Kleine Sprachhelden (eBook)
240 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-30530-7 (ISBN)
Soll ich mit meinem Kind schon im Mutterleib reden? Wie viele Wörter sind im ersten Lebensjahr normal? Worauf muss ich bei Mehrsprachigkeit achten? Die Themen Sprachentwicklung und Sprachförderung treten bei vielen Eltern immer mehr in den Fokus. Und vor allem, wenn nicht alles nach Plan läuft, ist die Verunsicherung schnell groß.
Die erfahrene Kinderlogopädin Carina Kittelberger kennt alle Fragen, Sorgen und Nöte und unterstützt Eltern seit vielen Jahren dabei, spielerisch die kindliche Sprachentwicklung anzuregen und zu begleiten. Zugänglich und praxisnah erklärt sie, wie Sprache entsteht, was gute Rahmenbedingungen für den Spracherwerb sind und wo Fallstricke lauern. Sie betont die Bedeutung des Spiels für das Erlernen einer Sprache und räumt mit zahlreichen Mythen rund um das Thema Sprachentwicklung auf. Eltern erhalten so eine gute Orientierung über zentrale Meilensteine für die ersten sechs Lebensjahre, aber auch Hinweise und Unterstützung, um Sprachentwicklungsverzögerungen frühzeitig zu erkennen und kompetent gegensteuern zu können.
Carina Kittelberger ist Kinderlogopädin, seit 2013 mit eigener Praxis für Kinder in Wien, wo sie Eltern in allen Fragen rund um Sprachentwicklung und bei Problemen bei Spracherwerb berät, auch als Onlineberatung. Darüber hinaus vermittelt sie ihr Wissen auf ihrem schnell wachsenden Instagram Account (sprecherei, 100k Follower), der Eltern Informationen zur Sprachentwicklung und Tipps zur Sprachförderung bietet. Kittelberger ist Mutter zweier Kinder.
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Das braucht dein Kind, um sprechen zu lernen
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was Sprache eigentlich ausmacht, wie Wörter entstehen oder warum dein Kind plötzlich beginnt, dich zu verstehen? Um dein Kind optimal in seiner Sprachentwicklung zu unterstützen, ist es zunächst wichtig zu wissen, wie Sprache überhaupt zustande kommt. So kannst du dein Kind mit größerer Selbstsicherheit begleiten und unterstützen. Dabei möchte ich zunächst betonen: Sprechen zu lernen kannst du deinem Kind nicht direkt beibringen. Es wäre wunderbar, wenn du sagen könntest: »Los, mein Liebling, sprich jetzt, damit ich verstehe, was du möchtest. Versuche bitte, klar und deutlich zu sprechen, damit alle dich gut verstehen können. Und achte dabei darauf, dass du auch verstehst, was ich dir sage. So können wir besser miteinander kommunizieren.«
So einfach ist es leider nicht. Obwohl du einen erheblichen Einfluss auf die Sprachentwicklung deines Kindes hast, ist sie nicht allein von dir abhängig. Eltern neigen dazu, sich Vorwürfe zu machen und darüber nachzudenken, was sie besser oder anders hätten tun sollen, wenn ihr Kind bestimmte sprachliche Meilensteine nicht erreicht. Vergiss nicht: Deine Elternschaft wird nicht an den Meilensteinen deines Kindes gemessen. An dieser Stelle möchte ich dir den Druck nehmen. Du bist nicht schuld, wenn dein Kind Meilensteine nicht erreicht. Auch Genetik und Umwelteinflüsse spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung deines Kindes. Was du aber auf alle Fälle tun kannst: Schaffe eine liebevolle Atmosphäre, in der sich dein Kind gut begleitet fühlt, sich dir gerne mitteilt und in der es sich nicht gemaßregelt und korrigiert fühlt.
Ein besonderes Medium
Wir Menschen sind faszinierend: Pflanzen und Tiere kommunizieren untereinander mittels bestimmter Duftstoffe, unterschiedlicher Geräusche oder auffälliger visueller Signale, wie leuchtende Farben oder markante Muster auf Federn oder Fell. Nur wir Menschen haben ein einzigartiges Kommunikationssystem entwickelt: Ein System aus Lauten und Zeichen, die flexibel zu Wörtern und komplexen Sätzen kombiniert werden können, um unseren Mitmenschen Botschaften zu übermitteln. Darüber hinaus ermöglicht uns Sprache, über Dinge zu sprechen, die wir nicht unmittelbar sehen oder hören können. Wir können über die Vergangenheit, die Zukunft, unsere Träume, Wünsche und Gedanken sprechen.
Bevor dein Kind überhaupt geboren wird, ist sein Gehirn bereits darauf vorbereitet, Sprache zu verarbeiten und zu erlernen. Das ermöglicht es ihm, Informationen zu verstehen, zu verarbeiten und auch selbst zu sprechen. Die notwendigen Organe für das Sprechen, wie Lunge, Luftröhre, Kehlkopf, Zunge und Lippen, sind bereits bei Neugeborenen vorhanden. Auch das Zusammenspiel von Gehirn, Ohren und Augen spielt eine entscheidende Rolle beim Entdecken der Sprache.
Wenn du jemanden sprechen hörst, nehmen deine Ohren Schallwellen auf und leiten sie als elektrische Signale an das Gehirn weiter. Beim Lesen nehmen deine Augen visuelle Reize auf und übermitteln sie ebenfalls an das Gehirn. Viele Bereiche müssen im Gehirn zusammenspielen, um Sprache zu verarbeiten. Laute und Buchstaben müssen entschlüsselt werden, Wörter erkannt, die Grammatik von Sätzen analysiert und deren Bedeutung interpretiert werden. Das Gehirn führt diese Schritte nahezu gleichzeitig aus, um ein schnelles und flüssiges Verständnis von Sprache zu ermöglichen.
Wenn du auf das Gehörte mit deinen Gedanken, Ideen oder Emotionen antworten möchtest, müssen verschiedene Organe und Muskeln zusammenarbeiten. Deine Lunge schickt Luft über die Luftröhre zum Kehlkopf, wo die Stimmlippen die Luft in Schwingung versetzen. Die Geschwindigkeit, die Spannung und Position der Stimmlippen bestimmen die Tonhöhe deiner Stimme. Der erzeugte Schall gelangt dann in den Mund, wo die Laute und Wörter geformt werden. Die Koordination von Zunge, Lippen, Gaumen und Zähne ist entscheidend, um verständlich zu sprechen.
Obwohl das Sprechen für die meisten Menschen mühelos ist, kann es für einige eine Herausforderung darstellen, bedingt durch Sprachstörungen oder anatomische Abweichungen, die die Kommunikation beeinflussen können. Dazu liest du mehr in den Kapiteln Diagnosen und Besondere Herausforderungen.
Das Hören
Das Hören ist eine grundlegende Voraussetzung, um Sprache zu erwerben. In meiner logopädischen Arbeit spielt es eine zentrale Rolle. Bereits bei Neugeborenen wird im Krankenhaus ein Hörtest durchgeführt. Bei diesem Test wird unter anderem ein kleiner Stöpsel in das Ohr deines Babys gehalten, der ein akustisches Signal an das Trommelfell sendet. Mit diesem Verfahren wird überprüft, ob das Trommelfell des Babys ordnungsgemäß schwingt und Signale zurücksendet. Es ist jedoch möglich, dass der Hörtest nicht sofort erfolgreich ist, da noch Fruchtwasser oder Ohrenschmalz im Gehörgang vorhanden sein können.
Ab etwa zwei Monaten beginnt dein Baby, sich auszuprobieren, indem es quietscht, gurrt, schnalzt oder andere amüsante Laute macht. Selbst Kinder, die schlecht oder gar nicht hören, produzieren in diesem Alter unterschiedliche Geräusche. Diese Geräusche entstehen zufällig, während das Baby mit seinen Artikulationsorganen experimentiert. Mit einem halben Jahr werden die Geräusche bewusster und gezielter. Dein Kind kann nun willentlich verschiedene Laute produzieren und hört sich selbst gerne dabei zu. Kinder mit Hörschwierigkeiten neigen dazu, in diesem Alter zu verstummen, da ihnen die akustische Rückmeldung fehlt und sie daher nicht motiviert sind, ihre Sprechbewegungen weiterzuentwickeln.
Wenn Familien in meine Praxis kommen, weil die Kinder noch nicht oder zu wenig sprechen, empfehle ich immer eine pädaudiologische Abklärung, also einen Hörtest. Es könnte sein, dass sich im Mittelohr des Kindes durch wiederholte Erkältungen Sekret angesammelt hat, das nun zähflüssig geworden ist. Dieser sogenannte Paukenerguss verhindert, dass das Trommelfell richtig schwingt, was zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens führen kann. Das Phänomen kann mit dem Gefühl verglichen werden, mit Watte im Ohr zu hören, wie bei einer Erkältung. Dein Kind kann dich und andere einfach nicht gut hören. Kann dein Kind nicht gut hören, hat es Schwierigkeiten, sich in lauter Umgebung zu konzentrieren oder Gesprächen zu folgen.
Ein solcher Paukenerguss sollte unbedingt von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder einer Hals-Nasen-Ohren-Ärztin abgeklärt werden, um die bestmögliche Unterstützung für dein Kind zu gewährleisten. Sobald der Paukenerguss behandelt worden ist und die Flüssigkeit aus dem Mittelohr entfernt wurde, verbessert sich in vielen Fällen auch die Sprache deines Kindes. Manche Kinder neigen zu immer wiederkehrenden Paukenergüssen. Dann können Paukenröhrchen helfen, die mittels einer Operation ins Trommelfell eingesetzt werden und die angesammelte Flüssigkeit abfließen lassen.
Sprache beruht auf inneren Bildern
Sprache sind innere Bilder – Vorstellungen von Dingen, Personen, Handlungen und Gefühlen. In den ersten Lebensjahren eines jeden Menschen entstehen diese individuellen und einzigartigen inneren Bilder. Wenn ich von einem riesigen Baum berichte, den ich gestern gesehen habe, stellt sich die Frage: An welchen Baum denkst du? Denkst du dabei an einen Tannenbaum im Wald oder an eine hohe Palme in Kalifornien? Dein Gehirn ruft automatisch das Bild ab, das du mit dem Wort »Baum« verbindest – sei es ein Nadelbaum oder eine Palme.
Ähnlich verhält es sich mit anderen Begriffen wie »Auto«. Denkst du an einen roten Ferrari oder an einen gelben Kia? Bei »Fisch« tauchen Bilder von Regenbogenfischen, dem Clownfisch Nemo oder dem grünen Fisch in Tante Gundulas Aquarium auf. Selbst ein einfacher Begriff wie »Ball« kann verschiedene Vorstellungen hervorrufen – sei es ein großer Wasserball oder ein kleiner Flummi. Diese Bilder sind alle mit einem realen Gegenstand verbunden.
Geht es jedoch um einen Begriff wie »Urlaub«, wird es noch komplizierter, denn hier gibt es kein eindeutiges Bild. Für dich mag er für Urlaub am Strand mit Sand unter den Füßen und gelegentlichem Hüpfen in den Wellen stehen, während Tante Gundula an einen Wanderausflug in den Bergen denkt. Das Wort »Urlaub« an sich ist mit keinem realen Gegenstand verbunden, sondern mit inneren Bildern und Vorstellungen. Dies zeigt dir, dass Sprache viel komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint.
Aber wie entstehen diese inneren Bilder? Stell dir vor, dein Baby erhält von Tante Gundula einen roten Ball als Geschenk. Zuerst hat es keine Vorstellung von einem Ball oder dem Wort »Ball« an sich. Dein Baby sieht, wie du den Ball zu ihm rollst und wie du ihn springen lässt. Es lernt, Gesehenes mit Gehörtem zu verknüpfen. Durch tägliches Spielen mit dem roten Ball und dadurch, wie du das Spiel sprachlich begleitest – »Du liebst diesen Ball« oder »Da ist der Ball« – verknüpft das Kind das Wort »Ball« mit dem runden, roten Objekt und baut sein eigenes inneres Bild davon auf.
Nun besucht ihr euren Freund Henry. Jetzt kommt die nächste Komplexitätsstufe beim Aufbau des Bildes »Ball«. Henry hat einen kleinen rosa Ball mit schwarzen Tupfen, den ihr hin und her rollt. Auch hier sagst du immer wieder: »Ball«, und dein Kind lernt, dass auch der rosa Ball mit den schwarzen Tupfen als »Ball« bezeichnet wird. Dein Kind lernt, dass verschiedene Objekte als »Ball« bezeichnet werden können, solange sie gemeinsame Merkmale wie Rundheit und Rollbarkeit teilen....
Erscheint lt. Verlag | 23.10.2024 |
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Zusatzinfo | Durchgehend zweifarbig |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | 2024 • eBooks • Eltern • erste Laute • erste Wörter • Gesten • Gesundheit • Kinderlogopädie • kindliche sprachförderung • Kommunikation • Kommunizieren • Körpersprache • Late Talker • Lispeln • Logopädie • Mehrsprachigkeit • Meilensteine • mit babys sprechen • Neuerscheinung • pedaudiologie • Ratgeber • richtig sprechen • Sprache • Sprachentwicklung • Sprachentwicklungsverzögerung • Spracherwerb • Sprachförderung • sprachförderung im alltag • sprachliche entwicklungsschritte • sprechen in bildern • Sprechen lernen • sprecherei • sprechfreude • Stottern • Verstehen • Wortschatz • Zweisprachigkeit |
ISBN-10 | 3-641-30530-6 / 3641305306 |
ISBN-13 | 978-3-641-30530-7 / 9783641305307 |
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