Wege zur inneren Kraft -  Jürgen Hennig

Wege zur inneren Kraft (eBook)

Den eigenen Charakter stärken und zufriedener leben
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
208 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-861-8 (ISBN)
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Menschen wie Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King oder Malala Yousafzai sind als mutige, furchtlose Persönlichkeiten und Vorbilder bekannt geworden. Ein starker Charakter hat diese unheimliche Strahlkraft und kann dem Leben einen Sinn und Erfüllung geben. Doch wie kann man den eigenen Charakter besser kennen lernen und stärken? Jürgen Hennig, ein führender Experte auf dem Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung, lädt in diesem Buch dazu ein, die individuellen Charakterstärken kennenzulernen und aufblühen zu lassen. Anhand von 24 verschiedenen Eigenschaften aus den Bereichen: Weisheit und Wissen, Mut, Liebe und Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Spiritualität und Transzendenz. Ein wegweisender Ratgeber, der dabei hilft, die eigene Persönlichkeit zu entfalten und seine Lebensziele langfristig zu verwirklichen.

Prof. Dr. Dr. Jürgen Hennig befasst sich an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit Persönlichkeitspsychologie und geht der Frage nach Ursachen für individuelle Unterschiede und Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung im Kontext der Positiven Psychologie nach. Außeruniversitär ist er als wissenschaftlicher Berater im Personalmanagement (Arbeitsklima, Arbeitszufriedenheit) gefragt.

Prof. Dr. Dr. Jürgen Hennig befasst sich an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit Persönlichkeitspsychologie und geht der Frage nach Ursachen für individuelle Unterschiede und Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung im Kontext der Positiven Psychologie nach. Außeruniversitär ist er als wissenschaftlicher Berater im Personalmanagement (Arbeitsklima, Arbeitszufriedenheit) gefragt.

2.
Gerechtigkeit


Natürlich ist der Begriff „Gerechtigkeit“ nicht von der juristischen Dimension justitia zu trennen. Diese wird meist dargestellt als sanktionierend (Schwert), balancierend (Waage), unvoreingenommen und auf Gleichheit ausgerichtet (verbundene Augen). So baut sie, gerade was Letzteres betrifft, eine Brücke zur moralischen Bedeutung der Gerechtigkeit, wie sie uns in den Tugenden begegnet.

Recht und Gerechtigkeit liegen schon sprachlich nahe beieinander, und als rechtens gilt, was unsere Gesetzbücher vorgeben. Doch kann es eine Kluft zwischen dem formalen Recht und dem subjektiven Rechtsverständnis geben. Und selbst innerhalb der Gesetzgebung können „Kollisionen“ auftreten, wenn man beispielsweise an die teils vehement geführten Diskussionen denkt, ob nächtliche Ausgangsbeschränkungen während der Coronapandemie mit den Grundrechten in Einklang zu bringen sind.

Letztlich, und das lehrt uns gerade unsere Geschichte, ist formales Recht politischen Strukturen und Verhältnissen unterworfen, die unter Umständen selbst Basis für Ungerechtigkeit im moralischen Sinne sind – das zeigte sich beispielsweise in der Rechtsprechung in Zeiten des Nationalsozialismus. Ist Gerechtigkeit daher eine völlig subjektive oder von gesellschaftlich-politischen Strukturen abhängige Angelegenheit und schlicht nicht näher zu definieren?

Bei Aristoteles – das haben wir schon gehört – ist Gerechtigkeit eine willentliche Ausübung von Richtigem mit dem Ziel, das Lebensglück zu erlangen (Eudaimonia). Gerechtigkeit ist keine passive Anlehnung an vorgegebene Normen, sondern ein Bedürfnis oder intrinsisches Motiv. Gerechtigkeit hat verschiedene Gesichter: Während die ausgleichende Gerechtigkeit die Gegenseitigkeit von Leistung und Gegenleistung im Auge behält (also Gleichheit in den Mittelpunkt stellt; horizontale Gerechtigkeit), regelt die zu- oder austeilende Gerechtigkeit (vertikale Gerechtigkeit) das Zusammenleben auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen (beispielsweise Staat-Bürger, Arbeitgebende-Arbeitnehmende, Lehrende-Schülerinnen und Schüler) und kann dabei die Gleichheit vernachlässigen (zum Beispiel höhere Gehälter bei höheren Funktionen). Und zuletzt die korrigierende Gerechtigkeit, die etwa bei strafbarem Handeln Nachteile für Täter bei gleichzeitigen Vorteilen für Opfer realisieren soll. Nach Aristoteles wird Gerechtigkeit durch die Kultivierung rechtschaffenden Handelns im Sinne von (Alltags-)Gewohnheiten erworben.

Philosophische Ansätze zum Thema finden sich bei John Locke, Immanuel Kant, John Stuart und anderen. Bei näherem Interesse sind Übersichtswerke, wie zum Beispiel das von Otfried Höffe1, zu empfehlen.

Von besonderer Bedeutung ist John Rawls’ „Eine Theorie der Gerechtigkeit“2. Anders als viele seiner Vordenker erschließt er das Wesen der Gerechtigkeit über eine Art Gedankenexperiment: Was wäre, wenn Menschen in völliger Unkenntnis (nach Rawls unter dem „Schleier der Unwissenheit“) ihrer Interessen, Fähigkeiten und gesellschaftlichen Stellung gemeinsam die Grundlagen für ihr Zusammenleben definieren sollten? Sie hätten alle die gleiche Unwissenheit gemeinsam. In diesem „Urzustand“ wäre völlig ungewiss, ob man über Herkunft oder Intelligenz einflussreich ist oder nicht, einen hoch angesehenen Beruf hat oder nicht, sportlich erfolgreich ist oder nicht, Mann oder Frau ist und so weiter. Wie würden wir uns dann eine gerechte Welt vorstellen, wenn wir überhaupt nicht wüssten, was uns erwartet? Was wäre uns wichtig, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, als wenig Privilegierte, Unterdrückte oder Flüchtlinge aufzuwachsen? Wenn wir nicht wüssten, ob wir als Mann oder Frau unser Leben verbringen – wäre dann der Ausschluss des Wahlrechts für Frauen (der in Deutschland ja erst 1918 aufgehoben wurde) überhaupt vorstellbar?

Ganz vereinfacht geht es Rawls um die Frage, wie man einen Kuchen am gerechtesten aufteilen kann. Probieren Sie das doch mal aus, wenn Sie am Tisch sitzen und in der Mitte ein von allen Anwesenden heiß begehrter Kuchen steht, von dem jede/-r das größte Stück bekommen möchte – und so ist es ja in unserer realen Welt. Bitten sie irgendjemanden am Tisch, diesen gerecht aufzuteilen. Danach darf jede/-r am Tisch sich ein Stück nehmen. Vergessen Sie aber auf keinen Fall die Information, dass der oder die Anschneidende danach irgendein Stück erhalten wird, sich also auch unter dem „Schleier der Unwissenheit“ befindet! Nur dann können Sie sicher sein, dass alle Stücke gleich groß werden. Nur bei völlig gleicher Aufteilung kann man sich sicher sein, nicht ein kleineres Stück zu erhalten. Vielleicht gäbe es dennoch jemanden, der dann immer noch ungleich große Stücke schneidet und auf sein Glück hofft, zufällig ein größeres zu erhalten. Das hätte dann aber mehr mit Risikobereitschaft als mit Gerechtigkeit zu tun. Einer gerechten Aufteilung des Kuchens könnten Sie sich ganz sicher sein, wenn der/die Anschneidende die Information erhält, das letzte Stück vom Kuchen zu bekommen.

Nach Rawls wären es maßgeblich (und verkürzt) zwei Prinzipien, die angewendet beziehungsweise gefordert würden: Das erste wäre gleiche Freiheit. Gemeint sind damit Grundfreiheiten und Grundrechte wie Wahlfreiheit, Gedankenfreiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit etc. und – ganz wichtig – Chancengleichheit. Diese Freiheit Einzelner darf nur dann beschnitten werden, wenn es der Freiheit aller dienlich ist. Einschränkungen, wie sie insbesondere Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch Reiseunternehmen während der Lockdown-Phasen hinnehmen mussten, würden demnach dann akzeptabel sein, wenn sie der Freiheit aller durch den Rückgang des Infektionsgeschehens dienen.

Ein weiteres Prinzip ist das sogenannte Unterschiedsprinzip (auch Differenzprinzip). Dieses besagt, dass Unterschiede in Gesellschaften nur „gerecht“ sein können, wenn die dafür verantwortlichen Positionen (zum Beispiel in Ämtern), grundsätzlich jedem offenstehen. Sie (die Unterschiede) sollten zudem denjenigen, die die wenigsten Vorteile genießen, den größten Zuwachs bringen.

Die Kernelemente dieser Theorie sind Freiheit und Chancengleichheit, die wir zwar erstreben, der aber „Zufälle“ – wie Rawls sie nennt – im Wege stehen. Wir können das sehr wörtlich nehmen: Solche Zufälle sind beispielsweise Begabungen Einzelner, die ihnen „zugefallen“ sind, oder auch Merkmale wie Körpergröße, Attraktivität oder Intelligenz. Alles das ist ja nicht unser Verdienst, relativiert aber die Chancengleichheit. Daher ist es ja gerade so bemerkenswert, dass in der Theorie der Gerechtigkeit von Rawls im „Unterschiedsprinzip“ genau das aufgegriffen wird und gefordert wird: nämlich Benachteiligung durch Bevorzugung zu kompensieren.

Rechtsphilosophisch geht es eher um die Frage, was Gerechtigkeit ist, während die Sozialpsychologie – auf die noch eingegangen wird – bestrebt ist, mit Methoden der empirischen Forschung zu erhellen, was Menschen unter Gerechtigkeit verstehen, was sie in welchen Situationen für gerecht erachten und wie sie sich unter welchen Bedingungen gerecht verhalten.

Zunächst lag der Fokus der Forschung auf der Verteilungsgerechtigkeit. Hier ist die von John Stacy Adams eingebrachte Equity-Theorie3 zu nennen. Diese besagt, dass Gerechtigkeit dann wahrgenommen wird, wenn das Verhältnis von Input (beispielsweise Arbeitsleistung) zu Output (beispielsweise Gehalt) zwischen Menschen relativ gleich ist. Mit anderen Worten wäre Gerechtigkeit dann gegeben, wenn jemand, der mehr oder höherwertig arbeitet, auch mehr verdient. Insofern ist die Gerechtigkeitswahrnehmung letztlich ein sozialer Vergleichsprozess, der bei entsprechendem Missverhältnis zu Frustration, mangelnder Motivation und Auflehnung führen kann – im umgekehrten Fall (also dann, wenn der Ertrag in einem völlig überzogenen Verhältnis zum Einsatz steht) aber auch mit Spendenbereitschaft, sozialem Engagement und Hilfsbereitschaft verbunden sein kann.

Es gibt viele politische Debatten zur Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit. In Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien geht es um Vermögenssteuer, Sonderabgaben, Steuerhöchstsatz. Weltweit ist die Verteilung von Vermögen nur schwerlich mit den Prinzipien der (Verteilungs-)Gerechtigkeit zu vereinbaren. Aus dem Dossier Reichtum – Millionäre und Milliardäre4 geht hervor, dass im Jahr 2009 insgesamt 380 Menschen so viel besaßen, wie die ärmere Hälfte der gesamten Menschheit (ca. 4 Milliarden Menschen). Die Zahl sinkt kontinuierlich und im Jahr 2018 waren es nur noch 38 Superreiche. Wann wird es nur noch ein Mensch sein der so viel besitzt wie die ärmere Hälfte der Menschheit?

Die Erkenntnis solcher Missverhältnisse ist für viele schwer zu ertragen, und sie weicht nicht selten dem Glauben an die gerechte Welt5. Dieser ist für uns essenziell, weil er dabei hilft, uns selbst in der Welt zu verstehen, Sicherheit und Vorhersagbarkeit zu erlangen und letztlich mit den Widrigkeiten des Alltags besser umgehen zu können. Der Glaube an eine gerechte Welt ist ein Bewältigungsmechanismus im Angesicht der zahllosen Ungerechtigkeiten, die uns umgeben, und auch ein Motor, unsere Ziele (trotz allem) zu verfolgen.

Auf den nächsten Seiten werden diejenigen Charaktereigenschaften näher beschrieben, die nach Peterson und Seligman der Tugend Gerechtigkeit zugeordnet sind: soziale Verantwortung,...

Erscheint lt. Verlag 23.9.2022
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Entwicklung • Lebensziel • Lebenszufriedenheit • Mäßigung • optimieren • Orientierung • Persönlichkeitspsychologie • Resilienz • Spiritualität • Transzendenz • Tugenden • Weisheit
ISBN-10 3-86334-861-3 / 3863348613
ISBN-13 978-3-86334-861-8 / 9783863348618
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