Lehrersprache und Gesprächsführung in der inklusiven Grundschule (eBook)
172 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61479-0 (ISBN)
Prof. Dr. Tanja Jungmann, Diplom-Psychologin, ist an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg als Professorin für Sprache und Kommunikation und ihre sonderpädagogische Förderung beschäftigt. Prof. Dr. Christiane Miosga ist Professorin in der Abteilung für Sprach-Pädagogik und -Therapie an der Leibniz Universität Hannover. Prof. Dr. Sandra Neumann hat die Professur für Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen von Sprache und Kommunikation an der Universität Erfurt inne.
Prof. Dr. Tanja Jungmann, Diplom-Psychologin, ist an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg als Professorin für Sprache und Kommunikation und ihre sonderpädagogische Förderung beschäftigt. Prof. Dr. Christiane Miosga ist Professorin in der Abteilung für Sprach-Pädagogik und -Therapie an der Leibniz Universität Hannover. Prof. Dr. Sandra Neumann hat die Professur für Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen von Sprache und Kommunikation an der Universität Erfurt inne.
3Drei Perspektiven auf LehrerInnensprache |
ZUSAMMENFASSUNG
In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, inwiefern LehrerInnensprache und Gesprächsführungskompetenzen im Studium, im Referendariat und in (berufsbegleitenden) Fort- und Weiterbildungen vermittelt werden können. Dabei werden drei verschiedene Perspektiven auf LehrerInnensprache eingenommen, die unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben. Abschließend werden Möglichkeiten der gezielten und bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Sprach- und Sprechhandeln aufgezeigt.
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Ein Ziel von Unterricht ist die Förderung der Sprach- und Kommunikationskompetenz der SchülerInnen, wobei diese gleichzeitig schon als Voraussetzung des Lernens betrachtet werden. |
Sprachliches Handeln ist somit sowohl zentrales didaktisches Mittel des Unterrichtens als auch Unterrichtsmedium und -gegenstand. |
Kommunikative Fähigkeiten spiegeln die innere Haltung und die didaktische Kompetenz der Lehrkräfte wider. Zudem ist die Art und Weise zu sprechen und zuzuhören ein Indikator professioneller Kompetenz. Lehrende sind – besonders mit Blick auf die individuelle Sprachförderung – wichtiges Vorbild und Modell für ihre SchülerInnen. Allerdings findet in der Lehramtsausbildung zu wenig Beachtung, dass (angehende) Lehrkräfte nur mit reflektierten und vielfältigen kommunikativen Fähigkeiten eine authentische und überzeugende LehrerInnenpersönlichkeit ausbilden und damit die Grundlage für Lehren und Lernen schaffen (Anselm/Werani 2017). |
3.1 LehrerInnensprache als Ausdruck und Ergebnis der Persönlichkeit |
Die Erforschung der Persönlichkeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Merkmale ein Individuum einzigartig machen. Dabei wird angenommen, dass zur Persönlichkeit eine Reihe von Merkmalen gehören, die sich im Verhalten, im Handeln und im Gefühlsleben ausdrücken. |
Persönlichkeit | Unter dem Persönlichkeitsbegriff werden die für ein Individuum charakteristischen Denk- und Verhaltensmuster zusammengefasst. Es wird von deren Beständigkeit ausgegangen, d. h. ein und dasselbe Individuum verhält sich in unterschiedlichen Situationen ähnlich (Myers 2012). |
DEFINITION In Anlehnung daran ist die LehrerInnenpersönlichkeit definiert als „das Ensemble relativ stabiler Dispositionen, die für das Handeln, den Erfolg und das Befinden im Lehrerberuf bedeutsam sind“ (Mayr/Neuweg 2006, 183). |
personaler Sprechstil | Der Begriff des personalen Sprechstils umfasst sowohl eine psychologische als auch eine soziologische Dimension. Der personale Sprechstil ist das Mittel, um psychologisch betrachtet auf sich selbst sowie soziologisch betrachtet auf andere einzuwirken (Kap. 3.3). Er differenziert sich im Spracherwerb mit der Entwicklung der kommunikativen Kompetenz aus. Durch früheste Erfahrungen geprägte Handlungs-, Denk- und Wahrnehmungsschemata sind implizit in den aktuellen Sprech- und Hörmustern enthalten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Art und Weise zu sprechen, ebenso wie zu essen, zu gehen etc. als körperliche Tätigkeiten unbewusst im Mithandeln erworben und angewendet werden. |
SchülerInnen-Lehrkraft-Beziehung | Der personale Sprechstil gibt nicht nur Auskunft über die Persönlichkeit der Lehrkraft, sondern auch über ihr Verhältnis zu den SchülerInnen (Eikenbusch 2013, 7). Auf der Appell- und Beziehungsebene des Vier-Ohren-Modells (Kap. 2) wird daher auch das Verhältnis der Lehrkraft zur Schülerschaft definiert, das im Spannungsfeld „Nähe/Distanz“ und „gleich/ungleich“ liegen kann. |
ZUSAMMENFASSUNG
Aufgrund des Sprechstils entsteht häufig ein eindimensionales, holzschnittartiges Bild der LehrerInnenpersönlichkeit. Dies schafft aber auch Berechenbarkeit und damit Sicherheit in den Beziehungen zu SchülerInnen, Eltern und KollegInnen.
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3.2 LehrerInnensprache als trainierbare Kompetenz |
Seit der Veröffentlichung der Hattie-Studie (Hattie 2013) wird ein stärkerer Fokus auf die veränderbaren Fähigkeiten gelegt, die im Rahmen des universitären Lehramtsstudiums, im Vorbereitungsdienst und im Beruf erlernt und kontinuierlich verbessert werden können (Kunina-Habenicht et al. 2015). |
Zur Bezeichnung veränderbarer Fähigkeiten hat sich im deutschsprachigen Raum der Kompetenzbegriff etabliert. | Kompetenz |
Darunter versteht man „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27). |
Im kompetenzorientierten Ansatz (Baumert/Kunter 2006) werden verschiedene Kompetenzaspekte unterschieden, z. B. Wissen, Überzeugungen und Motivation. |
Professionswissen ist spezifisches Wissen der Mitglieder einer Berufsgruppe. Es wird im Rahmen der Berufsausbildung vermittelt und kann durch die Berufsausübung vertieft werden. Bezogen auf den LehrerInnenberuf werden fachliches, fachdidaktisches, entwicklungspsycholgisches und pädagogisches Grundwissen unterschieden (Shulman 1986). Bezogen auf die LehrerInnensprache umfasst dies das Wissen über die Mittel und den Einsatz von LehrerInnensprache und Gesprächsführung als Handwerkszeug (Kap. 5.1). Das Wissen über typische, auch sprachlich begründete Verständnisschwierigkeiten von Lernenden, Kenntnisse der unterschiedlichen Erklärungsmöglichkeiten sowie verschiedene Ansätze der lehrkraftseitigen Gesprächsaktivitäten zur Sprachförderung gehören ebenfalls dazu (Kap. 5.2). | Wissen |
TIPP Im Unterricht gibt es bestimmte Standardsituationen, die nach bestimmten Grundstrukturen ablaufen und die daher unabhängig von Einstellungen oder Persönlichkeit trainierbar sind. |
Vor allem zwei Bereiche stehen häufig im Mittelpunkt von Trainings des Gesprächsführungshandwerks: Zum einen die Anleitung von Lernprozessen, zum anderen die Beurteilung von Lernergebnissen der Lernenden. Hier haben die Formen, der Aufbau, die Schritte und die Elemente des Unterrichtsgesprächs eine didaktische Funktion (Eikenbusch 2013). |
Erfolgreich kann die Professionalisierung im Bereich Gesprächsführung nur dann sein, wenn die LehrerInnensprache an spezifische Unterrichtssituationen angepasst werden kann und nicht im Widerspruch zur Persönlichkeit der Lehrkraft steht. Zudem sollte es in der Schule Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit und Anwendung von Gesprächsführungskompetenzen geben. Bisher als positiv empfundene andere Formen sollten weiterhin genutzt werden können. |
Überzeugungen | Überzeugungen beinhalten individuelle Vorstellungen und Annahmen von Lehrkräften mit einer bewertenden Komponente (Fives/Buehl 2012). Sie können sich auf verschiedene Aspekte des LehrerInnenberufs beziehen (Kunter/Pohlmann 2009), beispielsweise auf |
■das Selbst der Lehrkraft (z. B. Überzeugungen von eigenen Fähigkeiten), ■den Lehr-Lern-Kontext (z. B. Überzeugungen von Unterrichtsansätzen, spezifischen Unterrichtsmethoden oder einzelnen SchülerInnen), ■das Bildungssystem (z. B. Überzeugungen von konkreten Reformen, Überzeugungen von Bildungsstandards), ■die Gesellschaft (z. B. bildungs- und schulbezogene kulturelle Normen und Werte). |
Überzeugungen haben einen Einfluss darauf, wie Lehrkräfte mit SchülerInnen und KollegInnen kommunizieren, ihren Unterricht planen und durchführen sowie Reformen umsetzen (Fives/Buehl 2012). Die Überzeugungen von Lehrkräften können darüber hinaus beeinflussen, wie sich SchülerInnen verhalten bzw. welche Leistungen sie zeigen (Ludwig 2010). Insbesondere bei bestimmten SchülerInnengruppen sind negative Erwartungseffekte wahrscheinlich, z. B. bei Lernenden mit niedrigem sozio-ökonomischen Status oder aus ethnischen Minderheiten (Jussim/Harber 2005). Überzeugungen spiegeln sich auch in der multimodalen... |
Erscheint lt. Verlag | 26.5.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sonder-, Heil- und Förderpädagogik |
Schlagworte | Bildungssprache • Förderschule • Gesprächsführung • GESPRÄCHSFÜHRUNG LEHRER • GESPRÄCHSHANDELN • Inklusive Grundschule • inklusiver Unterricht • Inklusive Schule • Inkulsion • Lehrer • Lehrerprofessionalisierung • Lehrer-Schüler-Beziehung • Lehrersprache • Multimodalität • Pädagogik • Schulpädagogik • Schulsprache • Sprachpädagogik • Sprachsensibilität • sprachsensibler Unterricht • Unterrichtsgespräch • Unterrichtshilfen |
ISBN-10 | 3-497-61479-3 / 3497614793 |
ISBN-13 | 978-3-497-61479-0 / 9783497614790 |
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