war früher Donnerstagmorgen. Marc und Julia hatten die Sommernacht gemeinsam mit Freunden in ihrem Lieblingsclub in der Nähe von Frankfurt verbracht. Jetzt waren sie müde und wollten nur noch ins Bett. Marc fuhr näher an den Vordermann heran und blendete kurz auf. Den BMW-Fahrer schien das nicht zu beeindrucken; er setzte seine Fahrt in unverändert langsamem Tempo fort.
»So ein Depp!« Marc gab Gas. Kurz vor Erreichen der Stoßstange des Vordermanns scherte er ruckartig nach links aus und überholte den BMW geräuschvoll bei überhöhter Drehzahl.
»Natürlich wieder ein Mann.« Julia konnte sich den Spruch nicht verkneifen.
Marc grinste. Beim Einscheren schnitt er den BMW und bremste ihn kurz aus, ehe er wieder kräftig Gas gab. Ohne sich vorher abgesprochen zu haben, setzten die Geschwister noch eins drauf und zeigten dem Kriecher durch die geöffneten Fenster den Mittelfinger. Beide lachten.
»Vielleicht schnallt der Typ ja jetzt, dass er nervt.« Marc gab noch stärker Gas und erreichte die vor ihnen liegende Ampel gerade noch bei Dunkelgelb. Mit quietschenden Reifen bog er links ab in die Homburger Landstraße.
Julia und Marc wohnten im Blumenviertel im Stadtteil Frankfurter Berg, wo die Eltern vor langer Zeit ein kleines Fachwerkhaus gekauft hatten. Mit Baujahr 1937 war es zwar für ein Fachwerkhaus nicht alt, aber insgesamt doch deutlich in die Jahre gekommen. Ein riesiger Garten bei 90 Quadratmetern Wohnfläche: So hatte man in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts gebaut, als Gärten noch zur Viehhaltung und zum Anbau von Obst und Gemüse dienten. Mittlerweile lebten die Geschwister allein in ihrem »Hexenhäuschen«, sozusagen als WG, was sich manchmal immer noch ungewohnt anfühlte. Schließlich hatten sie schon den Großteil ihrer Kindheit dort zusammen verbracht. Marc war beim Einzug zehn Jahre alt gewesen, Julia acht. Mit dem Umzug aus der früheren Hochhauswohnung im achten Stock hatte sich damals für ihre Mutter ein Traum verwirklicht. Leider nur ein kurzer Traum, denn nur vier Jahre später war sie an Krebs gestorben.
Zu ihrem Vater hatten die Geschwister bis heute ein tolles Verhältnis. Nachdem erst Marc und dann Julia das Abi gemacht hatten, war er ausgezogen und hatte ihnen das Haus überlassen. »Mich kommt es billiger, wenn ich mir etwas anderes suche und ihr beiden einfach hier wohnen bleibt,« hatte er scherzhaft gesagt, aber es war natürlich etwas Wahres daran.
Mittlerweile war Marc 22 und studierte an der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität BWL. Die 20-jährige Julia ließ sich in Bad Homburg zur Europasekretärin ausbilden. Bei ihren ursprünglich getrennten Freundeskreisen hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr Überschneidungen ergeben, und da sich inzwischen alle irgendwie untereinander kannten, legten die Geschwister private Unternehmungen immer öfter zusammen. So war es auch in dieser Nacht gewesen.
»Wo kommt denn der Typ auf einmal wieder her!«
Marc warf einen irritierten Blick in den Rückspiegel, in dem der 3er BMW aufgetaucht war. Der Fahrer musste hinter ihnen bei Rot über die Ampel gefahren sein. Zuvor hatte er offensichtlich ordentlich Gas gegeben.
»Was hat denn der für ein Problem? Erst schleicht er wie eine Schnecke und legt es förmlich darauf an, mit uns das Grün zu verpassen. Und jetzt klebt er uns am Hintern.«
»Vergiss den Spinner«, sagte Julia und gähnte.
Das war allerdings nur schwer möglich, da der Mann mit seinem BMW unangenehm nah auffuhr.
»Der will’s echt wissen. Ich sag dir, der verfolgt uns.«
Jetzt wurde auch Julia ein wenig nervös: »Du musstest ihm ja unbedingt zeigen, wer der Stärkere ist. Kannst du ja gleich machen, wenn wir anhalten und der Typ dich herausfordert.«
Marc fand die Bemerkung höchst überflüssig, ging aber nicht darauf ein. An der ersten Kreuzung bog er nach links in den Berkersheimer Weg ab. Ein besorgter Blick in den Rückspiegel: Der Fahrer des BMW tat es ihm gleich. Na und? Vielleicht wohnte der ja einfach auch hier. Eine Möglichkeit, mit der Marc sich zu beruhigen versuchte, ohne recht an sie zu glauben. Naheliegender war, dass der Mann sich über das Fahrmanöver und die gestreckten Mittelfinger geärgert hatte. Marc bereute die bescheuerte Aktion inzwischen. So etwas war eigentlich gar nicht seine Art, aber das Herumkriechen im Schneckentempo hatte ihn einfach genervt, und von dem lustigen Abend war er zwar müde, aber gleichzeitig auch aufgekratzt. Blöd gelaufen, okay, aber das war ja wohl trotzdem kein Grund, ihnen mitten in der Nacht hinterherzufahren.
Marc war ein friedlicher Mensch, das Gegenteil von aggressiv. Die einzige Prügelei seines Lebens hatte er in der Grundschule erlebt. Er war zwar seit Jahren Mitglied im Boxverein, aber das war reiner Freizeitsport. Das Letzte, was er sich gerade wünschte, war eine nächtliche Auseinandersetzung mit einem fremden Autofahrer. Aber daran konnte der andere ja wohl auch kein ernsthaftes Interesse haben. Wahrscheinlich würde er an der nächsten Ecke in die andere Richtung abbiegen und die Situation sich in Wohlgefallen auflösen. Marc fuhr weiter und versuchte, den Wagen hinter ihm zu vergessen. Gerade wollte er den Blinker setzen, um in ihre Straße einzubiegen, als Julia ihn aus seinen Gedanken riss: »Nicht abbiegen, fahr geradeaus weiter!«
»Was, wieso? Wir sind fast zu Hause.«
»Ja, eben«, antwortete Julia hektisch. »Wenn der Typ uns tatsächlich verfolgt, dann müssen wir ihm das ja nicht gerade auf die Nase binden.«
»Na toll, und wohin sonst?«, fragte Marc etwas genervt.
»Bieg einfach zwei Straßen später ab. Wenn er dranbleibt, dann biegst du noch mal ab.« Julia klang plötzlich wieder sehr wach. »Einfach weiter! Ist doch vollkommen wurscht, wo wir langfahren. Hauptsache, wie hängen den Typen ab. Irgendwann wird der ja hoffentlich die Lust verlieren.«
»Wenn er uns überhaupt verfolgt – das wissen wir doch gar nicht«, gab Marc zu bedenken.
»Eben drum! Also, bieg da vorne ab. Und wenn er das zwei, drei Mal mitmacht, dann ist der Fall klar.«
Marc sah ein, dass Julia recht hatte. Also bog er nicht wie üblich links ab, sondern erst einige Hundert Meter später nach rechts in den Ebereschenweg. Erneut schaute er in den Rückspiegel. Der BMW bog ebenfalls ab.
»Scheiße, Julia. Das ist kein Zufall.« Marc gab ordentlich Gas. Der BMW-Fahrer beschleunigte sein Fahrzeug ebenfalls. Kurz ging Marc der Gedanke durch den Kopf, wie gut es war, dass er den ganzen Abend keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte.
»Jetzt da vorne rechts!« Julias Stimme klang angespannt.
Marc bog rechts ab. Der BMW-Fahrer ebenfalls. Den Geschwistern wurde immer mulmiger zumute.
»Jetzt wieder zurück auf den Berkersheimer Weg«, befahl Julia.
»Das wollte ich eh«, entgegnete Marc gereizt. »Und dann in den Fliederweg.« Gesagt, getan. Um diese Zeit war auf den Straßen des kleinen Frankfurter Stadtteils nichts los. Nur Marc und Julia fuhren hier durch die Nacht, gefolgt von dem 3er BMW, dessen Fahrer ganz offensichtlich nicht von ihnen ablassen wollte.
»Ich kotze gleich. Kann der Typ uns nicht einfach in Ruhe lassen?! Okay, die Aktion war scheiße, aber was soll denn das jetzt hier!? Es ist doch echt nichts passiert.«
»Noch nicht«, sagte Julia leise.
Marc dachte in dem Moment dasselbe, auch wenn es ihm lieber gewesen wäre, wenn Julia es nicht ausgesprochen hätte. Sie hatten ein handfestes Problem, da gab es nichts zu beschönigen. Und er hatte gerade keine Ahnung, wie er es lösen sollte.
Im Schlehenweg bremste Marc den Wagen leicht ab. Notgedrungen tat es ihm ihr Hintermann gleich. Marc blickte erneut in den Rückspiegel. Sosehr er sich bemühte, das Gesicht des Fahrers konnte er nicht erkennen. Es wurde auch nicht leichter, als dieser zu allem Überfluss auch noch das Fernlicht einschaltete. Marc fuhr in gleichbleibendem Tempo weiter. Als plötzlich der Motor des BMW hinter ihm laut aufheulte, versuchte er, trotz des aufgeblendeten Fernlichts im Rückspiegel etwas zu erkennen. Was war jetzt los, wieso verschwand der BMW immer mehr nach links aus seinem Blickfeld? Erst als der Motor des BMW ein weiteres Mal aufheulte, wurde Marc klar, was der andere vorhatte. »Verdammt, der will uns überholen!«
Der fremde Mann steuerte sein Fahrzeug auf den linken Fußweg, auf dem keine Autos parkten, und versuchte ganz offensichtlich, neben den Mini von Marc und Julia zu gelangen. Der BMW kam von hinten gefährlich nahe.
»Marc, los, gib Gas!«
Marc zögerte keine Sekunde. Er durfte den anderen auf gar keinen Fall vorbeilassen. »Wenn der uns überholt und ausbremst, sind wir am Arsch!«
Marc fühlte Panik in sich aufsteigen. Was sollte er denn bloß machen? Und was wollte dieser Irre hinter ihnen? Es gelang ihm, den Abstand zum BMW vorübergehend zu vergrößern. Hektisch und viel zu schnell bog er nach rechts in den Holunderweg ein. Der BMW blieb an ihm dran, aber die Gefahr eines Überholmanövers war erst einmal...
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2022 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Anwalt • Anwalt Bücher • Auf der Seite des Bösen • Barbara Salesch • Bestseller-Autor • Echte Kriminalfälle • Erfahrungsberichte • Erzählendes Sachbuch • Freiheitsstrafe • Garantiert nicht strafbar • gerechte Strafe • Gericht • Gerichtsshow • Geschenk True Crime • Im Namen der Gerechtigkeit • Kriminologie • Mordopfer • Opfer • Opfer einer Straftat • Opfer einer Vergewaltigung • Opferforschung • Opfer und Täter • Opfer und Täter Beziehung • Opferverhalten • Podimo • Rechtsanwalt • Rechtsanwalt Stephan Lucas • Rechtsstaat • Richter Alexander Hold • RTL • SAT1 • Sexualstrafrecht • Staatsanwalt • Strafprozess • Strafverteidiger • Tatsachenbericht • True Crime • True Crime Bücher • True Crime Deut • True Crime Podcast • Ulrich Wetzel • Verbrechen • Verbrechensaufklärung • Verbrechensopfer • Vergewaltigung • Viktimologie • wahre Fälle • Wahre Geschichten • Wahre Kriminalfälle |
ISBN-10 | 3-426-46445-4 / 3426464454 |
ISBN-13 | 978-3-426-46445-8 / 9783426464458 |
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