Die Verfolgten (eBook)

Geniale und geächtete Wissenschaftler von Giordano Bruno bis Alan Turing
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11936-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Verfolgten -  Thomas Bührke
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Die freie Ausübung von Wissenschaften gehört zu den Grundpfeilern jeder freien Gesellschaft und Demokratie. Die Geschichte der verfolgten Wissenschaftler erstreckt sich über vier Jahrhunderte; sie beginnt bei Giordano Bruno und endet bei Alan Turing und Albert Einstein. Die Ursachen für die Verfolgung waren ganz unterschiedlich; sie reichen weit über den geschilderten Zeitraum hinaus bis heute: die Inquisition, die Französische Revolution, die Vernichtungsideologie des Dritten Reichs, der Terror von Stalin und Mao, die McCarthy-Ära bis hin zur Homophobie. Geschildert werden Leben und Leistung von acht überragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die diffamiert, bespitzelt, verfolgt, inhaftiert, vertrieben oder getötet wurden. Erzählt wird ihr Schicksal, wie sie zu Opfern politischer, gesellschaftlicher oder ideologischer Zeitumstände wurden. Die acht Kapitel widmen sich folgenden Personen und ihrem Schicksal: Giordano Bruno (1548-1600) Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794) und Jean Sylvain Bailly (1736-1793) Lew Landau (1908-1968) Lise Meitner (1878-1968) und Emmy Noether (1882-1935) Albert Einstein (1879 -1955) Alan Turing (1912-1954) Ein eindringliches Plädoyer für die Freiheit von Forschung und Lehre sowie den unbedingten Schutz von Wissenschaftlern, deren Schicksal sich in den Zeiten von fake news wiederholen könnte. »Menschen, die versuchen, qua Beruf und Berufung der Wahrheit näher zu kommen, dürfen weder verteufelt noch bedroht werden.« Eckart von Hirschhausen

Thomas Bührke, geb. 1956, studierte Physik und promovierte 1986 am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1990 bis 2020 Redakteur der Zeitschrift Physik in unserer Zeit; gleichzeitig arbeitet er als freier Wissenschaftsjournalist, u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Welt, die Berliner Zeitung, Spektrum der Wissenschaft, Bild der Wissenschaft, Sterne und Weltraum sowie Max-Planck-Forschung. Zahlreiche äußerst erfolgreiche Publikationen zur modernen Physik. Im Einstein-Jahr 2005 erhielt Thomas Bührke den Roelin-Preis für Wissenschaftspublizistik, 2013 ehrte ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit der Publizistikmedaille.

Thomas Bührke, geb. 1956, studierte Physik und promovierte 1986 am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1990 bis 2020 Redakteur der Zeitschrift Physik in unserer Zeit; gleichzeitig arbeitet er als freier Wissenschaftsjournalist, u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Welt, die Berliner Zeitung, Spektrum der Wissenschaft, Bild der Wissenschaft, Sterne und Weltraum sowie Max-Planck-Forschung. Zahlreiche äußerst erfolgreiche Publikationen zur modernen Physik. Im Einstein-Jahr 2005 erhielt Thomas Bührke den Roelin-Preis für Wissenschaftspublizistik, 2013 ehrte ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit der Publizistikmedaille.

Verfolgte Wissenschaftler – gestern und heute


Als im Juli 2016 eine Maschine vom Istanbuler Flughafen Atatürk abhob, überfiel Passagier A. ein großes Gefühl des Glücks und der Erleichterung. Er befand sich auf dem Weg in die Freiheit. Einige Tage zuvor war ein Putschversuch auf Präsident Erdoğan gescheitert, woraufhin man zahlreiche angebliche Unterstützer verfolgt, inhaftiert und aus dem öffentlichen Dienst entlassen hatte. A. war Professor in einem naturwissenschaftlichen Fach. Er hatte sich zwar hin und wieder kritisch zu Erdoğan geäußert, aber weder etwas mit einer Kurdenorganisation noch mit der Gülen-Bewegung zu tun, wie es vielen Verfolgten vorgeworfen wurde. A. war Forscher, kein Regimegegner, doch es gab klare Anzeichen dafür, dass auch seine Existenz bedroht war. Als Schutz vor möglichen Verfolgungen oder Repressalien seiner noch in der Türkei lebenden Familie müssen alle Angaben dieses realen Falles so allgemein und anonym wie möglich bleiben.

Dank guter Kontakte zu Kollegen erhielt A. eine befristete Stelle an einer Universität in Süddeutschland, finanziert vom Baden-Württemberg Fonds für verfolgte Wissenschaftler. Dieses aus Stiftungen finanzierte Projekt geht auf eine Initiative von Henry Jarecki zurück, dessen Vater Max wegen seines jüdischen Glaubens vor den Nazis in die USA fliehen musste. Die Max-Jarecki-Stiftung finanziert gemeinsam mit der Baden-Württemberg Stiftung den Baden-Württemberg Fonds für verfolgte Wissenschaftler, mit dessen Hilfe Forschende, die in ihrer Heimat nicht mehr arbeiten können, weil sie bedroht oder verfolgt werden, ihre Arbeit an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen fortsetzen können.

Der Baden-Württemberg Fonds für verfolgte Wissenschaftler arbeitet mit verwandten Organisationen zusammen, wie der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung. Bis zum Frühjahr 2022 hat diese 328 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 24 Ländern gefördert, die meisten aus der Türkei (60 %) und Syrien (20 %). Jüngst ist die Ukraine als neuer Brennpunkt hinzugekommen. Sie arbeiteten in allen Bereichen der Natur-, Geistes- und Ingenieurwissenschaften. Die größte Organisation in diesem Bereich ist der 2002 ebenfalls von Henry Jarecki mitbegründete Scholar Rescue Fund des Institute of International Education in New York. Seit seiner Gründung hat es an mehr als 900 bedrohte und vertriebene Wissenschaftler aus 60 Ländern Stipendien vergeben und damit lebensrettende Unterstützung gewährt.

Diese Zahlen belegen, dass das Thema »Verfolgte Wissenschaftler« längst nicht auf die bekannten historischen Tiefpunkte, wie die Nazizeit oder die Stalin-Ära, beschränkt ist, im Gegenteil, es ist hochaktuell: »Angesichts der neuen Repressalien und Konflikte weltweit ist der heutige Bedarf an Unterstützung von verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sehr groß«, sagte Henry Jarecki bei der Einweihung des Baden-Württemberg Fonds.

Menschen wurden in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Gründen verfolgt. Die in diesem Buch vorgestellten Personen litten unter der Inquisition, dem Großen Terror während der Französischen Revolution, der Nazizeit, der Stalin-Herrschaft, der McCarthy-Ära und der Homophobie.

Die Inquisition der katholischen Kirche diente über Jahrhunderte hinweg der Verfolgung und Hinrichtung von Menschen anderen Glaubens, vermeintlichen Hexen und Häretikern. Die Zahl der Todesopfer wird auf immer ungeklärt bleiben. Schätzungen variieren zwischen einer und zehn Millionen Opfern in Italien, Spanien und Portugal. Die katholische Kirche selbst kam in einer historischen Untersuchung freilich nur auf etwas mehr als 50 000 Todesopfer.

Die Inquisition wird immer wieder mit modernen Unterdrückungsorganisationen verglichen. So sprach der Philosoph und Theologe Walter Nigg 1949, noch unter dem Eindruck des Hitlerterrors, von der mittelalterlichen Gestapo.

1252 etablierte Papst Innozenz IV. die Inquisition. Er erlaubte es ausdrücklich, Geständnisse durch Folter zu erpressen, wovon seine Handlanger, die Domini Canes, Hunde des Herrn, reichlich Gebrauch machten. 1542 richtete Papst Paul III. die Zentralstelle in Rom ein, vor allem, um konzentriert gegen den bedrohlichen Lutherismus vorzugehen. Das änderte sich offiziell erst im 19. Jahrhundert, als die Römische Inquisition ihre Exekutivrechte verlor und nur mehr mit der Macht des Wortes verurteilen durfte. Papst Pius X. machte 1908 aus der Römischen Inquisition als Organ des Vatikans die Kongregation für die Glaubenslehre, Sanctum Officium.

Papst Johannes Paul II. prangerte 1994 in einem Brief an seine Kardinäle die Schande der katholischen Kirche mit den Worten an: »Wie kann man die vielen Formen von Gewalt verschweigen, die auch im Namen des Glaubens verübt wurden? Die Religionskriege, die Tribunale der Inquisition und andere Formen von Verletzung der Menschenrechte.« Am 12. März 2000 bat er in seinem großen Mea Culpa um Vergebung für die Vergehen der Kirche – genau 400 Jahre nach der öffentlichen Verbrennung des wohl berühmtesten Inquisitionsopfers: Giordano Bruno, dem Philosophen der Unendlichkeit des Universums und der beseelten Welten jenseits der Erde.

Die Französische Revolution von 1789 hatte hehre Ziele: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren die berühmten Leitgedanken. Feudalherrschaft und Leibeigenschaft wurden abgeschafft, die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte in der Nationalversammlung gilt zu Recht als Meilenstein der europäischen Geschichte. Die Französische Revolution begann in Paris am 14. Juli 1789 mit dem Sturm auf die Bastille, sie endete am 13. Dezember 1799, als Napoleon Bonaparte die Macht einer provisorischen Regierung übernahm und eine neue Verfassung verkündete.

Das dazwischen liegende Jahrzehnt war geprägt vom Kampf gegen innere und äußere Feinde der Revolution und die vollständige Abschaffung der Monarchie. Blutige Auseinandersetzungen gipfelten in der Schreckensherrschaft der radikalen Jakobiner und ihres Führers Maximilien Robespierre, später als Phase des »Großen Terrors« (Grande Terreur) bezeichnet. Selbst vor Revolutionären der ersten Stunde wie Georges Danton machten Willkür und Gewalt nicht halt. Viele wurden unter fadenscheinigen Anschuldigungen und ohne Gerichtsverfahren abgeurteilt und auf der Guillotine exekutiert. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, Historiker schätzen, dass während der Schreckensherrschaft von Juni 1793 bis Ende Juli 1794 etwa 40 000 Menschen getötet wurden – bis Robespierre selbst ein Opfer der Revolution wurde. Auch Wissenschaftler wie der »Vater der modernen Chemie«, Antoine Laurent de Lavoisier, oder der Astronom und Erste Bürgermeister von Paris, Jean-Sylvain Bailly, beendeten ihr Leben auf der Guillotine.

Das 20. Jahrhundert war geprägt von Kriegen, Ermordung, Verfolgung und Vertreibung. Während der Zeit des Nationalsozialismus erreichten diese Vorgänge einen traurigen Höhepunkt. Die gesellschaftlichen und politischen Folgen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges sind bis heute spürbar, auch in der Wissenschaft. Zahlreiche Forschende mussten aus Deutschland und Österreich fliehen. Die meisten von ihnen, weil sie jüdischer Abstammung oder jüdisch verheiratet waren. Einigen wurden auch sozialdemokratische oder kommunistische Aktivitäten vorgeworfen, andere wehrten sich gegen kirchenfeindliche Vorhaben des Regimes. Dieser fatale Aderlass in der deutschen Wissenschaft war während der Wiederaufbaujahre der Nachkriegszeit schmerzlich spürbar. Die Soziologin Helge Pross sprach in den 1960er Jahren von einer geistigen Enthauptung Deutschlands.

Lange Zeit gab es kaum genaue Zahlen zur Emigration von Wissenschaftlern. Das vom Leibniz-Institut für Europäische...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2022
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Schlagworte Antisemitismus • Freiheit der Naturwissenschaften • Homosexualität • Instrumentalisierung von Naturwissenschaften • moderne Naturwissenschaft • Verfolgte im Nationalsozialismus • Verfolgte im Stalinismus • Verfolgung von Naturwissenschaftler • Vorbehalte gegen Frauen als Wissenschaftlerinnen
ISBN-10 3-608-11936-1 / 3608119361
ISBN-13 978-3-608-11936-7 / 9783608119367
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