Wanderlust mit Mister Parkinson (eBook)

Meine Reisen in die Ferne und zu mir selbst

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32175-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wanderlust mit Mister Parkinson -  Pamela Spitz
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»Ich habe nichts mehr zu verlieren und bin heute ein glücklicherer Mensch.« Wie umgehen mit der Nachricht, dass das eigene Leben kürzer sein wird als gedacht? Ehrlich und humorvoll erzählt die Fotojournalistin, Globetrotterin und Wanderliebhaberin Pamela Spitz von ihrem Leben mit Parkinson, nimmt uns mit auf ihre zahlreichen Reisen rund um den Globus - und steckt uns an mit ihrem Optimismus und ihrer Lebensfreude. Pamela Spitz ist Anfang Vierzig und gerade glücklich geschieden, als sie erfährt, dass sie Morbus Parkinson hat, eine unheilbare, langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Anfangs stürzt sie sich in das Klubleben Berlins, atemlos und exzessiv, doch schnell merkt sie, dass sie sich ab jetzt nur noch auf die Dinge konzentrieren sollte, die sie wirklich glücklich machen: auf das Reisen und das Schreiben. Und dass sie nur noch das tun sollte, was sie schon immer tun wollte. Unter dem Motto: Noch zehn gute Jahre, dann ist eh Schluss ... Aber wie lernt man, wahrhaft im Moment zu leben? Auf der Suche nach Antworten durchstreift Pamela Spitz das Hinterland Portugals, lernt Surfen im Atlantik, wandert durch den Dschungel Costa Ricas und die Wüste Negev in Israel, stellt sich ihren jüdischen Wurzeln, lernt Arabisch in Ramallah, macht eine außergewöhnliche Kur in Indien, besucht ihre Schwester in Brasilien - und begibt sich auf die Spuren ihrer Kindheit in Ecuador und auf Formentera. In einem erfrischend lässigen und humorvollen Ton nimmt uns Pamela Spitz mit auf ihre Reisen in die Ferne und zu sich selbst.

Pamela Spitz, geboren 1975 in München, unternahm ihre erste Reise über den Atlantik mit einem Jahr und lebte in ihrer Kindheit in Ecuador. Ihre Jugendzeit verbrachte sie mit ihrer Familie auf Formentera, bevor es sie 1995 nach Berlin zog. Sie arbeitet als Bildredakteurin für 11 Freunde, das Zeit-Magazin, die Welt und Vanity Fair. Als Fotografin ist sie für die spanische Zeitung El Pais unterwegs. Seit 2016 schreibt sie ihren englischsprachigen Blog »Wanderlust with P«, der schon bald Anklang bei einem breiteren Publikum fand.

Pamela Spitz, geboren 1975 in München, unternahm ihre erste Reise über den Atlantik mit einem Jahr und lebte in ihrer Kindheit in Ecuador. Ihre Jugendzeit verbrachte sie mit ihrer Familie auf Formentera, bevor es sie 1995 nach Berlin zog. Sie arbeitet als Bildredakteurin für 11 Freunde, das Zeit-Magazin, die Welt und Vanity Fair. Als Fotografin ist sie für die spanische Zeitung El Pais unterwegs. Seit 2016 schreibt sie ihren englischsprachigen Blog »Wanderlust with P«, der schon bald Anklang bei einem breiteren Publikum fand.

Die Diagnose


An das Gespräch selbst erinnere ich mich kaum noch. Mir kommt es so vor, als hätte es höchstens zehn, fünfzehn Minuten gedauert – aber das kann eigentlich nicht sein, bei all den Untersuchungen, die die Neurologin mit mir gemacht hat. Ich erinnere mich auch nicht mehr daran, wie sie es mir letztlich gesagt hat. Oder an meinen ersten Gedanken, nachdem sie die Diagnose ausgesprochen hatte.

Dafür erinnere ich mich ganz deutlich an alles, was danach passierte. Wie ich die Haustür des Gebäudes, in dem sich die Arztpraxis befand, hinter mir zuzog und dann einfach nur dastand auf einer Straße in Berlin-Mitte. Wie sich mein Blick auf die Sonnenblumen heftete, die in einem riesigen Eimer vor dem Blumenladen nebenan standen. Die anderen Passanten nahmen sie nur flüchtig wahr – wenn sie nicht eh gerade auf ihre Smartphones starrten. Ich hingegen war überwältigt von der sattgelben Blumenpracht. Eine junge Frau blieb stehen und zog zwei lange Stiele mit besonders großem Blütenkorb aus dem Eimer, drückte dem Verkäufer einen Schein in die Hand und lief, die Blumen vor sich her tragend, mit strahlendem Gesicht an mir vorbei. Wie einfach es doch manchmal sein kann, glücklich zu sein. Wie wichtig kleine Details sind, um sich den Tag zu verschönern. Was sollte ich nun bloß mit meinem Detail des Tages machen? Mit dieser Neuigkeit, die wahrscheinlich mein Leben komplett verändern würde? Wie soll ich damit umgehen? Ich wischte mir erst einmal die langen blonden Haare aus dem vom Schweiß klebrigen Gesicht.

 

Es war ein heißer Sommertag im Jahr 2016, die Mittagssonne brannte. Ich trug Shorts und ein T-Shirt und blieb eine Weile einfach so stehen, während sich die Menschen an mir vorbeidrückten. In diesem belebten Kiez habe ich viele Jahre gelebt. Ich kannte jede Straßenecke, jedes Graffito, jeden Gemüseverkäufer und Barkeeper, hatte mich viele Jahre über wohl hier gefühlt. Bis ich vor Kurzem beschlossen hatte wegzuziehen, weil ich mich nach einem kompletten Neuanfang gesehnt hatte. Nachdem ich mich von meinem Mann getrennt und den Arbeitgeber gewechselt hatte, wollte ich auch Abwechslung in meiner Umgebung, wollte Berlin neu für mich entdecken, ich brannte geradezu nach Aufregung.

Tja, nun würde ich tatsächlich mit einem kompletten Neuanfang konfrontiert sein. Nur ungewollt. Und auf einen Schlag. So was nennt man, glaube ich, wohl Schicksalsschlag. Es war, als hätte ich mir ganz tief in den Finger geschnitten, aber der Schmerz noch nicht richtig da wäre, weil die Schmerzrezeptoren die Information noch nicht an das Gehirn weitergeleitet hatten. Ich glaube, ich befand mich genau in diesem Zwischenzustand, während ich immer noch regungslos auf der Straße stand.

Erst ein lautes Quietschen riss mich aus diesem Zustand. Die Straßenbahn hatte eine Vollbremsung machen müssen, weil ein Fahrradfahrer beim Überqueren der Schienen ausgerutscht und gestürzt war. Schnell kamen Passanten zu Hilfe. Aber ihm war glücklicherweise nichts passiert; der Fahrradfahrer konnte seinem Schicksalsschlag gerade noch entgehen. Er stieg wieder auf, fuhr etwas wackelig davon und der Verkehr nahm seinen Lauf, als wäre nichts geschehen.

Es dauerte noch eine Weile, bis auch ich mich wieder in Bewegung setzen konnte. Schliesslich ging ich zu meinem Fahrrad, band mir das Schloss um die Taille und fuhr los. Komischerweise spürte ich jetzt, als ich mich bewegte, fast so etwas wie Erleichterung. Mir schoss durch den Kopf, dass es mir nun tatsächlich erspart bleiben würde, mich um diese dämliche Altersvorsorge zu kümmern, von der immer mehr Leute in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sprachen und mit der ich mich als Freiberuflerin eigentlich dringend hätte beschäftigen müssen. Was für ein Glück es doch war, dass ich keine Kinder hatte, dachte ich. Und auch, wie gut es war, dass die Trennung von meinem Mann schon seit einem halben Jahr durch war. Mit dem, was mir die Neurologin gerade eröffnet hatte, wäre ich wahrscheinlich doch zurück ins wohlbehütete Ehenest gekrochen, wenn wir noch in der Trennungsphase gewesen wären. Zumal diese Zeit auf eine sehr respektvolle Weise verlaufen war, ohne Streitereien oder Schuldzuweisungen. Sie hatte einfach nur wehgetan, denn die Liebe zueinander hatte nicht nachgelassen, sie war nur einfach anders geworden, geschwisterlich, würde ich sagen.

Aber ich hatte eben schon seit einiger Zeit den großen Wunsch, wieder allein zu sein, unabhängig, auf mich selbst gestellt. Und so war ich seit etwa einem halben Jahr glücklicher, abenteuerlustiger Single, sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und nun? Wollte ich immer noch allein sein? Wäre es jetzt nicht doch besser, einen Partner zu haben, der einen auffangen könnte? Der es zumindest versuchen würde? Nein! Auf gar keinen Fall, beschloss ich, während ich durch Berlin radelte. Ich würde mir doch von so einer Diagnose nicht diktieren lassen, was ich vom Leben will. Und in einer festen Beziehung sein wollte ich nun einmal nicht mehr. Und es würde bestimmt auch eh jetzt alles noch komplizierter machen!

Ich versuchte, mich auf das Kopfsteinpflaster zu konzentrieren und nicht so viel zu denken. Dachte dann aber doch an den Reisepass, den ich erst kürzlich hatte erneuern lassen, und daran, dass er zehn Jahre gültig war.

Noch zehn Jahre, dachte ich, zehn gute Jahre.

Dann ist wahrscheinlich eh Schluss.

 

Vor der Redaktion einer deutschen Tages- und Wochenzeitung, in der ich freiberuflich als Fotoredakteurin arbeite, stellte ich mein Fahrrad ab und kramte nach meinem Handy. Zuerst rief ich in der radiologischen Abteilung der Universitätsklinik an und machte einen Termin für die Computertomografie, die die Neurologin noch zur Bestätigung ihrer Diagnose brauchte. In drei Wochen hatten sie einen Termin frei. Dann wählte ich die Nummer meiner Mutter. Sie ging sofort dran.

Ich atmete tief durch.

»Mama, bei mir wurde gerade Morbus Parkinson diagnostiziert.«

Meine Mutter war klug genug, nicht panisch zu reagieren. »Alles klar«, sagte sie nur, »ich recherchiere, was das bedeutet.«

Wir verabredeten uns für den Abend, um ausführlicher zu sprechen, und ich ging zurück in die Redaktion. Meine Mittagspause war vorbei.

 

Im Newsroom war es angenehm kühl. Ich lief zu meinem Platz, legte den kleinen Rucksack ab und tippte mein Passwort in die Tastatur, um den Rechner zu reaktivieren. Ich sah mich um. Die meisten Kolleginnen und Kollegen schauten konzentriert auf ihre Bildschirme oder telefonierten. Andere standen in kleinen Gruppen zusammen und tauschten sich über Themen ihres Ressorts aus. Ich arbeitete erst seit Kurzem hier, kannte aber ein paar Kolleginnen und Kollegen schon aus anderen Verlagshäusern, für die ich in den vergangenen Jahren tätig gewesen war. Ich mochte sie, hatte zu allen eine professionell freundliche Beziehung, war aber im Moment heilfroh, dass alle zu beschäftigt waren, um mich anzulächeln oder gar anzusprechen. Als ob sie mir ansehen würden, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte.

Ich fühlte mich seltsam entrückt von der Realität um mich herum. Alles erschien mir irgendwie unwirklich. Und unwichtig. Trotzdem wollte ich mich in die Arbeit stürzen. Die Fotos der Nachrichtenagenturen aus aller Welt, die ununterbrochen auf dem Redaktionsserver landeten und die ich normalerweise sichtete, aussortierte und den Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellte, sollten mich davon abhalten, über meine Situation nachzudenken. Mechanisch scrollte ich die Bilderflut rauf und runter, versuchte, Foto-Rechercheanfragen aus der Textredaktion zu beantworten, die neuesten Nachrichten zum jüngsten terroristischen Anschlag in einer europäischen Stadt zu lesen und mir Gedanken zur Bebilderung eines komplexen Wirtschaftsthemas zu machen. Aber in Wahrheit war ich nicht zu viel zu gebrauchen …

 

Die Welt des Journalismus hatte mich schon von klein auf fasziniert. Früh las ich Bücher von berühmten Journalistinnen und Journalisten wie Oriana Fallaci oder Norman Mailer, irgendwann verschlang ich jedes Magazin und jede Zeitung, die mir in die Hände kamen. Vor Kurzem habe ich in meinem Tagebuch geblättert, das ich mit sechzehn Jahren geschrieben hatte, und war erstaunt, wie inbrünstig mein Wunsch damals war, Journalistin zu werden. Aber ich machte kein Abitur und mit Anfang zwanzig hatte ich das Selbstwertgefühl eines Teenagers, der unbedingt eine Zigarette rauchen wollte, um erwachsener zu wirken. Selbst zu schreiben, traute ich mir nicht zu. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir in meiner pubertierenden Schwärmerei für den Journalismus gar keine Gedanken gemacht, dass irgendjemand all diese Zeitungs- und Magazinseiten, die ich verschlang, ja auch schreiben musste. Und dass man das lernen musste. Aber ganz von meinem Vorhaben lassen wollte ich auch nicht. Also versuchte ich es Ende der 1990er-Jahre mit einem Praktikum in der Fotoredaktion der Zeit. Die Aufbruchstimmung und der Enthusiasmus, der damals in der neu gegründeten Hauptstadtredaktion und im neuen Ressort »Leben« herrschten, rissen mich mit. Mit Haut und Haaren stürzte ich mich ins Redaktionsleben, begeistert und glücklich, dass ich auf diesem Weg doch noch meinen Traum verwirklichen konnte – und nach drei Monaten Praktikum bot man mir eine Festanstellung an. Ich weiß, das klingt unglaublich heutzutage, aber so etwas gab’s damals noch. Und so nahm meine Karriere im Fotojournalismus ihren Lauf.

Nach relativ kurzer Zeit begann ich, auch selbst zu fotografieren, erlernte das Handwerk bei professionellen Fotografen, denen ich nach Feierabend oder am Wochenende...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2021
Zusatzinfo mit 28 farbigen Fotos
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abenteuer • Bloggerin • Leben mit Parkinson • Lebensmut • Mut • Neurologische Erkrankung • Reise-Blog • Reisen • Unheilbare Krankheit • Wandern
ISBN-10 3-462-32175-7 / 3462321757
ISBN-13 978-3-462-32175-3 / 9783462321753
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