Natürlich lernen -  Carolin Rückert,  Matthias Kerr

Natürlich lernen (eBook)

Schule neu denken: Was Eltern für eine kindgerechte und lebensnahe Schulzeit tun können - Impulse aus der Draußenschule
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-29974-3 (ISBN)
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'Im Flow sein, an sich selbst glauben, gemeinsam Probleme lösen, die Welt verstehen - mit dem hier vorgestellten Konzept können unsere Kinder artgerecht und gehirngerecht lernen!' Nicola Schmidt
Eltern wünschen sich für ihre Kinder einen Lernort, der ihre Neugier aufgreift, sie zum Forschen und Nachfragen anregt und ihnen Spaß am Lernen vermittelt. Carolin Rückert, engagierte Gründerin und Schulleiterin der Draußenschule, und Matthias Kerr, Wissenschaftler, Artgerechtcoach und Vater von einem Kind an der Draußenschule, zeigen in ihrem Buch, wie Lernen und Schule neu gedacht werden können - mit der Natur als Bildungsraum und »Lehrkraft« zugleich.

Kinder können von Natur aus gut lernen, denn die ganze Welt ist von Geburt an ihr Lern- und Entwicklungsraum. Die Natur fördert nachweislich die mentale und soziale Entwicklung, Kreativität, Entdeckerfreude und Konzentration. Draußen sind alle Kinder in ihrem Element, ob im Wald, auf dem Markt, einem Bauernhof, einer Mülldeponie, einem Garten oder im Park, aber auch in einem anregend gestalteten Kinder- oder Klassenzimmer, mit analogen ebenso wie mit digitalen Hilfsmitteln. Alltagsnah und mit Blick auf die Bedürfnisse von Kindern zeigt das Buch, wie kindgerechtes Lernen funktioniert und wie man die Rahmenbedingungen für das Leben mit Schulkindern so gestalten kann, dass Kinder leicht und mit Freude lernen. Denn das System Schule muss für Kinder funktionieren, nicht andersherum!

Carolin Rückert ist Lehrerin sowie Gründerin und Schulleitung der Draußenschule Ladenburg. Sie ist staatlich zertifizierte Waldpädagogin, Mitglied im Schulnetzwerk »Bildung für nachhaltige Entwicklung« in Baden-Württemberg sowie Mitglied des Netzwerks »Draußen lernen«, das sich gerade ausgehend von der TU München und der SGDW gegründet hat. Sie ist Mutter von zwei Kindern.

Die Natur des Lernens


Wenn es unser Ziel ist, Lernen natürlicher zu gestalten, dann müssen wir auch den Lebens- und Erlebensraum unserer Kinder wieder natürlicher gestalten. Dazu brauchen wir grundsätzliche Erkenntnisse, was die kindliche Entwicklung fördert und was eben nicht. Wie lernen Kinder eigentlich? Was brauchen sie dafür und was nicht? Wie erfüllen wir dabei ihre psychologischen Grundbedürfnisse? Ein Blick in die Lerntheorie zeigt: Wir können unsere Kinder beim Lernen gut begleiten, wenn wir jedes Kind in seiner ganzen Individualität respektieren und ihm Raum geben, die Welt über möglichst viele eigene Erfahrungen zu erschließen, in dem Modus, den es am meisten liebt: Spiel und Bewegung.

JEDES KIND LERNT INDIVIDUELL


Jeder Mensch lernt anders. Lernen ist ein individueller Prozess, der auf zahlreichen persönlichen Erfahrungen aufbaut: Die Sinneseindrücke, die ein Kind im Laufe seines bisherigen Lebens gesammelt hat, die Einflüsse seiner Umgebung wie Gerüche, Geräusche, Nahrung sowie Bräuche und Rituale unterscheiden sich von Familie zu Familie und ebenso in unterschiedlichen Kulturkreisen. Wie Kinder ihre Welt wahrnehmen, hat großen Einfluss auf das Lernen. Dazu können wir gleich einen kurzen Lerntest mit uns selbst machen.

Bitte legen Sie einen Stift bereit und schauen Sie sich gleich zehn Sekunden lang die Buchstabenfolge unten an. Anschließend decken Sie sie ab und versuchen mal, die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge am Rand des Buches zu notieren.

L r d S s u s r d S

Was konnten Sie davon wiedergeben? Wie sind Sie vorgegangen? Vermutlich haben Sie sich eher die ersten Buchstaben merken können. Oder Sie haben Buchstaben gruppiert und versucht, sich diese Kombination zu merken, zum Beispiel »Ssus«?

Unser Gehirn versucht sofort, bekannte Strukturen zu erkennen. Sie werden alle Buchstaben sofort und fehlerfrei reproduzieren können, wenn Sie nur einen kleinen Hinweis bekommen: Es sind die Anfangsbuchstaben der ersten beiden Sätze von Leise rieselt der Schnee.

Was aber, wenn wir etwas lernen sollen, zu dem wir bisher keine Verbindung aufgebaut haben? Uns stehen dann keine Vorerfahrungen zur Verfügung.

Schauen Sie sich einmal 20 Sekunden lang die nun folgende Buchstabenfolge an. Decken Sie sie ab und versuchen die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge am Rand des Buches zu notieren.

Das ist das singhalesische Wort für Freiheit. Da wir die Buchstaben nicht gelernt haben, gelingt uns die Wiedergabe kaum – außer wir haben das Talent, uns Formen besonders rasch einprägen zu können. Im Normalfall können wir aber an nichts Bekanntes anknüpfen. Das macht es ungleich schwerer.

Wir können uns das so vorstellen: Indem wir wiederholt Informationen aufnehmen, entstehen sinnbildlich im Gehirn aus kleinen vernetzten Trampelpfaden zwischen den Synapsen gut begehbare Wege, schließlich Straßen und letztendlich Autobahnen. Je öfter und kontinuierlicher wir eine bestimmte Information aufnehmen, desto bewusster und abrufbarer wird sie.

Gibt es nun einen optimalen Weg, wie wir lernen? Ja, aber dieser Weg unterscheidet sich tatsächlich von Kind zu Kind. Es gibt drei Lerntypen, die auch in Mischungen auftreten können: Der erste hat ein gutes visuelles Gedächtnis, der zweite kann eher durch Zuhören lernen, während ein dritter Typ das Anfassen und konkrete Tun favorisiert. Die Art und Weise, wie eine Lehrperson den Unterricht aufbereitet, spricht damit nicht alle gleichermaßen an. Wie erfolgreich ein Kind lernt, hat also viel damit zu tun, auf welche Darbietungsform es anspringt und welche Form von Intelligenz angesprochen wird. Manchmal sind die Lernmuster leider so grundverschieden, dass Lernende mit der Art und Weise, wie Informationen vermittelt werden, überhaupt nicht klarkommen und keinen Lernkanal aktivieren können.

Was wir wissen, haben wir somit individuell selbst konstruiert – es lässt sich also auch nicht 1:1 von einer Person auf die andere übertragen. Das birgt eine gewaltige Schwierigkeit: Wir können von außen nicht sehen, wie Lernende Informationen abspeichern, welches Abbild der Realität sie individuell formen und welche Interpretationen sie vornehmen. Unsere vermeintliche objektive Wirklichkeit »da draußen« gibt es also nicht. Sie durchläuft bei jedem Einzelnen den Filter der Wahrnehmung und Sinne und wird von uns selbst hergestellt. Das bedeutet jetzt nicht, dass wir »3 x 4 = 12« anzweifeln müssen. Der Weg aber, von welchen Erkenntnissen ausgehend wir zu diesem Ergebnis kommen, kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Viele Kinder entwickeln oft ganz eigene Rechenstrategien, die wir vielleicht von außen gar nicht so einfach nachvollziehen können, auch wenn sie zum gleichen Ergebnis führen.

Ob wir bestimmte Denkmuster, Texte oder Kommunikation leichter oder schwerer nachvollziehen können, sagt häufig auch etwas über das eigene Denken aus. Als Eltern können wir uns bewusst machen, dass jeder Mensch, auch unser Kind, anders lernt und denkt – vielleicht auch anders als wir. Das zeigt, dass vereinfachende Zuschreibungen wie »besser/schlechter« oder »klüger/dümmer«, mit denen viele von uns noch aufgewachsen sind, oft fehl am Platz sind und einem Mindset entstammen, das ausgedient hat. Das Beste, was wir für unsere Kinder tun können, ist, Toleranz und Offenheit gegenüber ihrem persönlichen Lernstil zu zeigen und ihre persönlichen Ressourcen gut zu unterstützen.

ANLAGE UND UMWELT


Lernen ist Teil unseres Wesens. Wir lernen innerhalb unserer Umwelt ununterbrochen – es entspricht einfach unserer menschlichen Natur. Dabei spielen unsere individuellen Anlagen und unsere Umwelt eine ausschlaggebende Rolle. Die Anlage ist unsere Basis, auf der sich bestimmte Fähigkeiten und Verhalten ausbilden können. Das geht aber nur im Zusammenspiel mit unserer Umwelt. Die Umweltbedingungen haben einen großen Einfluss darauf, wie viel von unserem Entwicklungspotenzial realisiert werden kann.

Wie kann es beispielsweise sein, dass sich eineiige Zwillinge trotz der gleichen Gene sehr unterschiedlich entwickeln, vor allem, wenn sie nach der Geburt getrennt werden und in unterschiedlichen Familien und Bedingungen aufwachsen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Fachgebiet der Biologie: die Epigenetik. Sie erklärt, wie Gene durch Umweltbedingungen an- oder ausgeschaltet werden. Bestimmte Bereiche mit Informationen werden durch Umwelteinflüsse aktiviert oder verschlossen. Lebensstil, Ernährung und Stress sind Faktoren, die Einfluss auf die Modifikation unserer genetischen Anlagen haben. Aus dem Tierreich gibt es ein beein druckendes Beispiel, wie sich allein die Ernährung auf Körpergröße, Verhalten und Lebensdauer auswirkt. Wie lange man eine Larve mit Gelee Royale füttert, entscheidet darüber, ob aus ihr eine Arbeiterbiene oder eine Königin wird.

Auch andauernder Stress ist ein Faktor, der Einfluss auf das Entwicklungspotenzial von Heranwachsenden hat. Mit diesem Wissen erscheint es unverantwortlich, Kinder dauerhaftem Stress auszusetzen. Das gilt für die Schule, aber auch das Leben in der Familie: Wenn wir als Eltern auf unsere Kinder großen Druck ausüben, damit sie eine Fähigkeit entwickeln oder ein bestimmtes Hobby »durchhalten«, dann ist das ausgesprochen kontraproduktiv. Kinder sind keine Gefäße, die man mit beliebigen Inhalten und Erfahrungen befüllen kann, sodass daraus immer gleichartige Interessen und Kompetenzen erwachsen. Jedes Kind hat sein eigenes Entwicklungspotenzial, das es entdecken darf, es ist mit seinem individuellen Wesen aktiv und entwickelt sich aus sich selbst heraus. Dabei dürfen wir ihm auch zugestehen, dass es durch seine Wahrnehmung und sein Kompetenzvermögen genau das auswählt, was seinem Entwicklungsstand, seinen Interessen und Neigungen entspricht.

MIT ALLEN SINNEN LERNEN – UND EINEM GUTEN GEFÜHL


Welche Aufgabe haben wir Erwachsenen dann überhaupt noch? Vielleicht fühlen wir uns als Lehrer und Eltern überflüssig, wenn wir feststellen, dass wir kaum Einfluss darauf haben, welche Erfahrungen ein Kind verinnerlicht und welche Kompetenzen es in welchem Grad erreichen kann. Uns kann und sollte dabei aber auch bewusst werden, dass unsere enorm wichtige Rolle da rin besteht, dem jeweiligen Kind möglichst optimale Rahmenbedingungen zu bieten, damit es die Erfahrungen machen kann, die es braucht.

Dabei helfen uns neue Forschungsergebnisse, die aktuell die Vorstellung vom lernenden Individuum sowie vom Lernen an sich verändern. Bildungsforschung und Gehirnforschung haben in den letzten Jahren gemeinsame Fragen bearbeitet: Wie sollen Lernen und Lernumwelten gestaltet sein, sodass man dem individuellen Lernenden entgegenkommt? Welche neuronalen Strukturen sind am Lernen beteiligt und wie werden diese vernetzt? Wie hängen Emotionen mit der Abrufbarkeit von Informationen zusammen?

Der Biochemiker und Gehirnforscher Frederic Vester beschreibt in seinem Buch Denken, Lernen, Vergessen, warum alle Mühe umsonst ist, wenn wir beim Lehren und Lernen gegen die biologischen Grundsätze verstoßen. Es macht beispielsweise einen gravierenden Unterschied, ob wir das, was wir lernen sollen, selbst intensiv erlebt haben – oder ob wir lediglich davon gehört oder gelesen haben. Anschaulich beschreibt er das,...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2024
Zusatzinfo Durchgehend vierfarbig, mit zahlreichen Fotos
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte 2024 • Angst • angstfrei • artgerecht • eBooks • Einschulung • Eltern • Elternratgeber • Erziehung • Erziehungsratgeber • Gesundheit • Grundschule • Hausaufgaben • Hausaufgaben begleiten • Kindererziehung • Kindgerecht • Leistung • Lernen lernen • Lernfreude • lernfrust • lernplatz • Motivation • Neuerscheinung • Pädagogik • Ratgeber • Schulangst • Schulfrust • Schulkinder • Schulreife • Schulwahl • schulzeit • Wildnispädagogik • Zeugnis
ISBN-10 3-641-29974-8 / 3641299748
ISBN-13 978-3-641-29974-3 / 9783641299743
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