Willkommen auf der Achterbahn der Gefühle (eBook)

Was wir von einer Asperger-Autistin über Emotionen lernen können
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Gräfe und Unzer (Verlag)
978-3-8338-8162-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Willkommen auf der Achterbahn der Gefühle -  Nicole Bornhak
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 Menschen, die von Ängsten und Selbstzweifeln geplagt werden, wünschen sich oft, diese negativen Gefühle endlich abstellen zu können, um ein unbeschwertes Leben zu führen. Die sechsundzwanzigjährige Nicole Bornhak hatte selbst einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie ihre Gefühle in den Griff bekam, denn Nicole ist Asperger Autistin. In »Willkommen auf der Achterbahn der Gefühle« lässt sie ihre Leserinnen und Leser an ihrem besonderen Weg aus der negativen Gedankenspirale teilhaben und zeigt wie man mehr Selbstwirsamkeit erlangt. 

Nicole Bornhak wurde 1994 geboren und verbrachte die ersten 19 Jahre ihres Lebens in verschiedenen Teilen Deutschlands. 2014 zog sie nach Dänemark, wo sie noch heute lebt. Nachdem bei Nicole 2017 das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, veröffentlichte sie einen Blog, auf dem sie die Höhen und Tiefen ihres Lebens teilt. Dadurch konnte sie nicht nur Menschen mit der Diagnose Asperger, sondern auch vielen anderen Mut machen.

Nicole Bornhak wurde 1994 geboren und verbrachte die ersten 19 Jahre ihres Lebens in verschiedenen Teilen Deutschlands. 2014 zog sie nach Dänemark, wo sie noch heute lebt. Nachdem bei Nicole 2017 das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, veröffentlichte sie einen Blog, auf dem sie die Höhen und Tiefen ihres Lebens teilt. Dadurch konnte sie nicht nur Menschen mit der Diagnose Asperger, sondern auch vielen anderen Mut machen.

Hinweis zur Optimierung
Impressum
Wichtiger Hinweis
I. Ich & mein ganz normales Leben
II. Ich & die Hilfe der anderen
Anhang
Die Autorin

Das hilft mir


Was Hilfe von außen betrifft, habe ich bereits mehrfach das Mentoring an der FH erwähnt. Aber es gibt auch ein ähnliches Hilfsangebot für alle anderen Lebensbereiche, nämlich sogenannte Kontaktpersonen. Das sind beides sehr konkrete, von der öffentlichen Hand finanzierte Unterstützungsmaßnahmen für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen allein nicht gut zurechtkommen. Was es in Dänemark an Hilfen gibt, lässt sich nicht mit den Angeboten in Deutschland vergleichen. Grundsätzlich hat der dänische Staat den Ruf, deutlich sozialer zu sein als der deutsche. Ob der Ruf gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen, da ich ja nur das dänische System kenne. Ich bezweifle auch, dass die Systeme in ihrer Gesamtheit überhaupt vergleichbar sind. In beiden Ländern kann die Unterstützung sehr unterschiedlich ausfallen – je nachdem, in welchem Landesteil oder in welcher Stadt man lebt und an welche Organisation oder auch an welchen Sachbearbeiter man gerät. Trotz der gesetzlichen Vorgaben gibt es Unterschiede von Kommune zu Kommune. Auch in Dänemark haben die Sozial- und Verwaltungsgerichte reichlich mit Klagen unzufriedener Bürger zu tun. Obwohl auch ich das ein oder andere Mal unzufrieden gewesen bin, habe ich unterm Strich klar das Gefühl, die Hilfe zu bekommen, die ich brauche.

Man darf sich das auch nicht so vorstellen, dass in Dänemark die zuständigen Behörden von selbst auf einen wie auch immer bedürftigen Bürger zukommen und ihn darüber aufklären, was sie alles für ihn tun können. Theoretisch sollen sie das tatsächlich tun, sobald sie Kenntnis von beispielsweise einer ernsten Erkrankung erlangen, aber letztendlich liegt es doch beim betroffenen Bürger, aktiv zu werden, sich zu erkundigen und die Hilfen, die er braucht und die ihm zustehen, zu beantragen. Das fällt manchen Menschen leichter als anderen, und auch darum kann von echter Gleichbehandlung keine Rede sein. Ich bin sehr froh, dass ich in der Lage bin, mich selbst aktiv um meine Angelegenheiten kümmern zu können.

Eine klare Diagnose erleichtert nicht nur das eigene Verstehen, sondern auch das eigene Handeln. Eine erste Anlaufstelle kann dann der passende Betroffenenverband sein, über den man Menschen in der gleichen Situation kennenlernt und sich mit ihnen austauschen kann. Darüber hinaus verfügen solche Verbände in der Regel über ein enormes Spezialwissen zu der Erkrankung beziehungsweise Einschränkung sowie zur Gesetzeslage. Meist bieten sie auch kostenlose Beratung an. Das ist sehr hilfreich, da man so alles zu Unterstützungsmöglichkeiten und seinen Rechten erfährt. Seine Rechte zu kennen ist auch in Dänemark ganz bestimmt nicht von Nachteil, wenn man den Kontakt zum »System« aufnimmt.

Der Eingang zum »System« ist die Kommune – etwa vergleichbar mit Städten, Gemeinden und Kreisen in Deutschland. Man kommt im zuständigen Sozialamt zu einer Sachbearbeiterin, deren Aufgabe es ist, dem ihr zugewiesenen Bürger zu helfen und ihn zu beraten.

Ich wusste damals, im Herbst 2016, als es mir so richtig schlecht ging, dass ich auf jeden Fall so eine Sachbearbeiterin haben musste, aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte. Irgendwo hatte ich gehört, man könne sich an das Jobcenter wenden, wenn man Unterstützung für das Studium braucht. Das war, wie ich jetzt weiß, nicht ganz richtig, aber immerhin führte diese Falschinformation dazu, dass ich mal zu so einer Sprechstunde im Jobcenter ging – und dort begegnete ich einer unglaublich hilfsbereiten jungen Mitarbeiterin. Als sie von meinen Selbstmordgedanken hörte, sorgte sie umgehend dafür, dass mir eine Sachbearbeiterin im Sozialamt zugeteilt wurde, und sie hat mich sogar zu meinem ersten Termin dorthin begleitet. Da es mir damals so schlecht ging, fällt es mir heute schwer, mich an Einzelheiten zu erinnern. Aber im Großen und Ganzen ging es darum, meine Problembereiche zu benennen und herauszufinden, wie mir geholfen werden könnte. Das heißt, ich musste der Sacharbeiterin erzählen, wo es überall bei mir hakte, und sie konnte mich über die Hilfsangebote informieren. Ganz klare Rollenverteilung: Ich war für alles »zuständig«, was mich selbst betraf, sie filterte aus ihrem Wissen über die Sozialgesetzgebung die passenden Maßnahmen heraus. Ich war (und bin) die Expertin für mich und all meine Bedürfnisse, sie die für die Hilfsangebote.

Das System sieht dann jedes halbe Jahr eine Statusevaluierung vor, ein Gespräch, bei dem erörtert wird, ob die aktuelle Unterstützung noch dem Bedarf entspricht oder ob etwas justiert werden sollte. Gemeinsam wird ein Einsatzplan entworfen, der festlegt, an welchen Punkten man Hilfe braucht und worauf hingearbeitet wird. Der Plan wird regelmäßig unter die Lupe genommen und gegebenenfalls angepasst.

Kontaktpersonen


»Meine« kommunale Sachbearbeiterin klärte mich ziemlich schnell über die Möglichkeit einer sogenannten Kontaktperson (persönliche Assistenz) auf. Die Sozialverwaltung der Kommune beschäftigt eine ganze Reihe dieser Kontaktpersonen, die Bürger mit unterschiedlichstem Bedarf unterstützen. Sehr viele dieser Kontaktpersonen haben eine pädagogische Ausbildung, einige sind Krankenpfleger oder Ergotherapeutinnen. Es ist ein großes Team, das sich auch über die Disziplinen hinweg über die betreuten Bürger austauscht. Das ist besonders dann von Nutzen, wenn sich die Bedürfnislage bei einem Bürger ändert.

Die zuständige Sachbearbeiterin ermittelt den konkreten Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen. Daran bemisst sich dann die konkrete Hilfe. In meinem Fall kam die Sachbearbeiterin zu dem Ergebnis, dass mein Unterstützungsbedarf »umfassend« sei und darum zwei Besuche pro Woche angemessen und nötig seien. (Die Bandbreite geht so in etwa von einem Besuch alle zwei Wochen bis zu vier Besuchen pro Woche.) Was ich brauchte (und brauche), war nicht Hilfe beim Putzen oder Einkaufen, sondern beim Strukturieren meiner Tage sowie Unterstützung bei Behördengängen, Arztbesuchen oder Korrespondenz mit den Ämtern.

Seither bekomme ich also zweimal pro Woche Besuch – einmal von Camilla, einmal von Lisa. Beide sind Sozialpädagoginnen. Mit Camilla bespreche ich vorrangig, wie ich meine Tage strukturiere, mit Lisa meine Alltagsprobleme. Zu Hause an unserem Esstisch erzähle ich dann, wie es mir seit dem letzten Treffen ergangen ist, was mich beschäftigt, gefreut, traurig gemacht hat, was mir gelungen ist, was ich schwer fand und was demnächst ansteht. Camilla und Lisa hören mir zu und helfen mir dabei, alles zu sortieren, und wenn dann alles »aufgeräumt« ist, kann ich wieder besser weitermachen. Sie verbalisieren, wo sie meine Herausforderungen, aber auch wo sie meine Erfolge sehen. Es ist sehr wichtig für mich, zu hören, wie andere meine Schwierigkeiten und Bedürfnisse in Worte fassen, dadurch verstehe ich mich selbst besser. Sie destillieren gewissermaßen die Essenz des Gesagten heraus, sodass das Wesentliche für mich deutlich erkennbar ist.

Ein Beispiel: Ein Filmteam aus Deutschland war bei mir gewesen. Die drei begleiteten mich zum Supermarkt, wo ich fürs Abendessen einkaufen wollte. Ich wollte irgendwas mit Zucchini kochen, aber es gab keine schönen Exemplare. Genau das Dilemma, das ich immer wieder fürchte, denn ich muss mir dann spontan einen Plan B überlegen, was ich nur sehr schlecht kann. Das versuchte ich dem Filmteam zu erklären. Und irgendwie drehte sich dann den Rest des Tages alles nur noch um diese Zucchini. Am nächsten Tag erzählte ich Camilla davon und von meiner Angst, am Ende in der Doku als kompletter Freak rüberzukommen, der unbedingt immer nur Zucchini essen will. Camilla fasste es dann treffend zusammen: »Und dabei wolltest du damit eigentlich nur sagen, dass es dir schwerfällt, dich in einer solchen Situation umzustellen auf etwas anderes. Ich kann dann nicht auf Aubergine ausweichen.« Ja! Ganz genau!! Dafür liebe ich Camilla. An solchen Sätzen merke ich, dass sie mich sieht und hört und ernst nimmt. Sie spricht mir aus der Seele.

Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich ein Fass, in dem sich Gefühle, Gedanken, Probleme und Herausforderungen über die Tage hinweg sammeln, und wenn ich mich dann mit Camilla oder Lisa treffe, kann ich dieses Fass leeren und habe wieder Energie für eine neue Woche. Zu wissen, dass ich mit meinen Problemen nie allein dastehe, gibt mir enorm viel Sicherheit.

Nun kann ja leider nicht jeder so tolle Kontaktpersonen als Gesprächspartner haben wie ich, aber vielleicht finden sich in eurem Umfeld ja andere geeignete Personen? Entweder in der direkten Familie oder im Freundeskreis? Oder, wenn das zu nah ist, vielleicht eine (ehemalige) Lehrerin oder ein Trainer? Eine Selbsthilfegruppe, eine Pastorin, ein Beratungstelefon, ein Kummerkasten-Chat, ein Therapeut?

Lisa und Camilla teilen sich in der Verwaltung ein Büro und tauschen sich immer wieder über mich aus. Sie machen sich gegenseitig aufmerksam auf Dinge, die mit mir besprochen werden müssen, und so empfinde ich uns drei als ein Team. Natürlich sind Camilla und Lisa aber auch Teil des Teams in der Sozialverwaltung, und auch dort tauscht man sich über die betreuten Bürger aus. So kommt es dann auch mal, dass eine ganz andere Mitarbeiterin plötzlich super Ideen zu einem bestimmten Problem hat – und ich übergangsweise eine andere Kontaktperson bekomme. Solange das immer vorher besprochen und angekündigt wird, ist das für mich in Ordnung. Und ich habe großes Vertrauen zu dem ganzen Team, denn bisher haben alle, mit denen ich dort zu tun hatte, viel Empathie gezeigt und mir sehr geholfen.

Hilfen bei der Alltagsbewältigung

Und worin besteht nun ganz konkret diese Hilfe? Zum einen in der Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit der Gesprächstermine. Allein zu wissen,...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Co-Autor Marieke Heimburger
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Angst • Asperger • Asperger Syndrom • Asperger-Syndrom • Autismus • Autismus-Spektrum-Störung • Autisten • Autistin • Autistisch • Emotionen • Gefühle • Gefühlsschwankungen • GU • Kontakt • Krankheit • Leben • Leben mit Autismus • Lebenshilfe • Ratgeber
ISBN-10 3-8338-8162-3 / 3833881623
ISBN-13 978-3-8338-8162-6 / 9783833881626
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Größe: 679 KB

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