Spracherwerbsförderndes Verhalten -  Catharina Jessen

Spracherwerbsförderndes Verhalten (eBook)

Wie Bezugspersonen im kindlichen Erstspracherwerb helfen können
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
208 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-4959-8 (ISBN)
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Es gibt viele Ratgeber, welche Hilfen im Umgang mit sprachauffälligen Kindern aufzeigen. Das hier vorliegende Buch setzt an einem anderen Punkt an und richtet sich an alle Personen, denen ein Kind im Erstspracherwerb anvertraut ist. Es soll die Bezugspersonen des Kindes als flexible Informationsquelle und Nachschlagewerk durch den Spracherwerb ungefähr bis zur Einschulung begleiten. Neben der verständlichen Vermittlung von Grundwissen zur Thematik werden Tipps und Anregungen zu insgesamt 27 spracherwerbsrelevanten Themenbereichen gegeben. Ein Menu, aus dem je nach Wunsch, Situation und Ziel frei gewählt, ausprobiert, verworfen, neu ausgesucht oder auch erneut probiert und abgewandelt werden kann. Entspanntes Stöbern und Querlesen sind außerdem ausdrücklich erwünscht! Im Anschluss an diese Ideensammlung folgt ein Exkurs in die Spracheilpädagogik und deren Blick auf Eltern und Bezugspersonen in Ratgeberform aus früheren Zeiten. Was war damals anders? Was ist gleich? Ein Buch zum komplett Lesen, gezieltem und schnellem Nachschlagen, zur Begleitung, zum Weglegen und zeitweise Ruhenlassen und zum immer wieder Hervorholen.

Jahrgang 1985, beschloss nach einem freiwilligen sozialen Jahr ihren beruflichen Weg im sonderpädagogischen Bereich einzuschlagen. Nach dem Studium der Sonderpädagogik an der Universität Flensburg mit den Schwerpunkten Pädagogik für Menschen mit Sprach- und Kommunikationsstörungen, Pädagogik für Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung sowie dem Fach Germanistik schloss sie nach dem Referendariat die Ausbildung zur Sonderschullehrerin mit dem zweiten Staatsexamen ab. Danach war sie zunächst kurz als Vertretungslehrkraft und darauffolgend für sechs Jahre als selbstständige Sprachheilpädagogin tätig. Aktuell ist sie in einer Kindertagesstätte im Gruppendienst angestellt und darüber hinaus in dieser Einrichtung für den sprachheilpädagogischen Bereich verantwortlich.

2.5 Der Sprachbaum


Der so genannte Sprachbaum wurde ursprünglich von WENDTLAND (vgl. Wendtland 2011) genutzt, um die sprachliche Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren vor allem in Bezug auf dessen Gelingensbedingungen bildlich darzustellen. Dabei werden alle Einflüsse und Bedingungen berücksichtigt, die zu einer positiven Sprachentwicklung beitragen bzw. unerlässlich für diese sind. Der Spracherwerb vollzieht sich dann wie das Wachsen eines Baumes: Langsam und in bestimmter Abfolge wachsen mit zunehmendem Alter und Entwicklung des Kindes zunächst die Wurzeln und finden eine feste Verankerung im Boden, dann der Stamm, bis sich schließlich die Baumkrone entfalten kann (vgl. ebenda, 10).

Sie sehen den Sprachbaum zur Verdeutlichung im Folgenden in zwei verschiedenen Darstellungen der gleichen Version:

Die einzelnen Teile des Baumes können mit folgenden Aspekten des Spracherwerbes verglichen werden:

Boden: Der Boden oder auch die die Baumwurzeln umgebende Erde symbolisiert die allgemeine Lebensumwelt des Kindes (vgl. Rodrian 2009, 105). Er ermöglicht die feste Verwurzelung des Baumes und zeigt den grundlegenden Einfluss der kulturellen und gesellschaftlichen Lebensumwelt auf die kindliche Entwicklung.

Dazu gehört z.B. die Erziehung innerhalb und außerhalb der Familie. Diese prägt das Denken, Kommunikationsverhalten sowie die Einstellungen und inneren Haltungen des Kindes. Die Sprache vermittelt dabei Werte und Normen, gibt Gefühlen Namen, lässt Empfindungen ausdrücken, Ideen entwickeln und formulieren.

Sprache schafft zudem Identität (vgl. Wendtland 2011, 12).

Wurzeln: Sie beinhalten die Basisfunktionen (vgl. Rodrian 2009, 104), also körperliche, geistige und psychische Fähigkeiten, Grundlagen, die zwingend erforderlich sind, um den regelgerechten Spracherwerb durchlaufen zu können (vgl. Wendtland 2011, 12).

Dabei gehören auch die Wahrnehmungskanäle zu den Wurzeln (vgl. Beushausen & Klein 2015, 8).

Die Wurzeln beinhalten anatomische, kognitive und soziale Voraussetzungen (vgl. Wendtland 2011, 12 – 15):

  • Anatomische Voraussetzungen
Stimmbänder -Training und erste stimmliche Kommunikation
und Beziehung durch Schreien
Sprechwerkzeuge / Sprechapparat Zwerchfell, Lunge, Bronchien → verantwortlich für die Atmung -Training durch Lallen und erstes Bilden von Lauten
Kehlkopf -verantwortlich für die Produktion der Stimme
Artikulationsorgane: Kiefer, Rachen, Nase, Mundhöhle, Gaumen, Zunge, Zähne, Lippen -ermöglichen verständliches Sprechen
intaktes Muskelgewebe -erforderlich für Atmung, Stimmgebung und Aussprache, gesteuert und koordiniert vom Gehirn
Hören Wahrnehmen der fremden und eigenen Sprachproduktion (vgl. Kügerl 2006, 38).
Sehen Gegenstände der Umgebung wahrnehmen, Handlungen
von Personen verfolgen, Sehen und Nachahmen von Mundbildern / Lippenstellung anderer beim Sprechen.
Tastsinn Erfassen der Umwelt über Haut, Zunge und Lippen
Bewegungswahrnehmung z.B. Wahrnehmung der Zungenstellung beim Bilden verschiedener Laute.
(Mund-) Motorik
=Teil der Feinmotorik
Bedingung für eine verständliche sind zielgerichtete Lautbildung Mund- und Zungenbewegungen, die geplant und willentlich gesteuert werden müssen.
Kraftdosierung der Mundmuskulatur und das in Sekundenbruchteilen Herstellen von Stellung und Spannungszuständen der Muskeln (vgl. ebenda, 37).
Ergänzend dazu muss die gesamtkörperliche Entwicklung der Grob- und Feinmotorik intakt sein.
Zähne Intakte Zähne sind Voraussetzung für eine verständliche Lautbildung.
Atmung Die Atmung ist ein Produkt des Sprechapparates. Sie ermöglicht das Erzeugen eines Grundtones im Kehlkopf durch Ausatmen, aus dem die verschiedenen Laute durch Stellung der Artikulationsorgane gebildet werden können (vgl. ebenda).
  • Kognitive Voraussetzungen:

Neue Sinneseindrücke müssen vom Kind wahrgenommen, verarbeitet und abgespeichert werden. So werden z. B. die Eigenschaften, Bedeutung und Aussprache des Wortes „Ball“ gespeichert und müssen dann später entsprechend abgerufen werden.

Kognitive Prozesse sind also Prozesse des Lernens und Denkens, bei denen für die Sprachentwicklung besonders die Aufmerksamkeit, die auditive Wahrnehmung und die Sprachbewusstheit elementar sind. Im Rahmen der Kognition wird unter Anderem Ordnung in den Wortschatz gebracht und Sinneseindrücke des Hörens, Sehens und Tastens sprachlich verknüpft, um sie später in Form von Wörtern benennen zu können. Basis für die Entwicklung kognitiver Voraussetzungen für den Spracherwerb ist besonders die Hirnreifung (vgl. Beushausen & Klein 2015, 9).

  • Sozial- / emotionale Voraussetzungen:

Der soziale Kontakt und die Art, wie befriedigend diese Begegnungen stattfinden, entwickeln beim Kind die Grundhaltungen zu Umwelt und Mitmenschen. Das Erfahren von Vertrauen und Geborgenheit regt zum aktiven Mitgestalten der Welt an, was wiederum durch Sprache gelingt: Sprechen bedeutet, sozialen Kontakt und Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen, dabei ist die Beziehung zu primären Bezugspersonen entscheidend für die Ausbildung des Gefühlslebens eines Kindes. Dazu gehört auch sein Temperament, also ob das Kind z.B. ruhig, flexibel, ausdauernd ist, was sich auf Art und Weise von Sprechen und Zuhören und die gesamte Kommunikation auswirkt (vgl. Kügerl 2006, 38).

Übergang Wurzeln zu Stamm: Diesen bildet der Aspekt der sensorischen Integration, welcher ALLE bisher genannten Aspekte des Baumes beinhaltet. Sie stehen in enger Beziehung zueinander, neu Erlerntes wird in bestehende Fähigkeiten einbezogen, also integriert. Diese sensorische Integration ist zugleich Voraussetzung und Begleiter der Sprachentwicklung. Sie führt unterschiedliche Sinneseindrücke zusammen, damit diese gemeinsam verarbeitet werden können (vgl. ebenda).

Die soeben beschriebenen Wurzeln sind nicht nur für die Sprachentwicklung im Kindesalter wichtig, sondern beeinflussen den Umgang mit Sprache und Kommunikation ein Leben lang.

Außerdem begleiten sie die gesamte seelische und geistige Entwicklung eines Menschen, seine Persönlichkeit und seine Teilhabe an der Gesellschaft. An dieser Stelle wird einmal mehr die häufig betonte existenzielle Bedeutung der Sprache für den Menschen deutlich.

Stamm: Er baut auf den körperlichen, geistigen und psychischen Fähigkeiten auf und beinhaltet die Voraussetzungen Sprachverständnis und Sprechfreude, die gegeben sein müssen, damit sich die Sprache ausdifferenzieren kann (vgl. Wendtland 2011, 12). Er ist damit der Sockel des Spracherwerbes (vgl. ebenda, 15).

Entwicklung des Sprachverständnisses: Schon lange bevor das Kind selbst sprechen kann, ist es in der Lage, Sprache zu verstehen. Das Sprachverstehen geht also der Sprachproduktion voraus. Zunächst ist das Verstehen nur auf Situationen und Schlüsselwörter bezogen und wird dann zunehmend abstrakter und unabhängiger vom situativen Kontext (vgl. ebenda, 16).

Entfaltung der Sprechfreude: Der Spracherwerb ist leichter zu bewältigen, wenn die kindlichen Kommunikationsversuche von Erfolg gekrönt sind und das Sprechen Spaß macht. Dadurch steigt die Motivation. Ein wichtiger Beitrag hierzu ist, dass die Bezugspersonen den Kommunikationsversuchen des Kindes positiv gegenüberstehen und sie freudig aufgreifen (vgl. ebenda). Der Aspekt der Sprechfreude kann auch als „Sprechen können wollen“ bezeichnet werden (vgl. Beushausen & Klein 2015, 8).

Krone (Äste, Zweige): Die Krone symbolisiert die komplett ausgebildete Sprache, untergliedert in die Sprachebenen Aussprache (Phonetik / Phonologie), Wortschatz (Semantik / Lexikon), Grammatik (Morphologie / Syntax) und Kommunikation (Pragmatik) (vgl. Wendtland 2011, 12).

Zu der Entwicklung in den einzelnen Bereichen (vgl. ebenda, 16 & 17):

Aussprache (Phonetik / Phonologie) Die Laute der Muttersprache werden zunehmend richtig gebildet.
Wortschatz (Semantik / Lexikon) Zunächst Benennen erfassbarer Dinge aus dem kindlichen Alltag, später auch Dinge außerhalb der unmittelbaren Reichweite, nicht anfassbarer und abstrakterer Dinge. Begriffe werden kategorisiert, gemerkt und wiedererkannt / abgerufen.
Grammatik (Syntax / Morphologie) Es entwickeln sich immer...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7526-4959-3 / 3752649593
ISBN-13 978-3-7526-4959-8 / 9783752649598
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