Über dem Abgrund (eBook)
288 Seiten
Conbook Verlag
978-3-95889-468-6 (ISBN)
Der im bayerischen Rosenheim aufgewachsene Friedrich 'Friedi' Kühne ist deutscher Profi-Slackliner und mehrfacher Highline-Weltrekordhalter. Seit über 19 Jahren treibt ihn sein Sport rund um die Welt zu immer neuen Abenteuern. Ob über tiefe Schluchten, tosende Wasserfälle oder zwischen Berggipfeln - keine Herausforderung scheint ihm zu groß, kein Abgrund zu tief. Bei seinen Vorträgen begeistert Kühne sein Publikum mit spektakulären Aufnahmen und spannenden Geschichten.
Der im bayerischen Rosenheim aufgewachsene Friedrich "Friedi" Kühne ist deutscher Profi-Slackliner und mehrfacher Highline-Weltrekordhalter. Seit über 19 Jahren treibt ihn sein Sport rund um die Welt zu immer neuen Abenteuern. Ob über tiefe Schluchten, tosende Wasserfälle oder zwischen Berggipfeln – keine Herausforderung scheint ihm zu groß, kein Abgrund zu tief. Bei seinen Vorträgen begeistert Kühne sein Publikum mit spektakulären Aufnahmen und spannenden Geschichten.
Die Inntal-Gang
INNTAL, BAYERN, DEUTSCHLAND
2009–HEUTE
Wer im Slacklinen Fortschritte machen will, der schafft dies meistens nur durch das Lernen von und den Wettkampf mit anderen. So hätte ich vielleicht auch bei meiner mickrigen Campingplatz-Line irgendwann aufgegeben, wenn ich nicht gesehen hätte, wie meine Kumpels schon mühelos darüber spazierten, und mir eine innere Stimme zugeflüstert hätte: »Das kannst du bald genauso gut. Vielleicht noch besser.«
Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wenn ich nicht im Laufe meiner Slackline-Karriere viele unglaublich talentierte und inspirierende Persönlichkeiten kennengelernt hätte, von denen einige heute zu meinen besten Freunden zählen. Allen voran sind hier Alex Schulz, Julian Mittermaier, Lukas Irmler, Valentin Rapp, Pablo Signoret, Mia Noblet und Spencer Seabrooke zu nennen, die mir schon immer vorgelebt haben, dass auf der Slackline nichts unmöglich ist.
Alex Schulz traf ich zum ersten Mal am Floriansee in der Nähe unser beider Heimatstadt Rosenheim. Ich muss ungefähr 19 Jahre alt gewesen sein, entweder kurz vor oder nach meinem Abitur, mit nur wenigen Monaten Slackline-Erfahrung unter dem Gürtel, als ich dort etwas wahrhaft Außergewöhnliches erspähte: Jemand hatte eine Waterline ganze 60 Meter lang quer über die Bucht aufgebaut! Das war in der damaligen Slackline-Welt gigantisch!
Ich war bereits Waterlines von maximal 15 Metern Länge balanciert, hatte aber keine Ahnung, wie man solch eine lange Strecke aufbauen könnte. Ich wusste auch nicht, wer das Material dazu haben, geschweige denn so weit balancieren könnte.
Aber Alex war anders als meine Kletterkumpels, von denen ich damals das Slacklinen gelernt hatte. Für ihn war das nicht nur ein nettes Spielzeug zum Angeben. Nein, er war damals genau wie ich völlig süchtig nach Slacklinen. Mehr noch, er hatte von Anfang an den Traum, immer weiter zu balancieren bis hin zum Slackline-Weltrekord. Und dafür trainierte er leidenschaftlich und mit Plan.
Wir freundeten uns schnell an und ich lernte wahnsinnig viel von ihm, vor allem über den Aufbau von Longlines und das komplizierte Handling von Flaschenzügen. Auch jenseits des schmalen Bandes kamen wir einfach gut miteinander zurecht, gingen bald auf das eine oder andere Reggae-Konzert in Rosenheim und brachen gemeinsam zu meinen ersten Slackline-Festivals auf.
Das Coole war, dass sich unsere Slackline-Stile wunderbar ergänzten. Frisch vom Trampolin kommend war ich noch hauptsächlich auf das Tricklinen fixiert, die Variante des Slacklinens, bei der man auf einem fest gespannten, extra elastischen Band die irrsten akrobatischen Tricks und Sprünge macht. Mit Anfang 20 träumte ich ununterbrochen davon. Ich übte es, so viel ich konnte, anfangs jeden Nachmittag nach der Schule, dann nach dem Zivildienst und schließlich nach der Uni im Englischen Garten. Der Tag, an dem ich meinen ersten Rückwärtssalto und meinen ersten Buttbounce auf der Slackline landete – es war tatsächlich beides am selben Tag – war zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich der schönste Tag meines Lebens.
Alex hingegen wollte einfach immer längere Strecken balancieren, bis hin zum Slackline-Weltrekord. Er war das ultimative Longline-Talent. Und so sahen wir uns zumindest früher nie als Konkurrenten.
Wenige Wochen später lernte ich über Alex beim Tricklinen am selben See zwei weitere große Slackline-Talente kennen: Valentin Rapp und Julian Mittermaier. Die zwei sind absolute Sportskanonen. Bergsteigen, Klettern, Skifahren, Mountainbiken, Schwimmen, Turnen, Tennis – es gibt nichts, was sie nicht irgendwann mal auf mindestens fortgeschrittenem Niveau betrieben hätten. Kein Wunder, wenn man in Brannenburg im wunderschönen Inntal südlich von Rosenheim aufwächst. Diese Burschen hatten die Berge schon immer vor der Haustüre und wurden von klein auf von ihren Eltern dazu angeregt, sie zu erkunden. Beide sind etwa ein Jahr jünger als ich und aus meiner Slackline-Geschichte nicht wegzudenken – und ich wahrscheinlich aus der ihren ebenso wenig.
Wenn ich von Julian etwas gelernt habe, dann ist es, dass keine Slackline lange frei bleiben darf. Man muss kostbare »Linetime« nutzen. Witzige ist: Er sagt heute, er habe dasselbe von mir gelernt. Genauso wie das laute Sieges-Rülpsen am Ende jeder neu begangenen Highline.
Vale war schon immer nicht nur ein talentierter Slackliner, er hatte auch schon in jungen Jahren ein irres Gespür für die besten Fotos und schnitt unsere ersten Slackline-Videos.
Ebenfalls über Alex lernte ich eines Tages beim Longlinen die letzte große deutsche Slackline-Persönlichkeit kennen, die mir in meinem Freundeskreis noch fehlte und von der ich vielleicht über all die Jahre hinweg am meisten gelernt habe: Lukas Irmler.
Der heute 35-jährige Freisinger lief schon im Jahr 2011 über 200 Meter lange Longlines, und genau dabei sah ich ihn auch zum ersten Mal. Alex und er hatten auf einer Wiese in Rosenheim eine 250 Meter lange Line aufgebaut – zu diesem Zeitpunkt der Polyester-Slackline-Weltrekord.
Ich vermochte mir damals noch nicht mal vorzustellen, solche Distanzen eines Tages selbst laufen zu können. Das Ding war auch irgendwie furchteinflößend. In nur zwei Metern Höhe gespannt, mit einem schweren Kettenzug auf gute zwei Tonnen angeknallt! Das wäre heute, da wir endlich verstanden haben, dass es mit weniger Spannung einfacher geht, undenkbar! Damals sind nicht selten mal Lines gerissen, Gott sei Dank nicht an jenem Tag.
Lukas war ein Allrounder. Wie ich nahm er an Trickline-Wettbewerben teil, war aber auch schon immer ein begeisterter, topfitter Kletterer. Heute ist er nahezu ununterbrochen in den Bergen unterwegs – wenn er nicht gerade dabei ist, auf einer Slackline eine Minute lang einen Handstand zu halten. Ich denke, es versteht sich von selbst, dass auch wir zwei nicht selten miteinander konkurriert haben, aber ich glaube, bei niemandem war der freundschaftliche Wettbewerb so förderlich wie bei uns. Jahrelang haben wir immer wieder zusammen neue Weltrekorde aufgestellt oder sie uns innerhalb kürzester Zeit gegenseitig abgejagt. Und es war Lukas, mit dem ich einige meiner schönsten, unvergesslichsten Highlines geschafft habe.
Es war einfach großes Glück, dass wir uns alle in genau dem Alter kennenlernten, in dem sich die schulischen Verpflichtungen dem Ende zuneigen und man den Drang verspürt, die Welt zu entdecken und sich zu beweisen. Das Slacklinen selbst war als Sportart ebenfalls noch sehr jung, und so war es schon eine absolute Seltenheit, überhaupt jemanden zu finden, der diese exotische Bewegungsform so ernst nahm wie wir. Das schmale Band verband uns auf Anhieb mehr als es wohl je ein Fußball-, Turn-, oder Musikverein es geschafft hätte.
Im Jahr 2012 kam die gesamte Inntal-Gang an unserem Hausberg, dem 1858 Meter hohen Wendelstein zusammen und riggte zum ersten Mal die Wendelstein-Highline – bis heute der absolute Klassiker unter den Lines im Inntal und Ort etlicher Filmdrehs und Fotoshootings. Mit 70 Metern Länge war sie damals ein neuer persönlicher Rekord für mich, und eine riesige Herausforderung. Bretthart gespannt mit fast einer Tonne, auf schwerem Low-Stretch-Polyester. Das Ding hat gezittert und um sich geschlagen wie ein Aal, wollte einen einfach nur abwerfen.
Nach etlichen Versuchen schaffte ich die Line am zweiten Tag. Alex und Julian hatten mich damit inspiriert, wie sie es auf diesem zitternden, wabbelnden Monster schafften ruhig zu bleiben und kontinuierlich einen Schritt nach dem anderen zu setzen, um die Line mit »Micro-Bounces« unter Kontrolle zu halten. Das wollte ich unbedingt auch schaffen.
Acht Jahre später ergänzten wir den Wendelstein um eine 500 Meter lange Highline, in Sichtweite des alten 70-Meter-Klassikers. Mit Begehung der Line gelang uns nicht nur ein neuer deutscher Slackline-Rekord, sondern es war auch ein wunderschönes und nostalgisches Wiedererleben unserer Anfänge als Team.
Free Solo
Klettern oder Highlinen ohne Sicherung. Warum tun Menschen so etwas? Diese Frage lässt sich kaum zufriedenstellend beantworten. Die meisten Extremsportler sind sich einig: Jemand, der es selbst nicht macht, wird es möglicherweise nie nachvollziehen können.
Bei meinen Vorträgen spiele ich mit dem Publikum manchmal folgendes Teambuilding-Spiel: Man lässt sich rückwärts fallen und wird von seinem Partner, den man nicht sieht, aufgefangen. So wird schnell gegenseitiges Vertrauen aufgebaut.
Free-Solo-Highlinen ist so, wie wenn man dieses Spiel mit sich selbst spielt. Man lässt sich fallen, steht aber gleichzeitig hinter sich und fängt sich immer wieder auf. Wem sollte man auch mehr vertrauen als sich selbst?
Aber natürlich wacht kein Slackliner, der sonst immer mit Leash gelaufen ist, eines Tages auf und denkt sich: »So, heute laufe ich meine erste Free-Solo-Highline, am besten gleich 100 Meter hoch.«
Im Gegenteil: Das Ganze ist...
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2023 |
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Verlagsort | Neuss |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
Reisen ► Reiseberichte | |
Schlagworte | Abenteuer • highline • Natur • Outdoor • Reiseerzählung • slacken • Slackline • Slacklining • Sport • Travel • Weltrekorde |
ISBN-10 | 3-95889-468-2 / 3958894682 |
ISBN-13 | 978-3-95889-468-6 / 9783958894686 |
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