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Zwischen Intuition und Wissenschaft. Ein Versuch der soziologischen Interpretation von Oswald Spenglers Morphologie der Weltgeschichte

Buch | Softcover
100 Seiten
2018
Diplomica Verlag
978-3-96146-624-5 (ISBN)
39,99 inkl. MwSt
Vor genau einem Jahrhundert gab Oswald Spengler im Vorwort zum "Untergang des Abendlandes" seine Absicht bekannt, "Geschichte vorauszubestimmen". Dieser Anspruch wurde bekanntlich zur Zielscheibe von fachwissenschaftlicher Kritik, selbst der Titel von Spenglers Hauptwerk gilt seitdem als Idiom für düsteren Kulturpessimismus eines konservativen Querkopfes. Doch langsam machte sich im politischen und geisteswissenschaftlichen Milieu Ernüchterung breit. Schon A. Kissinger fand Spenglers Vorhersagen "verblüffend prägnant", und Adorno befürchtete sogar, dass "der Gang der Weltgeschichte selber seinen unmittelbaren Prognosen in einem Maße recht gab, das erstaunen müsste, wenn man sich an die Prognosen noch erinnerte. Der vergessene Spengler rächt sich, indem er droht, recht zu behalten. Nicht nur der vergessene, möchte man hinzufügen, sondern auch der nie richtig verstandene Spengler. Denn heute bleibt die Prägnanz seiner Prognosen immer noch ein Geheimnis, zumal sie abseits der etablierten Wissenschaft auf dem Weg der puren Intuition zustande kamen. Die vorliegende Untersuchung soll zur Lösung dieses Rätsels beitragen, indem sie Spenglers Methode soziologisch zu interpretieren versucht, soll heißen: sie vermittelt zwischen Intuition und Wissenschaft.

Textprobe: Kapitel 1: Intuition gegen Analyse Zu den Vordenkern seines intuitivistischen Paradigmas zählte Spengler Nietzsche und in noch höherem Grade Goethe: Von Goethe habe er die Methode, von Nietzsche die Fragestellungen. Von Goethe übernahm Spengler auch den zentralen für seine Theorie "Morphologie"-Begriff. Morphologische Erkenntnismethode lässt sich als ein kognitiver Modus interpretieren, der die Korrespondenz zwischen extra- und intrapsychischen Phänomenen voraussetzt und den Forscher zur Anschauung der einheitlichen organischen Formen hinter den einzelnen Natur- und Sozialphänomenen befähigt. Morphologie war ursprünglich eine Art Goethes Antwort auf das Verlangen des wissenschaftlichen Menschen, "die lebendigen Bildungen als solche zu erkennen, ihre äußern sichtbaren, greiflichen Teile im Zusammenhange zu erfassen, sie als Andeutungen des Inneren aufzunehmen und so das Ganze in der Anschauung gewissermaßen zu beherrschen. [...] Man findet daher in dem Gange der Kunst, des Wissens und der Wissenschaft mehrere Versuche, eine Lehre zu gründen, welche wir die Morphologie nennen möchten." (J.W. Goethe: Botanik [1807] in: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. 17. Zürich 1977, S. 13. In: Felken 1988:52) Konstitutiv für die Morphologie ist also Einfühlung des erkennenden Subjekts in die Ganzheit der Phänomene statt deren analytischen Zerlegung in Elemente. Goethe glaubte durch den intuitiven Vergleich der variierenden biologischen Formen einem "Typus" bzw. einem "Urphänomen" als einer idealen Form beikommen zu können. Spengler überträgt dieses Prinzip auf die Historie, wo er hinter der Vielfalt der miteinander korrelierenden politischen, wirtschaftlichen, technischen, sozialen, künstlerischen u. a. Erscheinungen eine morphologische Totalität, eine Kultur, erkannt zu haben glaubt. Das Projekt Morphologie der Weltgeschichte radikalisiert somit die epistemologischen Annahmen bisheriger intuitivistisch-historischen Ansätze, etwa die des "Ahndungsvermögen(s)" - wie es Humboldt forderte oder des "Akt(es) des Verständnisses" - welcher nach Droysen "als unmittelbare Intuition" erfolge, "als tauche sich die Seele in Seele, schöpferisch wie das Empfängnis in der Begattung." (J.G. Droysen: Historik. München/Wien 1977, S. 329) Spenglers Morphologie unterscheidet sich jedoch sowohl von Goethe als auch von den Repräsentanten des Historismus dadurch, dass sie das intuitive Prinzip vom rationalen abkoppelt und zur historischen Erkenntnismethode schlechthin erhebt. Felken erblickt in dieser Gegenüberstellung von Intellekt und Intuition Spenglers Nähe zur Lebensphilosophie: "Der Gegensatz zwischen einer schöpferischen Einfühlung und einem in der bloßen Extension der Erscheinung verharrenden Intellekt wurde von Bergson bis Ludwig Klages die stereotype Formel für den Angriff auf die wachsende Rationalisierung der Lebenswelt in der Moderne." (Ebd., S. 51). Dilthey-Schüler Manfred Schröter, durch den Spengler an die Philosophie des Lebens herangeführt wurde, ordnet den "Untergang des Abendlandes" als "intellektuelle Blüte" und gleichzeitig Abschluss des sich metaphysisch ausdrückenden "Kulturbewusstseins einer einheitlichen geistigen Gemeinschaft" einer viel älterer Tradition zu. In diesem "Bogen des Entwicklungsganges der neueren Metaphysik" folgen "drei entscheidende, im Genius sich aussprechende Entwicklungsstufen" aufeinander: "...Die aufsteigende Dreiheit Jakob Boehme, Leibnitz, Kant, die Dreiheit der idealistischen Vollendungshöhe Fichte, Schelling, Hegel und die absteigende Dreiheit Schopenhauer, Nietzsche, Spengler." (Schröter 1949:227) Die Originalität der Spenglerschen Theorie und zugleich ihr eklektischer Charakter machen deren Rückführung auf eine bestimmte Tradition problematisch, mag sie so weit gefasst sein wie die späte deutsche Metaphysik oder unmittelbar wie die Lebensphilosophie. Die Hervorhebung des metaphysischen Elements in Spenglers Theorie und dessen lebensphilosophischen F

Erscheinungsdatum
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 173 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Allgemeine Soziologie
Schlagworte Geschichtsphilosophie • makrosoziale Prognostizierung • Morphologie der Weltgeschichte • Oswald Spengler • Soziologie • Untergang des Abendlandes
ISBN-10 3-96146-624-6 / 3961466246
ISBN-13 978-3-96146-624-5 / 9783961466245
Zustand Neuware
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