Wahnsinn Schule (eBook)

Was sich dringend ändern muss
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00673-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wahnsinn Schule -  Michael Rudolph,  Susanne Leinemann
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«Wenn die Kinder nach der Grundschule nicht das kleine Einmaleins oder nicht richtig lesen können, ist was komplett falsch gelaufen.» Aber genau das, sagt Michael Rudolph, sei allzu oft traurige Realität. Der erfahrene Schulleiter hat in wenigen Jahren die Berliner Bergius-Schule, die einen u?blen Ruf hatte, zu einer begehrten Unterrichtsstätte gewandelt - mit klaren Regeln fu?r ein diszipliniertes Lernen. Fu?r ihn sind auch Tugenden wie Pu?nktlichkeit und höflicher Umgang entscheidend, um wieder Ruhe und Verlässlichkeit in den Schulalltag zu bringen In diesem Buch beschreibt Rudolph zusammen mit seiner Koautorin Susanne Leinemann, wie man eine schulische Umgebung schaffen kann, egal wo, in der Lernen das wichtigste Ziel ist. Das zahlt sich aus - selbst digitaler Fernunterricht gelingt so besser. Es braucht Mut, so die Botschaft, Mut, den Auftrag der Schule ernst zu nehmen. Schule ist kein Selbstzweck, im Gegenteil. Sie liefert die Basis, damit Schu?ler später gut in der Arbeitswelt ankommen können. Aufstieg durch Bildung ist aktueller denn je, doch nur wer am Ende wirklich etwas kann, hat gute Chancen. Verstrickt in pädagogische Grabenkämpfe und Bildungstheorien haben wir viel zu oft das Ziel aus den Augen verloren: Was soll Schule? Rudolph antwortet mit dem Mut zum Wesentlichen: Schule ist zum Lernen da!

Michael Rudolph, geboren 1953, ist seit vierzig Jahren im Berliner Schuldienst. Seit 2005 leitet er die Bergius-Schule in Berlin-Friedenau, die er von einer Problemschule zu einer begehrten Bildungseinrichtung geführt hat.

Michael Rudolph, geboren 1953, ist seit vierzig Jahren im Berliner Schuldienst. Seit 2005 leitet er die Bergius-Schule in Berlin-Friedenau, die er von einer Problemschule zu einer begehrten Bildungseinrichtung geführt hat. Susanne Leinemann schreibt als Bildungsredakteurin für die "Berliner Morgenpost". Sie hat mehrere Bücher vorgelegt und wurde mit dem Sonderpreis des Henri-Nannen-Preises ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei schulpflichtigen Kindern in Berlin.

Das breite Versagen der Schule


Es gibt genügend Untersuchungen, die nachweisen, dass unsere Schüler auch in normalen Schuljahren ohne pandemiebedingten Unterrichtsausfall in der Breite zu wenig lernen. Zuletzt bescheinigte der IQB-Bildungstrend von 2018 – IQB steht für «Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen» –, dass es um die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Neuntklässler in diesem Land nicht gut steht. Getestet wurden bundesweit 44 941 Schüler dieses Jahrgangs durch alle Schulformen hindurch, per Zufallsprinzip ausgewählt. Die nur scheinbar gute Nachricht: Deutschlandweit erreichten durchschnittlich fast fünfundvierzig Prozent einen mathematischen Regelstandard oder besser. Regelstandard wird von der Kultusministerkonferenz (KMK) als das definiert, was an Leistung von Schülern zu diesem Zeitpunkt eigentlich zu erwarten sein sollte – unser Bildungsstandard also. Die Schüler müssen in diesem Moment der neunten Klasse noch nicht alles wissen, sie haben ja noch ein Jahr bis zum Mittleren Schulabschluss. Aber sie sollten schon eine bestimmte Zwischenetappe erreicht haben. Wer unter dem Regelstandard liegt, erfüllt lediglich den Mindeststandard oder dümpelt gar in der Kategorie «unter Mindeststandard». Und das ist die schlechte Nachricht. Denn im letzten Bildungstrend blieben also bundesweit fünfundfünfzig Prozent der getesteten Schüler unter dem Regelstandard, rund vierundzwanzig Prozent erreichten noch nicht mal den Mindeststandard.

Noch bedrückender: Das ist der Bundesdurchschnitt, eine Zahl, die nur bedingt die Realität in vielen Bundesländern widerspiegelt. Denn das Gefälle zwischen den Bundesländern ist groß. Während in Sachsen und Bayern über die Hälfte der Schüler mindestens den Regelstandard erreichte, gelang das in Bremen nur knapp neunundzwanzig Prozent der getesteten Schüler. Nicht viel besser war das Ergebnis im Saarland, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Man muss sich das sehr klar verdeutlichen: Sechzig bis siebzig Prozent der Schüler schaffen es in diesen Bundesländern nicht, eine «durchschnittliche» Leistung zu erreichen, die zu diesem Zeitpunkt von ihnen erwartet werden kann. Denn der Mindeststandard ist lediglich, laut IQB, «ein definiertes Minimum an Kompetenzen». Wer also «unter Mindeststandard» – in Bremen vierzig Prozent, in Berlin vierunddreißig – bleibt, verfügt noch nicht mal über ein Minimum von Wissen. Da bleibt nicht viel.

Und es lohnt sich, noch genauer hinzuschauen. Denn die besseren Zahlen werden hauptsächlich von einem Schultyp gespeist: dem Gymnasium. Deren Ergebnisse aus dem Bildungstrend werden separat aufgeführt. Schaut man sich nun die gymnasialen Zahlen an, so haben plötzlich im Bundesdurchschnitt über achtzig Prozent der getesteten Schüler in Mathematik den Regelstandard, Regelstandard plus oder gar einen Optimalstandard erreicht. Interessanterweise gibt es auch hier eine unglaubliche Spanne zwischen den einzelnen Bundesländern. Während in Sachsen und Bayern über neunzig Prozent der getesteten Gymnasiasten im Mittel- und Spitzenfeld liegen, sind es in Bremen und Berlin lediglich rund sechsundsechzig Prozent. Die Studie spricht offen aus, dass sich auch für Deutschlands Gymnasien eine «ungünstige Entwicklung» abzeichne, sowohl in Mathematik als auch in den naturwissenschaftlichen Fächern Chemie, Physik und Biologie. Denn die Spitzenleistungen nähmen zunehmend ab. Aber insgesamt scheint der Bundesdurchschnitt von einundachtzig Prozent der gymnasialen Neuntklässler, die einigermaßen Ahnung von Mathe haben, beruhigend hoch.

Doch was heißt das für die restlichen weiterführenden Schulen, wenn die starken Zahlen eigentlich nur von einer Schulform zu kommen scheinen? Im vierhundertfünfzig Seiten starken IQB-Bericht des Bildungstrends sucht man vergeblich nach einer Tabelle, in der nur Ergebnisse weiterführender Schulen ohne die Gymnasiasten aufgelistet werden. Es gibt sie nicht. Das wird damit begründet, dass das Gymnasium die einzige Schulform sei, die in allen Bundesländern einheitlich existiere. Deshalb könne man dort problemlos deutschlandintern vergleichen. Tatsächlich findet man bei den anderen weiterführenden Schulen ein buntes Sammelsurium vor, jedes Bundesland hat da ein anderes Konzept. Von der traditionellen Haupt- und Realschule über die Werkrealschule, Sekundarschule oder Regionalschule bis hin zur Stadtteilschule und Oberschule. Aber trotzdem frage ich mich: Wo liegt das Problem, auch diese Zahlen zu errechnen? Vermutlich darin, dass die Ergebnisse für alle anderen weiterführenden Schulen, rechnet man einmal die Gymnasiasten heraus, so ernüchterten, dass die Zahlen öffentlich nur noch schwer vermittelbar wären.

In der letzten PISA-Studie von 2018, als Deutschland wieder im Ranking irgendwo im Mittelfeld der OECD-Staaten dümpelte, fanden sich im Bericht aufschlussreiche Balkendiagramme zu den Kompetenzstufen fünfzehnjähriger deutscher Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften. Die sieben Balken der nicht gymnasialen Schularten sind dort hellblau, die sieben des Gymnasiums dunkelblau gekennzeichnet. Würde man die farblich zusammengehörigen Balken an der Spitze miteinander verbinden, so käme jeweils eine Parabel heraus – Aufstieg, Scheitelpunkt, Abfall. Allerdings liegen die beiden Parabeln verschoben voneinander, die Schnittmengen sind klein. Während das Gymnasium eindrücklich und fast ausschließlich den Bereich der sehr soliden und sehr starken Leistungen abdeckt, finden sich alle anderen Schultypen im Zentrum des schwachen und schwächeren Bereichs. Auch bei der Lesekompetenz erreichen die Gymnasialschüler im PISA-Test 2018 deutlich mehr Punkte als die Schüler nicht gymnasialer Schularten. «Die Differenz zwischen den beiden Gruppen in Höhe von 120 Punkten entspricht einem Lernunterschied von geschätzt drei Schuljahren», schreibt der Pädagoge Werner Klein, der beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz die Abteilung Qualitätssicherung leitet. Knapp dreißig Prozent dieser Schüler bewegten sich an den weiterführenden Schulen lesend weiterhin auf Grundschulniveau. In diesem Land stimme etwas nicht mit der Bildungsgerechtigkeit, folgert Klein. Zu viele Schüler bleiben weit unter ihren Möglichkeiten.

Das lässt sich in den einzelnen Bundesländern auch ganz konkret mit Prozentzahlen unterlegen. So wurden 2015/16 Berliner Achtklässler mit VERA 8 – was wie ein weiblicher Vorname klingt, ist die Abkürzung für «Vergleichsarbeiten» – auf ihre, wie es heute gerne heißt, «Kompetenzen» getestet. Die Teilnahme an diesen Vergleichstests ist an allen öffentlichen Schulen der Stadt verpflichtend. In Berlin werden zwei Versionen dieser Testhefte ausgegeben: eine schwerere für die Gymnasien, eine leichtere für alle anderen weiterführenden Schulen, die ja vom überwiegenden Teil der Hauptstadtschüler besucht werden. Das Ergebnis bei der leichteren Version? In Mathematik erreichten damals achtundsechzig Prozent der getesteten Achtklässler nicht einmal die Mindestanforderungen, blieben also unter dem Mindeststandard. Seitdem werden die VERA-8-Ergebnisse in Berlin wohlweislich unter Verschluss gehalten. Allerdings legte eine Expertenkommission für Schulqualität, die zuletzt in der Hauptstadt eilig einberufen worden war, um das Bildungsniveau in Berlin irgendwie anzuheben, im Herbst 2020 offen, wie es genau mit diesen Schülern weiterging: «Bei der Prüfungsarbeit zum Mittleren Schulabschluss erreichten im Fach Mathematik in 2018 mehr als vierzig Prozent der Schülerinnen und Schüler der Integrierten Sekundarschulen und der Gemeinschaftsschulen nur die Note mangelhaft oder ungenügend.» Kein Wunder.

Auch in anderen Bundesländern sieht es an den weiterführenden Schulen – mit Ausnahme der Gymnasien – kaum besser aus. Als 2019 die baden-württembergischen Achtklässler von Haupt- und Werkrealschulen mit VERA 8 auf ihre mathematischen Kenntnisse geprüft wurden, lagen fast achtzig Prozent unter dem Regelstandard speziell für ihren Schultyp, knapp die Hälfte davon hatte dabei noch nicht einmal den Mindeststandard für einen Hauptschulabschluss geschafft; und auch an den klassischen Realschulen blieben noch sechsundsiebzig Prozent der Schüler unter dem Regelstandard, den man erreichen sollte für einen späteren Mittleren Schulabschluss. Die Gemeinschaftsschulen, an denen ja gemeinsam gelernt wird, gaben ebenfalls ein sehr durchwachsenes Bild ab –nur vierzehn Prozent schafften hier den Regelstandard oder mehr für einen Mittleren Schulabschluss. Nicht besser im Norden. Dreiundsechzig Prozent der Achtklässler in Hamburger Stadtteilschulen erreichten 2017 nicht den Mindeststandard in Mathematik, als es um das Ziel Mittlere Reife ging. In Schleswig-Holstein erbrachten die Ergebnisse der Vergleichsarbeit VERA 8 in 2019, dass an den weiterführenden Schulen ohne Gymnasium in Mathematik die Gruppe der «Risikoschüler oder potenziellen Risikoschüler» bei fast fünfzig Prozent liegt, wenn die einen «Ersten Allgemeinbildenden Abschluss» anstreben, sprich: den Hauptschulabschluss. Geht es dagegen um den Mittleren Schulabschluss, wächst die Gruppe der Schüler, die nicht den Regelstandard erreichen, auf neunundsiebzig Prozent an. Das heißt, nur rund zwanzig Prozent dieser Schüler lagen zu dem Zeitpunkt im grünen Bereich – ganz anders als...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bildung • Bildungsdebatte • Bildungsmisere • Bildungspolitik • Erziehung • Jugend • Kulturpolitik • Lehre • Lehrer • Lehrerbildung • Pädagogik • Reformen • Schule • Schulkind • Schulpolitik • Schulreform • Schulsystem • Unterricht
ISBN-10 3-644-00673-3 / 3644006733
ISBN-13 978-3-644-00673-7 / 9783644006737
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