Wie man keinen Nobelpreis gewinnt (eBook)
240 Seiten
Gräfe und Unzer (Verlag)
978-3-8338-9106-9 (ISBN)
Privatdozent und Medizinhistoriker Dr. Nils Hansson forscht seit zehn Jahren zu Anerkennung in den Wissenschaften. Derzeit ist er am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. In seinen über 50 Publikationen begeistert er sich für Forschende, deren Entdeckungen zu Lebzeiten verkannt wurden. Als gebürtiger Schwede kommentiert er jedes Jahr die Nobelpreisvergabe in internationalen Medien.
Privatdozent und Medizinhistoriker Dr. Nils Hansson forscht seit zehn Jahren zu Anerkennung in den Wissenschaften. Derzeit ist er am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. In seinen über 50 Publikationen begeistert er sich für Forschende, deren Entdeckungen zu Lebzeiten verkannt wurden. Als gebürtiger Schwede kommentiert er jedes Jahr die Nobelpreisvergabe in internationalen Medien.
Hinweis zur Optimierung
Impressum
Geleitwort von Frank Elstner
Vorwort
Brillante Verlierer und das Mysterium Nobelpreis
Warum sind Preise so attraktiv?
Wenn der Nobelpreis ausfällt – Rausch, Kater & Revival der Fitnessstudios
Ikonen der Medizin, noble Verlierer? Chirurginnen und Chirurgen als Nobelpreiskandidaten
Kein Preis ohne Prostata: Warum gibt es so wenige Preisträgerinnen?
Nepo-Babys oder Genies im Doppelpack
Nazis als Nobelpreiskandidaten
Zu visionär – Medizinische Revolutionen, die die Nobelpreisjury nicht erkannte
Aus dem Nobelarchiv – Nominierungen für gescheiterte Kandidaten
Game over – Wie man den Nobelpreis nicht gewinnt
Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin von 1901 bis 2022
Danksagung
Endnoten
Literaturverzeichnis
Vorwort
Als der schwedische Erfinder Alfred Nobel am 10. Dezember im Jahr 1896 mit nur 63 Jahren in seinem Ferienhaus im italienischen San Remo an einer Gehirnblutung starb, war er ein reicher Mann. Mit der Entwicklung des Dynamits hatte der studierte Chemiker, der 1833 als eines von acht Kindern in einer Stockholmer Ingenieursfamilie geboren wurde, ein Vermögen gemacht – er galt als einer der wohlhabendsten Menschen seiner Zeit. 1859 startete er, nachdem er viele Jahre zu Studienzwecken im Ausland verbracht hatte, erste Versuche, um die Explosionskraft des hochempfindlichen Nitroglyzerins kontrolliert für die Sprengtechnik zu nutzen. Mit der Idee, das Nitroglyzerin in Kieselgur aufzusaugen, gelang ihm 1867 der Durchbruch.1 Das Dynamit war erfunden. Und weil Alfred Nobel nicht nur ein guter Chemiker, sondern auch ein kluger Geschäftsmann war, machte er daraus ein erfolgreiches Unternehmen. Er ließ sich seine Erfindung in Schweden und im Ausland patentrechtlich schützen und verdiente so an jedem Einsatz von Dynamit mit – etwa beim Bau von Eisenbahnen, Straßen, Häfen, Tunneln und Bergwerken. Bis 1873 gründete er zudem 15 Unternehmen in 13 europäischen Ländern und in den USA. Am Ende seines Lebens hatte Nobel sagenhafte 355 Patente angemeldet.2
Alfred Nobel, der nie verheiratet war und keine Kinder hatte, hinterließ der Nachwelt also ein enormes Vermögen. Zwar erhoben seine Geschwister Anspruch auf das Erbe, doch Nobel hatte anderes im Sinn.3 Er wollte der Welt mehr hinterlassen als ein Mittel, das Explosionen auslösen kann – und hatte schriftlich vorgesorgt. In seinem Testament hielt er fest, dass sein immenses Vermögen in eine Stiftung fließen solle. Die Summe belief sich auf 31 Millionen Schwedische Kronen (nach heutigem Geldwert etwa 234 Millionen Euro), deren Zinsen jedes Jahr an besonders herausragende Forscherinnen, Forscher und Kulturpersönlichkeiten in den Kategorien Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden vergeben werden sollten. Wörtlich heißt es: „[…] denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben.“
„Mit dem ganzen Rest meines realisierbaren Vermögens ist folgendermaßen zu verfahren: Das Kapital, von den Testamentsvollstreckern in sicheren Wertpapieren realisiert, soll einen Fond bilden, dessen jährliche Zinsen als Preise denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben. Die Zinsen werden in fünf gleiche Teile geteilt, von denen zufällt: ein Teil dem, der auf dem Gebiete der Physik die wichtigste Entdeckung oder Erfindung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigste chemische Entdeckung oder Verbesserung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigste Entdeckung auf dem Gebiete der Physiologie oder der Medizin gemacht hat; ein Teil dem, der in der Literatur das Beste in idealistischer Richtung geschaffen hat; ein Teil dem, der am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen. Die Preise für Physik und Chemie werden von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften verteilt; die für physiologische oder medizinische Arbeiten vom Karolinischen Institut in Stockholm und die für die Eifrigsten im Kampf um den Frieden von einem Ausschuss von fünf Personen, die vom norwegischen Storting gewählt werden. Es ist mein ausdrücklicher Wille, dass bei der Preisverteilung keinerlei Rücksicht auf die Nationalität genommen werden darf, sodass nur der Würdigste den Preis erhält, ob er nun Skandinavier ist oder nicht.“
Fünf Jahre nach seinem Tod war Nobels Vision Wirklichkeit geworden: Die ersten Auszeichnungen wurden 1901 in Stockholm verteilt. Preisträger waren Sully Prudhomme (Literatur), Conrad Wilhelm Röntgen (Physik), Emil von Behring (Physiologie oder Medizin), Jacobus van’t Hoff (Chemie) sowie Jean Henry Dunant und Frederic Passy (Frieden). Heute, mehr als 120 Jahre später, gilt der Nobelpreis weltweit als die prestigeträchtigste Auszeichnung für Forscherinnen und Forscher.4
Der Prestigegewinn des Preises macht sich übrigens auch an der gestiegenen Zahl der Gäste bemerkbar. Am ersten Nobel-Dinner, das bis heute einen wichtigen Bestandteil der Preiszeremonie darstellt, nahmen 113 Gäste teil; sie bekamen Rinderfilet imperialer Art serviert, dazu deutsche und französische Weine. Gespeist wurde im Spiegelsaal des Grand Hôtel in Stockholm, das drei Jahrzehnte lang als Veranstaltungsort für das Bankett diente. Später verlegte man es in das Stockholmer Rathaus, um mehr Gästen Platz zu bieten. Das war dringend nötig: Heute werden zum Nobel-Dinner jedes Jahr rund 1300 Gäste aus Wissenschaft, Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Kultur eingeladen.
Für das Essen werden der Nobelstiftung alljährlich drei Menüvorschläge von international anerkannten Küchenchefs zur Verkostung vorgelegt. Das ausgewählte Menü bleibt bis zum Tag des Nobel-Banketts strikt geheim. Wie Sie an den einzelnen Fallbeispielen in den Kapiteln sehen werden, erzählen die Menüs zugleich eine interessante kulinarische Kulturgeschichte seit 1901.
Von Visionären zu Verlierern – eine alternative Nobelpreisgeschichte
Seit nunmehr zehn Jahren forsche ich über Anerkennung in den Wissenschaften, speziell zum Thema Exzellenz und Eliten in der Medizin. Für mich als gebürtigen Schweden liegt es nahe, dass einer meiner Forschungsschwerpunkte auf dem Nobelpreis liegt – abgesehen von Astrid Lindgren, Ikea und ABBA wird international wohl nichts anderes so sehr mit Schweden assoziiert. Auch in die Populärkultur hat er Einzug gehalten, sei es in die Literatur wie in dem Roman Solar von Ian McEwan oder in populären Serien wie Big Bang Theory, The Simpsons oder Southpark. Der Nobelpreis ist überall.
Anfangs war es spannend, mir die Geschichten der Preisträger anzusehen. Ganz selbstverständlich richtete ich meinen Blick auf die Sieger, auf diejenigen, die im Rampenlicht stehen. Doch je mehr ich das tat, desto häufiger stolperte ich über die Geschichten abseits der Ausgezeichneten. Ich begann mich zu fragen, inwieweit die Auszeichnungen verdient waren. Hatte das Nobelkomitee bei seiner Arbeit tatsächlich Nobels letzten Willen erfüllt? Werden wirklich immer diejenigen geehrt, deren Forschung der Menschheit den größtmöglichen Nutzen gebracht hat? Ist es angesichts der riesigen Menge an Nominierungen überhaupt möglich, diesem Ziel gerecht zu werden? Erhalten die Richtigen den Nobelpreis?
Je mehr ich mich mit diesem Thema auseinandersetzte, desto mehr begann ich mich für diejenigen zu interessieren, die den Preis nicht bekamen.5 Warum hatten sie es trotz zum Teil Dutzender Nominierungen nicht geschafft? Waren sie nicht gut genug gewesen?6 Oder hatten sie einfach Pech gehabt, weil niemand ihre Genialität erkannte? Kurz: Was unterscheidet eigentlich die oft nominierten, aber letztlich erfolglosen Wissenschaftlern von den Preisträgern? Fortan lagen auf meinem Schreibtisch nicht mehr die Akten der Nobelpreisträger, sondern die der „Loser“. Das Projekt „Hochbegabte Verlierer“ war geboren.7
Gemeinsam mit Doktorandinnen und Doktoranden sowie weiteren Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft habe ich mir in den vergangenen Jahren angeschaut, welchen Beitrag diese „hochbegabten Verlierer“ für die Entwicklung der Medizin geleistet haben. Dabei handelt es sich um bekannte, aber auch unbekannte Persönlichkeiten der Medizingeschichte, darunter der Berliner Chirurg Ferdinand Sauerbruch, der für die Entwicklung einer Armprothese und einer Brustkorboperation nominiert war, oder der schwedische Orthopäde Gustav Zander, der eine frühe Variante des Fitnessstudios ins Leben rief. Beide wurden trotz ihrer originellen Erfindungen nie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Was auch immer dahintersteckte – wir wissen aus den Erzählungen einiger Kandidaten, dass der Nichterhalt des Preises für sie durchaus ein traumatisches Ereignis war. Der bekannte Chemiker Carl Djerassi beispielsweise, dessen Idee zur Synthetisierung von Gestagen die erste Antibabypille ermöglichte, hat seine Niederlage in einem Buch und einem Theaterstück verarbeitet.
Djerassi schuf in seinem 1991 erschienenen Roman Cantors Dilemma die Figur Isidore Cantor, einem Zellbiologen, Ende fünfzig, der einen Lehrstuhl an einer Uni in der Nähe von Chicago innehat.8 Als dieser beim nächtlichen Toilettengang einen plötzlichen Geistesblitz hat – eine plausible Hypothese der Tumorentstehung –, wähnt er sich dem Nobelpreis nahe. Sehr nahe. Darum, so viel sei an dieser Stelle verraten, nimmt er es mit der Überprüfung seiner Thesen nicht so genau. Ein sehr unterhaltsamer Roman, der die Wissenschaftsszene gezielt aufs Korn nimmt und in dem sich viele Forscherinnen und Forscher auf geradezu erschreckende Weise wiedererkennen.
Während Djerassi aus dem Thema ein (ziemlich erfolgreiches) Buch machte, verfolgte es andere im Traum. So erging es dem kanadischen Neurochirurgen Wilder Penfield, der eine Methode entwickelte, um Menschen im wachen Zustand am Gehirn zu operieren. Penfield hatte für diese bahnbrechende Forschung in den 1950er- und 1960er-Jahren eine ganze Reihe renommierter Preise erhalten und wurde regelmäßig als höchst aussichtsreicher Nobelpreiskandidat gehandelt. Laut der kanadischen Historikerin Delia Gavrus litt er an wiederkehrenden Albträumen, die er in seinem Tagebuch festhielt.9 Im Traum fand er sich irgendwo in einem Raum wieder, umgeben von Menschen, die über den Nobelpreis sprachen. „Wer hat ihn...
Erscheint lt. Verlag | 5.10.2023 |
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Reihe/Serie | Edition Medizin |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik |
Schlagworte | Antibiotika • Durchbrüche • Medizin Biografien • Medizingeschichte • Nobelpreis • Pop-Science • Röntgen • Science history • unterhaltsame Geschichte • verkannte Genies • Vollnarkose • Wissenschaftsgeschichte |
ISBN-10 | 3-8338-9106-8 / 3833891068 |
ISBN-13 | 978-3-8338-9106-9 / 9783833891069 |
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Größe: 3,8 MB
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