Cato und die Dinge, die niemand sieht (eBook)

Preisgekröntes Kinderbuch| Berührender Mix aus Abenteuer, Geheimnis und Zeitreise | Exklusiver Farbschnitt in limitierter Erstauflage | Auch für Erwachsene |
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Dragonfly (Verlag)
978-3-7488-0269-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Cato und die Dinge, die niemand sieht -  Yorick Goldewijk
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'Ein Buch, das von Anfang bis Ende bewegt und fasziniert.' (Jurybegründung Goldener Griffel, Niederlande 2022)

Es gibt Momente im Leben, die möchte man unbedingt noch einmal erleben. Und es gibt Moment im Leben, die möchte man ungeschehen machen. Beides ist unmöglich, denkt Cato, bis sie eines Tages eine Visitenkarte auf dem Klavier ihres Vaters findet: 'Filme, die nirgends laufen, die du aber schon immer sehen wolltest', steht darauf. Die Adresse führt Cato zu der mysteriösen Frau Kano, die in ihrem Kino besondere Zeitreisen anbietet. Hat Cato hier vielleicht die Möglichkeit, zum ersten Mal ihre Mutter zu treffen? Auf der Suche nach der Wahrheit wird sie auf einer gefährlichen Reise durch Zeit und Erinnerungen mitgerissen, bis sie vor einer Entscheidung steht, die ihr Leben für immer verändern wird.

Ein berührender Kinderroman über Familie, Identität und die Besonderheit der kleinen Momente im Leben



Yorick Goldewijk wurde 1979 in den Niederlanden geboren. Er wollte immer Schriftsteller, Künstler und Musiker werden. Das Zeichnen hat im Laufe der Jahre ein wenig nachgelassen, aber er hat nie aufgehört zu schreiben. Neben Kinderbüchern schreibt er Musik für Werbespots, Filme und sogar für Spiele. Er kann Stunden damit verbringen, an seinem Klavier zu basteln oder in seinem Klanglabor an Knöpfen zu drehen. Für Kinder schreibt er genau die Bücher, die er als Zehnjähriger verschlungen hätte. Mit »Cato und die Dinge, die niemand sieht« gewann er 2022 den Goldenen Griffel, den wichtigsten Kinder- und Jugendbuchpreis in den Niederlanden.

MUSIK VON FRÜHER


Sehr kalt war es noch nicht, der Herbst hatte gerade erst begonnen. Es waren die Wochen, in denen alles flammend rot und orange und leuchtend gelb war, jene Wochen, in denen die Sonne die Welt noch nachglühen ließ, die Wochen, bevor die Welt verstummte. Von allen Jahreszeiten liebte Cato den Herbst am meisten. Es war die Jahreszeit, in der alles eine größere Bedeutung bekam. All das, was früher war, all das, was später sein würde. Und all das, was jetzt war, das direkt vor der eigenen Nase vorbeispazierte. Der Herbst hatte etwas Trauriges an sich, in das sie eintauchen wollte. Sie hatte im Internet nach dem Wort gesucht, das dazu passte. Und als sie es fand, stellte sie fest, dass es ein sehr schönes Wort war: Melancholie.

Sie radelte zur Wiese-die-es-nicht-gab am anderen Ende des Ortes. So wie fast jeden Tag. Dort lehnte sie ihr Fahrrad gegen einen Baum und legte sich, auf einen Ellbogen gestützt, mitten auf die Wiese ins Gras. Sie riss einen Grashalm ab, steckte ihn sich in den Mund und schaute zur Straße. Dort schlenderte der Morgen vorbei. Ein Mann mit einer Einkaufstasche, eine Frau, die telefonierte, ein paar Autos und Fahrräder, das erste fallende Laub.

Die Wiese-die-es-nicht-gab gab es natürlich doch, sonst hätte Cato dort nicht liegen können. Aber außer ihr schien sie niemand zu bemerken. Alle sahen nur das auffällige Haus links davon. Mit den leuchtend roten Fensterrahmen und der blauen Fassade wirkte es wie ein Haus aus der Zukunft. Und auch das noch auffälligere Haus rechts sahen alle – mit Türmchen, die wie Raketen aus den Mauern ragten. Aber die Wiese-die-es-nicht-gab, genau zwischen diesen beiden unglaublichen Häusern, entzog sich hartnäckig den Blicken der Leute.

Außer Catos. Sie hatte trainiert, »umgekehrt zu schauen«, wie sie es selbst nannte. Nicht auf die Dinge zu gucken, die automatisch die Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern genau daneben. Dort fand sie eine ganze Welt, unbekannt und versteckt vor aller Augen.

Cato hatte immer ihre Kamera dabei, um die ungesehenen Dinge festzuhalten. Nie machte sie Fotos von verträumt blickenden Menschen oder tollen Gebäuden oder romantischen Sonnenuntergängen oder Gewitterstimmungen. Stattdessen machte sie Bilder von Dingen, die so nichtssagend und unauffällig waren, dass niemand sie sah. Dass wirklich niemand sie sah, gerade so, als ob es sie gar nicht gäbe. So wie die Wiese-die-es-nicht-gab. Ihr Computer war voll mit Fotos von Vorgärten, Zäunen, Nischen, Statuen, Türgriffen. Alles Dinge, die es gab, aber für wen? Wer würde es bemerken, wenn sie nicht mehr da wären? Und wenn sie niemand je bemerkte, existierten sie dann überhaupt? Vermutlich nicht, war Catos Meinung. Vermutlich gab es sie erst wirklich, wenn sie die Linse ihrer Kamera darauf richtete. Ein unglaublich großartiger Gedanke, fand sie.

Es war der erste Sonntag in den Herbstferien. Der Trubel des Samstags war vorbei und die Luft von einer seltsamen Stille erfüllt, als ob der Himmel so groß wäre, dass jeglicher Lärm darin verloren ging.

Die Sonne wärmte Catos Gesicht und mit der Wärme schlich sich wie aus dem Nichts wieder ihre Mutter in ihre Gedanken. Cato erschrak jedes Mal, wie unerwartet sie auftauchte. Es geschah zwar immer seltener, aber an diesem Morgen bereits zum zweiten Mal. Und obwohl sie das kaum zu denken wagte, wollte Cato diesen Vormittag eigentlich gar nicht mit Gedanken an ihre Mutter verbringen.

Sie spuckte den Grashalm aus, öffnete ihren Rucksack und zog eine große Flasche Cola und einen Stapel Comics heraus.

Dann setzte sie sich aufrecht hin, sodass ihr die Sonne genau auf den Kopf schien und sich Gänsehaut auf ihrem Rücken und ihren Armen ausbreitete, bis es sie in den Zehen kitzelte. Als ob über ihre Füße die eiskalte Brandung eines riesigen Ozeans schwappte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie nahm eins der Comichefte vom Stapel (Zombie-Apokalypse II: Das Gemetzel des Babyzombiekönigs) und begann zu lesen.

Aber gerade in dem Moment, als sie in ihrem Comic versinken wollte, überfiel sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Die Wiese-die-es-nicht-gab war verlassen, fühlte sich aber nicht verlassen an. Cato war sich sicher: Wenn sie von ihrem Comic aufsähe, würde sie dort jemanden stehen sehen. Aber als sie schließlich wirklich aufblickte, sah sie niemanden.

Sie stand auf, drehte sich um sich selbst und ließ den Blick an den Büschen entlangwandern. Dann schüttelte sie den Kopf. Bestimmt hatte sie sich das alles nur eingebildet. Cornelia hätte gesagt, dass sie zu viele Reize zuließ. Jede Menge unpraktische Gewühle (Cornelia nannte Gefühle, die sie missbilligte, weil sie für Cato nicht gut waren, »Gewühle«). Und natürlich hatte Cornelia auch eine Lösung für die schlechten Gewühle parat.

»Weg damit. Ins S…?«

(Leerer Blick von Cato)

»Ins St…St…St«

(Leerer Blick)

»Ins Stü…Stü…Stü…«

(Leerer Blick)

»Ins Stüb…Stüb…Stüb…«

»Stübidübidü.«

»Ins Stübchen, genau. Ins Stübchen.«

Aber Gewühle oder nicht, als Cato sich hinsetzte, um weiterzulesen, fühlte sie immer noch diesen Blick auf sich. Zuerst versuchte sie, ihn zu ignorieren, doch irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und sah mit einem Ruck auf.

Niemand.

Cato seufzte. So langsam wurde sie nervös. Und was sie vor allem nervös machte, das war der Funken Hoffnung, der auf einmal in ihrem Herzen aufflammte, so völlig aus dem Nichts. Als ob er sich jahrelang mucksmäuschenstill dort versteckt und klammheimlich auf den passenden Moment gewartet hätte, um zuzuschlagen.

Mama, dachte sie.

Gleich danach hätte sie sich ohrfeigen können.

»Idiotisches Kleinkind«, murmelte sie in sich hinein.

Ins St…St…St…

»Hau ab.«

Sie steckte die Nase wieder in ihren Comic, hatte aber die Lust am Lesen verloren. Als es auch noch zu regnen anfing, raffte sie ihr Zeug zusammen und fuhr schlecht gelaunt nach Hause.

Zu Hause roch zwar alles nach Putzmitteln, aber Cornelia selbst schien zum Glück schon gegangen zu sein. Im Haus war es still. Doch als Cato gerade ihren Rucksack in eine Ecke des Flurs schleuderte, ertönte aus dem Wohnzimmer ein einzelner Klavierton.

War Cornelia doch noch da? Wischte sie vielleicht die Tasten ab?

Leise schlich Cato in den Flur und spähte durch einen Türspalt ins Wohnzimmer.

Am Flügel saß ihr Vater. Von hinten wirkte er sehr alt und gebrechlich: Sein langer, dünner Oberkörper war über die Tasten gebeugt, die langen Beine steckten ungeschickt gefaltet darunter. Sein Zeigefinger ruhte auf einer Taste. Er starrte durch das linke Fenster, und Cato konnte seinen Blick erhaschen: Er verlor sich in der Ferne, wirkte aber nicht ganz so leer wie sonst. Für einen Moment schien es Cato sogar möglich, dass er da draußen den gleichen prächtigen Herbst sah wie sie. Als wenn er sich aus seiner zugemauerten Festung geschlichen und einen Moment tief durchgeatmet hätte. Auf jeden Fall zitterte er, ein Schauder lief ihm über den Rücken.

Dann drückte er eine zweite Taste nach unten. Und eine dritte. Er nahm die linke Hand dazu und begann zu spielen. Langsam, sanft, getragen.

Der Flügel wurde nie benutzt. Es stand nur da, um zu stehen, einzustauben und nach und nach immer hässlicher zu werden. Der schwarze Lack war grau gesprenkelt, als ob jemand graue Farbe darüber gesprüht hätte. Das kommt bestimmt von Cornelias Putzmitteln, dachte Cato.

Cato hatte ihren Vater in ihrem ganzen Leben nur wenige Male spielen hören. Und bei diesen paar Malen hatte er immer das Gleiche gespielt. Auch jetzt erkannte sie die Melodie sofort wieder. Sie hatte sie noch nirgendwo anders gehört, kannte sie nur vom Klavierspiel ihres Vaters.

Sie lauschte mit angehaltenem Atem, während ihr Vater sich wie ein träger Riese auf dem Hocker hin und her wiegte, seine langen dünnen Finger so elegant wie Tänzer auf den Tasten.

Auf einmal schrak er hoch und der Zauber war gebrochen. Als ob die Tasten mit einem Schlag glühend heiß geworden wären, zog er die Hände zurück, sprang auf und lief zur Tür, von wo aus Cato ihn heimlich beobachtet hatte. Aber er nahm sie kaum wahr, sondern lief sie beinahe um.

»He, Catolein, wie war es in der Schule?«

»Sonntags habe ich keine Schule, Papa. Auch nicht in den Herbstferien.«

Ihr Vater, der inzwischen schon halb die Treppe hinauf war, drehte sich zu ihr um.

»Ach ja«, sagte er. »Sonntag, ja.«

Dann ging er weiter nach oben und verschwand in seinem Zimmer.

Cato starrte noch eine Weile auf die leeren Stufen, bevor sie das Wohnzimmer betrat. Der Flügel stand wie ein Denkmal in der Mitte des Raums. Er sah zwar hübsch aus, aber Cato verstand nicht, warum er da stand, so mitten im Wohnzimmer. Er schien zu einem anderen Haus und einem anderen Leben zu gehören.

Manchmal hatte Cato das Gefühl, in einem fremden Haus voller unbekannter Dinge aufzuwachsen. Während bei anderen Familien Fotos an der Wand hingen oder kleine Gegenstände auf der Fensterbank standen, von denen jeder einzelne eine Geschichte zu erzählen hatte, wirkte das Haus von Cato und ihrem Vater wie ein Ausstellungsraum in einem Möbelgeschäft. Alle Erinnerungen schienen systematisch daraus entfernt worden zu sein.

Sie setzte sich an den Flügel und versuchte, die Melodie, die ihr Vater gespielt hatte, nachzuspielen. Es gelang ihr gar nicht schlecht, sie kannte sie inzwischen auswendig und ihre Finger fanden schnell die richtigen Tasten....

Erscheint lt. Verlag 20.2.2024
Übersetzer Sonja Fiedler-Tresp
Sprache deutsch
Original-Titel Films die nergens draaien
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Ausgezeichnetes Kinderbuch • besonderes Kinderbuch • Kinderbuch 10 Jahre • kinderbuch depression • Kinderbuch Emotion • Kinderbuch Erinnerung • Kinderbuch Familie • Kinderbuch Identität • Kinderbuch Tod • Kinderbuch Trauer • kinderbuch zeitreise • poetisches Kinderbuch • prämiertes Kinderbuch
ISBN-10 3-7488-0269-2 / 3748802692
ISBN-13 978-3-7488-0269-3 / 9783748802693
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