Das Richtige geschieht ganz von allein -  Helmut Rennschuh

Das Richtige geschieht ganz von allein (eBook)

Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
296 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1650-7 (ISBN)
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Durch die F.M. Alexander-Technik lernen wir, Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten wahrzunehmen und natürliche Abläufe ungestört ablaufen zu lassen - wir lernen "Nicht-Tun". Erleben lässt sich ein solches Geschehenlassen in den unterschiedlichsten Bereichen: - körperlich als natürliche Haltung, Atmung und Bewegung - geistig als kreativer Einfall - in der Meditation als tiefe lebendige Stille - beim Spielen eines Musikinstruments als frei fließendes musikalisches Geschehen Das Buch führt durch zahlreiche Beispiele anschaulich in dieses geheimnisvoll anmutende Thema ein. Es forscht nach Ursachen und Bedingungen und zeigt Wege zum "Nicht-Tun".

Helmut Rennschuh leitet eine Ausbildung für Alexander-LehrerInnen in Leipzig. Er ist gelernter Diplom-Physiker und leidenschaftlicher Klavierspieler. Bereits vor seiner Ausbildung zum Lehrer der Alexander-Technik hat er das Potential des "Nicht-Tuns" am Klavier für sich entdeckt. Weitere Bücher: "Klavierspielen, Alexander-Technik und Zen" (2011), "Innehalten" (2013) und "Die Kraft des Nicht-Tuns" (2021).

3 LÄSST SICH NICHT-TUN SELBST IM SPORT FINDEN?


Wenn Menschen Sport treiben, so haben sie ein bestimmtes Ziel vor Augen. Meist wollen sie gewinnen, schneller laufen oder etwas besser machen als zuvor. Die Einstellung – die Gedanken und Gefühle –, die ein Mensch in die sportliche Aktivität mitbringt, kann dabei förderlich oder hinderlich sein.

Das menschliche Bewusstsein, das sich selbst erkennt und sagt, »ich bin«, ist eine Errungenschaft der Evolution. Es hilft uns, Probleme zu lösen, uns unsere Welt zu gestalten, doch scheint es oft gegen uns zu arbeiten. Auch hierfür gibt uns Kleist in unvergleichlicher Weise ein Beispiel. Er lässt seinen Erzähler ein unscheinbares Ereignis schildern, bei dem ein junger Mann durch einen Moment der Selbstbeobachtung die Anmut in seinen Bewegungen verliert:

Ich sagte, dass ich gar wohl wüsste, welche Unordnungen, in der natürlichen Grazie des Menschen, das Bewusstsein anrichtet. Ein junger Mann von meiner Bekanntschaft hätte, durch eine bloße Bemerkung, gleichsam vor meinen Augen, seine Unschuld verloren, und das Paradies derselben, trotz aller ersinnlichen Bemühungen, nachher niemals wieder gefunden.6

Darauf erzählt Kleist die Geschichte eines jungen Mannes, der den Fuß hebt, um sich abzutrocknen, und der sich beim Blick in den Spiegel der Ähnlichkeit seiner Grazie mit einer bekannten Statue bewusst wird:

Er errötete, und hob den Fuß zum zweitenmal, um es mir zu zeigen; doch der Versuch missglückte. Er hob ihn wohl noch zehnmal: umsonst! Er war außerstande, dieselbe Bewegung wieder hervorzubringen. … Er fing an, tagelang vor dem Spiegel zu stehen; und immer ein Reiz nach dem anderen verließ ihn. Eine unsichtbare und unbegreifliche Gewalt schien sich, wie ein eisernes Netz, um das freie Spiel seiner Gebärden zu legen, und als ein Jahr verflossen war, war keine Spur mehr von der Lieblichkeit in ihm zu entdecken, die die Augen der Menschen sonst, die ihn umringten, ergötzt hatte.7

Wem Kleists Schilderung zu poetisch klingt, der sei auf das Buch »The Inner Game of Tennis« von Timothy Gallwey verwiesen. Er beschreibt ähnliche Phänomene aus seiner Praxis als Spieler und Trainer: Spieler, die einfach nur Tennis spielen, ohne dabei reflektierend nachzudenken, vollbringen oft Höchstleistungen. Sie sind präsent, wissen, wo der Ball im gegnerischen Feld landen soll, denken aber nicht über Schlägerhaltung oder den Schlag nach. Fangen sie an zu reflektieren oder versuchen sie einen erfolgreichen Schlag zu wiederholen, so scheitern sie oft kläglich, da ihnen die Unbefangenheit und Natürlichkeit fehlt. Diese lassen sich durch direktes Tun und Wollen nicht wiederholen.

Timothy Gallwey nennt unseren reflektierenden und zweifelnden Anteil Selbst 1 und den unbewusst automatisch funktionierenden Anteil Selbst 2. Seine Hauptaufgabe als Trainer und Spieler sieht er darin, Selbst 1 zur Ruhe zu bringen und Selbst 2 ungestört arbeiten zu lassen. Dieses Modell ist einfach und leicht anwendbar, kann jedoch darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesen beiden Anteilen um zwei qualitativ sehr verschiedene Dinge handelt. Selbst 1 ist unsere Ich-Identität (Anhang 9) und der menschliche Verstand, eine im Zeitrahmen der Evolution betrachtet erst vor kurzem entwickelte Kraft. Selbst 2 bezeichnet das Erbe der Evolution in uns: ältere unbewusste Muster und Instinkte, unseren Zugang zu einer Urkraft, die sich schwer benennen lässt. Das Vertrauen auf diese Kräfte, die Gallwey Selbst 2 nennt, kann uns helfen, natürliche Abläufe nicht zu stören. Wenn wir darauf vertrauen, dass etwas in uns den perfekten oder angemessenen Schlag kennt, können wir uns dem Moment überlassen. Unser Bewusstsein hat dann die Aufgabe, diesen Prozess nicht zu stören. Um Selbst 1 aus dem Spiel herauszuhalten, schlägt Gallwey unter anderem vor, sich auf die Nähte des Balles zu konzentrieren, seine eigenen Schläge nicht zu beurteilen und außerdem Topspieler zu kopieren, indem man sich mit ihnen identifiziert.

Auch F. M. Alexander bezieht sich in »Universal Constant in Living« an einer Stelle auf den Tennissport. Er schildert ein Erlebnis des Tennisspielers W. H. Austin, das zeigt, welche Steine wir uns durch unser Denken oft selbst in den Weg legen:

(Beim Turnier) in Wimbledon habe er einmal so schlecht gespielt, dass er sich entschied, nicht mehr versuchen zu wollen, den Satz zu gewinnen. Sobald er jedoch diese Entscheidung getroffen hatte, begann er wieder gemäß seiner normalen Form zu spielen. Als Folge dieses verbesserten Spiels entschied er sich, jetzt zu versuchen, den Satz nach all dem doch noch zu gewinnen. Sogleich kehrte er dabei wieder zu seiner mittelmäßigen Spielweise zurück, die ihn zuvor veranlasst hatte, das Gewinnenwollen aufzugeben.8

Spiele wie Tennis und Golf konfrontieren uns als Individualsportarten besonders stark mit unserem Wollen und angestrengten Versuchen. Nach anfänglichen schnellen Fortschritten und Spaß erleben viele Golfer Unzufriedenheit und Frustration bei ihrem Sport. Werden wir mit unseren Leistungen unzufrieden, dann versuchen wir, uns durch mehr Bemühen und angestrengtes Tun zu verbessern. Wir entfernen uns damit von der Quelle unserer Kraft. Der daraus folgende Misserfolg treibt uns zu noch größeren Bemühungen. Dies ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Wir befinden uns in einer Spirale der Leistungsfähigkeit nach unten.

Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg, sagt man. Wenn wir zufrieden mit unseren Leistungen sind, können wir uns ungestört dem Moment und dem Spiel überlassen. Spaß und Freude führen zu unverkrampften Muskeln. Wir strengen uns nicht an und versuchen nicht, etwas besser zu machen. Vielleicht lassen uns weitere Erfolge immer müheloser agieren. Wir sind in einer Spirale nach oben, die uns zum Erlebnis großer Leichtigkeit führen kann. Es scheint alles zu gelingen, ganz von alleine.

Befindet sich ein Sportler in einem Zustand, in dem ihm alles ohne eigenes Bemühen, spielerisch wie von selbst zu gelingen scheint, so spricht man von »Flow« oder von »Being in the zone«. Roy Palmer gibt in seinem Buch »Zone Mind, Zone Body« zahlreiche Beispiele für diesen geheimnisvollen Zustand:

  • Der Basketballer Michael Jordan erlebte ein Spiel, in dem ihm alles mühelos gelang. Er hatte das Gefühl, dass nichts schiefgehen konnte. Doch der auftauchende Gedanke, wahrscheinlich in »the zone« zu sein, vertrieb diesen Zustand.
  • Sebastian Coe konnte die Laufzeit bei seinem 800-Meter-Weltrekord 1979 nicht glauben. Er war ohne Anstrengung gelaufen und hatte kein Gefühl für seine Schnelligkeit. Sein um 1,1 Sekunden verbesserter Weltrekord hatte 16 Jahre Bestand.
  • Eine Schwimmerin, die offensichtlich das Rennen ihres Lebens schwamm, gab bei einem großen Vorsprung auf der letzten Bahn auf. Sie berichtete später, das Wasser nicht mehr gespürt zu haben. Die Leichtigkeit, mit der sie sich durchs Wasser gleiten ließ, fühlte sich für sie falsch an.9

Die wichtigsten Merkmale, die Roy Palmer für diesen Zustand angibt, sind:

  • Ganz präsent, vollständig im Hier und Jetzt zu sein, mit einem Gefühl von verlangsamt ablaufender Zeit.
  • Völlige Mühelosigkeit, alles kann ohne eigenes Zutun ablaufen.
  • Ohne Angst und ohne nachdenkendes Ich (Anhang 9) zu sein.10

Sportler geraten unerwartet in diesen Zustand und fallen heraus, wenn sie sich dieser besonderen Momente bewusst werden.11 Selbst Spitzensportler, die viel Erfahrung damit gemacht haben, gelangen öfter im Training als im Wettkampf in diesen Zustand. Ihr Siegeswille und das stärkere Zielstreben (II.3.4) im Wettkampf scheinen dem geheimnisvollen Zustand im Wege zu stehen.

Siegeswille und Versagensängste eines Golfers sind im Film »Die Legende von Bagger Vance« eindrucksvoll geschildert. Auch wenn es sich hierbei um eine Fiktion handelt, macht der Film deutlich, in welchem Auf und Ab sich Sportler oft befinden, und zeigt einen Ausweg aus der Falle des verzweifelten, erfolglosen Bemühens: Ein viel bewundertes, legendäres Nachwuchstalent verliert durch traumatische Kriegserlebnisse seine Fähigkeit, einen Golfball erfolgreich zu schlagen. Verzweifeltes Üben bis in die Nacht hinein bringt keine Verbesserung. »You lost your swing. We got to find it«12, sagt Bagger Vance, der aus dem Dunkel der Nacht erscheint und sich der ehemaligen Golfhoffnung als Caddy anbietet.

Bagger übernimmt im Weiteren die Rolle eines Trainers und Zenlehrers: »Es gibt nur einen Schlag, der in vollkommener Harmonie mit dem Feld ist. … Es gibt einen perfekten Schlag, der jeden von uns finden will. Alles, was wir tun müssen, ist, aus dem Weg zu treten und uns von ihm auswählen zu lassen.«13

In dem folgenden Turnier, dem der Held sich nicht entziehen kann, erleben wir ihn zunächst als von Selbstzweifeln gelähmt. Als er seine Schlagtechnik wiederfindet, oder besser ausgedrückt, als er frei wird vom Versuch, es richtig zu machen, und der richtige...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
ISBN-10 3-7597-1650-4 / 3759716504
ISBN-13 978-3-7597-1650-7 / 9783759716507
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