Toskana

Eva M. Salzgeber ist Grafikerin und lebt zeitweise in Italien. Durch den herzlichen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung der Toskana hat sie Zugang zu den traditionellen und ursprünglichen Festen gefunden und die authentische Toskana erlebt, die für die

TORTELLI-FEST

Diese italienischen Autofahrer – die können nerven! Obwohl, es ist ja eigentlich gar keine typisch italienische Fahrweise, die sich in den letzten Jahren auch auf Italiens Straßen eingebürgert hat. Dicke Autos sind einfach immer schnell und dürfen immer links fahren, egal wieviel Chaos sie verursachen. Irgendwann mitten im Apennin wird es einem dann zu viel, und statt wieder einmal im verlangsamten Schneckentempo durch die Tunnel-Kurven-Strecke zu kriechen, bietet es sich an, die Ausfahrt ›Pian del Voglio‹ zu nehmen und die Autoschlange hinter sich zu lassen. Sobald man hier die ›Autostrada del Sole‹ verlässt, befindet man sich schlagartig mitten in der Ruhe der schönsten Berglandschaft. Noch ein Blick zurück zur Autobahn und dann weiter hinein in die Landschaft. Nach ein paar Kurven ist man dann auch schon angekommen – in der Toskana, wie das Schild am Straßenrand verkündet.

EINE BILDERBUCHLANDSCHAFT ...

Die Natur zeigt sich immer abwechslungsreicher, je weiter man sich ins ›Mugello‹, wie dieser Landstrich genannt wird, hinein bewegt. Die allgegenwärtigen toskanischen Hügel sind hier zu richtigen Bergen angewachsen und so geht es bergauf und -ab. Der Appenin hat doch beeindruckende Höhenmeter zu verzeichnen und man fährt durch lichte Tannen-, Eichen- und frühlingsgrüne Buchenwälder. Vorbei an der bekannten Mineralwasser-Fabrik ›Acqua di Panna‹ und unzähligen fotografierenswerten Ausblicken. Jeder Stopp wird vom melodiösen Gesang der Nachtigallen untermalt, die hier die ›Macchia‹ bewohnen. Es blüht alles, was die Natur für diesen Landstrich vorgesehen hat – ein Farbenrausch: flirrend gelber Ginster, knallblaue winzige Sternchen am Borretsch, zarte babyrosa Wildrosen, weiße Blütentrauben an den Akazien, weinroter Hornklee, rosa duftende Thymianpolster und dazu alle erdenklichen Schattierungen von Grün unter dem weiten blauen Himmel. Nur langsam kommt man voran, nähert sich endlich dem Ziel, dann hält einen auch noch die Kultur auf – die große Medicivilla ›Caffaggiolo‹ lockt und will besichtigt werden.

TORTELLI DI PATATE
KARTOFFELTORTELLI

Pastateig kann man mit den verschiedensten Füllungen zubereiten, eine
typische Version für das ›Mugello‹, die Gegend nördlich von Florenz,
sind die mit Kartoffeln gefüllten runden oder eckigen ›Tortelli‹.

Zubereitung:
Aus dem Mehl, den Eiern, etwas Salz und wenig Wasser einen Pastateig
zubereiten. Gut durchkneten und für eine Stunde ruhen lassen.
Die Kartoffeln mit der Schale in Salzwasser kochen. Abgießen und nur kurz abkühlen lassen, sofort schälen und möglichst warm passieren.
Den Bauchspeck sehr fein würfeln. Die Knoblauchzehen abziehen und mit dem Handballen etwas andrücken. In einem Topf etwas Olivenöl erhitzen, den Speck, Knoblauch und ein paar Rosmarinnadeln zufügen. Sobald der Knoblauch Farbe nimmt, herausnehmen – ebenso den Rosmarin.
Das aromatisierte Olivenöl und den angebratenen Speck zu den passierten Kartoffeln geben. Das Tomatenmark in etwas Wasser lösen und zusammen mit den Eiern sowie dem Parmesan, geriebener Muskatnuss, Salz und Pfeffer dazugeben und alles gut vermengen. Zur Seite stellen.
Den Pastateig sehr dünn auswellen und mit einem Glas oder einem
geeigneten Teigausstecher Kreise ausstechen. Diese sollten ca. 5 Zentimeter im Durchmesser haben.
In die Mitte der Kreise ein Häufchen der Kartoffelmasse setzen, den Teigrand mit etwas Wasser anfeuchten und mit einem zweiten Teigkreis bedecken, den Rand mit einer Gabel fest andrücken.
Die fertigen Tortelli in ausreichend Salzwasser garen und heiß mit
zerlassener Butter und geriebenem Parmesan bestreut servieren.

Die weiche Füllung der>Tortelli< harmoniert nicht nur sehr gut mit dem delikaten Aromen von Butter und Salbei – ein kräftig schmeckender Fleisch- oder Wildschweinsugo bildet auch einen spannungsreichen Kontrast zu den zarten Teigtäschchen.

FRÜHLING SAGRE TOSCANE

Im Hinterland der Provinzhauptstadt Grosseto liegt ein Dorf, das in jeder Hinsicht überrascht! Eigentlich erwartet man in den abseits gelegenen Plätzen einen von alten bäuerlichen Gebäuden geprägten Ort – Arcille ist das komplette Gegenteil davon! Im Verlauf der letzten Jahrzehnte entstand aus einer kleinen Ansiedlung ein modern und etwas kühl wirkendes Ortsbild, dem seine freundlichen Einwohner aber typisch toskanische Lebendigkeit verleihen.

FAVA
SAUBOHNEN-FEST

›Fave‹, oder ›Baccelli‹, wie sie in der Toskana genannt werden, sind dicke Bohnen, die bei uns unter den Bezeichnungen Acker-, Puff-, Sau- oder
Pferdebohne bekannt sind. Diese großen Bohnen haben eine lange Tradition in den Küchen des Mittelmeerraums. Sie zählen mit zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschen – schon im Rom der Kaiserzeit waren sie ein Leibgericht der Armen. Sie galten aber auch als wirksames Mittel gegen böse Hausgeister – um diese zu vertreiben, warf man eine Handvoll Bohnenkerne hinter sich.
›Baccelli‹ gehören nicht zur Familie der Hülsenfrüchte, sondern sind, botanisch betrachtet, Verwandte der Wicken, zählen also wie die Erbsen zu den Schmetterlingsblütlern. Während bei den grünen Bohnen die Hülsen verzehrt werden, sind die Schalen der großen Ackerbohnen mit ihrer festen, samtartig behaarten Struktur nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. Man isst nur die darin befindlichen Samen, flache, unregelmäßig geformte Kerne. Diese Kerne, die eigentlichen ›Fave‹, schmecken am besten, wenn sie jung und ganz frisch gegessen werden. Dann ist die Samenschale noch zart und die Bohnenkerne zeigen ein zartes Grün.

Diese dicken Bohnen sind in der Toskana so beliebt, dass mehrere Orte eine Sagra unter ihrer »Schirmherrschaft« veranstalten. Im Mai und Anfang Juni stößt man deshalb immer wieder auf Plakate, die zum Verzehr der erntefrischen Feldfrüchte locken. Folgt man einem dieser oft schreiend bunten Papiere, die an Autobahnbrücken, auf Hausmauern und auch vorschriftsmäßig auf Plakatwänden kleben, landet man meist in ganz kleinen Orten, abseits den viel befahrenen Straßen. Allein schon das Betrachten einer italienischen Plakatwand liefert genügend Stoff für die Entstehung von phantastischen Geschichten. Kommen dann noch die Eindrücke dazu, die man in den kleinen Orten und im Verlauf eines solchen Festes sammeln kann, lassen sich mit ein wenig Phantasie sicherlich Romane damit füllen. Auch Arcille bietet der Vorstellungskraft Futter – ein Ort, der ein wenig wie die wahr gewordene Idee eines Architektenteams aus den 50er und 60er Jahren wirkt. Hier ist alles neu, sogar die Kirche! Nicht einfach renoviert, sondern alles wirklich neu gebaut. Eine etwas beklemmende Assoziation entsteht, wenn man an die so genannten architektonischen Idealstädte der faschistischen Bauherren denkt ...