Isometrisches Krafttraining (eBook)

2 Theorie

2.1Unseren Körper verstehen – oder warum wir stärker werden

Unser Körper ist ein Wunder der Natur und er ist Teil der Natur. Und, in der Natur wird nichts verschwendet. In der Natur gibt es nichts umsonst, alles, was existiert, hat auch einen Sinn, jede Pflanze und jede noch so kleine Mücke. Wenn man Vögel aus seinem Garten vertreibt, wird man dafür viele Insekten haben, da sie keinen „Feind“ mehr haben, doch irgendwann wird die Natur diesen Missstand erkennen und ein anderes Tier wird sich auf die Insekten spezialisieren. In der Natur strebt alles nach Harmonie.

Genauso verhält es sich auch mit unserem Körper. Gerät irgendetwas aus der Balance, werden wir krank. Aber, wenn man es genau nimmt, werden wir nicht krank, sondern wir werden gesund! Nun, meistens jedenfalls. Wir sagen oft, wenn man Fieber hat, ist man krank, jedoch ist Fieber eine Funktion des Immunsystems, d. h., Fieber ist keine Krankheit, es ist eine Abwehrfunktion des Körpers. Hat der Körper Fieber, ist er im Begriff, gesund zu werden. Das Immunsystem stellt somit die Balance wieder her und wird sogar noch stärker.

Bei den Muskeln ist es ähnlich. Im Grunde will sich der Körper nicht anstrengen. Er läuft immer, soweit es geht, auf Sparflamme. Wenn man einen langen Spaziergang macht, merkt man schon nach etwa einer halben Stunde, dass man müde wird, doch das heißt noch lange nichts! Wenn es sein müsste, könnte man noch fünf weitere Stunden oder mehr laufen. „Ich kann nicht“, heißt oft „ich will nicht“.

Wenn wir eine Hantel in die Hand nehmen und den Körper zwingen, damit 10 Wiederholungen zu machen, wird er wegen der ungewöhnlichen Anstrengung müde. Wird man das öfters wiederholen, merkt er, dass die Arbeit ihn, in seinem momentanen Zustand, überfordert und er versucht, eine Balance herzustellen. Und wie macht er das? Ganz einfach, er wächst! Regelmäßiges Krafttraining führt zu einer Querschnittsvergrößerung der beanspruchten Muskelfasern. Damit will uns der Körper das Leben leicht machen. Er passt sich an, indem er größer wird.

2.2Isometrisches Training – der Weg zu mehr Kraft

Je schwerer die Gewichte sind, die der Muskel bewegen muss, desto größer wird er, denn Kraft hat auch immer etwas mit Masse zu tun. Doch beim isometrischen Training hebt man nichts, keine Gewichte. Wie kann man da stärker werden? Man hat ja nicht einmal die Möglichkeit, die Intensität zu steigern, indem man schwerere Gewichte nimmt. Die gute Nachricht für alle, die stärker werden möchten, ohne Muskelmasse aufzubauen, ist, dass das isometrische Training genau das ermöglicht.

Doch bevor der nächste angehende Mr. Universe das Buch zur Seite legt, isometrisches Training kann man auch nutzen, um Muskelmasse aufzubauen. Jeder weiß ja, wer muskulöser sein will, muss ganz einfach stärker werden und durch isometrisches Training wird man es. Wie genau das gehen soll, werden wir später sehen. Jetzt möchte ich Ihnen zeigen, wie isometrisches Training funktioniert und was genau Sie sich davon erhoffen können.

Haben Sie schon mal Ihre Zeit im Internet mit dem Anschauen von mehr oder weniger sinnlosen Videos verbracht? Haben Sie? Hier noch so eine Aufgabe: Suchen Sie mal nach Videos, in denen Bodybuilder Armdrücken gegen professionelle Armwrestler machen. Was Sie sehen werden, ist, dass der Armwrestler, obwohl meist nicht so massiv wie der Bodybuilder, das Match für sich entscheidet. Doch wie kann das sein? Der Durchmesser des Muskels hat doch direkte Auswirkung auf die Kraft und der Bodybuilder hat doch immer zumindest den größeren Bizeps.

Klar, da gibt es die Technik und die Erfahrung des Armwrestlers, doch der entscheidende Unterschied ist das Training. Während das Training eines Bodybuilders oft explosiv ist, trainiert der Armwrestler viel isometrisch. Sagen wir mal, der Bodybuilder macht Bizeps Curls (Armbeugen mit einer Langhantelstange). Er beugt seine Arme und bringt das Gewicht relativ leicht nach oben, bis zu einem gewissen Punkt, der kurz bevor Unterarm und Oberarm im 90°-Winkel sind, erreicht wird. Dann wird es richtig anstrengend. Doch ist man an diesem anstrengenden Punkt vorbei, fühlt sich das Gewicht nicht mehr so schwer an. Wenn man an diesem Punkt, sagen wir nach 10 Wiederholungen, nicht mehr (bei richtiger Ausführung) vorbeikommt, hört man mit der Übung auf.

Wie sieht es bei dem Armwrestler aus? Bizeps Curls? Nee, er hängt sich lieber an eine Klimmzugstange und zwar mit nur einem Arm, der etwa 90° (Unterarm zu Oberarm) gebeugt ist, also der schwierigste Teil bei den Bizeps Curls. Und er hängt einfach so da! Solange er kann. Danach geht er hin und macht Armdrücken, doch auch das ist keine dynamische Bewegung. Er drückt und drückt und erst nach einer Weile kann etwas passieren, einer der Teilnehmer hat keine Kraft mehr …

Was das uns sagt, ist, dass der Bodybuilder stark ist, jedoch gebraucht er seine maximale Kraft nur für einige Sekunden innerhalb einer ganzen Trainingseinheit. Der Armwrestler dagegen kann lange Zeit seine Maximalkraft aufrechterhalten. Wenn der Bodybuilder nicht innerhalb der ersten 2-3 Sekunden gewinnt, wird er es auch später nicht schaffen. Seine Kraft lässt nach und er verliert.

(Nur am Rande, ein „normaler“ Mensch wird gegen einen massiveren, schwereren Gegner das Match eher nicht gewinnen.)

Doch ich will Sie nicht mit theoretischen Überlegungen langweilen. Ich kann Ihnen all das, was ich gesagt habe, auch beweisen. Dazu brauchen Sie nur eine Personenwaage. Ach ja, bevor Sie jetzt ins Bad oder Schlafzimmer rennen, sage ich Ihnen gleich, wie Sie meine Theorie testen können:

Nehmen Sie die Waage vom Boden und halten Sie sie vor Ihrem Körper. Drücken Sie die Waage jetzt mit Ihren beiden Händen zusammen und sehen Sie auf die Anzeigetafel. Sagen wir, sie zeigt 100 kg. Das heißt, Sie drücken die Waage mit 100 kg zusammen. Aber lassen Sie nicht gleich los. Drücken Sie weiterhin, so stark Sie nur können. Was passiert jetzt? Schon nach einer Sekunde zeigt die Waage nur noch 95 kg und nach fünf Sekunden sind es nur noch 90!

Wie Sie sehen, können Sie Ihre Maximalkraft nicht länger als eine einzige Sekunde aufrechterhalten. Wenn Sie jedoch jeden zweiten Tag hingehen und die Waage 10 Sekunden lang zusammenpressen, werden Sie bald feststellen, dass Sie die 95 kg plötzlich fünf Sekunden lang halten können.

Isometrisches Training ist also eine Methode, mit der man lernen kann, seine Maximalkraft über eine lange Zeitspanne aufrechtzuerhalten.

Wie das funktioniert, möchte ich Ihnen auch noch kurz erklären. Ein Muskel besteht bekanntlich aus Muskelfasern. Wenn wir diese Muskelfasern kontrahieren, entwickeln wir Kraft, doch ist es nicht möglich, alle Muskelfasern auf einmal zu kontrahieren. Selbst unter Einnahme von Dopingmitteln oder sogar unter Todesangst erreicht man Werte unter 90 %. Für gewöhnlich liegt der Höchstwert bei maximal 70 %. Dies geschieht aus Schutz gegen Muskelversagen, denn wenn die einen Muskelfasern ermüden, übernehmen andere die Arbeit. Durch isometrisches Training wird die Koordination unter den Muskelfasern verbessert und man lernt, mehr Muskelfasern zu aktivieren.

Isometrisches Training = maximale Muskelkraft ∗ Zeit

2.3Kraftausdauer

Ebenfalls lässt sich das isometrische Training dafür einsetzen, um die Kraftausdauer zu verbessern. Unter diesem Begriff verstehen die Sportwissenschaftler einen Widerstand des Organismus gegen Ermüdung bei lang anhaltenden Belastungen, die viel Kraft erfordern. Aus dem Bodybuilding kennen wir es so: Trainiert man mit schweren Gewichten und wenigen Wiederholungszahlen, baut man seine Kraft/Maximalkraft auf. Trainiert man im Bereich zwischen 15-50 Wiederholungen, so trainiert man die Kraftausdauer. Dabei ist jedoch nicht die Wiederholungszahl wichtig, sondern die Reizdauer. Der Unterschied zu reinem Ausdauertraining besteht darin, dass beim Kraftausdauertraining der Muskel mit bis zu 60 % der Maximalkraft arbeitet, und daher viel Energie braucht.

Sie werden in diesem Buch zweierlei Arten von Übungen finden, diejenigen, die die Dauer Ihrer Maximalkraft erhöhen können und die, welche Ihre Kraftausdauer verbessern werden. Alle Übungen, die Sie länger als 30 Sekunden halten können, verbessern Ihre Kraftausdauer. (In der Trainingswissenschaft wird eine Reizdauer von mindestens 60 Sekunden empfohlen, um die Kraftausdauer zu trainieren. Jedoch gilt dies eher für dynamisch ausgeführte Übungen. Ich schlage die 30 Sekunden also als einen Startpunkt vor, um sich hochzuarbeiten.) Halten Sie also am besten bei solchen Übungen eine Stoppuhr bereit und versuchen Sie, bei Übungen, die Sie für sehr wichtig erachten, immer länger die isometrische Spannung zu halten.

Isometrische Spannung über 30 Sekunden = Verbesserung der Kraftausdauer

2.4Mind-Muscle-Connection

Der Grad der Verbindung zwischen dem Körper und dem Geist (englisch mind-muscle-connection), ist das, was einen Anfänger zu einem Profi macht. Ein Trainer würde dazu vielleicht auch intra- und intermuskuläre Koordination sagen.

Das...