Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden (eBook)

Leben und Bindung junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
180 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12277-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden -  Claus Koch
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Freiheit oder die Suche nach Identität und Sinn - Erwachsenwerden aus bindungstheoretischer Perspektive - Thematisch konkurrenzlos im deutschen Sprachraum - Die »Odysseusjahre« als eigenständige Entwicklungsphase Wenn junge Menschen von ihrer Kindheit endgültig Abschied nehmen müssen, beginnt für sie eine neue Zeitrechnung. Wichtige Leitplanken wie Elternhaus und Schule fallen weg, und plötzlich stehen bislang unbekannte Entwicklungsaufgaben an, die weitreichende Folgen für das ganze Leben haben. Aus bindungstheoretischer Sicht beschreibt der Autor das Erwachsenwerden als eigenständige Entwicklungsphase, in der sich alles noch einmal radikal verändert. Die »Odysseusjahre«, wie Claus Koch sie nennt, sind gekennzeichnet von einer Suche nach Autonomie, begleitet von Identitätskrisen, in denen sich erneut frühkindlich erworbene Bindungsmuster zeigen. Der Autor beschreibt das Leben und die Gefühle junger Erwachsener von heute. Da ist ein Freiheitsversprechen, das gelebt werden will und gleichzeitig Angst machen kann. Er zeigt, wie Eltern und andere Bezugspersonen sie in dieser Zeit unterstützen können.

Claus Koch, Dr. phil., Diplom-Psychologe ist Mitbegründer des Pädagogischen Instituts Berlin, Autor und Publizist. Als Experte für Bindungsstörungen arbeitet er seit Jahren in vielen Projekten zusammen mit Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen. Zahlreiche Fachartikel und Veröffentlichungen zu Kindheit, Jugend und Bindungstheorie.Zur Website von Dr. Claus Koch: www.clauskoch.info

Claus Koch, Dr. phil., Diplom-Psychologe ist Mitbegründer des Pädagogischen Instituts Berlin, Autor und Publizist. Als Experte für Bindungsstörungen arbeitet er seit Jahren in vielen Projekten zusammen mit Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen. Zahlreiche Fachartikel und Veröffentlichungen zu Kindheit, Jugend und Bindungstheorie. Zur Website von Dr. Claus Koch: www.clauskoch.info

Einleitung


Es waren wohl auch eigene Erfahrungen, die mein Interesse für die Entwicklungsphase des Erwachsenwerdens geweckt haben. Für einen Zeitraum, der mit dem Ende der Pubertätszeit beginnt und bis zum Alter von 25 Jahren oder auch länger andauert. Da gab es auf der einen Seite diese sich unendlich ausdehnenden Freiheitsspielräume nach dem Verlassen des Elternhauses und der Schule und andererseits das Gefühl, einsam und verwundbar zu sein wie nie zuvor im Leben. Und so, wie es mir damals ging, geht es offensichtlich auch heute noch vielen jungen Menschen. Die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift, inzwischen ein Megastar, die mit ihren Texten Millionen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der ganzen Welt erreicht, hat es vor einigen Jahren, damals selbst erst 23 Jahre alt, in ihrem Song »22« treffend auf den Punkt gebracht: »We’re happy, free, confused, and lonely at the same time. It’s miserable and magical.«

Viele Jahre später, nach gängigen Kriterien nun selbst erwachsen geworden, fing ich an, mich als Psychologe mit dieser Entwicklungsphase erneut zu beschäftigen. Bei meinen eigenen Kindern und in vielen Begegnungen und Interviews mit jungen Menschen entdeckte ich ein ähnliches Auf und Ab dieser in der Literatur und ebenso in der modernen Popkultur viel beschworenen Empfindungen meiner eigenen Zeit des Erwachsenwerdens: Magisch und elendig zugleich, wenn es nach überstandener Pubertät ernst damit wird, selbstständig zu werden und immer mehr Verantwortung für sich und andere übernehmen zu müssen. Und auch viele Erwachsene, mit denen ich über dieses Thema sprach, berichteten in der Rückschau auf ihr eigenes Leben immer wieder von dem Gefühl, sich in keiner Lebensphase oft so unendlich glücklich und gleichzeitig auch traurig und einsam gefühlt zu haben. Ebenso wie ich konnten sie sich gut in eine Zeit zurückversetzen, die sie als so intensiv wie nie wieder danach in ihrem Leben empfunden hatten, wohl auch deswegen, weil diese Phase ihr späteres Leben so maßgeblich beeinflusst und geprägt hat.

Erwachsenwerden bedeutet, noch einmal ganz von vorne zu beginnen in der Beschäftigung mit sich selbst und der eigenen Identitätsfindung. Denn mit zunehmendem räumlichen wie zeitlichen Abstand von den Eltern stellt sich die Frage, wie man mit der neu gewonnenen Freiheit und Selbstständigkeit umgehen will. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der sich zurückliegende Entwicklungsschritte in der Kindheit und Pubertät zu einem einzigen und existenziell bedeutsamen Fragenkomplex bündeln: »Woher komme ich?« – »Wer bin ich?« – »Wohin will ich?« – »Warum bin ich hier?« – »Was will ich?« – und: »Wie geht es jetzt mit mir weiter?« In dieser Zeit der Selbstfindung werden Brücken zum Elternhaus abgebrochen und manche Weichen neu gestellt, die oft ein Leben lang bestimmend bleiben. Fehler, die einem in dieser Phase des Übergangs unterlaufen, und persönliche Krisen hinterlassen Spuren und Narben, die lange und für manche sogar ein Leben lang sichtbar bleiben.

Je länger ich mich mit diesem Lebensabschnitt, der einer Transitzone gleicht, beschäftigt habe, desto häufiger kam mir die Beschreibung der Odyssee im gleichnamigen Epos von Homer in den Sinn. Denn tatsächlich hat die Lebensphase des Erwachsenwerdens mit all ihrem Hin und Her, der ihr innewohnenden Ambivalenz von Gelingen und Versagen, etwas von einer Irrfahrt an sich, einer im Leben in dieser Form nur einmal vorkommenden Odyssee. Dem eigenen Leben muss nun, einem Balanceakt gleich, nach und nach eine Richtung gegeben und der Anker, der Halt und Sicherheit verleiht, muss immer wieder von Neuem ausgeworfen werden. Man bewegt sich auf ein bestimmtes Ziel zu, aber das Meer ist noch unruhig, und die Gefahren, die lauern, und die Abenteuer, die zu überstehen sind, bleiben unvorhersehbar. Wie für Odysseus, den Helden des Epos von Homer, kann das ziemlich anstrengend werden. So wie er überlässt sich der junge Mensch immer wieder dem oft Unerwarteten und probiert sich dabei wie ein Schauspieler in verschiedenen Rollen aus.

Aufgrund dieser und anderer Ähnlichkeiten fiel mir für die Zeit des Erwachsenwerdens kein besserer Begriff ein, als sie die »Odysseusjahre« in unserem Leben zu nennen.[1] Wobei mir von Anfang an bewusst war, dass diesem Vergleich ein Schönheitsfehler anhaftet, denn das Ziel von Odysseus war es schließlich, in den Heimathafen und zu seiner Familie zurückzukehren, wohingegen die jungen Leute sich heute aufmachen, um für sich einen neuen und ihnen anfangs fremden Ort zu finden, an dem sie sich, später vielleicht endgültig, einmal niederlassen. Ob sie sich dabei wirklich immer weiter von ihrem eigenen Zuhause entfernen und nicht doch, zumindest hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen, wieder dort landen, wo sie hergekommen sind, ist eine andere Frage, die in diesem Buch unter bindungstheoretischen Gesichtspunkten ebenso zu klären sein wird.

Natürlich erleben jede junge Frau und jeder junge Mann die Zeit des Erwachsenwerdens anders; dies gilt für sämtliche psychologischen Entwicklungsetappen, die jede und jeder unter unterschiedlichen Bedingungen und mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen der eigenen Biografie ausfüllen. Was aber lässt die Zeit des Erwachsenwerdens dann zu einer eigenständigen und authentischen Entwicklungsetappe mit besonderen Herausforderungen werden?

Genau diese Frage und auch das Nachdenken darüber, ob sich mein eigenes Interesse an dieser Lebensphase und meine eigenen Beobachtungen dahingehend bündeln und verallgemeinern lassen, Erwachsenwerden als eine eigenständige Entwicklungsetappe begreifen zu können, haben mich veranlasst, mich auf die Suche nach dem zu machen, was die Psychologie und andere Wissenschaften zu diesem Zeitabschnitt und seinen Besonderheiten bislang zu sagen hatten.

Die Recherche zum Stand der aktuellen Forschung zeigte mir, dass sich im deutschsprachigen Raum bisher so gut wie niemand und auch sonst nur wenige mit dieser entwicklungspsychologisch so bedeutenden wie auch spannenden Lebensphase fachlich auseinandergesetzt haben. In den wenigen, hauptsächlich US-amerikanischen Forschungsansätzen zum Thema Erwachsenwerden, die seit den 1960er-Jahren dort von einigen Sozial- und Entwicklungspsychologen in Angriff genommen worden waren, fand ich jedoch die Stimmungen und Empfindungen noch einmal bestätigt, die ich nicht nur bei mir, sondern viel später in Gesprächen auch bei vielen anderen jungen Menschen feststellen konnte. Die Rede war von einem »Moratorium«, einem »Dazwischen«, einem Umherirren im »Noch-nicht« oder auch von einer besonders vulnerablen Phase, geprägt von »Einsamkeit und Vereinzelung«. Einig waren sich die Psychologen, die sich mit dieser Lebensphase ausführlich beschäftigt hatten, darin, dass es sich bei dieser Zeit des »heraufziehenden Erwachsenwerdens«, wie sie der Psychologe und Jugendforscher Jeffrey Arnett in einem 2015 veröffentlichen Buch »Emerging Adulthood« genannt hat, um einen von besonderen Entwicklungsaufgaben geprägten, in sich geschlossenen Entwicklungsabschnitt handelt.[2]

Für mich stellte sich darüber hinaus die Frage, ob es sich bei diesem Lebensabschnitt mit all seinen Unwägbarkeiten und Ambivalenzen nicht auch um die vielleicht »härteste Zeit« in unserem Leben handelt. Mit dieser Frage hat sich auch die Philosophin Susan Neiman in ihrem 2015 erschienenen Buch »Warum erwachsen werden?« beschäftigt, wenn es darum geht, wie schwierig es für junge Menschen ist, Autonomie zu erlangen und dabei zu moralisch vernünftigen Maßstäben zu finden.[3]

Derart in meinen eigenen Beobachtungen bestätigt, habe ich vor zehn Jahren beschlossen, ein erstes Buch über diesen besonderen Entwicklungsabschnitt zu schreiben.[4] Vornehmlich als ein Elternratgeber konzipiert, war es bei seiner Veröffentlichung 2016 das erste und einzige Buch im deutschsprachigen Raum, das sich überhaupt mit dem Altersabschnitt zwischen 18 und 30 Jahren als eine eigenständige Entwicklungsetappe ausführlich auseinandersetzte. Das ist, bis auf wenige Ausnahmen, bis heute so geblieben.

So greift die Gesundheitsforscherin Birgit Ulrika Keller 2019 in ihrer wissenschaftlichen Ausarbeitung »›Emerging Adulthood‹ – eine Lebensphase zwischen Instabilität und maximaler Freiheit« die von mir 2016 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung geäußerte Ansicht auf, dass es sich bei der »Transitphase« zwischen Jugend und Erwachsensein um einen besonderen Zeitabschnitt handelt. Dazu fasst sie Forschungsergebnisse zusammen und fügt ihnen eine Reihe eigener Beobachtungen und Erkenntnisse hinzu. Auch sie bemängelt die eher dürftige wissenschaftliche Datenlage, was die Erforschung dieses Zeitabschnitts angeht.[5] Die Herausgeberinnen Anne Berngruber und Nora Gaupp bemühen sich in ihrem 2022 erschienenen Sammelband »Erwachsenwerden heute. Lebenslagen und Lebensführung junger Menschen« um einen soziologisch begründeten und kompakten Einblick in diese Lebensphase und berücksichtigen dabei besonders die Auswirkungen von Einkommen und sozialer Herkunft auf den Zeitraum, in dem junge Leute erwachsen werden.[6] Auch diese beiden neuen Veröffentlichungen unterstützen die Kernaussage meines ersten Buches, dass es sich hinsichtlich der Zeit des Erwachsenwerdens um einen eigenen Lebensabschnitt mit einer Reihe von neuen Entwicklungsaufgaben handelt.

Acht Jahre nach Erscheinen meines ersten Buches zu diesem Thema sehe ich jetzt die Zeit gekommen, auf seiner Grundlage über diese »Transitphase« hin zum Erwachsenwerden ein neues Buch zu schreiben. Denn auch wenn sich an den...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte Adoleszenz • Bindung • Bindungstheorie • Einsamkeit • Eltern • Emerging Adulthood • Erwachsenwerden • Identität • Identitätskrise • Identitätssuche • Junge Erwachsene • Odysseusjahre • Orientierungslosigkeit • Selbstwert • Sinnfindung • Verantwortung • zukunftangst
ISBN-10 3-608-12277-X / 360812277X
ISBN-13 978-3-608-12277-0 / 9783608122770
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