Digitalwüste Deutschland (eBook)

Kommunikation per Fax, digitale Bildungslücken - Wie die Verweigerung von mehr Digitalisierung die Zukunft unseres Landes bedroht - Endlich den digitalen Aufbruch wagen
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2022 | 1. Auflage
144 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29128-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Digitalwüste Deutschland -  Michael Resch
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Nicht erst seit der Corona-Krise ist klar: Deutschland hinkt in der Digitalisierung hinterher. Die Gesundheitsämter können nur über Faxe kommunizieren, und Schulen sind mit dem digitalen Unterricht heillos überfordert. Doch die Defizite haben sich schon lange aufgestaut - und in vielen Bereichen droht Deutschland den Anschluss zu verlieren.

Prof. Dr. Michael Resch, Direktor des Höchstleistungsrechenzentrums in Stuttgart, beschäftigt sich seit Jahren mit der Digitalisierung in Deutschland. Er macht deutlich, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht und wie Deutschland in der Digitalisierung endlich voran kommen kann: Es braucht nicht nur stabile Netze, rechtliche Sicherheit und digitale Bildung, sondern auch ein Umdenken, denn die Skepsis gegenüber der Digitalisierung ist groß. Resch zeigt, welche Chancen und Möglichkeiten die Digitalisierung bietet, aber auch, welche Risiken es gibt und wie man diese umgehen kann.

Eins ist klar: Eine Zukunft ohne Digitalisierung wird es nicht geben - doch wer die Digitalisierung selbst gestaltet, braucht keine Angst vor ihr zu haben. Wir müssen jetzt handeln und unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.

Prof. Dr. Michael Resch wurde 1964 in Graz, Österreich, geboren und studierte Technische Mathematik an der Technischen Universität Graz. Seit 2003 ist er Direktor des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart, das eines der schnellsten zivilen Computersysteme Europas beheimatet, zudem leitet er das Institut für Höchstleistungsrechnen der Universität Stuttgart. Resch erhielt zahlreiche Auszeichnungen und trägt die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Donezk sowie der Russischen Akademie der Wissenschaften. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

Einleitung

Als Ende Februar 2020 der erste Corona-Fall in Deutschland entdeckt wurde, war schnell offensichtlich, dass die Beschwichtigungen und die Verweise auf die sehr gute Vorbereitung des Landes auf eine Pandemie wohl eher ein Pfeifen im Walde waren. Erst zögerlich und dann hektisch begannen die Prozesse der Pandemiebekämpfung und zeigten nach und nach ihre Wirkung. Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte am 18. März 2020 auf seiner Webseite dazu eine Information für alle Gesundheitsämter, in der es hieß:

Das Robert Koch-Institut schlägt den Gesundheitsämtern und zuständigen Landesbehörden vor, folgendes Faxformular für die Übermittlung gemäß § 12 IfSG zu verwenden.

Das Fax und nicht das Internet mit seinen digitalen Plattformen und Möglichkeiten der direkten und unmittelbaren Kommunikation war also zu Beginn der Pandemie das Mittel der Kommunikation im Kampf gegen ein Virus, das sich binnen weniger Monate über die ganze Welt ausbreitete und bis März 2022 mehr als 6 Millionen registrierte Todesopfer forderte. Während deutschlandweit also – mit Verspätung und oft nur von Montag bis Freitag – über Fax Daten eingesammelt wurden, breitete sich das Virus rund um die Uhr weiter aus und hinterließ in der ersten – wie sich bald zeigen sollte, harmlosen – Welle bereits rund 8.000 Tote. Das Virus agierte schneller und effektiver als unsere Behörden kommunizieren konnten, und das sollte auch einige Zeit so bleiben.

Die Horrorszenarien aus Bergamo blieben Deutschland dank engagierter medizinischer Kräfte und eines – noch – nicht auf absolute Wirtschaftlichkeit getrimmten Krankenhaussystems erspart. Die erste Forderung eines Berichts der Nationalen Akademie der Wissenschaften zum Verhältnis von Ökonomie und Medizin in Deutschland aus dem Jahr 2016, die von vielen als Aufforderung zu weiteren Einsparungen im Krankenhauswesen gedeutet wurde, war glücklicherweise noch nicht umgesetzt worden. Sie lautete: »Es ist daher ethisch geboten, das Gesundheitssystem wirtschaftlich, effektiv und effizient zu gestalten.«1 Auch das Thema der Digitalisierung fand übrigens seinen Platz in diesem Bericht, aber auch hier nicht unter dem Aspekt der besseren medizinischen Versorgung, sondern unter einem rein kostentechnischen Aspekt: »Fehlende Daten und Digitalisierungsinfrastrukturen bedeuten in der Konsequenz fehlendes Wissen, etwa über Abläufe, über mögliche Über- und Unterversorgung oder über den Nutzen von Therapien.«

Wie wenig die Digitalisierung in Deutschland das Denken und Arbeiten und die daran geknüpften Prozesse verändert hatte, sollte sich im Lauf der Pandemie noch sehr viel deutlicher und in vielen verschiedenen Bereichen zeigen. Am schlimmsten betroffen waren Schulen, die weitgehend unvorbereitet plötzlich vor der Aufgabe standen, den Unterricht für Kinder zu organisieren, die gar nicht in der Schule waren – weil sie dort nicht sein durften. Lehrende, Eltern, Schulen, Kinder, Jugendliche und Ministerien waren gleichermaßen überrumpelt von den plötzlichen Anforderungen des Lockdowns und sind es bis heute.

Betroffen waren aber auch Behörden, deren Prozesse nicht oder nur minimal digitalisiert waren und die nun plötzlich Anfragen, Anträge und Bescheide digital bearbeiten und beantworten mussten. Universitäten und Hochschulen waren gezwungen, online mit Studierenden zu kommunizieren, wo bisher das persönliche Auftreten der Professorenschaft das Bild der Lehre geprägt hatte. Und während Länder wie Taiwan, Japan und Südkorea digitale Mittel einsetzten, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, scheiterte die Bundesrepublik daran, eine Corona-App so flächendeckend einzusetzen, dass ein Effekt in der Pandemiebekämpfung möglich gewesen wäre. Auch Anfang 2022 war die Digitalisierung nicht so weit fortgeschritten, dass ein klares Bild der Lage (Zahl der Infizierten, Zahl der Hospitalisierten, Zahl der Intensivpatienten, Zahl der Geimpften) täglich korrekt verfügbar gewesen wäre. Wissenschaft und Politik spekulierten weiterhin darüber, wie viele Erkrankte, Genesene und Geimpfte es wohl in der Bundesrepublik geben könne. Erst als sich Ende 2021 eine mögliche Impfpflicht abzeichnete, kam die Idee auf, durch ein nationales Impfregister zu erfassen, wer denn nun eigentlich – und wenn ja, wie oft – geimpft sei. Dass dieses Impfregister digital sein sollte, war da noch nicht einmal andiskutiert.

Die durch das Corona-Virus ausgelöste Krise machte eine der großen Schwächen der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich mit anderen Industriestaaten auf geradezu dramatische Art und Weise sichtbar. Der Rückstand in der Digitalisierung – der zuvor wortreich in Wahlkämpfen beklagt und dessen Behebung ebenso wortreich angekündigt worden war – machte es unmöglich, auf die Pandemie angemessen zu reagieren, ihre Folgen auf der Basis korrekter Zahlen abzuschätzen und Maßnahmen so schnell und zielgenau zu setzen, wie es notwendig gewesen wäre. Dieser Rückstand ließ sich, trotz der eingesetzten erheblichen finanziellen Mittel, auch nicht so schnell aufholen, dass es für die Bekämpfung der Pandemie noch einen Unterschied hätte machen können. Schonungslos legte die Pandemie täglich die Versäumnisse von Jahrzehnten offen.

Aber die Situation kam nicht überraschend. Das European Center for Digital Competitiveness (ECDC) macht in seinem »Digital Riser«-Report wiederholt darauf aufmerksam, dass Deutschland digital international abgehängt wird. Immer wieder berichteten und berichten Medien darüber, dass Deutschland in einer Reihe digitaler Fragestellungen anderen Ländern in Europa, Amerika und Asien hinterherhinkt. Die fehlende Versorgung des Landes mit Glasfaser – auch das ein Projekt, das seit Jahren im Gespräch ist – ist dabei nur eines von vielen Beispielen.

Dabei steht Deutschland in einigen Bereichen der Digitalisierung durchaus an der Spitze. Die Einführung der Digitalisierung in den Fabriken deutscher Automobilhersteller gilt weltweit als beispielhaft, machte sie es doch möglich, sowohl die Produktivität zu erhöhen als auch – entgegen allen Unkenrufen von Kritikern der Digitalisierung – Arbeitsplätze zu sichern. Unter dem Schlagwort der »Industrie 4.0« setzte und setzt die deutsche Industrie Standards für die Digitalisierung in der Fertigung. Im Banken- und Versicherungswesen gelang in den letzten Jahren der Umstieg auf Online-Angebote. Verbunden mit einem Stellenabbau und nicht immer optimal, aber doch zielgerichtet und mit einer hohen Qualität an Services für die Kundinnen und Kunden.

Deutschland kann also Digitalisierung, ist in manchen Industriebereichen weltweit sogar an der Spitze, und trotzdem wird die Digitalisierung in vielen Bereichen nicht, schlecht oder kaum umgesetzt. Bürgerinnen und Bürger sowie Konsumentinnen und Konsumenten stehen immer wieder vor digitalen Wüsten, wo blühende Landschaften möglich oder sogar notwendig wären. Grundlegende Services sind digital nicht verfügbar, Formulare auf Papier begleiten uns nach wie vor durchs Leben. Die Gründe für diese zwiespältige Entwicklung sind vielfältig. Sie sollen in diesem Buch anhand von Beispielen vorgestellt und diskutiert werden.

Einer der wichtigsten Gründe für die offenbare mentale Distanz zwischen Deutschland und der Digitalisierung dürfte die deutsche Tendenz sein, in den Dingen – anders als etwa Menschen in den USA, Japan oder China – immer zuerst die Probleme und Gefahren zu erkennen. Deshalb will dieses Buch nicht nur aufzeigen, was schiefläuft, sondern auch Wege in eine positive digitale Zukunft darstellen, die es uns erlauben sollen, den Rückstand aufzuholen.

Der Einsatz von Faxgeräten am RKI für die Meldung von COVID-19-Infektionen war nur ein Beispiel dafür, wie die Pandemie in Deutschland verdeutlicht hat, dass Deutschland digital überfordert ist. Gleichzeitig hat die Pandemie aber auch den Druck erhöht, die digitalen Defizite abzubauen. Anfang 2021 gab der damalige Gesundheitsminister Spahn schließlich bekannt, dass man vom Fax nun endgültig auf die digitale Übermittlung von Daten umgestiegen sei. Kein großer Fortschritt, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch wenn die Pandemie ein negatives Jahrhundertereignis ist, hat sie doch den Blick auf einige wesentliche Bereiche unseres täglichen Lebens gelenkt, sodass die dortigen Probleme deutlich wurden.

  • Digitale Infrastruktur: Während in anderen europäischen Ländern der Ausbau des Netzes und die Nutzung neuester Standards höchste Priorität hat, ist Deutschland noch immer von einem Satz der ehemaligen deutschen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek geprägt: »5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig.«2 Diese Aussage spiegelt jedoch nur die allgemeine Einstellung zum Thema der Vernetzung und Digitalisierung wider. Randgebiete wie die Schwäbische Alb, aber auch zentrale Wirtschaftsstandorte wie Stuttgart leiden daher im internationalen Vergleich an nicht konkurrenzfähiger Netzinfrastruktur. Der Turnschuhtransfer von Daten – bei dem Mitarbeitende im Taxi oder Dienstwagen Daten auf Festplatte transportieren, weil das schneller geht, als sie per Internet zu schicken – ist noch immer Routine. Fehlende Breitbandnetze sind aber zunehmend ein Standortnachteil. Nicht nur in der innerdeutschen Konkurrenz um die beste Infrastruktur geraten ländliche Gegenden immer mehr ins Abseits. Auch im internationalen Wettbewerb um Firmen und Köpfe wird das Fehlen...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Bildungssystem • Digitale Zukunft • Digitalisierung • eBooks • Funklöcher • Netzausbau • Neuerscheinung • Zukunftsperspektiven • Zukunftsvision
ISBN-10 3-641-29128-3 / 3641291283
ISBN-13 978-3-641-29128-0 / 9783641291280
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