Familie in Tieren (eBook)
164 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61799-9 (ISBN)
Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Luitgard Brem-Gräser (1919 - 2013), Psychologie-Studium an den Universitäten Göttingen und München. Promotion in den Fächern Psychologie, Pädagogik und Psychopathologie in München. Berufliche Schwerpunkte: Leiterin der Zentrale für Erzieher- und Jugendberatung des Schulreferats der Stadt München (1951-1970). Professorin an der Fachhochschule München, Fachbereich Sozialwesen. Aus- und Fortbildung von Lehrern aller Schularten zu Schuljugendberatern bzw. Beratungslehrern in Bayern, Fortbildung von Erzieherinnen in München. Veröffentlichungen auf den Gebieten der Entwicklungs-, Pädagogischen und Klinischen Psychologie, unter anderem "Handbuch der Beratung für helfende Berufe" (3 Bde. Ernst Reinhardt Verlag 1993).
Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Luitgard Brem-Gräser (1919 - 2013), Psychologie-Studium an den Universitäten Göttingen und München. Promotion in den Fächern Psychologie, Pädagogik und Psychopathologie in München. Berufliche Schwerpunkte: Leiterin der Zentrale für Erzieher- und Jugendberatung des Schulreferats der Stadt München (1951-1970). Professorin an der Fachhochschule München, Fachbereich Sozialwesen. Aus- und Fortbildung von Lehrern aller Schularten zu Schuljugendberatern bzw. Beratungslehrern in Bayern, Fortbildung von Erzieherinnen in München. Veröffentlichungen auf den Gebieten der Entwicklungs-, Pädagogischen und Klinischen Psychologie, unter anderem "Handbuch der Beratung für helfende Berufe" (3 Bde. Ernst Reinhardt Verlag 1993).
I. Die methodologische Vororientierung
1. Die wissenschaftlichen Zugänge zur Persönlichkeit
Die seelische Wirklichkeit wird einmal im Erleben der eigenen Innerlichkeit, zum anderen im Erfassen von Ausdruckserscheinungen als Hinweis auf das seelische Leben bei anderen erfahren. Dieser doppelten Erfahrung entsprechend, lassen sich die psychologischen Methoden in solche der Selbst- und der Fremdbeobachtung einteilen. Das Ziel aller dieser auf das eigene Selbst, beziehungsweise das andere Selbst gerichteten Verfahrensweisen ist die Selbst- und Fremderfassung. Gegen die Selbstbeobachtung wurde als Haupteinwand geltend gemacht, daß es unmöglich sei, im gleichen Augenblick intensiv Erlebender und zugleich Beobachtender zu sein. Dieser an sich zutreffende Einwand konnte zum Teil widerlegt werden. Man spricht von „ primärer Selbsterinnerung“ [34] und meint damit, daß das „Erlebnisnachbild“ [23] die teilweise Erfassung des Erlebnisses gestattet. Die Selbstbeobachtung liefert vorwiegend den allgemeinpsychologischen Forschungen Fakten, wärend die Charakterologie und die Entwicklungspsychologie sich zumeist auf Fremdbeobachtung gründen. Der Fremdbeobachtung ist das äußere Verhalten des Menschen im weitesten Sinne zugänglich; das Verhalten kann aber von der Persönlichkeit nicht getrennt werden, sondern ist immer, auch wenn es „aufgesetzt“ ist, unlösbar mit ihr verbunden. So ist eine intuitive Erfassung des Menschen möglich, „die sich direkt auf dieses ungeschiedene Ineinander von Ausdruck und Erlebnis bezieht, ein Verstehen jener personalen Haltung mitsamt dem darin steckenden Erlebnismoment“ [34], man kann zum Beispiel unmittelbar in den aufleuchtenden Augen des anderen dessen Freude erfassen. Dieses unmittelbare intuitive Verstehen des anderen ist die Grundlage aller psychologischen Arbeit. Als Kontrolle und Sicherung sind aber besondere Verfahren notwendig. Dem gleichsam evidenten Erfassen des anderen will die Diagnostik dienend zur Seite stehen; sie ist ein Teilgebiet des Forschungsbereichs der Charakterkunde. Als Lehre von den Mitteln und Methoden, mit denen man zur Erkenntnis fremden Seelenlebens gelangt, gliedert man die Diagnostik mit William Stern [34] in drei große Formkreise: Beobachtung des natürlichen Verhaltens; Experiment; Fernmethoden. In diesem Zusammenhang ist nur das Experiment von Bedeutung.
„Das Experiment ist eine methodisch vorbereitete, vervollkommnete und gesteigerte Beobachtung, bei der es nicht dem natürlichen Gang der Dinge überlassen bleibt, ob ein fragliches Phänomen eintritt … Das Experiment hat somit als Forschungsmittel den Vorteil, daß es im Gegensatz zur bloßen Gelegenheitsbeobachtung eine beliebig häufige Wiederholung des fraglichen Vorgangs zuläßt und auf diese Weise Gesetzmäßigkeiten ermittelt.“ [23]
Das Problematische eines Experiments liegt in der Schaffung einer Modellsituation. Denn „Grenzsituationen des Lebens, Krisen und Schicksalsschläge sind es, die oft erst den eigentlichen Kern in der Seele eines Menschen aufbrechen lassen.“ [23]
In Bezug auf das Experiment teilt Erich Stern [33] die verschiedenen Methoden in drei Gruppen ein: die subjektiven, die objektiven und die projektiven Methoden. Er führt aus, daß das Gemeinsame der subjektiven Methoden darin zu sehen ist, „daß hier der Prüfling eine Art Selbstanalyse geben soll, er soll sich selbst schildern, er soll selbst angeben, ob er gewisse Fähigkeiten, Eigenschaften besitzt oder nicht besitzt … Hier immer und überall weiß er, daß er von sich selbst spricht, diese Tatsache ist in keiner Weise irgendwie verdeckt oder verschleiert.“ [33] Autobiographie und Fragebogen sind subjektive Methoden.
Die objektiven Methoden verlangen vom Probanden eine Leistung, die objektiv in Erscheinung tritt und objektiv bewertet wird. Für die Einordnung des Tests „Familie in Tieren“ sind die Projektionen von besonderer Bedeutung.
„Projektive Vorgänge spielen ganz allgemein eine sehr große Rolle. In jeder Erzählung, in jedem Roman, in jeder Zeichnung, in jeder musikalischen Schöpfung drückt der Künstler Vorgänge aus, die sich in ihm selbst abspielen; er kann im Grunde genommen gar nichts anderes darstellen als das, was in ihm selbst gegeben ist; er projiziert es in Personen, die er schafft, in die Melodien, die er komponiert. Jedes Werk läßt so eine doppelte Deutung zu: eine objektive, die das Werk unabhängig vom schaffenden Künstler nimmt, es nach seinem künstlerischen Wert, seinem Ideengehalt beurteilt und bewertet und eine subjektive Deutung, die es als Projektion der psychischen Inhalte des Schöpfers auffaßt und aus dem Werk den Schöpfer zu verstehen, seine Persönlichkeit zu gewinnen sucht. Von hier aus nehmen die projektiven Tests ihren Ausgang. Bei ihnen handelt es sich darum, bewußt, unter genau festgesetzten Bedingungen projektive Prozesse beim Prüfling anzuregen und dann zu versuchen, die Ergebnisse derselben zu interpretieren.“ [33]
Vorzugsweise kommt der Projektionsprozeß im mitgeschöpflichen Bereich – aber auch zwischen Mensch und Tier – zur Auslösung und zum Austrag. Im wesentlichen sind drei Formen projektiver Technik zu unterscheiden [33]:
1. Die Projektion in der Handlung (Theaterspiel, Kasperletheater, Marionettenspiel, Sceno-Test, Welt-Test)
2. Verbale Projektion (Thematic-Apperceptions-Test, Children-Apperceptions-Test, Rorschach, Vetter-Auffassungstest)
3. Graphische Projektion (Schrift, Zeichnen)
Diese projektiven Methoden lassen sich noch einmal unterteilen in Interpretations- und Gestaltungstests. Bei beiden geht man davon aus, daß die Interpretation eines Vorgegebenen beziehungsweise die Eigenart der Gestaltung Rückschlüsse auf das Seelenleben des einzelnen gestatten. Es gibt zwei Formen graphischer Gestaltungstests: das athematische Zeichnen, bei dem der Zeichner seiner Phantasie freien Lauf läßt, irgendetwas zeichnet und das thematische Zeichnen, bei dem er eine gestellte Aufgabe erfüllt. Die bekanntesten graphischen, thematisch festgelegten Gestaltungstests sind folgende:
1. Zeichnen eines Männchens (Goodenough)
2. Zeichnen einer Frau, die im Regen auf der Straße spazierengeht (M. H. Fay)
3. Zeichnen der Familie (F. Minkowska, A. Porot)
4. Baumtest (K. Koch)
5. H.T.P.-Technik (house, tree, person), (Buck)
6. Meine Familie, ich, mein Haus (F. Minkowska)
7. Zeichne Deine Familie (M. Flury)
Die Zeichnung der „Familie in Tieren“ gehört zu den thematischen Tests, weil durch eine begrenzte Anweisung die Gestaltung eines bestimmten Themas angeregt wird. Im Zeichner lösen sich ohne sein Wissen Affekte und Emotionen, die zur Gestaltung kommen. Auf dem Wege des Deutens werden dann Rückschlüsse auf die Persönlichkeit gezogen. Damit ist das Wesen aller Deutung gekennzeichnet, indem von einem Zeichen auf einen Tatbestand geschlossen wird, „sie geht von außen nach innen, sie ist Tiefenschau. Die Deutungsmaterie ist das mehr Äußerliche, Vereinzelte, Abgehobene; das Deutungsziel stets das mehr Innerliche, mit der Totalität der Person inniger Verschmolzene.“ [33]
2. Die direkte und die indirekte Methode
Die bisher erwähnten Einteilungsmöglichkeiten der psychologischen Methoden ergänzend, wird nun noch zu den direkten und indirekten Verfahren in der psychologischen Diagnostik Stellung genommen.
Der direkte Weg zeichnet sich dadurch aus, daß dem Probanden einsichtig, in unverschlüsselter Form unverhüllt Fragen gestellt werden, beziehungsweise er gebeten wird, etwas Bestimmtes darzustellen. Entscheidend ist, daß die Dinge beim Namen genannt und nicht stellvertretend gemeint sind. Die indirekte Fragestellung hingegen, geleitet von einem vorsichtigen, einfühlenden Herantasten, „umkreist“ bestimmte Komplexe und überläßt es dem Probanden, diese zu artikulieren. Bereits im Alltag werden beide Verfahren mehr oder weniger bewußt praktiziert.
Drei Einsichten bewirkten, bei der Erhellung der vom Kinde erlebten Familienatmosphäre den indirekten Weg zu wählen: Erstens sind Kinder und Erwachsene nur allzu leicht betroffen und verletzt, wenn sie unmittelbar auf ihre Schwierigkeiten angesprochen werden und reagieren auf direkte Befragung häufig ängstlich, abwehrend, sich zurückziehend; hingegen werden die äußeren Daten des Lebens in der Regel freimütig bekanntgegeben, sofern sie nicht mit einer individuellen Problematik (z.B. Herkunfts-, Berufs-, Alterskomplex etc.) beladen sind.
Zweitens scheut man sich häufig aus psychagogischen Gründen, den vermuteten Komplex beim Namen zu nennen, um ihn nicht im unrechten Augenblick bewußt werden zu lassen. So hütet man sich zum Beispiel davor, ein Kind zu fragen:“ Wen hast Du lieber, Deinen Vater oder Deine Mutter?“ Die diesbezügliche indirekte Frage könnte etwa lauten: „Wenn Du Kummer hast, zu wem gehst Du dann?“ Oder: „Wenn Du krank bist, von wem möchtest Du dann am liebsten gepflegt werden?“
Ein dritter Grund für die Bevorzugung der indirekten Methode...
Erscheint lt. Verlag | 10.7.2023 |
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Zusatzinfo | 30 Abb. |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Test in der Psychologie | |
Schlagworte | Entwicklungspsychologie • Fallbeispiele • Familie • Familientherapie • Kind • Kinderzeichnung • Persönlichkeit • Persönlichkeitsentwicklung • Psychotherapie • Statistik • Test • Testverfahren • Tiere • Zeichentest |
ISBN-10 | 3-497-61799-7 / 3497617997 |
ISBN-13 | 978-3-497-61799-9 / 9783497617999 |
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