Soziale Arbeit (eBook)

Geschichte - Theorie - Profession
eBook Download: EPUB
2022 | 8. Auflage
255 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-8808-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Soziale Arbeit -  Johannes Schilling,  Sebastian Klus
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Studierende der Sozialen Arbeit finden in diesem Buch einen Leitfaden für ihr Studienfach - von den Anfängen der Armenfürsorge über Theorien und Methoden bis hin zu heutigen Berufsbildern und dem professionellen Selbstverständnis. Das Buch hilft den Studierenden dabei, • die Entwicklung des Studienfaches nachzuvollziehen, • die Ziele, Aufgaben und Methoden des Arbeitsfeldes kennen zu lernen, • die Berufsfelder in der Sozialen Arbeit zu differenzieren, • theoretische Modelle zu verstehen. Didaktische Elemente, Fragen zum Text bzw. zur Prüfungsvorbereitung und Zusammenfassungen erleichtern die Arbeit mit diesem Buch. Mit der mittlerweile 8. Auflage zählt das Buch zu den Standardwerken im Studium Soziale Arbeit. <b>utb+:</b> Leser:innen erhalten zusätzlich zum Buch ausführliche Prüfungsfragen mit Antworten als digitales Zusatzmaterial, um das erlernte Wissen zu überprüfen und zu vertiefen. Erhältlich über utb.de.

Johannes Schilling, Dr., emeritierter Professor an der Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften; insbes. Didaktik/Methodik; Jugendarbeit und Freizeitpädagogik

Einleitung 11
1 Sozialarbeit – Geschichte der Armenpflege und Armenfürsorge / Wohlfahrtspflege 16
1 1 Urkategorie der Armenpflege und Fürsorge: Armut und Hilfe 16
1 2 Armenfürsorge für Erwachsene im Mittelalter (um 12 –13 Jh ) und zu Beginn der Neuzeit (14 –16 Jh ) 20
1 2 1 Thomas von Aquin (1224–1274) 20
1 2 2 Martin Luther (1483–1546)22
1 2 3 John Calvin (1509–1564) 23
1 2 4 Humanismus 23
1 2 5 Juan Luis Vives (1492–1540) 24
1 2 6 Nürnberger Bettel- und Armenordnungen (1370) 26
1 3 Erwachsenenfürsorge im Zeitalter der Industrialisierung (18 –19 Jh ) 28
1 3 1 Industrielle Entwicklung – Pauperismus 28
1 3 2 Elberfelder Quartiersystem (1867) 31
1 3 3 Straßburger Quartiersystem (1905) 32
1 3 4 Sozialgesetzgebung Otto von Bismarcks (1815–1898) 33
1 4 Wohlfahrtspflege für Erwachsene im 20 Jahrhundert 35
1 4 1 Kaiserreich und Weimarer Republik (bis 1933) 35
1 4 2 Alice Salomon (1872–1948) 38
1 5 Volkspflege im Nationalsozialismus (1933–1945) 40
1 6 Nach dem Zweiten Weltkrieg: Bundesrepublik Deutschland(seit 1945) 41
1 7 Armut und Hilfe in der bundesrepublikanischen Sozialarbeit 43
1 7 1 Armut 43
1 7 2 Soziale Hilfe 45
1 8 Zusammenfassung 48
2 Sozialpädagogik – Geschichte der Jugendfürsorge / Jugendpflege 52
2 1 Öffentliche Hilfe für Kinder (Jugendfürsorge) 52
2 2 Armenfürsorge für Kinder im Mittelalter (12 –13 Jh ) und zu Beginn der Neuzeit (14 –16 Jh ) 54
2 2 1 Findel- und Waisenhäuser 54
2 2 2 Erziehungskonzept von Juan Luis Vives (1492–1540) 55
2 3 Jugendfürsorge im Zeitalter der Industrialisierung (17 –18 Jh ) 56
2 3 1 Hallesche Anstalten von August Hermann Francke (1663–1727) 56
2 3 2 Hamburgische Armenreform: Caspar Voght (1752–1839) 58
2 3 3 Rettungshausbewegung/Rauhes Haus in Hamburg: Johann Hinrich Wichern (1808–1881) 59
2 3 4 Kindergartenbewegung: Wegbereiter und Friedrich Fröbel (1782–1852) 60
2 3 5 Kirchliche und staatliche Kinderfürsorge 62
2 4 Wohlfahrtspflege für Kinder im 20 Jahrhundert 64
2 4 1 Kaiserreich und Weimarer Republik (bis 1933) 64
2 4 2 Nationalsozialismus (1933–1945) 66
2 5 Nach dem Zweiten Weltkrieg: Bundesrepublik Deutschland (seit 1945) – Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) 67
2 6 Sozialpädagogik 69
2 6 1 Sozialpädagogische Bewegung 69
2 6 2 Begriff Sozialpädagogik 70
2 7 Jugendhilfe und Jugendarbeit 72
2 8 Vorbeugung, Prävention 75
2 8 1 Vorbeugen aus sozialpädagogischer Sicht 75
2 8 2 Vorbeugen aus jugendpolitischer Sicht 76
2 8 3 Vorbeugen aus sozialpolitischer Sicht 78
2 9 Hilfe in den Erziehungs- und Bildungsinstitutionen Familie, Schule und Sozialpädagogik 79
2 9 1 Primäre Erziehungsinstitution: Familie 79
2 9 2 Sekundäre Erziehungs- und Bildungsinstitution: Schule 82
2 9 3 Tertiäre Erziehungs- und Bildungsinstitution: Sozialpädagogik 84
2 10 Zusammenfassung 88
3 Entstehungsgeschichte Sozialer Arbeit: Sozialarbeit – Sozialpädagogik – Soziale Arbeit 93
3 1 Sozialarbeit – Sozialpädagogik 93
3 1 1 Geschichtliche Wurzeln 93
3 1 2 Sozialarbeit 94
3 1 3 Sozialpädagogik 96
3 2 „Sozial“ und soziale Probleme 98
3 2 1 Was heißt „sozial“? 98
3 2 2 Was ist ein soziales Problem? 101
3 2 3 Soziale Arbeit als Dienstleistung 105
3 2 4 Soziale Arbeit als (eine) Menschenrechtsprofession 106
3 2 5 Soziale Arbeit und Menschenbild 106
3 2 6 Soziale Arbeit als Ressourcenorientierung 106
3 3 Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit: Konvergenz und ihr Verständnis im 21 Jahrhundert 107
3 4 Erziehung, Bildung, Lernen, Pädagogik 109
3 4 1 Erziehung 109
3 4 2 Bildung 111
3 4 3 Lernen 113
3 4 4 Pädagogik 114
3 5 Prävention, Gesundheit, Wohlbefinden 115
3 5 1 Soziale Arbeit und Gesundheitsfürsorge 116
3 5 2 Geschichte der Gesundheitsfürsorge 117
3 5 3 Gesundheit 118
3 5 4 Wohlbefinden 121
3 6 Zusammenfassung 123
4 Theorie-Modelle in der Geschichte Sozialer Arbeit 127
4 1 Gegenstandsbereich Sozialer Arbeit 127
4 2 Theorievielfalt 128
4 3 Geisteswissenschaftlicher Ansatz Sozialer Arbeit: Herman Nohl und Gertrud Bäumer 132
4 3 1 Herman Nohl (1879–1960) 132
4 3 2 Sozialpädagogik nach Gertrud Bäumer (1873–1954) 135
4 4 Emanzipativer, kritisch-materialistischer Ansatz Sozialer Arbeit: Klaus Mollenhauer (1928–1998) 138
4 5 Lebensweltorientierter Ansatz Sozialer Arbeit: Hans Thiersch (1935) 143
4 6 Systemtheoretischer Ansatz Sozialer Arbeit: Michael Bommes (1954–2010) und Albert Scherr (1958) 150
4 7 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession: Silvia Staub-Bernasconi (1936) 156
4 8 Theorien für die Soziale Arbeit als emergente Handlungswissenschaft 163
4 9 Zusammenfassung 167
5 Ziele und Methoden Sozialer Arbeit 171
5 1 Definition Sozialer Arbeit der International Federation of Social Workers 171
5 2 Ziele Sozialer Arbeit 173
5 3 Phasen der Entwicklung von Methoden Sozialer Arbeit 176
5 3 1 Erste Phase: Anfänge (Beginn des 20 Jh ) 176
5 3 2 Zweite Phase: Übernahme amerikanischer Methoden (1950er Jahre) 177
5 3 3 Dritte Phase: Methodenkritik (etwa 1968–1975) 182
5 3 4 Vierte Phase: Ausdifferenzierung (1980er Jahre) 183
5 3 5 Fünfte Phase: Neue Trends (1990er Jahre) 183
5 4 Methodisches Handeln Sozialer Arbeit 184
5 5 Beratung als Schlüsselkompetenz Sozialer Arbeit 187
5 5 1 Veränderungen in der Gesellschaft 188
5 5 2 Abgrenzung zu anderen Begriffen 188
5 5 3 Soziale Beratung 189
5 6 Evidence-Based Practice Sozialer Arbeit 191
5 7 Zusammenfassung 193
6 Studium – Berufsfelder – Profession 196
6 1 Studium Sozialer Arbeit 197
6 1 1 Berufsausbildung im Zeitalter der Industrialisierung (1893–1933) 197
6 1 2 Berufsausbildung im Nationalsozialismus (1933–1945) 199
6 1 3 Berufsausbildung nach dem Zweiten Weltkrieg 203
6 1 4 Berufsausbildung Sozialer Arbeit nach dem Bologna Beschluss 205
6 2 Arbeitsfelder Sozialer Arbeit 207
6 3 Träger Sozialer Arbeit 210
6 3 1 Öffentliche Organisation Sozialer Arbeit 210
6 3 2 Träger Sozialer Arbeit (Jugendamt) 211
6 3 3 Freie Träger Sozialer Arbeit (Wohlfahrtsverbände) 213
6 3 4 Träger anderer Hilfsangebote Sozialer Arbeit (Jugendverbände) 215
6 3 5 Zusammenarbeit der Träger: Subsidiaritätsprinzip 216
6 4 Verberuflichung und Professionalisierung 217
6 4 1 Verberuflichung 218
6 4 2 Professionalisierung 219
6 4 3 Kompetenzen in der Sozialen Arbeit 220
6 5 Verständnis Sozialer Arbeit – Fachgewerkschaft für Soziale Arbeit (DBSH) 221
6 5 1 Historische Entwicklung gewerkschaftlicher Organisationen221
6 5 2 Soziale Arbeit – Grundsatzprogramm des DBSH 224
6 6 Gesellschaftliche Funktionen Sozialer Arbeit 227
6 6 1 Sozialpolitik und Soziale Arbeit 227
6 6 2 Doppelmandat und Tripelmandat 229
6 6 3 Verhältnis zwischen Profession und Politik/Wirtschaft 230
6 6 4 Soziale Arbeit als Dienstleistung 231
6 7 Zusammenfassung 234
7 Was heißt Soziale Arbeit? 238
Literatur 245
Sachregister 254

1 Sozialarbeit – Geschichte der Armenpflege und Armenfürsorge / Wohlfahrtspflege

Abbildung 2: Geschichtliche Wurzeln der Sozialarbeit

1.1 Urkategorie der Armenpflege und Fürsorge: Armut und Hilfe

1. Praxis-Situation: Problem – Hilfe

Frau Stark, 36 Jahre alt, ist alleinerziehende Mutter ihrer beiden Töchter von acht und zehn Jahren. Sie arbeitet als Verkäuferin in einer Bäckerei. Mit ihrem Verdienst kann sie ihre Familie mehr schlecht als recht ernähren. Sie und ihre beiden Töchter müssen auf vieles verzichten. In den Urlaub zu fahren oder ins Kino zu gehen, ist für sie Luxus, den sie sich nicht leisten können. Frau Starks Bekannte raten ihr, sich finanzielle Unterstützung vom Jobcenter zu holen. Das sei ihr gutes Recht. Frau Stark lehnt dies jedoch energisch ab. Sie kommt schon alleine zurecht. Sie braucht das Jobcenter nicht. Die wollen einen ja nur ausfragen, kontrollieren und am Ende hat man das Gefühl, versagt zu haben und deshalb Hilfe zu brauchen. Sie ist stolz, dass sie es mit ihren Kindern so gut alleine schafft. Sie buckelt nicht vor anderen, schon gar nicht vor Leuten vom Jobcenter.

Wie ist Ihre Meinung? Was würden Sie Frau Stark raten?

Zu den Grundkonstanten der Armenpflege und Fürsorge zählen die beiden Begriffe Armut und Hilfe.

Hilfe, eine Urkategorie

„Hilfe ist eine Urkategorie des menschlichen Handelns überhaupt, ein Begriff, der nicht weiter zurückzuführen ist, außer auf den des gesellschaftlichen Handelns überhaupt … Hilfe ist eine gesellschaftliche Kategorie. Ihr Begriff bezeichnet ein Verhalten im menschlichen Zusammenleben.“ (Scherpner 1962, 122)

„Hilfsbedürftig und damit Gegenstand der fürsorgerischen Hilfe sind also diejenigen Gemeinschaftsmitglieder, die aus irgendwelchen Gründen den Anforderungen der Gemeinschaft gegenüber versagen, die nicht imstande sind, den Platz im Gemeinschaftsleben zu behaupten, an den sie gestellt sind, und die daher in der Gefahr sind, aus der Gemeinschaft herauszufallen.“ (Scherpner 1962, 138)

„Mir geht es gut. Ich komme sehr gut alleine klar.“
Wer so argumentiert, dem muss man einerseits Selbstbewusstsein und entsprechende Kompetenz bescheinigen. Andererseits kann man auch Bedenken haben. Kommt man im Leben immer alleine zurecht, muss man nicht mitunter auch Hilfe in Anspruch nehmen? Wie ist Ihre Meinung?

Die Urgeschichte der Menschheit (Phylogenese) zeigt, dass Menschen die Hilfe ihrer Gruppe, Familie, ihres Clans oder Stammes brauchten, um zu überleben. Und die Ontogenese eines Menschen belegt, dass ein Baby, Kleinkind, Kind ohne die Hilfe seiner Eltern bzw. Erwachsener und der sozialen Umwelt nicht existieren kann.

Somit ist (gegenseitige) Hilfe eine natur- und lebensnotwendige Kategorie der Menschheit.

Hilfe als Handlungsform

Führt man diesen Gedanken weiter auf unsere Zeit, so kann man Hilfe verstehen als Handlungsform des Beratens, Bildens und Unterstützens. Hilfe wird dabei vor allem als Kommunikation verstanden, durch die Ressourcen unterschiedlicher Art zur Lebensführung und Lebensbewältigung entdeckt, transferiert oder mobilisiert werden. Hilfe in diesem Sinne ist als Grundprozess der Sozialen Arbeit anzusehen. Dieser Prozess der Hilfe basiert auf zwei Grundpfeilern: Subjekten, die der Hilfe bedürfen und Institutionen, Professionellen, die helfen wollen. Damit schließt Hilfe auch automatisch Kontrolle mit ein, ist doppeltes Mandat (Schefold 2012, 1126). Hilfe und Kontrolle sind zwei Seiten des gleichen Sachverhaltes.

Armut

Armut begleitet die Menschheit von Beginn an und begegnet uns in unterschiedlichen Formen. Weitgehend wurde Armut jedoch innerfamiliär versucht aufzufangen, d. h. die Großfamilie, das „ganze Haus“, die Verwandtschaft, die Zunft etc. war verantwortlich, wenn jemand in Not geriet. Armut wurde als Problem der sozialen (Klein-)Gruppe verstanden und es wurde darauf entsprechend reagiert. Die Hilfe und Unterstützung durch die sozialen Primärverbände (Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft) sind typische Hilfeformen einer agrarischen Gesellschaft. In den bäuerlichen Großfamilien und überschaubaren Dorfgemeinschaften half man sich gegenseitig.

öffentliche Armenfürsorge

Erst seit dem Zeitpunkt, als die sozialen Primärverbände die Armut aufgrund von Kriegen, Krankheit etc. nicht mehr intern beheben konnten und die Armut „öffentlich“, bzw. zur sozialen Problemlage wurde, gab es Armenpflegemaßnahmen durch die sich entwickelnden Städte und Kommunen als eigenständige Hilfsangebote, d. h. die Familien- und Nachbarschaftshilfe wurde zunehmend durch ein öffentlich-hoheitliches Leistungs- aber auch Kontrollsystem abgelöst.

Diese neu entstandene öffentliche Armenpflege, die nach und nach zur öffentlichen „Fürsorge“, dann Wohlfahrtspflege wurde, lässt sich nach Inhalt und Zielgruppe unterscheiden:

Erwachsenen-Fürsorge: Bei „Unangepasstheit“ an die materiellen Lebensbedingungen, wirtschaftlichem Versagen, materieller Not wurde Hilfe angeboten.

Kinder-Fürsorge: Bei Unzulänglichkeiten gegenüber der moralischen Ordnung, Verwahrlosung wurde Hilfe angeboten und man begann ab dem Ende des 19. Jahrhunderts von Jugendfürsorge zu sprechen.

Unter Verwahrlosung verstand der Frankfurter Fürsorgetheoretiker und Hochschullehrer Hans Scherpner (1898–1959) „jedes individuelle Versagen gegenüber den moralischen Anforderungen, das aus einem Mangel an Erziehung und Bewahrung, aus dem ‚Wahr-los-Sein‘ hervorgeht.“ (Scherpner 1962, 138)

Grundtypen der Hilfsbedürftigkeit

Die beiden Grundtypen der Hilfsbedürftigkeit stehen zwar in Wechselbeziehung, dennoch kann man sie deutlich voneinander unterscheiden: Unter Armut wurde in ihrer typischen Ausprägung ein Notstand des Erwachsenen, unter Verwahrlosung dagegen eine typische Erscheinung jugendlicher Hilfsbedürftigkeit verstanden.

Diese Unterscheidung von Scherpner in „Armut“ und „Verwahrlosung“ begründet die Aufteilung in Erwachsenen-Fürsorge und Kinder- (bzw. Jugend-)Fürsorge. In dieser unterschiedlichen Form der Armut bzw. Hilfe liegt nun auch die Entstehungsgeschichte von Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Erwachsenen-Fürsorge ist das, was wir z. T. mit Sozialarbeit und Kinder-(Jugend-) Fürsorge das, was wir z. T. mit Sozialpädagogik bezeichnen würden (Abbildung 3).

Abbildung 3: Entstehungsgeschichte

Hilfe als Urkategorie menschlichen Handelns hat viele Facetten und nicht jede Hilfe ist Fürsorge. Scherpner bezeichnet im Unterschied zu anderen Hilfeformen die „fürsorgerische Hilfe“ als eine Form, aus der im Verlauf der Zeit die Hilfseinrichtungen planmäßiger Art hervorgegangen sind, die wir herkömmlich als „Fürsorge“ bezeichnen.

Als Ergebnis dieser Differenzierung gelangt Scherpner zu folgender Umschreibung von Fürsorge:

Fürsorge

„Unter Fürsorge verstehen wir organisierte Hilfeleistungen der Gesellschaft an einzelne ihrer Glieder, die in der Gefahr stehen, sich aus dem Gemeinschafts- und Gesellschaftsgefüge, aus ihrer Ordnung und ihrem Leben herauszulösen und ihr zu entgleiten. Konkreter gesagt: die Fürsorge versucht Menschen, die den Anforderungen des Gemeinschafts- und Gesellschaftslebens – sei es in wirtschaftlicher, sei es in moralischer Hinsicht – nicht genügen können, zu stützen und zu halten, oder, wenn es sein muss, sie an anderer geeigneter Stelle einzugliedern, damit sie aus eigener Kraft am Leben des Ganzen wieder sinnvoll teilnehmen können.“ (Scherpner 1966, 10)

öffentliche Hilfeorganisation

Aus den beiden Grundkategorien Hilfe und Armut folgt logischerweise die Herausbildung von sozialen Organisationen. Dies bedeutete, in dem Maße, wie gegenseitige Hilfe die Kapazitäten der sozialen Primärverbände überstieg, wurden öffentliche Hilfeorganisationen notwendig und es entstand die öffentliche Armenpflege bzw. -Fürsorge (Abbildung 4).

Abbildung 4: Grundmodell

Im Laufe der Berufsgeschichte gab es nun im Hinblick auf gesellschaftliche Transformationsprozesse unterschiedliche theoretische Erklärungsmodelle. Im Folgenden soll die Berufsgeschichte der Sozialarbeit/Sozial- pädagogik anhand theoretischer Modelle zu den Kategorien Armut – Hilfe – Öffentliche Fürsorge und ihrem Verhältnis zueinander näher skizziert werden.

Entstehung und Ausgangspunkt von Sozialarbeit/Sozialpädagogik/Sozialer Arbeit ist die Tatsache, dass die (Groß-)Familie, das ‚ganze Haus‘, die Verwandtschaft, die Zunft, das Dorf etc. nicht mehr eigenständig Arme versorgen und Armut verhindern konnten und deshalb öffentliche Armenpflege bzw. -Fürsorge notwendig wurde.

Die Entwicklung der (Erwachsenen-)Armenpflege ist überwiegend die Geschichte der Sozialarbeit und die Geschichte der Kinder- (bzw. Jugend-)Fürsorge überwiegend die Geschichte der Sozialpädagogik. Sie hatte die Aufgabe, Kinder durch Erziehung vor Verwahrlosung zu schützen. Findel- und Waisenhäuser übernahmen die Versorgung derjenigen Kinder, für die keine Familie aufkam. Beide haben aber dieselben Wurzeln in den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und Armenpflegestrukturen des frühen 16. Jahrhunderts.

1.2 Armenfürsorge für Erwachsene im Mittelalter (um 12.–13. Jh.) und zu Beginn der Neuzeit (14.–16. Jh.)

1.2.1 Thomas von Aquin (1224–1274)

„Es ist leichter, dass ein Kamel...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2022
Reihe/Serie Studienbücher für soziale Berufe
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft
Schlagworte Alice Salomon • Arbeitsfeld • Armenfürsorge • Armut in der BRD • Beruf • Calvin • Entstehungsgeschichte Soziale Arbeit • Erwachsenenfürsorge • Friedrich Fröbel • Geisteswissenschaftlicher Ansatz der Sozialen Arbeit • Geschichte der Sozialen Arbeit • Handlungswissenschaft • Humanismus • Industrialisierung • Juan Luis Vives • Jugendfürsorge • Jugendhilfe • Jugendpflege • Kinderfürsorge • Klaus Mollenhauer • lebensweltorientierter Ansatz • Lehrbuch • Martin Luther • Menschenrechtsprofession • Nationalsozialismus • Nürnberger Bettel- und Armenordnung • Otto von Bismarck • Soziale Arbeit • Soziale Berufe • Sozialgeschichte • Sozialgesetzgebung • Sozialhilfe • Sozialpädagogik • Studierende der Sozialen Arbeit • Studium Soziale Arbeit • Theorie der Sozialen Arbeit • Theorien der Sozialen Arbeit • Thomas von Aquin • UTB • Volkspflege • Wohlfahrtspflege
ISBN-10 3-8463-8808-4 / 3846388084
ISBN-13 978-3-8463-8808-2 / 9783846388082
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