Die neue ArbeiterInnenklasse
ÖGB Verlag
978-3-99046-406-9 (ISBN)
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Dieses Buch liefert nicht nur einen umfassenden Überblick über die Entwicklung von prekärer Beschäftigung in Europa seit den frühen 1980er-Jahren. Auch betroffene ArbeitnehmerInnen kommen darin zu Wort. Sie berichten von ihrem Leben und Leid mit miesen Jobs und prekären Arbeitsbedingungen. Mit ihrer Hilfe und durch sie zeigt die Autorin einfühlsam auf, was Hungerlöhne, fehlender rechtlicher Schutz und mangelnde soziale Absicherung für die Betroffenen und ihre Angehörigen tagtäglich bedeuten.
Nicht zuletzt macht das Werk eindrucksvoll deutlich, dass für Arbeitende kein Weg daran vorbeiführt, sich selbst als Kollektiv zu begreifen. Denn sie bilden unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe und ihrem Alter eine Gemeinschaft, die mit den gleichen Problemen kämpft. Solidarisches Handeln stellt für lohnabhängige Menschen die einzige Möglichkeit zum Machtausgleich dar. Dieser ist nötig, um ein selbstbestimmtes, sicheres und chancengerechtes Leben für alle durchzusetzen.
Inkl. E-Book!
Nach sieben Jahren intensiver Beschäftigung mit prekären Arbeitsverhältnissen, atypischer Arbeit, Segmentierungsprozessen und Veränderungen in der Arbeitswelt mitsamt ihren Auswirkungen, macht die Autorin Veronika Bohrn Mena ihre Erkenntnisse nun in Buchform einer breiten LeserInnenschaft zugänglich. Sie ist seit 2013 hauptberuflich in der Interessenvertretung der Gewerkschaft GPA-djp mit dem Schwerpunkt atypische Beschäftigung tätig, war zuvor Vorsitzende der Plattform Generation Praktikum und hat sich in der Österreichischen HochschülerInnenschaft engagiert.
GELEITWORT 8
PROLOG 12
EINLEITUNG 16
1. Kapitel Der Praktikant 34
2. Kapitel Ausgeliehen und ausgebeutet 52
3. Kapitel Teilzeit wider Willen 68
4. Kapitel Knochenharte Packerei im Niedriglohnsektor 84
5. Kapitel Aufgezwungene Freiheit 98
6. Kapitel Leben mit Befristung, alles für die Wissenschaft 114
7. Kapitel EPU oder Tagelöhner? 128
8. Kapitel Von einem miesen Job zum nächsten 142
EPILOG 156
DANKSAGUNG 194
GLOSSAR 196
LITERATURNACHWEISE 200
ZUR AUTORIN 206
PROLOG Worum es geht! In den vergangenen Jahren sind vor dem Hintergrund meines Engagements für die Plattform Generation Praktikum und meiner Arbeit als Gewerkschafterin unzählige Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen mit mir in Kontakt getreten. Erst waren es vorwiegend BerufseinsteigerInnen, junge Beschäftigte, PraktikantInnen und Studierende, die mit den unterschiedlichsten Dienstverträgen arbeiteten. Es war so ziemlich jede vertragliche Konstruktion dabei, von geringfügiger, fallweiser und befristeter Beschäftigung über Arbeit als Freie DienstnehmerInnen bis hin zu Tätigkeiten auf Honorarbasis oder in einem Leiharbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst. Mit der Zeit haben sich dann auch ältere Beschäftigte aus allen Branchen, ja selbst PensionistInnen bei mir gemeldet, die unter teilweise wirklich widrigsten Bedingungen in den miesesten Jobs festhingen. Nach und nach wurde mir so die breite Dimension der prekären Arbeit in Österreich vor Augen geführt. Die meisten haben sich bei mir gemeldet, um Rat und Hilfestellung einzuholen. Andere, gar nicht so wenige, wollten mir einfach von ihrer Notlage erzählen, schlicht damit sie gehört werden. Einige von ihnen waren wütend, noch mehr waren verzweifelt, viele fühlten sich allein und im Stich gelassen. Das Gefühl, nicht gesehen und nicht wahrgenommen zu werden, das viele von ihnen umtrieb, verstärkte die schiere Ohnmacht, die sie ob ihrer unsicheren Arbeitssituation und Lebenslage verspürten. Gerade für prekär Beschäftigte ist es besonders schwer, sich Luft über Missstände und Unterbezahlung zu machen, weil es zumeist auch eines ihrer zentralen Probleme ist, dass sie in einem außerordentlich starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihren ArbeitgeberInnen stehen. Denn trotz der mangelnden Sicherheit, fehlenden Perspektive und meist schlechten Entlohnung sind diese Arbeitsverhältnisse die Existenzgrundlage der Menschen, die sich ohnehin mehr schlecht als recht über Wasser halten können. Wer vermeintlich nur die Wahl zwischen einem miesen oder gar keinem Job hat, entscheidet sich aus Angst für Ersteres. So bleiben diese mitunter unerträglichen Missstände und die Arbeitenden, die unter ihnen leiden müssen, viel zu oft komplett im Dunkeln. Und so kommt es, dass kaum jemand, der nicht selbst davon betroffen ist, eine Vorstellung von der Lebensrealität dieser Menschen und den weitreichenden Konsequenzen hat, mit denen ihr Leben so stark belastet ist. Manche glauben sogar, dass es diese Form des Arbeitselends und der Ausbeutung in Österreich gar nicht mehr gibt. Prekäre Arbeit wird in Büchern bislang vorwiegend auf theoretischer Ebene abgehandelt, wo primär die rechtlichen Rahmenbedingungen erörtert und seltener auch mögliche Maßnahmen diskutiert werden. Die Betroffenen selbst kommen kaum zu Wort. Ob der Unnahbarkeit der Argumente kann der Diskurs darüber jedoch nur schwer eine emanzipatorische Kraft entfalten. Dabei leben die Betroffenen mitten unter uns und werden kontinuierlich mehr. Ich will das mit diesem Buch ändern. Ich will mich der Problematik auch aus ihrer Perspektive widmen und insbesondere ihre Sicht der Arbeitswelt zeigen. Das Herzstück dieses Buches sind demnach auch die acht Erlebnisberichte, die ihre Arbeits- und Lebensrealitäten sichtbar machen sollen. Die darin vorkommenden Personen, ihre Arbeitssituationen und Lebenslagen verkörpern keine Einzelschicksale, keine Extremfälle und keine Ausnahmen. Sie stehen jeweils für eine relevante Gruppe von Beschäftigten, die einem besonders hohen Risiko unterliegt, unter prekären Rahmenbedingungen arbeiten, leiden und leben zu müssen. Echte Menschen erzählen von ihren authentischen Erfahrungen als Pseudo-PraktikantInnen, LeiharbeiterInnen, unfreiwillige Teilzeitbeschäftigte, von ihren Realitäten in Niedriglohn-Jobs, freien Dienstverhältnissen und der Scheinselbstständigkeit, von ihrer Arbeit in befristeten Verhältnissen und Kettenverträgen, als Neue Selbstständige, Ein-Personen-Unternehmen und in instabilen Jobs. Mit ihrer Hilfe und durch sie möchte ich aufzeigen, was Hungerlöhne, fehlender rechtlicher Schutz und mangelnde soziale Absicherung für Menschen tagtäglich wirklich bedeuten. Die geschilderten Erzählungen beruhen alle auf langen und intensiven Einzelgesprächen. Sie fanden ausschließlich und nur unter Zustimmung der Betroffenen im Zeitraum von Herbst 2017 bis Frühling 2018 für dieses Buch statt. Sie entsprechen alle den tatsächlichen Ereignissen und Gegebenheiten, nur die Namen der betreffenden Personen wurden geändert und in der Erzählung wurde darauf geachtet, dass keine Nachvollziehbarkeit bezüglich ihrer ArbeitgeberInnen besteht. Das ist eine unvermeidbare Maßnahme zum Schutz der Betroffenen, die mich mit ihrer Offenheit und Zeit nicht nur auf großartige Weise unterstützt, sondern dieses Buch überhaupt erst möglich gemacht haben. Bei ihnen möchte ich mich, auch an dieser Stelle, ausdrücklich für ihr Mitwirken bedanken und ihnen meine tiefe Bewunderung für ihre Stärke in der Meisterung ihrer so schwierigen Lebenslagen ausdrücken. In der Einleitung widme ich mich nach einem kurzen Aufriss der atypischen und prekären Beschäftigung in Österreich insgesamt vor allem der Frage, wie es zu den heutigen Missständen und Problemen am europäischen Arbeitsmarkt kommen konnte. Meine Darstellung beinhaltet eine kurze Skizzierung der umfassenden Deregulierungsmaßnahmen unter dem Etikett der „Flexibilisierung“, beginnend mit den späten 1970er-Jahren in Großbritannien über die Agenda 2010 in Deutschland bis zu den Eingriffen, die infolge der Finanzkrise vorgenommen wurden. Der Blick über die Grenze zeigt, wie fehlende Regulierungen, die auf den ersten Blick wie unnötige Details wirken mögen, große Sicherheitslücken in das soziale Netz europäischer Länder gerissen und einen riesigen Niedriglohnsektor verursacht haben. Nach den acht Berichten findet sich im Epilog eine kurze aktuelle Einschätzung zu den geplanten Maßnahmen der rechtskonservativen ÖVP-FPÖ-Regierung, die eine Verschlechterung der Lage aller Arbeitenden bedeuten. Abschließend folgt ein Ausblick, der unsere Handlungsmöglichkeiten aufzeigen soll. Denn ein prekärer, auf Ausbeutung beruhender Arbeitsmarkt passiert nicht einfach. Er ist das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen oder der Verabsäumung ebendieser. Was auch immer uns manche erzählen mögen – wir müssen hart erkämpfte Errungenschaften und Rechte nicht aufgeben, weil Veränderungen nicht zwangsläufig zu Verschlechterungen führen müssen. Im Gegenteil: Es besteht keine echte Notwendigkeit dafür, dass wenige sehr gut und viele sehr schlecht für ihre Arbeit entlohnt werden. Arbeit verschwindet auch nicht einfach durch den technologischen Fortschritt und löst sich in Luft auf. Die Frage ist nur, wie wir Arbeit zukünftig verteilen und bewerten wollen, ob das solidarisch und gerecht oder sozialdarwinistisch erfolgen soll.
Erscheinungsdatum | 20.12.2018 |
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Reihe/Serie | Studien und Berichte |
Verlagsort | Wien |
Sprache | deutsch |
Maße | 130 x 209 mm |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Arbeits- / Sozialrecht ► Arbeitsrecht |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | Atypische Beschäftigung • befristete Arbeitsverhältnisse • Hungerlöhne • Lohnabhängigkeit • Normalarbeitsverhältnis • prekäre Arbeitsbedingungen • Prekäre Beschäftigung • Solidarität |
ISBN-10 | 3-99046-406-X / 399046406X |
ISBN-13 | 978-3-99046-406-9 / 9783990464069 |
Zustand | Neuware |
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