Vater werden. Papa sein (eBook)
144 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-28598-2 (ISBN)
Was bedeutet es heute für einen Mann, Vater zu werden? Wie findet man in die neue Rolle hinein und bleibt gleichzeitig mit sich selbst im Reinen? Wie kann man das eigene Selbstverständnis gut mit dem Familienleben vereinbaren und es positiv erleben? Wie sorgt man für sich selbst und reibt sich nicht zwischen Erwartungen und eigenen Bedürfnissen auf? Mathias Voelchert, der in Zusammenarbeit mit Jesper Juul familylab.de gegründet und geleitet hat, bestärkt Väter aus seiner langjährigen Praxis heraus darin, darauf ihre eigenen, gleichwürdigen Antworten zu finden. Er hilft ihnen, mit ihren Unzulänglichkeiten freundlicher umzugehen und eine gute Verbindung zu sich und ihren Kindern aufzubauen. So können Männer entspannt Papa sein und ihre Kinder zu starken und selbstbewussten Menschen heranwachsen.
»Mein wichtigster Rat an einen Vater ist Gelassenheit. Und wir können Einfluss auf unser Schicksal nehmen, darauf, wer wir sind und wie wir in Zukunft sein wollen, und damit zum Gestalter unseres Vater-Seins werden.« Mathias Voelchert
Mathias Voelchert (1953-2024), Gründer (in Zusammenarbeit mit Jesper Juul) von familylab.de in Deutschland und dessen Leiter von 2006-2022, war Betriebswirt, Ausbilder, praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Ausbildung und diversen Weiterbildungen, Autor und seit 1983 selbstständiger Unternehmer. Er gab Väter-Workshops, beriet Paare, Familien, Schulen und Unternehmer zum Thema Gleichwürdigkeit und gelingende Beziehungen. Außerdem bildete er seit Jahren Fachleute zum Thema Beziehungskompetenz in Schulen, Unternehmen und in der Familienberatung weiter.
Vatersein kann man nicht von Müttern lernen!
Lange Zeit herrschte in der Forschung die Auffassung, dass Väter bei der Entwicklung des Kindes eine sekundäre Rolle spielen. Die Anthropologin und Oxford-Professorin Dr. Anna Machin hat jedoch wissenschaftlich belegt, dass für die Ausbildung des Selbstbewusstseins und der Geschlechtsidentität in der Erziehung der Vater eine maßgeblichere Rolle spielt als die Mutter. Er bereitet das Kind auf die Welt außerhalb der Familie vor.6
Bis auf wenige Ausnahmen wollen alle Väter für ihr Kind da sein, und sie geben ihr Bestes. Der Vater wie auch die Mutter besitzen gleichermaßen einen Elterninstinkt. Die Rollen sind jedoch unterschiedlich verteilt. Die Evolution vermeidet Überflüssiges. Es benötigt einen umsorgenden und einen herausfordernden Elternteil. Diese beiden Umgangsweisen mit dem Leben braucht das Kind gleichermaßen.
Das Kind braucht eine ermutigende Bezugsperson und eine, die tröstet, wenn etwas schiefgeht.
Dabei wird bei der Mutter vor allem der Teil des Gehirns aktiviert, in dem Gefühle wie Fürsorge sitzen. Diese Beziehung zum Kind ist nach innen gerichtet. Der Vater hingegen aktiviert den Teil des kindlichen Gehirns, der für soziale Interaktion und Kommunikation zuständig ist. Diese Beziehung zum Kind ist nach außen gerichtet. Der Vater möchte das Kind voranzubringen, damit es seine Grenzen austestet.
Der Vater baut eine Verbindung zum Kleinkind auf, indem er mit dem Baby spricht, ihm etwas vorsingt oder vorliest. Durch solche Aktivitäten in den ersten zwölf Monaten der kindlichen Entwicklung wird der erste Vater-Kleinkind-Kontakt hergestellt. Für viele Väter ist das oft eine frustrierende Erfahrung, weil es ein halbes Jahr oder länger dauert, bis kleinste Rückmeldungen vom Baby erfolgen. Anna Machin belegt den Vorgang wissenschaftlich: Es werden sogenannte Bindungshormone bei Vater und Kind ausgeschüttet, die die Beziehung festigen.7 Frühe Interaktionen von Vätern sind außerdem für die kindliche Entwicklung sehr wichtig. Kinder, deren Väter engagiert mit ihnen spielen, wenn sie klein sind, entwickeln ihre kognitiven Fähigkeiten und ihr Verhalten besser. Kinder lernen beim Raufen ihre Gefühle zu regulieren, sie lernen, dass sie ihrem Vater wehtun, wenn sie zu hart zuschlagen, und sie bekommen dieses Feedback in einer sicheren Umgebung.
Das gerade Dargelegte ist eine Orientierung, die für viele zutrifft. Ist damit für alleinerziehende Mütter oder Väter Wichtiges verpasst? Nein, überhaupt nicht. Es gibt innerlich starke Kinder, die mit einer alleinerziehenden Mutter oder einem alleinerziehenden Vater groß geworden sind. Das menschliche Gehirn ist wunderbar plastisch und – während die Forschung noch nicht abgeschlossen ist – sehen wir, wie sich das Gehirn des primären Betreuers bei homosexuellen Väterpaaren verändert, um es ihm zu ermöglichen, sowohl eine Mutter- als auch eine Vaterrolle auszufüllen.8 Ich stelle mir vor, dass ein ähnliches Phänomen in Ein-Eltern-Familien auftritt. Darüber hinaus ist es selten der Fall, dass auch in zwei Elternhäusern nur die Eltern einen Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes haben, andere Familien- und Gemeinschaftsmitglieder sind ebenfalls beteiligt. So gibt es in Ein-Eltern-Familien oft eine Person oder Gruppe von Menschen, die einen Teil der Rolle des fehlenden Elternteils übernehmen können. Es braucht eben ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.
Wie weiter vorne schon dargelegt, unterstützt vor allem der Vater sein Kind dabei, die Außenwelt zu entdecken. Häufig beeinflusst er mehr als die Mutter die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Durch ihn lernt das Kind, mit Erfolg und Versagen umzugehen. Das beginnt schon in den ersten Wochen. Der freundliche, zugewandte und empathische Blick des Vaters spiegelt und beschreibt, was das Baby in diesem Moment ausdrücken will.
Die genannten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die Väter für ihre Kinder von der Geburt bis in die Pubertät von großer Wichtigkeit sind, bestätigen sich in meiner praktischen Erfahrung. Väter – so meine Erfahrung – geben die Widerstandskraft, um sich draußen in der Welt durchsetzen zu können (aber nicht zu müssen!) und einen wichtigen Beitrag zu der jeweiligen Gruppe leisten zu können. Väter stärken nach außen, Mütter nach innen. Und beide leisten einen wesentlichen Beitrag für das neue Leben.
Der Neurowissenschaftler, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer formuliert es folgendermaßen: »Der Säugling kommt ohne ein Selbst zur Welt. Die Anfänge der Selbst-Werdung vollziehen sich in den ersten etwa vierundzwanzig Lebensmonaten und beruhen auf Resonanzen, die der Säugling in seinen Bezugspersonen auslöst und die zu ihm zurückkehren. Seine Bezugspersonen dienen dem Säugling als eine Art externes Selbst.«9
Väter wie Mütter bilden sozusagen mit am Selbstgefühl des Neugeborenen, jeder und jede auf seine oder ihre Art. Kinder brauchen Väter mehr, als wir bislang dachten.
Die Vereinbarkeitslüge
In einer Beratungssitzung entspann sich folgendes Gespräch. Auf meine Frage, ob er gern Vater sei, antwortete der Mann: »Ja, ich liebe unseren Sohn abgöttisch.« Als ich ihn fragte: »Machen Sie Ihren Beruf gerne?« kam zurück: »Ja, ich brenne für meinen Job als Ingenieur.« »Und wie schaffen Sie beides?« »Ich muss mich schon zusammenreißen, aber meine Frau und ich sind gut im Organisieren, um den Job und Familie unter einen Hut zu bringen.« Dann schauten seine Frau und er sich nachdenklich an, bis sie sagte: »Es ist die Hölle«, und der Vater tonlos nickte.
Die Vereinbarkeitslüge lässt uns im Regen stehen, und das gilt für Mütter wie Väter. Berufsleben und Familie sollen und können angeblich perfekt gemeistert werden, wird uns vermittelt. Aus dieser unrealistischen Erwartung heraus resultiert dann unser Gefühl, permanent zu scheitern.
Fehlende gut ausgestattete Kitas mit Erzieherinnen, die Kinder nicht nur satt und sauber halten, sondern die sich Zeit für jedes einzelne Kind nehmen können, sind rar. Staatliche Fehlplanung schafft enorme Probleme für Eltern, die gerne arbeiten würden, aber eben auch ihr Kind optimal versorgt wissen wollen. Dass Familienangehörige nicht mehr so nahe zusammen wohnen und deshalb oft nicht unterstützen können, macht die Situation nicht leichter. Überflutender Stress ist die Folge. Die Reaktion der jüngeren Generation ist oft genug: So wie du will ich nicht leben. Ich mach das anders, weniger Arbeit, mehr Freizeit, beide arbeiten Teilzeit. Die erste Generation, die so denkt, kommt mit diesem Arbeitsverständnis gerade im Arbeitsmarkt an und stößt einerseits auf Verständnis (vorwiegend in jungen, flexiblen Unternehmen) und andererseits auf harte Kritik (bei denen, die sagen, das haben wir noch nie gemacht und das wollen wir auch nicht anders). Viele Väter lieben den Druck, lieben den Stress, lieben die Herausforderung in ihrem Beruf. Es ist der Platz für Bestätigung, Anerkennung, Erfolg, Leistung, sie spüren, dass sie gebraucht werden, was sich in einem guten Gehalt ausdrückt. Im Beruf aufzugehen, wird für manche zum Lebenssinn. Daran ist nichts falsch. Aber im Vergleich dazu scheint das Zusammensein mit kleinen Kindern für viele Väter langweilig. Das ist es aber nur so lange, wie man sich nicht in die Welt des Kindes einfühlen will oder kann. Prof. Ruth Feldmann, Neurobiologin an der Reichmann Universität, zeigte, dass sich bei Vätern, die sich für ihr Kleinkind Zeit nehmen, das Gehirn, die Hormone und auch das Verhalten verändern.10 Deshalb ist das frühe Zusammensein der Väter mit den kleinen Kindern so wichtig, weil sich nur so eine hormonelle Struktur bildet, die Väter ruhig werden lässt und ihnen Entspannung bringt und die wesentliche Basis schafft für die Vater-Kind-Beziehung.
Zeit mit den Kindern ist eine Unterbrechung der beruflichen Aktivität und nicht deren Ende. Wie lange diese Unterbrechung mithilfe bezahlter Elternzeit möglich ist, ist sehr individuell. Ich will hier nur auf ihre große Bedeutung hinweisen, vorübergehend aus der beruflichen Taktung auszusteigen, um Zeit mit dem neugeborenen Kind zu verbringen. Hier geht es also zuerst einmal darum, als Vater für den Nachwuchs im Kleinkindalter präsent zu sein, wovon auch die Mutter profitiert.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird als erreichbares Ziel propagiert, obwohl dies kaum zu leisten ist.
In der Praxis kann man das zum Beispiel an Patricks Beispiel nachvollziehen. Patricks Frau Julia hatte die Initiative ergriffen. Ihre Mail, mit der sie eine Beratung anfragte, trug die Überschrift: »Jetzt oder nie mehr«. Ihre Botschaft an Patrick war klar: »Entweder du tust was für uns, oder ich muss gehen.« Patrick erkannte, dass es ihr ernst war. Patrick sagte in der Beratung: »Das geht so gar nicht. Zu einem vollen Engagement im Beruf zusätzlich ein volles Engagement in der Familie, das schaffe ich nicht. Schafft niemand! Zu gefühlten hundert Prozent Auslastung kommen noch mal gefühlte hundert Prozent Belastung dazu, das kann niemand tragen, auch ich nicht. Als meine Frau und ich noch keine Kinder hatten, habe ich bis sieben Uhr abends gearbeitet, dann gingen wir essen und hatten Zeit für uns. Da ging das mit der Arbeitsbelastung noch einigermaßen. Jetzt sind die beruflichen Aufgaben gewachsen, komplexer geworden, anstrengender, und unsere beiden Kinder sind auf der Welt. Ich liebe unsere Kinder, habe aber viel zu wenig Zeit mit ihnen. Wenn ich nach Hause komme,...
Erscheint lt. Verlag | 29.11.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | 2023 • Beziehung • Beziehungsratgeber • eBooks • Eltern • Erziehung • Erziehungsratgeber • Familienleben • Gesundheit • Jesper Juul • Kinder • Kindererziehung • Männlichkeit • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Papa • Psychologie • Ratgeber • Rollenkonflikt • Selbstführung • Selbstfürsorge • Selbstverständnis • Vater-Kind-Beziehung • Vaterrolle • Vaterschaft • Vater sein • verbindung zum kind |
ISBN-10 | 3-641-28598-4 / 3641285984 |
ISBN-13 | 978-3-641-28598-2 / 9783641285982 |
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