Metropolis (eBook)

Aufstieg und Niedergang antiker Städte

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
608 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11842-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Metropolis -  Greg Woolf
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Warum zieht es den Menschen in die Stadt, weshalb sind Städte überhaupt entstanden und warum gehören sie zum Menschsein dazu? Greg Woolf geht diesen Fragen nach und erzählt vom Aufstieg und Fall antiker Städte. Seine Geschichte der Stadt ist zugleich eine große Darstellung des Mittelmeerraumes, die zudem ein Verständnis dafür schafft, wie sich unsere Städte in Zukunft entwickeln werden. Unsere Vorfahren haben häufig verstreut in Dörfern gelebt - bis zum Ende dieses Jahrhunderts jedoch werden wir fast alle in Städten leben. Dieses Buch erzählt vom Aufstieg und Fall antiker Städte vom Ende der Bronzezeit bis zum Beginn des Mittelalters. Es ist eine Geschichte von Krieg und Politik, Pest und Hungersnot, Triumph und Tragödie und präsentiert sich in ihrer einzigartigen Ambivalenz: mal großartig und erfolgreich, mal schäbig und fruchtlos. Doch wie kam es dazu, dass Städte überhaupt entstanden und wie konnten sie sich in offensichtlich wenig verheißungsvollen Umgebungen halten, wachsen und gedeihen?  Wie mochte es gewesen sein, solche urbanen Welten zu bewohnen, die so anders sind als die unseren - Städte, die jede Nacht in der Dunkelheit versinken, Städte, über denen sich die Tempel der Götter auftürmten, Bauernstädte, Sklavenstädte, Soldatenstädte? Die wechselvolle Geschichte der antiken Städte umgreift zugleich die Geschichte von Generationen von Menschen, die sie erbaut und bewohnt haben, und die uns Monumente hinterlassen haben, deren Ruinen nüchterne Mahnmale für das 21. Jahrhundert sind. Greg Woolf schreibt unter anderem über: - Athen - Alexandria - Pergamon - Jerusalem - Jericho - Karthago - Knossos - Konstantinopel - London - Korinth - Marseille - Mykene - Persepolis - Ninive - Rom - Troja - Syrakus - Köln - Trier - Ur - Uruk - Göbekli Tepe - Çatalhöyük

Greg Woolf, geboren 1961, ist seit 2021 Ronald J. Mellor Professor für Antike Geschichte an der University of California in Los Angeles. Davor lehrte er als Professor für Alte Geschichte an der University of St. Andrews und war bis 2020 Leiter des Institute of Classical Studies in London. Er war Fellow mehrerer Colleges in Cambridge und Oxford und ist Fellow der British Academy und des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Zu seinen Publikationen gehört »Rom: Die Biographie eines Weltreichs« (Klett-Cotta, 2015).

Greg Woolf, geboren 1961, ist seit 2021 Ronald J. Mellor Professor für Antike Geschichte an der University of California in Los Angeles. Davor lehrte er als Professor für Alte Geschichte an der University of St. Andrews und war bis 2020 Leiter des Institute of Classical Studies in London. Er war Fellow mehrerer Colleges in Cambridge und Oxford und ist Fellow der British Academy und des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Zu seinen Publikationen gehört »Rom: Die Biographie eines Weltreichs« (Klett-Cotta, 2015).

Vorwort


Die Antike wird häufig für ihre Städte gepriesen. Dieses Buch ist kein weiterer Lobgesang. Stattdessen erzählt es davon, wie spät Städte in der antiken Mittelmeerwelt auftauchten, wie klein die meisten waren und wie gefährdet das städtische Leben während der gesamten antiken Periode blieb. Antike Städte erblühten zu ihrer Großartigkeit in unserer Phantasie. Dafür gibt es mehrere Gründe. Wir sind immer noch im Bann der neoklassizistischen Denkmäler moderner Metropolen; bei vielen von ihnen handelt es sich um Hauptstädte neuerer Weltreiche, etwa Paris und London, Washington und Berlin, St. Petersburg, Madrid und Rio. Die Antike inspirierte deren Architekturen, allerdings bewegte sie sich architektonisch in einem viel kleineren Maßstab. Unsere Gewohnheit, die antike Welt durch die Augen ihrer am besten ausgebildeten Einwohner zu sehen, die sich über Jahrhunderte hinweg immer wieder einem städtischen Ideal verschrieben hatten, war dabei nicht hilfreich. Die Autoren der griechischen und lateinischen Literatur selbst wussten nicht, wie ihre städtische Welt entstanden war, und sie projizierten in ihre Vergangenheit eine Welt großer Städte zurück, die nie wirklich existiert hatte. Troja VII war nach den Maßstäben der ausgehenden Bronzezeit eine gewaltige Festung, dabei erstreckte es sich über kaum zwanzig Hektar und hatte wahrscheinlich eine Einwohnerschaft zwischen 5000 und 10 000 Menschen. Das Rom, in dem Vergil seine Aeneis verfasste, erstreckte sich über eine Fläche von fast 1800 Hektar und hatte fast eine Million Einwohner. Kein Wunder, dass die Berichte aus dem frühen ersten Jahrtausend so anachronistisch waren.

Rom war außergewöhnlich. Forschungen in den letzten dreißig Jahren haben den geringen Umfang der meisten antiken Städte offengelegt. Diese Forschungsrichtung hat viele Disziplinen vereint. Archäologen haben sich um die Datierung und Kartographierung früher Siedlungen bemüht, häufig mussten sie diese aus all dem Material befreien, das sich von ihren Nachfolgern angesammelt hatte; sie stellten sie in den Zusammenhang breiterer Siedlungslandschaften und an die Knotenpunkte komplizierter Tausch- und Migrationsnetzwerke. Philologen haben antike Texte zunehmend genauer gelesen, wobei sie die modernen Unterstellungen über deren Bedeutung beiseiteließen und sich stärker mit ihrer rhetorischen und politischen Agenda befassten. Historiker haben antike griechische und römische Städte mit Städten anderer Gesellschaften aus einer Zeit verglichen, bevor industrielle Revolutionen und demographische Verschiebungen alles veränderten. In jüngster Zeit haben sich Historiker mit den Lebenswissenschaften befasst, die uns in den letzten Jahren so viel über das menschliche Tier vermittelt haben, über die Primatengrundlagen unseres Zusammenlebens, über Ökologie und Klima. Unsere neuen Einsichten in die Antike stützen sich auf die Zusammenarbeit zwischen den Human- und Sozialwissenschaften und der Biologie. Mein Buch ist ein Versuch zu zeigen, was diese Zusammenarbeit bislang im Hinblick auf antike Städte ergab.

Dieses Buch beginnt vor einem weiten Horizont und verengt seinen Blickwinkel allmählich. Der erste Teil behandelt die Vorgeschichte urbanen Wachstums weltweit und folgt den Entwicklungen in einer bestimmten Region – dem antiken Nahen Osten – bis zum Ende der Bronzezeit. Das mediterrane Städtewesen war ein Ableger dieser Entwicklungen, obendrein ein später. Der zweite Teil verfolgt die Herausbildung und das Anwachsen städtischer Netzwerke um das Mittelmeer herum in der ersten Hälfte des letzten Jahrtausends v. Chr. Einige Dörfer wurden durch kleine Städte ersetzt, und die Landschaften und Gesellschaften, die sie organisierten, wurden miteinander verbunden. Der dritte Teil folgt den brutaleren Verknüpfungsgeschichten, dem Aufkommen von Imperien und mit diesen den ersten im eigentlichen Sinn großen Städten der Region. Ein kurzer vierter Teil umreißt eine Art Kehrtwendung: Die Horizonte rückten wieder eher zusammen, große Städte schrumpften. Doch verschwanden Städte nie vollständig, ebenso wenig wie die Ideen und Technologien, die im Zusammenhang mit ihrem Bau entstanden waren. Diese Ideen, Technologien und häufig die physischen Überreste großer Städte wurden in Byzanz weiterverwendet, im Kalifat, und in kleinen mittelalterlichen Hauptstädten im Westen wie Aachen, was Stoff für eine ganze Reihe nachklassischer Urbanismen lieferte, von denen einige auf andere Kontinente exportiert wurden.

Die Geschichte des antiken mediterranen Urbanismus ist eine von vielen Episoden, die das urbane Abenteuer unserer Spezies ausmachen. In den letzten sechstausend Jahren haben Menschen rund um den Planeten Städte gebaut. Städte wurden mehrere Male relativ unabhängig voneinander erfunden, wobei die Ergebnisse sich auf überraschende Weise ähnelten. Deshalb ist das weiter ausgreifende Bild, das der erste Teil dieses Buchs liefert, so wichtig. Die ersten Kapitel erkunden, was wir als eine Spezies gemeinsam haben, und es erörtert, dass wir ungewöhnlich gut geeignet sind für ein Leben in der Stadt, was jedoch nicht nur für uns gilt. Einige Tierarten haben sich dahin entwickelt, von städtischem Leben zu profitieren. Unsere Spezies ist dafür präadaptiert, das heißt, es gibt gewisse Merkmale in uns, Merkmale, die aus ganz anderen Gründen auftraten, die aber dazu beitragen können, aus uns Stadttiere zu machen. Nur wenn wir das verstehen, können wir die Höhen und Tiefen des Urbanismus in der antiken mediterranen Welt verstehen.

Diese Geschichte hätte auf mehrere Weisen erzählt werden können, und ich habe mehrere Alternativen erwogen, bevor ich mich ans Werk machte. Eine herkömmliche Technik besteht darin, ein Narrativ um eine Reihe von Fallstudien herum zu konstruieren, um Städte wie Knossos, Mykene, Athen, Syrakus und so weiter. Eine Geschichte der Antike in einhundert Städten hätte ihren Reiz, sie würde die Unterschiede in Architektur und Planung herausarbeiten, sie könnte ein Gerüst liefern, um das herum man Berichte von Gründungen und Belagerungen, Feuer und Seuchen, imperialen Umbauten und so weiter anordnen könnte. Allerdings würde sie unvermeidlich die Aufmerksamkeit auf die größten, die glänzendsten und die am besten dokumentierten Beispiele – also auf die ungewöhnlichsten und untypischsten Städte lenken. Eine Abfolge von Fallstudien würde außerdem womöglich das Vergehen der Zeit verdunkeln. Viele antike Städte waren tatsächlich sehr antik. Athen war über fast viertausend Jahre hinweg kontinuierlich bewohnt. Rom, Neapel, Marseille und Alexandria sind nach wie vor große Städte, dabei sind sie weit über zweitausend Jahre alt. Die Geschichte des mediterranen Urbanismus ist keine Abfolge von Städten, sondern eine Abfolge von urbanen Welten, in denen einige dieser Städte entscheidende Rollen spielten. Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, von einer Reihe von Typen auszugehen: die griechische Stadt, die etruskische Stadt, die frührömische Kolonie und so weiter. Es gab einige erfolgreiche Bücher dieser Art, unter anderem den italischen Klassiker Storia dell’Urbanistica, doch mein Interesse ist eher soziologischer als architektonischer Natur. Am reizlosesten war die Vorstellung, ein bereits bekanntes historisches Narrativ – mit dem Schwergewicht auf der Ausstrahlung von Städten – ein weiteres Mal zu erzählen. Politische Geschichte spielt in dieser Darstellung keine zentrale Rolle. Für einen Großteil der behandelten Zeit gilt, dass es keine Staaten gab, keine Regierungen, keine Politiker und keine Bürger. Ab und an werden Individuen auftreten, überwiegend ist dies jedoch eine Darstellung von menschlichen Gemeinschaften, vom Menschen-Tier und seinen Begleit-Arten.

Dieses Buch folgt einer explizit evolutionären Agenda. Ich werde im weiteren Verlauf näher darauf eingehen, worin ich die Vorteile dieser Herangehensweise sehe, und ich überlasse es letztlich den Lesern zu entscheiden, in welchem Ausmaß sie sich als nützlich erwiesen hat. Zu Beginn sollte ich jedoch ausführen, was ich damit meine. Urbanismus wurde in letzter Zeit zu einem zentralen Teil der Erfahrung der Spezies Mensch, und Städte wurden zu einer der bevorzugten Nischen unserer Spezies. Als »letzte Zeit« bezeichne ich die letzten zehntausend Jahre – also den größeren Teil des Holozäns, das mit dem letzten Rückgang der Gletscher einsetzte. Die Evolutionstheorie bietet eine Möglichkeit, Wandel als Ergebnis von selektivem Druck auf...

Erscheint lt. Verlag 13.4.2022
Übersetzer Susanne Held
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Vor- und Frühgeschichte / Antike
Geschichte Allgemeine Geschichte Vor- und Frühgeschichte
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Schlagworte Ackerbau • Alexandria • Antikes Griechenland • Antikes Rom • Antiochia • Assyrer • Athen • Etrusker • Göbekli Tepe • Jericho • Jerusalem • Karthago • Knossos • Kolonisation • Korinth • Mesoamerika • Mesopotamien • Milet • Mythologie • Normaden • Pergamon • Persepolis • Rom • Römisches Reich • Siedlungen • Smyrna • Sparta • Stammeswesen • Sumerer • Syrakus • Theben • Troja • Ur • Urbanistik • Uruk • Viehzucht • Wildbeuter • Zweistromland
ISBN-10 3-608-11842-X / 360811842X
ISBN-13 978-3-608-11842-1 / 9783608118421
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