In der Geburtsklinik (eBook)
352 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30817-9 (ISBN)
Die Geburt eines Kindes ist ein ganz besonderer Moment im Leben aller Beteiligten. Doch es ist eben kein Moment, kein kurzer Augenblick, sondern kann sich hinziehen, mit Wehen, Blasensprung und Nachgeburt. Dr. med. Richard Krüger begleitet als angehender Frauenarzt täglich Geburten, die verschiedener nicht sein könnten und doch eines gemein haben: Die meisten Menschen im Kreißsaal wissen nicht, was auf sie zukommt. Nun erklärt er allen schwangeren Frauen und ihren Begleitpersonen, was passiert, sobald sie über die Schwelle der Klinik treten, wie sie dem Personal ihre Wünsche, Ängste und Sorgen kommunizieren, was Fachbegriffe bedeuten und warum Kaiserschnitt und Saugglocke kein Tabu sein sollten.
Dr. med. Richard Krüger, ist Assistenzarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und hat mehrere Jahre lang Geburten in Deutschlands größter Geburtsklinik, der Charité in Berlin, begleitet. Dort spürte er, dass Schwangere und ihre Begleitungen oft unvorbereitet und verängstigt in den Kreißsaal kommen - obwohl sie das größte Wunder der Menschheit erwartet. Das möchte er ändern, erklären was passiert und Ängste vor Tabuthemen wie Geburtsverletzungen, Saugglockengeburt und Kaiserschnitt nehmen.
I Die Geburtsklinik
Die Kommunikation ist alles
Während der vielen Monate einer Schwangerschaft spricht jede Schwangere mit dutzenden Menschen über das große Finale: die Geburt. Sie erhält etliche Ratschläge und baut eine bestimmte Erwartungshaltung auf, ob sie will oder nicht. Die Kommunikation vor dem Klinikaufenthalt ist darum so wichtig, um das Abenteuer »Geburt« mit der richtigen Einstellung erleben zu können. Darüber wollen wir zuerst sprechen, anschließend über die Kommunikation während des Klinikaufenthaltes.
Die Kommunikation mit sich selbst
Unsere Erwartungshaltung spielt eine bedeutende Rolle in allen Lebenslagen. Gehen wir davon aus, dass etwas schrecklich wird, wird es meist weniger schrecklich. Erwarten wir, dass etwas der schönste Moment unseres Lebens wird, wird er es oftmals leider nicht. Eine Situation aus dem Alltag soll als Beispiel für eine hilfreiche und weniger hilfreiche Erwartungshaltung herhalten.
Das Erwartungsmanagement – der Mallorca-Urlaub
Stellen Sie sich vor, Marie und Jonas sind noch nie geflogen. Stattdessen lieben sie Fahrradtouren im Spree- und Schwarzwald. Viele ihrer Freunde haben ihnen jedoch von der spanischen Insel Mallorca erzählt und dass sie dort den schönsten Urlaub ihres Lebens verbracht hätten. Marie und Jonas entscheiden sich diesen Sommer, das Fahrrad abgeschlossen zu lassen, und buchen ihre erste Flugreise nach Palma de Mallorca – den Ort, wo gegrilltes Gemüse auf Sonnenschein und Sangria treffen soll.
Marie und Jonas steigen in das Taxi zum Flughafen und werden zum falschen Terminal gefahren. Ihre Koffer wiegen mit 25 und 27 Kilogramm zu viel, beide müssen aus der Warteschlange ausscheren, um sich mehrere Pullis anzuziehen und die Flip-Flops in den Rucksack zu quetschen. Bei der Sicherheitskontrolle angekommen, wird Marie all ihr hochwertiges Make-up, das nicht in eine Ein-Liter-Plastiktüte passt, und ihre Glasflasche abgenommen. Jonas muss sein Deo und das neue Parfum abgeben, das er von Marie zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Die anderen Passagiere beschweren sich, dass die beiden so lange brauchen. Nassgeschwitzt, stinksauer und erschöpft verpassen die beiden den Flieger, weil sich kurzfristig das Gate geändert hat und sie, als sie endlich außer Atem dort ankommen, nicht mehr an Bord gelassen werden. Sie müssen einen neuen Flug bezahlen und kommen mit acht Stunden Verspätung in ihrem Hotel an, ein Betonhochhaus, dessen Pool die ganze Woche mit einem Presslufthammer bearbeitet wird. Überall befinden sich Horden betrunkener Fußball- und Volleyballmannschaften. Der Mallorca-Urlaub wird zur schlimmsten Ferienerfahrung ihres Lebens, alles, was ihre Freunde ihnen über Mallorca erzählt haben, trifft für sie überhaupt nicht zu. Sie wollen einfach nur zurück und Fahrrad fahren im Spreewald.
Fazit: Die entstandene Erwartungshaltung in Sachen »Mallorca-Urlaub« war für Marie und Jonas praktisch nicht zu erfüllen, weil alle gehörten Meinungen nur das Positive geschildert, aber keine Vorbereitungstipps gegeben haben. Dazu haben Marie und Jonas sich nicht über die Abläufe am Flughafen und ruhige Unterkünfte informiert. Das ist ein gutes Beispiel für eine mangelnde Informationslage und ein schlechtes Erwartungsmanagement.
Übertragen auf die Geburt ist es wichtig, sich mit den Abläufen in einer Geburtsklinik zu beschäftigen und die eigene Erwartungshaltung realistisch zu halten. Mit dem richtigen Erwartungsmanagement wird eine Erwartungshaltung geschaffen, die erreicht, aber auch übertroffen werden kann. Versuchen Sie neben den Themen, die für Sie selbst in Sachen Geburtsklinik am interessantesten sind – wie beispielsweise die Geburt und der erste Kontakt mit Ihrem Kind –, auch die Dinge gedanklich durchzuspielen, auf die Sie sich nicht freuen: z.B. Papierkram, den Transport zur Klinik und den Personalwechsel im Schichtsystem. Denn letzten Endes wird auch das eventuell auf Sie zukommen. Es ist für Sie weniger anstrengend und enttäuschend, wenn Sie sich neben den schönen auch mit den nicht so angenehmen Dingen beschäftigen und nicht erwarten, dass alles auf Anhieb reibungs- und schmerzlos klappt – ähnlich wie bei der Gepäckaufgabe und Sicherheitskontrolle am Flughafen.
Der Geburtsplan
Wahrscheinlich werden Sie bei der Recherche in der Vorbereitung auf Ihre Geburt über das Thema »Geburtsplan« stolpern. In den skandinavischen Ländern hat (fast) jede Schwangere einen Geburtsplan. Es handelt sich um einen Text, in dem eine Schwangere erklärt, wie sie sich die Geburt wünscht und was sie nicht möchte. Sich selbst einen Geburtsplan zu schreiben, ist sehr sinnvoll, um die Abläufe einer Geburt von Anfang bis Ende durchzudenken. Viele schreiben ihn aber nicht selbst, sondern kopieren Texte aus dem Internet und verstehen manchmal gar nicht, was drinsteht.
Tatsächlich kann der Geburtsverlauf sogar trotz minutiöser Vorbereitung nicht kontrolliert werden und verläuft meistens ganz anders als geplant. Ein Plan B, C oder Z führt Sie manchmal besser ans Ziel der Geburt Ihres gesunden Kindes als Ihr Geburtsplan A, den Sie sich vor der Geburt zu Hause überlegt haben. Dabei kann nicht nur das, was für Sie und Ihr Kind aus Hebammen- oder Ärztinnensicht das Sinnvollste ist, von dem abweichen, was in Ihrem Geburtsplan steht. Vor allem können auch Ihre eigenen Wünsche während der Geburt vollkommen gegensätzlich zu dem sein, was Sie sich vorher überlegt haben. Sie wollten eigentlich keine Medikamente gegen die Geburtsschmerzen, während der Geburt dann aber doch? Die eigene Meinung zu ändern, ist im Leben mit all seinen Herausforderungen ganz normal und besonders während der Geburt vollkommen nachvollziehbar und überhaupt kein Problem.
Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Geburtsteam aus Baby, Begleitperson, Hebamme und Ärztin mit Ihnen gemeinsam den für Sie individuell richtigen Weg finden wird. Das Personal ist für Sie da, hat sich dazu entschieden, den Beruf der Hebamme oder Ärztin zu ergreifen, um Sie bei Ihrer Geburt bestmöglich zu unterstützen, und wird nichts tun, was Ihnen oder Ihrem Baby schaden könnte.
Schreiben Sie sich also gern einen Geburtsplan, aber lassen Sie Beratung und Alternativpläne während der Geburt zu. Das gesprochene Wort mit Ihrer betreuenden Hebamme und Ärztin vor Ort ist durch keinen Geburtsplan der Welt zu ersetzen.
Wer soll bei der Geburt dabei sein?
Eine Begleitperson für die Geburt dabei zu haben, ist sinnvoll und wichtig. Das Personal wechselt im Schichtsystem, in der Kreißsaalaufnahme betreut Sie womöglich jemand anderes als im Kreißsaal. Die Begleitperson ist daher die einzige Konstante während des Aufenthaltes einer Gebärenden in der Geburtsklinik – egal, wie lange es dauert.
Jedoch: Viel mehr Beziehungspartner/innen, als man denkt, wollen bei der Geburt gar nicht dabei sein. Schwangere werden von der Gesellschaft zu der Meinung gedrängt, dass man die Geburt als Paar erleben müsse. »Dein/e Partner/in will nicht bei der Geburt dabei sein? Habt ihr Beziehungsprobleme?« Eine Person, die trotz inneren Widerstandes die Schwangere zur Geburt begleitet, ist häufig unzufrieden und tippt im Kreißsaal, zur Untätigkeit verdammt, auf dem Smartphone herum. Sie streiten sich womöglich und es findet keinerlei Unterstützung statt – im Gegenteil, das Stresslevel wird sogar noch erhöht. Jede Hebamme hat schon erlebt, dass eine Gebärende nach langem Stillstand erst dann das Kind zur Welt bringen konnte, nachdem ihre Begleitperson den Kreißsaal verlassen hatte. Vorher wurde schlicht und ergreifend mit angezogener Handbremse gepresst, weil es der Schwangeren vor ihrer Begleitperson unangenehm war.
Drei Menschen können darunter leiden, wenn die falsche Person die Begleitperson zur Geburt ist: die Schwangere, weil sie sich Sorgen um ihre Begleitperson macht, weil sie nicht unterstützt wird und deswegen (zu Recht) wütend ist. Die Begleitperson, die nicht weiß, was sie machen soll, und weil sie das Miterleben des Geburtsvorgangs möglicherweise belastet. Und schließlich das Kind, weil es unter diesen Umständen oft länger als nötig braucht, um geboren zu werden, und das auch noch in die Arme eines Paares, das gerade nicht miteinander harmoniert.
Nehmen Sie eine Person mit, der Sie vertrauen und zutrauen, dass sie Sie in der Geburtssituation unterstützen kann, aber um die Sie sich nicht kümmern müssen. Es ist fantastisch, wenn diese Person tatsächlich der/die eigene Partner/in ist. Es ist aber für alle Beteiligten genauso fantastisch, wenn das die Mutter, Schwester, Schwägerin, beste Freundin oder der beste Freund ist.
Für die Begleitperson
Besprechen Sie mit »Ihrer« Schwangeren viele Wochen vor der Geburt wiederholt, wer aus Ihrer beider Sicht die am besten geeignete Begleitperson zur Geburt ist. Die Meinung hierzu kann sich im Verlauf der Schwangerschaft ändern, am Ende muss aber eine Entscheidung her. Nur wenn sich alle einig sind, dass es sich bei der am besten geeigneten Begleitperson um Sie handelt, kann es zu der Unterstützung und Geburtserfahrung kommen, die Sie sich beide erhoffen.
Klären Sie schon während der Schwangerschaft mit Ihrem Arbeitgeber, wie die betrieblichen oder...
Erscheint lt. Verlag | 21.2.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | 2024 • Baby • Babyjahre • Babypedia • Bauchgeburt • Dammriss • Das große Buch zur Schwangerschaft • Die selbstbestimmte Geburt • eBooks • Eltern • Geburt • Geburtsbegleitung • Geburtsbericht • Geburtseinleitung • Geburtstrauma • Geburtsvorbereitung • Geschenkbuch werdende Eltern • Geschenk für Schwangere • geschwängert • Gesundheit • guter hoffnung • HypnoBirthing • Kaiserschnitt • Kreißsaal • kreißsaal tasche • Neuerscheinung • Notfall • Oje ich wachse • Ratgeber • Remo H. Largo • Schwanger • Schwangerschaft • Schwangerschaftsbuch • schwanger werden • Sectio |
ISBN-10 | 3-641-30817-8 / 3641308178 |
ISBN-13 | 978-3-641-30817-9 / 9783641308179 |
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