Nagomi (eBook)

Der japanische Weg zu Harmonie und Lebensfreude

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
176 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8238-0 (ISBN)

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Nagomi -  Ken Mogi
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Nagomi bringt Leichtigkeit, Harmonie und Glück in dein Leben. Ken Mogi erklärt hier dieses tief im japanischen Alltag verwurzelte Lebensprinzip. Menschen, die nagomi erlangt haben, wissen, dass zum Glück auch das Unglück, zur Liebe auch der Verlust, zum Altruismus auch der Eigennutz und zum Vergnügen auch die Arbeit gehören. Und dass man nur dann ein harmonisches Leben führen kann, wenn es einem gelingt, alle Anteile des Lebens nicht nur zu akzeptieren, sondern auch in Balance miteinander zu bringen. Das ist der japanische Weg zur Lebensfreude.

KEN MOGI ist Neurowissenschaftler und Autor. Er studierte Natur- und Rechtswissenschaften in Tokio und Cambridge. Er lehrt an Universitäten und veröffentlicht wissenschaftliche Texte sowie eine Vielzahl von Romanen, Essaybänden und populärwissenschaftlichen Sachbüchern, die in Japan regelmäßig auf der Bestsellerliste stehen und sich insgesamt eine Million Mal verkauft haben. Sein Buch >Ikigai. Die japanische Lebenskunst< ist in Deutschland und vielen anderen Ländern ein Bestseller.

 

Wir wollen mit einem greifbaren Beispiel für nagomi anfangen: dem Essen.

Japan ist für seine kreative Verwendung von Nahrungsmitteln bekannt. Seine Küche gehörte schon immer zu den besten der Welt und ist sowohl in geschmacklicher als auch in gesundheitlicher Hinsicht sehr ausgewogen.

Nagomi steht im Zentrum der japanischen Kochphilosophie und ihrer Techniken. Exemplarisch hierfür ist kaiseki, womit das richtige Verhältnis der Zutaten eines Gerichts zueinander gemeint ist. Bei kaiseki geht es darum, die verschiedenen Gaben der Natur zur Geltung zu bringen; in diesem Zusammenhang stellt nagomi den Oberbegriff für den japanischen Ansatz dar, mit Speisen Harmonie zu erzeugen.

Im westlichen Außenbezirk von Japans alter Hauptstadt Kyoto liegt die Arashiyama-Region, die für ihre atemberaubend schönen Wanderwege zwischen Bambuspflanzen und beschaulichen Tempeln bekannt ist. Am Ufer des Oigawa, nahe der »Mondüberquerungs-Brücke« (Togetsukyo), befindet sich das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Kyoto Kitcho Arashiyama. Es wird von Küchenchef Kunio Tokuoka, einem Enkel des Gründers Teiichi Yuki, mit Stolz geführt. Sollten Sie jemals das Glück haben, eine Reservierung in diesem weltberühmten Restaurant zu bekommen, dann machen Sie sich auf wahre kulinarische Kunst gefasst. Yuki war der erste professionelle Koch, der als »Person mit besonderen kulturellen Verdiensten« eine Medaille von der japanischen Regierung verliehen bekam, und zwar für seine Bemühungen, das Konzept von kaiseki zu modernisieren. Er wird als Pate der heutigen japanischen Kaiseki-Gepflogenheiten betrachtet, die inzwischen zu den wichtigsten kulinarischen Errungenschaften der Welt zählen.

Die Kaiseki-Küche hat ihren Ursprung in der großen Tradition der japanischen Teezeremonie und ist ein perfektes Beispiel für die praktische Anwendung von nagomi. Dabei geht es vor allem um die Harmonie zwischen verschiedenen sensorischen Elementen: Zunächst soll das Auge mit einer sorgsam arrangierten Choreografie der Zutaten erfreut werden, danach wird die Zunge mit exquisiten Aromen beglückt. Bei kaiseki werden Ingredienzien aus allen Bereichen von Land und Meer zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt. Dabei wird besonders viel Wert auf ansprechende Farben und Formen der Anordnung sowie auf die für Japan so typische Saisonalität gelegt.

Kenichiro Nishi, der berühmte Küchenchef des hervorragenden Restaurants Kyoaji in Tokio, vertraute mir einmal an, das Geheimnis seiner Kochkunst liege darin, dass er die Jahreszeiten ernst nehme. In Japan werden die Jahreszeiten sehr differenziert wahrgenommen, und es gibt spezielle Wörter, um ihre verschiedenen Phasen zu beschreiben. Hashiri etwa bezieht sich auf den Beginn einer Jahreszeit, wenn die neuen Zutaten langsam auf den Markt kommen. Nagori bezeichnet hingegen das Ende der Saison, wenn die frischen Nahrungsmittel immer rarer werden. Hashiri und nagori werden von Feinschmeckern gleichermaßen geschätzt und herbeigesehnt, und wichtige Speisekomponenten werden zu unglaublich hohen Preisen gehandelt.

Nishi war allerdings davon überzeugt, dass die Zutaten in der Mitte der Saison (sakari) am wohlschmeckendsten seien. Zu diesem Zeitpunkt sind sie in großen Mengen erhältlich, weshalb die Kosten niedriger sind. Nishis Ansicht nach besteht die Aufgabe eines japanischen Kochs nicht darin, viel Aufhebens um seltene Ingredienzien zu machen und den Kunden horrende Preise dafür zu berechnen, sondern vielmehr darin, das Beste aus den einzelnen Bestandteilen zu machen, wenn sie reichlich vorhanden sind. Kaiseki – auch wenn es manchmal sehr teuer sein kann – ist eigentlich eine recht schlichte Küche mit den gebräuchlichsten Zutaten vom Land und aus dem Meer. Sie beruht auf einer bescheidenen und doch kreativen Kombination von Gaben der Natur; alle Aufmerksamkeit wird dem gewidmet, was einfach erhältlich ist. Kaiseki ist ebenso eine Geisteshaltung wie eine Art der Nahrungszubereitung, denn auch normale japanische Alltagskost kann den Geist von nagomi enthalten.

Beinahe alle Gerichte in Japan gelten als okazu (»Beilage«) zu Reis. Wenn Sie in einem japanischen Gasthaus (ryokan) übernachten, wird zum Frühstück typischerweise eine Auswahl an Speisen serviert, darunter Eingelegtes, nori (Meeresalgen), gebratener Fisch, mariniertes Gemüse, gewürztes Fleisch und natto (fermentierte Sojabohnen), zusammen mit dem allgegenwärtigen und beinahe obligatorischen Reis und der Miso-Suppe. Die meisten Lebensmittel auf einem japanischen Frühstückstisch sind so zubereitet, dass sie in Kombination mit Reis besonders gut schmecken. Mit anderen Worten: Diese Gerichte sind für den Verzehr mit Reis gedacht.

In Japan bringen Eltern ihren Kindern bei, beim Frühstück Reis und okazu abwechselnd zu essen, um das bestmögliche Geschmackserlebnis zu erzielen. Man kann auch mehr als ein okazu zusammen mit dem Reis essen, um eine Vielzahl von Zutaten gleichzeitig zu erschmecken. Diese Praxis, kounaichoumi (»im Mund kochen«) genannt, ist eine wunderbar greifbare Verkörperung von nagomi. Kein Geschmack steht für sich allein. Wenn man mit nagomi kocht und isst, müssen zwei Zutaten im Mund nicht miteinander konkurrieren. Vielmehr sollen die Aromen so kombiniert werden, dass sie sich auf der Zunge verbinden, um beim Esserlebnis die größtmögliche Harmonie zu erreichen.

Die berühmte japanische Bentōbox ist ein visueller Ausdruck der Methode des kounaichoumi und der dahinterstehenden Nagomi-Philosophie. In einer typischen Bentōbox befinden sich eine Portion Reis, oft in quadratischer Form, sowie mehrere Beilagen, die fein säuberlich wie die Teile eines Puzzles angeordnet sind. Ein »Hauptgericht« gibt es dabei nicht; alles wird in ordentlichen kleinen Portionen arrangiert und soll gut mit dem Reis harmonieren. Wie viele verschiedene Zutaten eine solche Box enthält, spielt keine Rolle, solange diese nur zusammen mit dem Reis nagomi erzielen. Es gibt auch eine elegantere Bentōbox namens shokado, die mit dem Geist des kaiseki verknüpft ist. Ursprünglich stammt sie aus dem Haus Shokado mit seinen Gärten im südlichen Außenbezirk von Kyoto; mittlerweile steht sie für raffinierte Küche im Bentō-Format. Viele gehobene Restaurants bieten Shokado-Bentō jenen Gästen an, die schnell etwas essen oder eine feine Mahlzeit mitnehmen wollen.

Die Zubereitung einer Bentō-Box war in Japan immer schon eine ernste Angelegenheit. Es ist hier nicht damit getan, ein paar belegte Brote und einen Apfel in eine braune Papiertüte zu stecken, wie es in manchen Teilen der Welt üblich ist. Um die Zubereitung wird so viel Aufhebens gemacht, dass es sogar Bücher über die Kunst der Bentōbox-Gestaltung gibt.

Das wichtigste Prinzip ist die Zubereitung verschiedener Zutaten in kleinen Portionen. Reis steht dabei immer im Mittelpunkt und vereint die anderen Komponenten. Den Reis können Sie auch durch andere Grundnahrungsmittel ersetzen, die in Ihrem örtlichen Supermarkt erhältlich sind, wie Brot, Nudeln, Kartoffeln, Couscous oder Ugali. Wenn Sie diverse Beilagen in kleineren Mengen zubereiten und sie zusammen mit dem Reis oder einem Grundnahrungsmittel Ihrer Wahl anrichten, haben Sie bereits die Essenz von kaiseki oder shokado erreicht. Nun müssen Sie nur noch nagomi erzielen – durch Ihr kounaichoumi, das »Kochen im Mund«!

Essen, das auf diese Weise serviert wird, sieht nicht nur ansprechend aus, die Kaiseki- und Bentō-Formate veranschaulichen auch mehrere Prinzipien und Vorteile von nagomi und der Methode des kounaichoumi bei der Nahrungsaufnahme. Erstens sorgen sie für die äußerst wichtige ausgewogene Ernährung. Zweitens bieten sich dem Koch dadurch viele Möglichkeiten, seine Fähigkeiten mit nur einer Mahlzeit unter Beweis zu stellen. Drittens lassen sich durch die Vielzahl von Zutaten verschiedene Gaben der Natur zusammen anrichten, was eine Ernährungsweise fördert, die im Einklang mit der Umwelt steht.

Eine derartige Herangehensweise ans Essen stößt bei den Bewohnern der Regionen, aus denen die Zutaten ursprünglich stammen, mitunter auf Unverständnis.

Ein interessantes Beispiel dafür sind Gyoza. Die Teigtaschen, die aus China kommen, sind in Japan inzwischen allgegenwärtig. Gaststätten, die sich auf Gyoza spezialisiert haben, werden immer beliebter. Ein Restaurant verkündet sogar stolz: »Gyoza und Bier sind eine Kultur«, was zweifellos mein Lieblingsspruch ist. Außerhalb Japans gelten Gyoza heute als wichtiger Bestandteil der japanischen Küche. Deshalb mag es vielleicht überraschen, dass Gyoza in Japan vollkommen anders zubereitet und gegessen werden als in ihrem Ursprungsland. Und das hat viel mit nagomi und insbesondere mit dem »Im-Mund-Kochen« kounaichoumi zu tun.

Ich habe einmal auf einem Kreuzfahrtschiff ein freundliches Streitgespräch mit einem chinesischen Pärchen geführt. Nein, es ging nicht darum, zu welchem Land irgendwelche umstrittenen Inseln gehören, sondern darum, ob es akzeptabel sei, Gyoza zusammen mit Reis zu essen – also als okazu. Das chinesische Pärchen fand dies unvorstellbar und beharrte felsenfest auf seiner Meinung. Für die beiden stellte es fast eine Art Sakrileg dar. Gyoza seien Gyoza, sagten sie, und sollten für...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2022
Reihe/Serie Japanische Lebensweisheiten
Japanische Lebensweisheiten
Übersetzer Petra Huber, Sara Riffel
Sprache deutsch
Original-Titel The Way of Nagomi. Live a Balanced and Harmonious Life the Japanese Way
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Geisteswissenschaften Psychologie
Technik
Schlagworte Achtsamkeit • Altern • Alternative Medizin • Älter werden • ausgeglichen • Balance • Bento • Besseres ausgeglicheneres Leben • Besseres Leben • Beziehung • Bonsai • Buch gegen Stress • Buddhismus • Demokratie • Diversität • ein ausgeglichenes leben führen • Einfühlungsvermögen • Esoterik • flexibel • flow • Fokus • Freude • Freude an kleinen Dingen • Frieden • Gelassenheit • Geschenk • Geschenkbuch • Geschichte Japans • Gesundheit • Gleichgewicht • Gleichgewicht im Leben • Glück • glücklicher sein • Gyoza • Happiness • Harmonie • Hier und jetzt • hygge • Ikebana • ikigai • innere Kind • Japan • japanische Kultur • Japanische Philosophie • Kintsugi • Klimawandel • Kreativität • lang leben • Leben • Lebensfreude • Lebenslanges Lernen • Lebensratgeber • Meditation • mentale Gesundheit • Philosophie • Psychologie • Resilienz • Ruhe • Selbstfürsorge • Selbstliebe • Selbstwertgefühlt • sich selbst finden • Sinn des Lebens • Spiritualität • Stress • Suche nach Glück • Sushi • Tokio • Trauer • Traurigkeit • Wa • Wabi Sabi • Weisheit • weniger Stress • wie werde ich gelassener • Wie werde ich glücklicher • Wohlbefinden • Work-Life-Balance • Zen • Zufriedenheit • Zufriedenheit steigern
ISBN-10 3-8321-8238-1 / 3832182381
ISBN-13 978-3-8321-8238-0 / 9783832182380
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