Max Webers unwiderlegbare Fehlkonstruktionen (eBook)
332 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-40976-4 (ISBN)
Heinz Steinert ist Professor em. für Soziologie an der Goethe- Universität Frankfurt, wo er besonders über soziale Disziplinierung und ihre Geschichte gearbeitet hat. Er war Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien. Heinz Steinert lebt und arbeitet in Wien.
Heinz Steinert ist Professor em. für Soziologie an der Goethe- Universität Frankfurt, wo er besonders über soziale Disziplinierung und ihre Geschichte gearbeitet hat. Er war Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien. Heinz Steinert lebt und arbeitet in Wien.
Vorwort: Über die Lektüre klassischer Texte 12
Einleitung 20
Die widerlegungs-immune »Weber-These« 20
Der Text und seine Varianten 26
Teil I:Die »Große Erzählung« und die handwerkliche Sorgfalt 36
Das Problem 38
Das erste Kapitel 42
Zweifelhafte Statistiken und Reminiszenzen an Bismarcks »Kulturkampf« 42
Protestantismus im Deutschen Reich um die Jahrhundertwende 49
Das zweite Kapitel 56
Die (Fehl-)Konstruktion eines »Geist des Kapitalismus« 56
Schmoller, Brentano, Sombart und die historische Schule der Nationalökonomie 75
»Historisches Individuum« I: Benjamin Franklin – ein amerikanischer Aufklärer und Revolutionär 88
Das dritte Kapitel 95
»Asketischer Protestantismus« ist die Antwort, aber was war die Frage? 95
»Historisches Individuum« II: War Jakob Fugger der Reiche (1459–1525) ein Kapitalist? 109
Zwischenbetrachtung: Was ist das Forschungsprogramm? 115
Das vierte Kapitel 129
Die calvinistische Prädestinationslehre und wie man mit der metaphysischen Angst lebt, die sie macht 129
Kirchen, Orden, Sekten 140
»Historisches Individuum« III: Leon Battista Alberti (1404–1472) und Sombarts zweiter »Geist des Kapitalismus« 147
Das fünfte Kapitel 152
Seelsorgerische Lebensberatung und die Kapitalbildung durch asketischen Sparzwang 152
Die Reformation im Rückblick 158
Das sechste Kapitel 164
Wissenschaftliche Erfahrungen in Amerika über den Nutzen, einer Sekte anzugehören, sowie Vermutungen über die Grenzen der Abendmahlsgemeinschaft 164
Zugehörigkeit und Ausgrenzung: Die Puritaner und ihr Gottesstaat in Massachusetts 1630–1690 168
Teil II: Die Logik von historischen Zusammenhängen 174
Fragen der historischen Begriffsbildung: Wie unterscheidet sich eigentlich ein »Idealtypus« von einem üblichen, also weniger idealen Typus? 176
Kausalität und Wahlverwandtschaft: Wie der Kapitalismus geboren wird, sich durchkämpft, sich beschafft was er braucht – und seine Wahlverwandtschaften pflegt 192
Der Text als Springprozession: Wie man durch starke Behauptungen und vorsichtige Rücknahmen zugleich populär wirksam und wissenschaftlich seriös ist 207
Teil III: Die Blockade von wissenschaftlichem Fortschritt 218
Die »Troeltsch-Weber-These« und ihre Kritiker: Die Herren Professoren diskutieren 220
Hundert Jahre empirische Forschung: Widerlegungen und Fortführungen 236
Geschichtskonstruktionen 255
Was ist eigentlich so faszinierend an den Puritanern? 258
»Historisches Individuum« IV: Henry Fletcher, Margaret Carnegie, Sir John Clerk of Penicuik und der Geist des Kapitalismus im calvinistischen Schottland 262
Die Schicksale der »Protestantischen Ethik«: Konturen des Arbeitsprogramms für eine Rezeptionsgeschichte 265
Teil IV: Die »Protestantische Ethik« im preußischen Fin de siècle 276
Der Begriffsvorrat der Zeit 278
Die Erfahrungen der Jahrhundertwende 281
Die Malaise des bürgerlichen Individuums 285
Freud als Kritiker … 289
… und Weber als Erzieher 291
Das Fin de siècle in Heidelberg und Wien: eine Zwischenbilanz 294
Wirtschaft als Beruf: der verunsicherte Unternehmer als bürgerlicher Held 298
Dr. Sigmund Freud in Wien deutet eine Phantasie von »innerweltlicher Askese« 304
Literatur 310
A: Max Weber 310
B: Andere Literatur 312
Hundert Jahre empirische Forschung: Widerlegungen und Fortführungen (S. 235-236)
»Große Erzählungen« muss man in erster Linie historisieren und reflexiv interpretieren. Aber das schließt nicht aus, dass die zugehörigen Untersuchungen handwerklich solid gearbeitet sein sollten und dass man verlangen kann, sich auf die behaupteten Fakten, die erwähnt werden, verlassen zu können. Das gilt auch für die »Weber-These« – die schließlich mit dem Anspruch vorgetragen wurde, eine historische Wirklichkeit nachzuzeichnen, und die auch heute noch so gelesen wird.
Es wurde und wird daher immer wieder versucht, empirische Materialien beizubringen, die sie stützen oder widerlegen – das meiste davon mit dem Ergebnis, dass sie eher nicht stimmt. Zusätzliche Empirie wäre schon deshalb nötig, weil die von Weber selbst vorgelegte dürftig bis irreführend ist. Nur ist solche Umsetzung einer »These « in Beobachtbares nicht so einfach. Das negative, aber genauso das positive Ergebnis einer Untersuchung kann immer daran liegen, dass die »Operationalisierung « unangemessen ist.
So wurde und wird zum Beispiel, in Umsetzung der populären Form der »These« und zumindest ermutigt vom ersten Kapitel der »Protestantischen Ethik«, gern untersucht, ob tatsächlich Protestanten anders arbeiten und leben als Katholiken oder etwa Leute, die einen Shinto-Schrein besuchen. Letztere waren besonders interessant in den 1980ern, als in Japan die kapitalistische Wirtschaft zu blühen schien und Manager wie Industriesoziologen nach Japan pilgerten, um dort die Vorteile der lean production, also eine erste Blüte der neoliberalen Produktionsweise zu studieren.
Seit die Blase in Japan schon in den 1990ern platzte, überzeugen und interessieren uns die »konfuzianischen Werte« deutlich weniger, die für fleißige, dem Betrieb ergebene, genügsame Arbeitskräfte verantwortlich sein sollten und auf die das »fernöstliche Wirtschaftswunder« gern zurückgeführt wurde. Es lässt sich leicht zeigen, dass solche Untersuchungen mit den Annahmen, die sich im Text der »Protestantischen Ethik« tatsächlich finden, nichts zu tun haben. Dort wird nämlich, wie erinnerlich, die These, der »Geist des Kapitalismus« sei als unbeabsichtigte Nebenfolge aus dem »asketischen Protestantismus « entstanden, streng auf das 17., vielleicht noch 18. Jahrhundert eingegrenzt, danach sei der moderne Kapitalismus selbsttragend geworden und brauche keine religiöse Unterstützung mehr.
Diese Art von heutiger Empirie sagt also nichts über die Triftigkeit dessen, was Max Weber seinerzeit geschrieben hat, sondern nur etwas über eine grobe Verallgemeinerung, die aus Webers späterer Annahme eines spezifisch »okzidentalen Rationalismus « eine generelle »Überlegenheit der westlichen Werte« herausgelesen hat. Große Unruhe daher, wenn in Regionen mit nicht so »westlichen Werten« wie Japan, Korea und neuerdings sogar in einem kommunistischen China erfolgreich kapitalistisch gewirtschaftet wird.
Erscheint lt. Verlag | 13.9.2010 |
---|---|
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie | |
Schlagworte | Arbeitsmoral • Benjamin • Franklin • Franklin, Benjamin • Kapitalismus • Max • Protestantische Ethik • Weber • Weber, Max |
ISBN-10 | 3-593-40976-3 / 3593409763 |
ISBN-13 | 978-3-593-40976-4 / 9783593409764 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 3,8 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: PDF (Portable Document Format)
Mit einem festen Seitenlayout eignet sich die PDF besonders für Fachbücher mit Spalten, Tabellen und Abbildungen. Eine PDF kann auf fast allen Geräten angezeigt werden, ist aber für kleine Displays (Smartphone, eReader) nur eingeschränkt geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. den Adobe Reader oder Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. die kostenlose Adobe Digital Editions-App.
Zusätzliches Feature: Online Lesen
Dieses eBook können Sie zusätzlich zum Download auch online im Webbrowser lesen.
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich