Sei du selbst, alle anderen gibt es schon -  Ulrike Juchmann

Sei du selbst, alle anderen gibt es schon (eBook)

Wie Frauen Erwartungen abstreifen und befreiter leben
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
285 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86681-3 (ISBN)
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Fast alle Frauen haben Denk- und Verhaltensmuster verinnerlicht, die ihnen schaden. Bedingt durch Erziehung und gesellschaftliche Normen meinen sie oft, die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen: Besonders höflich sein. Sich kümmern. Schön sein. Selbst erfolgreiche Frauen knabbern an ihrem Selbstwert und betrachten ihr Können und ihren Körper durch die Defizitbrille. Doch wie können Frauen den Blick auf ihre Kompetenzen, ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial richten - auf das, was sie wollen? Die Psychologin und Psychotherapeutin Ulrike Juchmann zeigt in ihrem Buch die besten Tools aus 25 Jahren Arbeit mit Frauen. Ihre besondere Methodenkombination aus Achtsamkeit, Arbeit an Glaubenssätzen und Körperübungen hilft dabei, hinderliche Erwartungen abzustreifen. »Ein Buch voller frischer Impulse für Frauen, die freier durch ihr Leben gehen wollen. Psychologisch fundiert zeigt Ulrike Juchmann, wie das achtsam und selbstbestimmt gelingt - um genau die zu sein, die wir wirklich sind und sein wollen.« Ulrike Scheuermann, Diplom-Psychologin und Bestseller-Autorin »Ulrike Juchmann bietet einen großen Schatz an Methoden, um endlich von verinnerlichten Denk- und Verhaltensmustern frei zu werden. Eine unverzichtbare Lektüre für alle Frauen, die den Blick auf das richten möchten, was sie wollen und können.« Marie Mannschatz, Autorin und Meditationslehrerin

Ulrike Juchmann, Psychologische Psychotherapeutin, systemische Lehrtherapeutin, Verhaltenstherapeutin und MBSR- und MBCT-Lehrerin. Leitung der Akademie für Achtsamkeit in Berlin.

Warum dir dieses Buch Türen öffnet


Claudia ist 33 Jahre alt und kommt ganz erledigt zu mir in die Praxis. Sie ist im IT-Bereich tätig und fühlt sich über die Maßen für die gesamte Abteilung zuständig. Im letzten Jahr unterstützte sie außerdem eine gute Freundin, die schwer erkrankt war, und begleitete ihren Opa während seiner letzten Zeit im Hospiz. Doch als sie selbst eine Ärztin wegen Erschöpfung und körperlicher Schmerzen aufsuchen will, plagt sie ein schlechtes Gewissen. Sie könne jetzt auf keinen Fall ihr Team mit dem Arbeitspensum alleinlassen.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall und auch nicht überzeichnet. Nein, nahezu alle Frauen, die bei mir Therapie, Coaching oder einen Achtsamkeitskurs machen, leiden unter Erschöpfung. Das schlechte Gewissen ist ihr ständiger Begleiter. Es gemahnt, die Erwartungen der anderen nicht zu enttäuschen. Und es verbietet, sich selbst wichtiger zu nehmen.

In Zeiten der Pandemie hat sich alles noch mehr zugespitzt, Frauen jonglierten Homeoffice, Homeschooling und Haushalt. Die Philosophin Kate Manne bringt die Situation der Frauen auf den Punkt: »Sie dürfen nicht einfach sein.«1 Dagegen sind Männer human beings und dürfen sie selbst sein. Frauen sind human givers und müssen geben: Unterstützung, ihre Körper, Bewunderung, Kinder, Fürsorge. Sie müssen die an sie gestellten Erwartungen erfüllen. Sie haben den männlichen Bedürfnissen zur Verfügung zu stehen. Darin sieht Kate Manne die Basis der Frauenfeindlichkeit.

Es ist kompliziert für Frauen. Einerseits wollen wir weiblich sein, andererseits auf keinen Fall »typisch« Frau. Natürlich gibt es nicht die Frau oder den Mann. Glücklicherweise leben wir mittlerweile in einer Gesellschaft, die eine Vielfalt an Lebensmodellen zulässt. Aber immer noch gibt es Türen, die Frauen verschlossen sind. Räume und Bereiche, die von Männern dominiert und bestimmt werden. Immer noch ist Ausgrenzung, Unterdrückung und Ungleichheit für Frauen eine tägliche Realität.

Mädchen und Frauen wurden und werden in einer maßgeblich von männlichen Normen geprägten Welt mit Erwartungen konfrontiert, wie sie zu sein und sich zu verhalten haben – und was sie auf keinen Fall tun sollten. Erlaubt ist, Vorstellungen anderer zu erfüllen: brav sein, sich anpassen, in angeblich weiblichen Terrains bleiben, andere versorgen, sich zurückhalten. Verboten ist es dagegen, etwas einzufordern, sich abzugrenzen, Ansprüche zurückzuweisen, männliche Domänen zu betreten und sich selbstbestimmt etwas zu nehmen. Und tun Frauen diese Schritte doch, dann sind sie Angriffen, Erniedrigungen und Bedrohungen ausgesetzt oder ihnen wird unterstellt, zickig oder gar hysterisch zu sein.

Viele Türen und Zugänge zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, zu Bildung und politischer Einflussnahme waren und sind teilweise noch verschlossen. Die Schlüssel wurden versteckt.

In den letzten Jahrzehnten haben sich Frauen viele Möglichkeiten erkämpft. Aber einige Räume und Wege sind für sie immer noch verstellt oder extrem schwer zu begehen.

Natürlich muss sich strukturell, gesellschaftlich und in unser aller Köpfen noch vieles verändern, damit wirkliche Gleichberechtigung gelebt werden kann.

Ich schaue mit diesem Buch aus einer psychologischen Perspektive auf die einschränkenden Zuschreibungen und Erwartungen, mit denen Frauen konfrontiert sind. Seit mehr als 25 Jahren bin ich in unterschiedlichen Feldern für und mit Mädchen und Frauen tätig.

Mit der Wahl des Titels Sei du selbst, alle anderen gibt es schon (ein Bonmot, das Oscar Wilde zugeschrieben wird) habe ich eine Einladung an alle Leserinnen ausgesprochen, sich selbst wieder auf die Spur zu kommen, Erwartungen abzustreifen und eigene Kompetenzen besser kennenzulernen und wertzuschätzen. Es beglückt mich immer sehr zu sehen, wie Frauen ihre eigene Vielfalt und Vielschichtigkeit erleben und leben.

Die Kombination aus Methoden der systemischen Beratung, der Verhaltenstherapie, der Tanzimprovisation und achtsamkeitsbasierter Verfahren hat sich im Coaching von Frauen bewährt. Die vielfältigen Übungen helfen dabei, familiäre und gesellschaftliche Prägungen bewusst zu reflektieren. Und sich jenseits der Erwartungen anderer als human being, als Seiende zu erfahren.

Du hältst also ein praktisches und anwendungsorientiertes Buch in den Händen. Es lädt dich ein, immer wieder selbst aktiv zu werden, zu reflektieren, aufzuschreiben, zu meditieren und den eigenen Körper in Ruhe und Bewegung wahrzunehmen.

Alle Fähigkeiten, die du dafür brauchst, trägst du bereits in dir. Diese wohlwollende, ressourcenorientierte Haltung ermöglicht es auch, beherzte Veränderungsschritte anzugehen. Immer ist dieser Weg individuell, überraschend und einzigartig.

Biografische Wurzeln


Was hat mich bewogen, dieses Buch zu schreiben? Es sind zwei Aspekte. Zum einen meine persönliche Geschichte als Frau, die sich mit weiblichen Zuschreibungen auseinandersetzt. Zum anderen meine lange psychologische Tätigkeit mit Mädchen und Frauen. Zunächst zum Persönlichen.

Aufgewachsen in einer Kleinstadt im Sauerland der 1970er- und 1980er-Jahre war ich mit einem einengenden, konservativen Frauenbild konfrontiert. Die Mütter, selbst wenn sie eine Ausbildung oder ein Studium beendet hatten, blieben zu Hause. Das galt als ein Zeichen von Wohlstand und war leider selbstverständlich.

Ich werde nie vergessen, wie im Religionsunterricht in der Oberstufe ein Mitschüler sagte: »Die Bestimmung jeder Frau ist die Mutterschaft. Keine Frau kann ohne Kinder glücklich sein.« Ich widersprach und konfrontierte ihn mit seiner einseitigen, bevormundenden und diskriminierenden Sicht. Der Lehrer sagte nichts dazu und auch sonst blieb es still im Klassenraum. Einige Mitschülerinnen warfen mir anerkennende Blicke zu.

Viele meiner Freundinnen und Mitschülerinnen litten unter Essstörungen. Damals ging aber, soweit ich weiß, niemand in Therapie, es wurde jedenfalls nicht offen darüber geredet. Eine gute Freundin verletzte sich selbst und litt an Magersucht. Ich fand das verstörend, niemand sprach darüber. Nach außen waren die jungen Frauen gute Schülerinnen, angepasst und innerlich oft unglücklich. Als es mir selbst mit 16 nicht so gut ging, nahm ich allen Mut zusammen und ging zu einer psychologischen Beratungsstelle. Die Mitarbeiterin dort nahm sich nur kurz Zeit, meinte, ich solle Abitur machen und dann könne ich ja eigene Wege gehen. Wie sehr hätte ich damals eine einfühlsame Unterstützung gebraucht.

Meine Mutter durfte nach dem zweiten Weltkrieg keine Ausbildung machen, das blieb ihren Brüdern vorbehalten. Sie wollte aber unbedingt, dass ich, vielleicht stellvertretend für sie, Abitur machte und studierte. Und natürlich wollte sie, dass ich es einmal besser haben sollte als sie. Sie wünschte mir ein selbstbestimmtes und freieres Leben. Dazu hat sie mich erzogen. Sie erwartete, dass ich als sehr gute Schülerin Medizin studierte. Ich entschied mich aber für die Psychologie, neue deutsche Literatur als Nebenfach und jede Menge Tanz und Theater. Diese Verbindung von Psychologie und kreativen Methoden zieht sich seither durch mein gesamtes Leben und manifestiert sich nun in diesem Buch.

Selbstwert stärken ist so relevant


Neben meiner persönlichen, biografischen Motivation ist der zweite Motor für das Schreiben dieses Buches meine langjährige psychologische Tätigkeit mit Mädchen und Frauen. Acht Jahre lang habe ich therapeutische Wohngruppen für junge Frauen mit Essstörungen in Berlin aufgebaut und geleitet.

Eine Essstörung ist eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung und gleichzeitig habe ich sie immer auch als einen Lösungsversuch gesehen. Als einen Versuch, mit gesellschaftlichen Rollenerwartungen und Geschlechtsstereotypen, familiären Botschaften, biografischen Verletzungen und eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen umzugehen. Dabei führen Mädchen mit extremem Hungern, Essanfällen und exzessivem Sport gesellschaftliche...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
ISBN-10 3-407-86681-X / 340786681X
ISBN-13 978-3-407-86681-3 / 9783407866813
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